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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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30.07.2007
 

Zyniker Zehetmair
„Da wird jede Auflage Neuerungen haben, weil man dem Volk aufs Maul schaut!“

Das Maß ist voll! Zehetmair sollte zurücktreten!

dpa berichtet:

»Am 1. August gelten die neuen Rechtschreibregeln, die in vielen Fällen Varianten zulassen, verbindlich; die Übergangsfrist in den Schulen läuft dann ab. Politische Beschlüsse zu neuen Schreibweisen seien nicht unbedingt notwendig, meinte Zehetmair. Er glaube vielmehr, dass die Wörterbuchverlage im Dialog mit dem Rat Empfehlungen geben werden. „Da wird jede Auflage Neuerungen haben, weil man dem Volk aufs Maul schaut!“
Der bis 2010 bestellte Rat wird künftig Veränderungen in der Alltagssprache genau beobachten. „Sprache bewegt sich immer, weil sie lebendig ist“, sagte Zehetmair. Besonderes Augenmerk wird der Rat auf Worte wie „Gämse“ (alt: „Gemse“) und behände (alt: „behende“) richten sowie auf Bezeichnungen fremdsprachigen Ursprungs wie „Frisör“ (alt: „Friseur“).«

Es ist geradezu unanständig, mit welcher Selbstgefälligkeit Zehetmair seit nunmehr zwölf Jahren dieselbe Unkenntnis der von ihm durchgeboxten Rechtschreibreform zur Schau stellt („Frisör“).

Außerdem trifft es nicht zu, daß weitere Neuerungen keiner politischen Entscheidungen mehr bedürften. Der Rechtschreibrat kann nur Vorschläge machen, sie müssen stets von den Kultusministern beschlossen werden.

Das ärgste ist aber, daß bis zu weiteren Maßnahmen des Rates die jetzt „verbotenen“ Schreibweisen auf Kosten unschuldiger Kinder geahndet werden. Das scheint den ehemaligen Kultusminister nicht im mindesten zu stören.

Die Agentur übernimmt auch die – von Zehetmair selbst in die Welt gesetzte – Falschmeldung, der Rechtschreibrat sei bis 2010 eingesetzt.



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Kommentare zu »Zyniker Zehetmair«
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Kommentar von Thedor Ickler, verfaßt am 11.07.2020 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#43907

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#42399 und zum Schutz von Markennamen hier noch eine Kuriosität aus aktuellem Anlaß (Massenbesäufnis von unmaskierten Deutschen auf Mallorca):

https://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Panorama/Annette-und-Andre-Engelhardt-wurden-mit-dem-Begriff-Ballermann-reich
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.11.2019 um 10.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#42399

Ich habe meine Friseurin mal gefragt, was eigentlich gegen "Friseuse" einzuwenden sei. Die Bezeichnung wurde spontan vom ganzen Salon als anzüglich abgelehnt. Ich nehme an, das hängt mit Micky Krauses Ballermannknaller „Zehn nackte Friseusen“ zusammen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.11.2019 um 16.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#42393

Über Frisör echauffiert sich keiner, über Friseuse hingegen schon.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2019 um 06.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#42388

„Aber ob man Friseur mit ö schreibt oder mit eu – wen sollte das aufregen?“
Nichts ist charakteristischer für Zehetmair als diese Banalisierung, mit der er unzählige Pressekonferenzen und Interviews bestritt. Er weiß genau, daß sich noch nie jemand über Frisör aufgeregt hat.
(Seine zweite Nummer war Urin-stinkt. Das war erst recht zum Schmunzeln, nicht wahr?)
Als Minister war er daran gewöhnt, sich nirgendwo sachkundig zu machen, weil er dafür seine Zuarbeiter hatte. Trotzdem mußte er überall mitreden, als verstünde er etwas von der Sache.

