Theodor Ickler
Ein Fiasko
Lektüre, Deutung, Analyse der zweiundzwanzigsten Auflage des Duden
Daß nach nur vier Jahren schon wieder ein neuer Rechtschreibduden erscheint, wird vom Verlag mit der Aufnahme von fünftausend neuen Wörtern begründet. Nun sind allerdings Wörter wie "Maschendrahtzaun" nicht unbedingt das, was man im Rechtschreibwörterbuch nachschlägt, zumal "Maschendraht", "Drahtzaun" und ein Dutzend weitere Zusammensetzungen seit je angeführt sind. (Leider fehlt die in derselben Branche berühmt gewordene "Nußecke", bei der man sich gern von der reformgemäßen Trennung "Nusse-cke" überzeugen würde.) Der wahre Grund ist vielmehr, daß der Duden etwas nachzuholen und gutzumachen hat. Die orthographische Substanz ist im Vergleich mit der vorigen Auflage, aber auch gegenüber der amtlichen Neuregelung tiefgreifend verändert.
Die Selbstkorrektur betrifft vor allem einen sehr bekannt gewordenen Fehler, den die Reformer der Dudenredaktion in die Schuhe schieben wollen. Zu Unrecht, wie gerade die Neubearbeitung beweist. Der Duden hatte nämlich den äußerst vage formulierten Paragraphen 34 der amtlichen Regelung so interpretiert, daß "wiedersehen" und zwei Dutzend ähnliche Verben künftig getrennt zu schreiben seien. Das bereits am 2. Juli 1996 – also einen Tag nach der Wiener Absichtserklärung – in die Buchläden gelangte Bertelsmann-Wörterbuch setzte die Neuregelung nur halb um und hatte nicht bemerkt, daß bei "wiedersehen" ein Problem verborgen liegen könnte. In einem nicht gekennzeichneten, stark umgearbeiteten Nachdruck führte Bertelsmann noch im selben Jahr die Getrenntschreibung "wieder sehen" sowie zahlreiche weitere Angleichungen an den Duden ein. Vom Duden drang der Irrtum in nahezu alle Wörterbücher, Schulbücher, Kinderbücher sowie - mehrere Jahre nach Aufklärung des Irrtums - in die Schreibung der Nachrichtenagenturen und der Zeitungen ein. Betroffen sind bis zu dreitausend Wortformen pro Jahrgang einer Tageszeitung.
Nach vier Jahren korrigiert Duden nun den Fehler - aber wie? Es ist verblüffend, daß immer noch sieben Verben übrigbleiben, die genau dieselbe Fehldeutung zeigen: "wieder aufnehmen", "wieder aufsuchen", "wieder auftauchen", "wieder einfallen", "wieder einsetzen", "wieder gutmachen" und "wieder herrichten". Hier glaubt die Redaktion, wie der zugehörige Kasten zeigt, weiterhin, daß der Verbzusatz "wieder" die Bedeutung "nochmals", "erneut" habe und daher laut Paragraph 34 getrennt zu schreiben sei.
Das ist natürlich nicht richtig. Wer etwas "wiederherrichtet", muß es nicht zuvor schon einmal hergerichtet haben, sondern versetzt es durch Herrichten in den früheren Zustand zurück; dieselbe Überlegung führt den Duden dazu, bei "wiederherstellen", das unmittelbar auf "wieder herrichten" folgt, die Zusammenschreibung beizubehalten. Man muß nach den Erfahrungen mit dem ersten Bericht und der Mannheimer Anhörung (Januar 1998) leider annehmen, daß auch die Rechtschreibkommission den Zusammenhang immer noch nicht verstanden hat. Hier ist also die nächste Revision fällig. Übrigens wird in einigen Fällen wie "wieder entdecken, auch wiederentdecken" die Schreibweise freigestellt; das ist ebenfalls neu, aber da im jeweils ersten Fall beide Bestandteile ein Betonungszeichen bekommen haben, ist das "auch" zwischen ihnen sinnlos; es sind eben keine Schreibvarianten, sondern verschieden gebaute Ausdrücke.
