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08.01.2006
Schreiben heißt richtig schreiben
(schon immer)
»In unserer Gesellschaft besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass man erst dann wirklich schreiben kann, wenn man richtig schreibt.«
(Eisenberg in der Dudengrammatik 2005:64). – Das ist richtig und ganz natürlich. Aber es gilt nicht erst „in unserer Gesellschaft“. Bereits das Gotische wurde streng einheitlich geschrieben (Krause, Hb. d. Got., S. 36). Das gilt auch vom antiken Schreibunterricht. Unsicherheit und Verwahrlosung ist ein neuzeitliches Phänomen. Es scheint mit dem Übergang vom strikt geregelten Lateinschreiben zu den Nationalsprachen zusammenzuhängen – aber wurde irgendeine europäische Sprache so chaotisch geschrieben wie die deutsche zu Luthers Zeiten und noch ein ganzes Jahrhundert danach? Hängt es mit den politischen Verhältnissen zusammen?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.11.2018 um 16.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=350#40100
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Zufälliger Blick in eine Saarbrücker Antrittsvorlesung (2011):
sie ist also fast zweieinhalb Tausend Jahre alt
die Theorie, um ihrer selbst Willen betrieben
das Genre übergreifende Narrativ
http://universaar.uni-saarland.de/monographien/volltexte/2012/78/pdf/Rede_88.pdf
Da kann man wohl von einer gewissen Verwahrlosung sprechen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2014 um 06.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=350#26876
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Ohne es näher studiert zu haben, staune ich über die orthographische Einheitlichkeit alter Texte (was Herr Markner über alte Drucke sagt, ist eher eine rätselhafte Ausnahme). Ob in China oder Ägypten, Babylon oder Griechenland - schreiben lernen hieß offenbar überall rechtschreiben lernen. Die Abweichungen und Versehen, die von der Textkritik bemerkt werden, fallen gerade deshalb auf, weil sich die einheitliche Norm von selbst verstand. Ich kenne leider kein zusammenfassendes Werk, das diesen Sachverhalt näher untersucht; es ist schon erstaunlich schwer, für einzelne Kulturen etwas Einschlägiges zu finden.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 08.01.2006 um 11.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=350#2127
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Woran man sieht, wie dünn das Eis ist, auf dem wir alle wandeln. Die Funktionstüchtigkeit gesellschaftlicher Systeme und Abläufe wird in erster Linie durch Selbstdisziplin der einzelnen garantiert: also dem ernsthaften sittlichen Bestreben, normgerecht zu handeln. Die Basis ist Freiwilligkeit. Auf Dauer kann das staatliche nicht erzwungen werden - in keinem Lebensbereich. Was allerdings "verordnet" werden kann, ist Disziplinlosigkeit: Sie beginnt zu wuchern, wenn die Staatsmacht Eingriffe in natürliche Regulationsabläufe vornimmt durch Gesetze und Vorschriften, deren Stoßrichtung den inneren Lebensgesetzen zuwiderläuft. Vorschriften, die inkonsistent, unmoralisch, unverständlich oder schlicht unsinnig sind, lassen dem Menschen gar keine andere Wahl, als entweder "ungehorsam" oder "undiszipliniert" zu sein.
Allein die chaotischen Folgen der sog. Rechtschreibreform zeigen, daß auf naive Weise gegen das natürliche Koordinatensystem der Sprache und damit gegen Kultur und Zivilisation verstoßen worden ist. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 08.01.2006 um 10.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=350#2126
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Faszinierend und rätselhaft an sehr alten Drucken ist die orthographische Varianz innerhalb eines Textes. Daß in Straßburg anders gedruckt wurde als in Breslau, ist ja nicht weiter verwunderlich. Aber die Praxis war eben auch an einem Ort, bei einer Offizin, bei einem Autor uneinheitlich, manchmal auf derselben Seite. Das kommt uns nun weniger seltsam vor als noch vor zehn Jahren. Inzwischen begegnen uns Texte, in denen dass neben muß steht. Ist die Norm erst einmal zerrüttet, wird schnell alles möglich, auch das zuvor geradezu Undenkbare.
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