Wenn nichts mehr zu retten ist, zieht man den letzten Trumpf aus dem Ärmel: Es ist gut, daß wir darüber geredet haben.
Es sei „über die Wichtigkeit der Sprache diskutiert“ worden, sagte Zehetmair der Deutschen Presse-Agentur. „Das begrüße ich.“ (FOCUS 31.7.18)
Wie kostspielig das Unternehmen in jedem Sinne war, spielt keine Rolle mehr.
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 09.11.2007 um 10.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#10655

Nachtrag: Gustav Freytag, Adalbert Kuhn und die neue Baby-Rechtschreibung

In den ‚Erinnerungen aus meinem Leben’ (Leipzig 1887) würdigt Gustav Freytag die hohe fachliche Kompetenz und die heitere, offene Menschlichkeit seines Berliner Studienkollegen und späteren Indogermanisten Adalbert Kuhn (1812-1881) mit teilnahmsvollen Worten. Dann fährt Freytag fort (S. 124): „Nur in einem Punkte konnte er mich so wenig als die Anderen zu seiner Ansicht bekehren. Er hatte schon als Student für sich die neue Rechtschreibung angenommen, und als im Jahr 1875 die Schulmeister und Babys den großen Sieg über die Schriftsteller und deutschen Leser davon trugen, da war mein alter Freund einer der eifrigsten Vorkämpfer der siegreichen Partei.“
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 02.11.2007 um 11.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#10574

Von Rechtschreibung, Sprachreinigern und der Rolle des Staates – vor 120 Jahren

Ist es erlaubt, ein paar Texte aus dem späten 19. Jahrhundert hierhin zu setzen, in denen sich Zeitgenossen damals aktuellen Fragen der deutschen Sprache widmen? In diesen Texten geht es um die Rechtschreibung und die Bestrebungen eifriger Sprachreiniger, aber zugleich um die Rolle, welche die Politik und damit auch die Schule als ewiger Hampelmann derselben auf diesem Feld spielt. Das gibt den vorgestellten Texten auch 120 Jahre später eine nicht zu übersehende strukturelle Aktualität.
Text 1 stammt vom schriftstellernden Ingenieur Max Eyth (1836-1906). Gut zwanzig Jahre arbeitete er für die Maschinenfirma Fowler in Leeds und kam in deren Auftrag weit herum in der Welt. Nach Deutschland zurückgekehrt, baute Eyth die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) auf, was wegen der starken partikularistischen Interessen und landsmannschaftlichen Eifersüchteleien der Standesvertreter keine geringe Anstrengung bedeutete. Eine Versammlung im Mai 1884 führte zu einer Auseinandersetzung über die Orthographie, in deren Verlauf auch der Name des ehemaligen Kultusministers Puttkamer (in diesem Amt von 1879 bis 1881) fiel, freilich nicht ohne Verachtung. Eyth schildert sie in seinen zwischen 1904 und 1906 erschienenen Lebenserinnerungen ‚Im Strom unserer Zeit’. Ich zitiere nach der Ausgabe Düsseldorf (VDI-Verlag) 1985, hier aus dem Teil „Meisterjahre“, S. 100.
Die Texte 2 und 3 geben einen im Februar 1889 geführten Briefwechsel zwischen dem Historiker Heinrich von Treitschke (1834-1896) und Gustav Freytag wieder. Treitschke ersucht Freytag, eine förmliche Erklärung wider die Sprachreiniger zu unterschreiben und sich damit anderen namhaften Zeitgenossen anzuschließen, die bereits unterzeichnet hätten, unter ihnen auch Theodor Fontane. In seinem Schreiben geht Treitschke kurz auf die Orthographie ein, und auch hier fällt, wieder nicht ohne Verachtung, der Name Puttkamer. (Weiß jemand etwas von den späteren angeblichen Schamgefühlen des Kultusministers?) Freytag, der gerade „hier am Rhein“ in Wiesbaden weilt, antwortet mit wohlwollender Zurückhaltung.
Angemerkt sei, daß der von ihm erwähnte Daniel Sanders (1819-1897) als Verfasser mehrerer Wörterbücher hervorgetreten war. Beide Briefe sind dem Buch ‚Gustav Freytag und Heinrich von Treitschke im Briefwechsel’ (Leipzig 1900), S. 198-202 entnommen. Daß darin lachend mehrere Schreibungen begegnen, die durch die Reformen 1996ff. aus ihrer Gruft gehoben und wiederbelebt worden sind, dürfte in diesem Forum niemanden verwundern. Der Wortlaut der seinerzeit vom Literarhistoriker Erich Schmidt (1853-1913) entworfenen Erklärung, gegen deren abschließende Formulierungen Gustav Freytag gewisse Vorbehalte hatte, liegt mir übrigens nicht vor. Auch weiß ich nicht, was aus der Aktion des Jahres 1889 überhaupt geworden ist.
Erhellendes zum Gegenstand von Treitschkes Schreiben bietet Text 4, ein Zitat aus Theodor Fontanes Brief an Julius Rodenberg vom 29. Oktober 1891 sowie die beigefügte Erläuterung des modernen Herausgebers. Der Text ist genommen aus: Theodor Fontane, Briefe an Julius Rodenberg. Eine Dokumentation, hg. von Hans-Heinrich Reuter (Berlin u. Weimar 1969), S. 49 und 235.