Das Durcheinander, das hier herrscht, wird womöglich noch überboten durch die notorisch wirre Darstellung der Zusammensetzungen mit "wohl-". Wieder versucht die Reformertruppe die Einwände der Kritiker zu berücksichtigen, indem sie bei Steigerbarkeit "auch" Zusammenschreibung zuläßt. Insgesamt ist der Bereich der Getrenntschreibung noch größer geworden: "wohl genährt" und einige andere sind hinzugekommen. Seltsamerweise wird "wohlriechend" nur zusammengeschrieben, "wohlschmeckend" aber auch getrennt (im ebenfalls neuen zehnbändigen Dudenwörterbuch sogar nur getrennt, ebenso wie "wohl riechend"!), "wohltemperiert" darf wieder zusammengeschrieben werden. Der gesamte Bereich hat sich gegenüber der vorigen Auflage stark verändert, aber die einzelnen Schreibweisen bleiben ebenso unvorhersehbar. Warum nur "wohlverdient", aber nur "wohl versorgt"? Dieselbe Willkür herrscht in zwei Dutzend Fällen, eine sinngemäße Übertragung auf nichtverzeichnete Beispiele ist unmöglich. Die Abweichungen vom Zehnbänder zeigen, daß die Redaktion hier alle paar Wochen zu neuen Entscheidungen findet.
Bei "hoch-" herrscht weiterhin ein undurchschaubares Dickicht: "hochauflösend", "hoch empfindlich", "hocherfreut", "hoch begabt, aber auch hochbegabt" (aber wiederum nur "hoch gelehrt"!), "hoch gesteckte" Ziele, aber "hochgesteckte Haare". Ein besonders großer Info-Kasten versucht, die Unterschiede zu erklären, entzieht sich aber durch Umfang und Unfaßbarkeit der Kriterien dem Verständnis. Diesen Kasten sollte man zeigen, wenn wieder einmal davon die Rede ist, daß die Neuregelung das Schreiben erleichtere.
Die amtliche Regelung hatte sich auf das gefährliche Arbeiten mit geschlossenen Listen eingelassen. So war es dazu gekommen, daß "hintenüberfallen" zusammengeschrieben werden sollte, "vornüber fallen" aber getrennt. Das ist korrigiert, die Zusammenschreibung ist jetzt für beides vorgesehen. Wie viele stillschweigende Korrekturen dieser Art es ingesamt gibt, wird sich erst mit der Zeit feststellen lassen.
Die Getrenntschreibung von "schwer behindert", "schwer beschädigt" hatte viel Anstoß erregt. Das neue Werk kennt nur die Zusammenschreibung, während das amtliche Regelwerk ausdrücklich nur "schwer behindert" zuläßt. Dagegen bleibt es bei "schwer beladen", "schwer bewaffnet", "schwer verletzt" und einigen anderen. Daß der Duden neben dem grammatisch korrekten "schwer Bewaffneten" oder "schwer Verletzten" jeweils auch "Schwerbewaffneter" und "Schwerverletzter" zuläßt, ist eine Konzession an den üblichen Sprachgebrauch, die ebenfalls keine Rechtfertigung im amtlichen Regelwerk findet. Um dies mit dem Schein einer Begründung zu versehen, haben einige Reformer eine abenteuerliche grammatische Regel erfunden: Bei Substantivierung tritt fakultativ Großschreibung ein.
Keine Grammatik kann dem zustimmen, und die beiden Schweizer Kommissionsmitglieder, die etwas von Grammatik verstehen, haben schon vor Jahren in einer Dudenpublikation darauf hingewiesen, daß es eine solche Regel nicht geben kann. Der Substantivierung "Schwerverletzter" müßte auf jeden Fall das Adjektiv "schwerverletzt" zugrunde liegen, aber das hat die Reform aus dem deutschen Wortschatz entfernt. Besonders kompliziert wird es bei "notleidend"; das darf nur noch getrennt geschrieben werden: die "Not leidende" Bevölkerung, "die Bevölkerung war Not leidend" (was übrigens grammatisch falsch ist), nur im Bankwesen wird weiterhin von "notleidenden Krediten" gesprochen, auch dies ohne Rückhalt im Regelwerk, und bei Substantivierung tritt nach jener wundersamen Regel neben die "Not Leidenden" der altbekannte "Notleidende".