Text 1: Max Eyth, Im Strom unserer Zeit:

Kaum hatten wir Platz genommen, so brach zu meinem Schrecken ein heftiger Streit los, der eine unbezahlbare halbe Stunde kostete. Die für landwirtschaftliche Bestrebungen hochwichtige Frage war zu entscheiden, ob der Reichsverein am alten orthographischen Glauben festzuhalten habe oder dem staatlichen Revolutionär Puttkamer nachfolgen solle. Entrüstet erhob sich ein älterer Geheimrat gegen den Neuerer. Bitter beklagte sich ein andrer, daß ich der Landwirtschaft schon jetzt gewohnheitsmäßig das th entziehe. Umsonst versicherte ich, daß ich als Süddeutscher dies gegen mein eigenes, dem h treu ergebenes Gefühl getan habe in der Hoffnung, hiermit meinen norddeutschen Mitbrüdern auf halbem Weg entgegenzukommen. Dies sei ein Irrtum, wurde mir gesagt; ob ich nicht wisse, was Bismarck von Puttkamer denke? Fast hätte ein in andrer Beziehung hochgeschätzter Herr entrüstet den Saal verlassen, als sich die Versammlung nach erschöpfender Debatte mit der Mehrheit von einer Stimme für den kleinen Puttkamer entschied. Ich aber dachte in aller Stille: großer Wodan, wo werden wir hingeraten, wenn wir in dieser Weise an eine Aufgabe herantreten, von deren Größe wir alle überzeugt sind!


Text 2: Heinrich von Treitschke an Gustav Freytag, 23. Februar 1889:

Verehrter Herr und Freund,
heute komme ich Ihnen mit einer Anfrage, die um baldige Antwort bittet.
Die Narrethei unserer Sprachreiniger droht gemeinschädlich zu werden, seit die Leute sich eine öffentliche Anerkennung des Ministers erschwindelt haben. Goßler ist sehr fleißig und wohlmeinend, für die Wissenschaft der beste Cultusminister, den wir seit Altenstein gehabt haben, aber eigentlich nur in den Naturwissenschaften bewandert, im Übrigen Dilettant und also nach Dilettantenart geneigt, auch in das innere Leben der Sprache und der Wissenschaft, das die Behörden gar nichts angeht, einzugreifen. Darum hat Erich Schmidt die einliegende Erklärung entworfen. Sie soll dem Minister und namentlich auch dem jungen Kaiser zeigen, daß grade die Männer, denen unsere Sprache vertraut und lieb ist, ihr altes stolzes Eroberungsrecht ihr nicht verkürzen wollen. Wir denken aus ganz Deutschland etwa 40 Namen zu sammeln, lauter angesehene Schriftsteller und Redner, nicht allzuviel Professoren. Männer von ganz verschiedener Richtung, Kögel und Harnack, Hehn und Virchow, Klaus Groth, Fontane, W. Jordan haben bereits unterzeichnet. Mommsen, H. Grimm, Rümelin u. A. sind ebenfalls sicher; einige schlechte Stilisten, wie der mir schreckliche Spielhagen, müssen freilich mit laufen. Nun können Sie denken, daß uns an Ihrem Namen das Meiste liegt; ich bitte Sie herzlich darum, denn ich meine, ohne Ihre Unterschrift sollte die Erklärung lieber gar nicht veröffentlicht werden.
Ich liebe solche Erklärungen wenig, zumal da die Sache offenbar zwei Seiten hat und sich in Kürze nicht erledigen läßt. Wir Schriftsteller haben auch nichts zu fürchten, wir schreiben ruhig weiter so gut wir unser Deutsch verstehen, und einmal wird die Fremdwörterjagd doch ihr Ende nehmen gleich allen anderen Moden. Aber für die Schulen besteht eine wirkliche Gefahr. Schon bringen die Schulbuben täglich neue Wortungethüme heim, die ihnen als Verdeutschungen für Revolution, Redaktion u. s. w. eingebläut werden. Hätten wir uns vor zehn Jahren rechtzeitig geregt, so würde Puttkamer seine Orthographie nicht eingeführt haben; hinterher schämte er sich selbst darüber. Sollen wir jetzt zuwarten, bis einige geheime Ober-Schul-Pedanten einen Index verbotener Fremdwörter für die Schulen aufstellen und Ihre Journalisten mit daraufsetzen? Ich glaube sicher, Goßler hält ein, sobald er erfährt, wie die wirklichen Kenner der Sprache urtheilen. Also nochmals, geben Sie uns Ihre Unterschrift; wollen Sie irgend etwas an der Erklärung ändern, so sind wir gern dazu bereit.
In alter Treue Ihr ergebener
Treitschke.


Text 3: Gustav Freytag an Heinrich von Treitschke, 26. Februar 1889:

Lieber Freund.
Es ist ja richtig, daß die Sprachreiniger von der fruchtbringenden Gesellschaft bis über Karl Müller* herab sehr viel Thörichtes verordnen wollten und uns oft lächerlich erscheinen. Dennoch hat die Agitation, deren Vertreter sie waren, weit mehr Segen als Nachtheil gebracht. Denn sie haben Hunderttausende an Perücke und Zopf gezogen und gemahnt auf das deutsche Sprachgut gegenüber den neuen Importen zu achten. Auch die tausend kleinen Pedanten des Sprachvereins, meist Schulmeister, helfen dazu, das Verbummeln der Tagespresse und der Beamtensprache zu bändigen, und wenn sie, wie hier am Rhein merkbar wird, eifrig und gläubig gegen französische Speisekarten und Butikenschilder kämpfen, so mahnen sie auch die Jugend noch auf anderen Gebieten, als dem der Sprache, ihr Deutschthum hochzuhalten. Ich selbst verdanke dieser Polizeiwirthschaft, daß ich aufmerksamer auf den deutschen Ausdruck und sparsamer im Gebrauch der Fremdwörter beim Schreiben geworden bin. Deshalb bin ich geneigt ihre Abgeschmacktheiten mit guter Laune zu betrachten und mich sogar über Daniel Sanders so wenig als möglich zu ärgern.
Nun ich denke, Sie haben im Grunde dieselbe Empfindung und es ist bei uns, wie sonst zuweilen, nur die Nuance, welche Temperament und Alter zutheilen. Wenn die Racker aber für ihre Erfindungen Staatshilfe fordern, so hört allerdings der Spaß auf, und ich bin gern bereit, eine Verwahrung dagegen zu unterschreiben. Nur würde mir gefallen, wenn der vorletzte Satz, den ich eingeklammert habe, wegbliebe, und wenn der drittletzte in der bezeichneten Weise menschenfreundlicher gemacht würde. Das zu Gericht Sitzen über hervorragende Schriftsteller macht den Eindruck, als ob wir uns durch den Lärm dieser Sperlinge angegriffen fühlten.
Für Ihren Brief und Ihre gute Meinung bin ich Ihnen herzlich dankbar.
Immer in Treue Ihr
Freytag.

*Zu Karl Müller merkt Alfred Dove, der Herausgeber des Briefwechsels, S. 201 an: „Karl Christian Müller (1775-1847), teutsch-patriotischer Agitator der napoleonischen Zeit, Jahre lang Vorsitzender der deutschen Sprachgesellschaft in Berlin. Schon 1814 gab er ein ‚Verteutschungs-Wörterbuch der Kriegssprache’ heraus.“


Text 4: Theodor Fontane an Julius Rodenberg (29. Oktober 1891):

Ich richte es nun so ein, daß das Paket mit der Bezeichnung „postlagernd“ (furchtbares Wort; o wie seufze ich nach all dem Fremdländischen zurück) am Montag oder Dienstag in Fulda eintrifft.