Noch ein kapitaler Fehler der Neuregelung ist nicht korrigiert: Es soll weiterhin nur die Großschreibung erlaubt sein bei "Schifffahrt ist Not", "erste (sic) Hilfe tut Not". Noch krasser ist natürlich das Beharren der Reformer und damit auch des Dudens auf der grammatisch falschen Großschreibung bei "Leid tun" und "Recht haben": "so Leid es mir tut", "wie Recht du doch hattest" – wem sich hier nicht die Haare sträuben, dem ist wohl nicht zu helfen. Das zwar seltene, aber doch noch "wohl bekannte" "jemandem feind sein", "freund sein" wird weiterhin als Substantiv mißverstanden: "sie waren einander Feind". Nur der vielbelachte "Spinnefeind" ist zugunsten der Kleinschreibung wieder beseitigt, inkonsequent genug, denn "spinnefeind" ist ja nur eine Steigerung von "feind", das folglich ebenfalls klein geschrieben werden müßte. Die grammatisch falschen Schreibweisen "Bankrott gehen", "Pleite gehen" sind nicht korrigiert, doch dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Reformer einsehen, daß "gehen" nicht mit Substantiven verbunden wird.
Bei neuen Schreibungen mit "schwer-" wird auch die bisherige falsch dargestellt. Es wird nämlich behauptet, in "alter" Schreibung habe es anstelle des neu vorgeschriebenen "schwer verständlich" nur "schwerverständlich" gegeben. Der alte Duden kannte aber sehr wohl auch Getrenntschreibung, nämlich bei "eine sehr schwer verständliche Sprache" sowie prädikativ: "das ist schwer verständlich" (jeweils mit eigener Betonung aller Teile). Die Dudenredaktion macht ihr früheres Werk hier schlechter, als es war. Natürlich ist es auch grundsätzlich unzulässig, die Schreibweise "schwer reich" mit Betonung beider Teile als Ersetzung für "schwerreich" mit Betonung auf dem ersten Teil allein auszugeben. Dieser Fehler betrifft eine ganze Reihe Wörter. Das amtliche Wörterverzeichnis kennt nur noch "hart gesotten", der Duden stellt ihm den "hartgesottenen" Sünder zur Seite, wozu sich beispielsweise die neubearbeitete Bertelsmann-Rechtschreibung noch nicht entschließen konnte. Das "frisch gebackene" Ehepaar muß hingegen noch eine "Zeit lang" (aber wie lang ist eine Zeit?) auf seine Wiedervereinigung warten.
Die amtliche Neuregelung sieht eine ganze Reihe von neuen Aufspaltungen wie "Schwindel erregend" vor, das auch nach dem Duden von 1996 nur noch getrennt geschrieben werden durfte. Nur "grauenerregend" war als Ausnahme angeführt. Solche erratischen Einträge gibt es im amtlichen Wörterverzeichnis mehrere; zum Beispiel müssen alle Zusammensetzungen, deren erster Bestandteil auf "-ig", "-lich" oder "-isch" endet, aufgespalten werden ("fertig stellen" und andere), nur "richtiggehend" nicht. Nachdem die Kritiker jahrelang auf die Untunlichkeit der Getrenntschreibung im Falle der Steigerung ("noch Schwindel erregender") hingewiesen hatten, wollten die Reformer diese mißglückte Regelung ändern. Das wurde ihnen von den Kultusministern untersagt, aber die neuesten Wörterbücher haben die Korrektur dennoch durchgeführt.
Zum Erstaunen der Benutzer kennt der neue Duden wieder beide Schreibweisen: man kann zwischen "Schwindel erregend" und "schwindelerregend" wählen, und bei Steigerung ist Zusammenschreibung obligatorisch. Es ist alles wie früher, und man fragt sich, warum die Getrenntschreibung noch in Rotdruck erscheint, denn die gab es früher auch schon (zum Beispiel wurde "starken Schwindel erregend" nie anders geschrieben). Von dieser Revision sind zahlreiche Wörter wie "aufsehenerregend" oder "besorgniserregend" betroffen. In all diesen Fällen hat die Kommission sich dem Argument gebeugt, daß die Steigerbarkeit eine zusammengesetzte Grundform erfordert. Um so überraschender wirkt es, daß auch "musikliebend" (neben der schwerfälligen Neuschreibung "Musik liebend") wiederhergestellt ist - gewiß ein Gewinn für die deutsche Sprache, aber ohne jede Grundlage im amtlichen Regelwerk.
Die Wörter "blutbildend" und "blutsaugend" können anders als 1996 wieder ebenso geschrieben werden wie "blutreinigend" und "blutstillend", also zusammen, obwohl dies dem amtlichen Regelwerk klar widerspricht. Doch hat dieser ganze Bereich eine empfindliche Lücke: An keiner Stelle erfährt der Benutzer, daß es grammatisch falsch ist zu sagen: "dieser Stoff ist Wasser abweisend" (siehe auch "Hitze abweisend"). Die Reformer haben das bis heute nicht verstanden, und die Dudenredaktion hat die betreffenden Regeln sogar aus der Dudengrammatik entfernt, um den Kultusministern gefällig zu sein und die Rechtschreibreform nicht durch elementargrammatische Einsichten zu gefährden.
Die Verbindungen "vielsagend" und "vielversprechend" sind wiederhergestellt, die Getrenntschreibungen zu Varianten herabgestuft, während die amtliche Regelung und der vorige Duden nur die Getrenntschreibung zulassen wollten (mit der fatalen Folge "am viel versprechendsten"!). Leider ist dieselbe Korrektur bei "nichtssagend" und einigen weiteren Wörtern versäumt worden; wir haben also "nichts sagend", "am nichts sagendsten". Kaum zu glauben, aber amtlich.
Wie unhaltbar die gegenwärtige Lage ist, läßt sich auch am Beispiel "zufriedenstellend" erläutern. Diese Zusammensetzung soll es nicht mehr geben, aber im Komparativ und Superlativ ist sie plötzlich wieder da: "zufrieden stellend", aber "zufriedenstellender, am zufriedenstellendsten". Steigerungsformen ohne Grundform - ein Novum in der deutschen Grammatik, dem der Duden einen besonderen "Info-Kasten" widmet.
Sehr seltsam steht es auch um das Wort "nochmal", das als umgangssprachliche Variante von "noch mal" vorgestellt wird. Das amtliche Regelwerk schreibt "nochmal" vor (allerdings in Paragraph 55 an einer unerwarteten Stelle, so daß es vom ersten Reformduden übersehen wurde). Das Wort "selbstständig" ist keine Schreibvariante zu "selbständig", sondern ein anderes, jüngeres und ziemlich kakophones Wort.
Neben der Neuschreibung "das Hohe Lied", "der Hohe Priester" sind auch die Zusammenschreibungen wiederhergestellt ("Hohelied", "Hohepriester"), von denen das amtliche Regelwerk nichts wissen wollte. Allerdings ist der Eingriff in die Kirchensprache ohnehin eine unzulässige Überhebung. Das gilt auch für "allein selig machend" - es ist ein Wunder, daß die Kirchen diese Bevormundung hinnehmen.
Auch bei der Groß- und Kleinschreibung wird die bisher gültige Regelung nicht korrekt wiedergegeben. So behauptet der neue Duden, bisher habe es nur "deutsch sprechende Ausländer" gegeben, während die Neuregelung sowohl "deutsch (wie?) sprechende" als auch - rotgedruckte - "Deutsch (was?) sprechende" vorsehe. Aber genau dies war auch dem alten Duden zu entnehmen.
Die amtliche Neuregelung schreibt zwingend vor, daß substantivische Bestandteile mehrteiliger Fremdwörter groß geschrieben werden, also "Ultima Ratio", "Dolce Vita", "Herpes Zoster"; alternativ kann das gesamte Gebilde als "Zitatwort" wie in der Originalsprache geschrieben werden: "ultima ratio". Der Korrekturvorschlag der Kommission vom Dezember 1997 wollte auch die Binnenkleinschreibung wiederzulassen, das wurde aber nicht genehmigt. Gleichwohl führt der Duden jetzt in ausgewählten Fällen diese nichtamtliche Schreibweise wieder ein: "Agent provocateur" neben "Agent Provocateur".