Dazu die Erläuterung des Herausgebers Reuter, S. 235: „Die Bezeichnung [sc. postlagernd] war von dem Generalpostmeister Heinrich von Stephan statt des bis dahin üblichen ‚poste restante’ eingeführt worden; Fontane witzelte des öfteren über Stephans sprachliche Reformen auf dem Gebiete des Postwesens ... Fontane hatte bereits etwa 1884 in seinen Aufzeichnungen über Schopenhauer dessen Ausfälle gegen ‚bornierte und pedantische Puristen’ exzerpiert ...; wenige Jahre später distanzierte er sich in einem großen Briefe ausdrücklich von der sogenannten ‚Sprachreinigungsbewegung’: ‚Ich würde das Durchdringen dieser Bestrebungen als ein Unglück ansehen, literarisch gewiß, und dadurch schließlich auch national.’“
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.08.2007 um 23.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9899

Es ist interessant zu sehen, wie Zehetmair die eigene Zukunftsplanung mit dem Schicksal des Rats verknüpft. 2010 will er zurücktreten und, wie es scheint, gleichzeitig den Rat abwickeln. Man wird die Einziehung einiger Varianten wie Krepp (für Crêpe) und Spagetti vorschlagen und auf diese Weise den Wörterbuchverlagen ein paar Neuerungen an die Hand geben. Und dann nachhause gehen, es sei denn, es findet sich jemand, der den Fortbestand dieser Institution sichert.
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 03.08.2007 um 18.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9898

Ich wage mal die Prognose, daß aus dem Rechtschreibrat inhaltlich nichts Neues mehr kommt. Er wird turnusmäßig feststellen, daß die Reform sich weiter durchgesetzt hat. Die "Beobachtung" der Sprachentwicklung im Sinne der Reform dürfte damit bei den Wörterbuchverlagen angesiedelt sein, die sich wohl mehr und mehr vom "amtlichen Regelwerk" entfernen. Ob's einer merken wird? Die Kultusminister bestimmt nicht.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 03.08.2007 um 00.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9887

Ich denke nicht, daß es sich um Schlitzohrigkeit handelt. Vielmehr dürfte es die Ahnungslosigkeit sein, die alle Kultusminister einst und jetzt an den Tag legten bzw. legen, wenn es um die Rechtschreibreform geht.

Ich bin mir auch ziemlich sicher, daß sich Blüml & Co. köstlich amüsieren und ihm für seine Kabarettauftritte sogar dankbar sind, denn schließlich kann ein echter Reformer Kritiker, die sich auf Zehetmair berufen, problemlos widerlegen und lächerlich machen.
 
 

Kommentar von Peter Müller, verfaßt am 02.08.2007 um 23.38 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9886

So schlitzohrig kann selbst Herr Zehetmair nicht sein, daß er ständig in voller Absicht falsche Beispiele bringt - seit der ersten Pressekonferenz ungerührt immer wieder „Restorant“, „auseinander setzen“ und „wohl verdient“. Es ist unfaßbar, daß ihn seine Adlaten nicht davor bewahren, das wäre doch ihre Aufgabe! Ist die Schlitzohrigkeit vielmehr bei ihnen, und sie lassen ihn absichtlich immer wieder damit gegen die Wand fahren?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 31.07.2007 um 00.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9859

Volksweisheit:

Lasset uns am Alten,
so es gut ist, halten.
Aber auf dem alten Grund
Neues bauen Stund um Stund.

Rechtschreibreform:

Lasset uns das Alte
mit etwas Neuem töten.
Der Staat die Sprach verwalte!
Das ist bei Gott vonnöten.
 