Die vom Reformer Augst ersonnenen Volksetymologien ("Tollpatsch", "einbläuen", "Zierrat") sind allesamt erhalten und werden ohne Varianten verordnet, obwohl die Kommission, die der Marotte ihres Anführers nur zähneknirschend nachgegeben hatte, schon bereit war, wenigstens einen Teil davon aufzugeben. Nun wird neben "Messner" (der bekanntlich mit der Messe so viel zu tun hat wie der Küster mit der Küste) auch die Form "Messmer" vorgeschlagen, von der das amtliche Regelwerk noch nichts weiß.
Die Schreibung von drei gleichen Buchstaben ("helllicht") ist einigermaßen harmlos; Jacob Grimm zählte sie zum Pedantischen in der deutschen Sprache, und die bayerische Schulorthographie sah schon vor hundert Jahren durchgehende Vereinfachung vor. Die Reform stemmte sich auch hier gegen die natürliche Entwicklung und bescherte uns jede Menge Dreifachschreibungen. Duden empfiehlt zur Entzerrung des selbstgeschaffenen Buchstabenklumpens den Bindestrich: "Brenn-Nessel", "Still-Legung", was aber den Eindruck des Pedantischen und Schwerfälligen eher noch verstärkt.
Die Silbentrennung hatte sich überraschenderweise zu einem Hauptproblem für die Wörterbuchmacher entwickelt, nicht zuletzt deshalb, weil das amtliche Wörterverzeichnis sich die Angabe der Trennstellen erspart. Nach vielem Streit und einigen Bereinigungsversuchen haben die Wörterbücher nun die Flucht nach vorn angetreten: Um sich von der Konkurrenz nicht nachsagen zu lassen, sie unterschlügen Trennstellen, die für den Grundschüler vielleicht zu rettenden Strohhalmen werden könnten, beschlossen sie, alle theoretisch auch nur im entferntesten denkbaren Trennstellen auch tatsächlich anzugeben. Wir finden daher all jene grotesken Trennungen wieder, die ganz zu Beginn der Debatte das Gelächter der Zeitgenossen auf sich gezogen hatten: "Berga-horn", "Lust-ration", "Obst-ruktion"; es fehlt weder an "Omüll" ("Bi-omüll") noch an "Orollern" ("De-oroller"). Die Reformer werden nicht müde, darauf hinzuweisen, daß man solche Trennungen nicht anwenden müsse, wenn sie einem nicht gefallen, und der Duden rät ausdrücklich davon ab. Aber warum führt man Regeln ein, vor deren Anwendung man gleich wieder warnen muß? Und wie programmiert man solchen Stuß?
Nach welchen Grundsätzen Eigennamen aufgenommen sind, ist so unklar wie bei früheren Ausgaben. Man findet "Clinton" und "Mitterrand", "Honecker" und "Thatcher", "Mandela" und "Thälmann", aber weder "Kohl" noch "Schröder" und nicht einmal "Ludwig Erhard", dessen Nachname orthographisch durchaus nicht unproblematisch ist. Nach dem traditionellen, gar zu wohlfeilen Dudenverfahren der Vergangenheitsbewältigung wird "Hitler" nicht erwähnt, wohl aber "Stalin".
Es ist das besondere Unglück des Verlags, daß die sogenannte Rechtschreibreform, an deren Durchsetzung er eifrig mitgewirkt hat, just in diesen Tagen ihre schwerste Krise erlebt und daß der Duden, indem er die Selbstkorrekturen der Reformkommission wenigstens teilweise mitvollzieht, zum Niedergang des ungeheuren Unternehmens beiträgt. Im Vorwort wird noch einmal das glorreiche Inkrafttreten beschworen, und das übliche Spiel mit dem Begriff der "Verbindlichkeit" wird noch einmal, vielleicht ein letztes Mal, gespielt: "Ab August 2005 werden die neuen Regeln und Schreibungen allein verbindlich sein."
Nein, das werden sie nicht, denn: "Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben" (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998).
F.A.Z., 11. 8. 2000
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