 

Kommentar von stst, verfaßt am 30.07.2007 um 21.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9858

Ob Zehetmair die Medien absichtlich verarscht oder ob ihm das passiert, ist schwer von außen feststellbar.
Einfach feststellbar ist hingegen, daß sich die Medien von ihm willig verarschen lassen, und - sie merken's nicht einmal.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.07.2007 um 21.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9857

Zehetmair íst der Erste Aúgust. (Betonung auf "ist" und "Au")

Was die SOK (Schweizer Orthographische Konferenz) festgestellt hat, braucht in Deutschland nicht noch einmal untersucht werden. Außer dem ss für ß kann alles übernommen werden. Schweizer Wertarbeit; verdient mehr Werbung.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 30.07.2007 um 20.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9856

Zehetmair entblößt hier nicht zum erstenmal seine erschreckende Unkenntnis dessen, was er nach außen als Marionette und Erfüllungsgehilfe vertreten soll. So ein Grüßaugust ist doch das Beste, was den Reformbetreibern und Kultuspolitikern passieren konnte. Sieht er eigentlich nicht, daß er eine fremdbestimmte Figur in einer schmutzigen Schachpartie geworden ist? Ein würdevoller Abgang wäre für ihn noch immer möglich.

Recht amüsant finde ich übrigens, daß ich Herrn Zehetmair 1990 tatsächlich einmal die Hand geschüttelt habe, in piekfeiner Umgebung anläßlich eines bundesweiten Schülerwettbewerbs, in dem ich seinerzeit die Endrunde erreicht hatte. Herr Zehetmair hatte unmittelbar nach dem Tiananmen-Massaker nichts Besseres zu tun, als nach China zu reisen und dort den -- na was wohl? -- freundlichen Grüßaugust zu geben. Ich habe damals mit dem Gedanken gespielt, ihm deshalb demonstrativ die Hand zu verweigern, allerdings hat mich dann im entscheidenden Moment der Mut verlassen, weil ich nicht zuviel negative Aufmerksamkeit auf mich ziehen wollte.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 30.07.2007 um 19.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9855

Am 1. August gelten die neuen Rechtschreibregeln also verbindlich, und was ist am 2.?

Aber Spaß beiseite.
Es gibt einen allgemeinen Trend, daß Medien nicht zu berichten versuchen, was ist, und auch entsprechende Recherchen anstellen, sondern lediglich das, was Leute gesagt haben. Hier nähert sich die allgemeine Berichterstattung methodisch der Yellow Press an.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 30.07.2007 um 18.53 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9854

Zehetmair erweckt in seinem Gerede die schon vor langem dahingegangene Biologisierung der Sprache zu neuem Leben. Sein geradezu erschütternder Truismus

„Sprache bewegt sich immer, weil sie lebendig ist“

läßt glauben, Zehetmair wäre nicht einmal im seinem fruchtlosen Rate je einem Linguisten begegnet. Was hat die tagtäglich von allen Sprechern gemeinsam an ihre eigenen Erfordernisse angepaßte Sprache mit der Notwendigkeit der Zerstörung ihrer vordem ganz brauchbaren Schreibung zu tun? Das zum Desaster geratene Unternehmen sollte ursprünglich auch gar nicht der vom Duden geflissentlich übersehenen Schriftentwicklung folgen, sondern die Kleinen in der Schule und ihre Lehrer(innen) beglücken. Gelegentlich euphorisierte es am Ende auch die Eigner der FAZ.

Könnte Zehetmair nicht endlich bekennen, warum er einer zur nationalen Peinlichkeit gewordenen Farce ihr wohlverdientes Begräbnis starrsinnig vorenthält? Nur um ein paar in Gunst des Staates stehenden Verlagshäusern ihren schnöden Mammon zu sichern?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 30.07.2007 um 18.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=884#9853

Das Beispiel „Frisör“ ist, sollte es nicht auf Unkenntnis beruhen, genial gewählt. Da guckt jemand mal ganz unvoreingenommen, was denn früher (= alt) so üblich war und was man heute so alles antrifft. Sprachbeobachtung eben. Ob eine Schreibung sich im Laufe der Jahre in der Praxis durchgesetzt hat oder ob per Dekret ein Phantasieprodukt in die Welt gesetzt und zur verbindlichen Norm erhoben worden ist – wen interessiert das schon? Heute kann man in puncto Rechtschreibung fast allen fast alles weismachen. Es wird erzählt, geglaubt, gedruckt und dann wieder geglaubt. Vielleicht bringt Herr Z. in seinem nächsten Interview das Beispiel „Akkusativ“ (alt: Accusativ). Klingt doch ganz vernünftig, was der Mann sagt. Wir sollten mit der Zeit gehen und uns nicht zwanghaft an das Alte klammern.
 
 

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