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23.11.2010
Verlagsarbeit
Remarque war gut, Kiepenheuer ist besser
Auf der Internetseite des Verlags Kiepenheuer & Witsch ist nicht ohne weiteres zu erkennen, daß die Taschenbuchausgabe von "Im Westen nichts Neues" (2010) auf die Reformschreibung umgestellt wurde. Hier sind ein paar Beispiele aus den ersten 70 Seiten:
jedes Mal (jedesmal)
die Ersten von uns (ersten)
als Vierter (vierter)
den Übrigen (übrigen)
Mehr noch: Sie sind uns so selbstverständlich (Mehr noch: sie sind …)
Sonderbarerweise war Behm einer der Ersten, die fielen (ersten)
Und wir sahen, dass nichts von ihrer Welt übrig blieb. Wir waren plötzlich auf furchtbare Weise allein; und wir mussten allein damit fertigwerden. (übrigblieb – fertig werden)
vor Kurzem (vor kurzem)
Warum soll deshalb Müller nicht dahinterher sein (dahinter her sein)
dieses wild gewordene Postpferd (wildgewordene)
zuteilgeworden (zuteil geworden)
wenn wir zu ihnen zurückkönnten (zurück könnten)
wer übrig bliebe (übrigbliebe)
gut gelaunte Soldaten (gutgelaunte)
spazieren gehen (spazierengehen)
fertigwerden (fertig werden)
wie viel Mann (wieviel Mann)
allzu viel (allzuviel)
das nächste Mal (das nächstemal)
das Einzige, was ich tun kann (einzige)
nur wenige Hundert Meter (hundert)
—
Wie man sieht, ist kein Prinzip zu erkennen, vieles wäre selbst nach der revidierten Neuregelung nicht nötig gewesen – aber warum macht man das überhaupt?
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.11.2010 um 13.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17293
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Verstanden habe ich diese orthographische Gleichschaltung Remarques auch nicht, zumal sein Werk eigentlich noch nicht frei sein dürfte (er starb 1970). Betreut wird sein Werk und Nachlaß von der Erich Maria Remarque-Gesellschaft (so die Regelung der Bindestriche im offiziellen Namen), die man nun eigentlich dazu befragen müßte (http://www.remarque-gesellschaft.de/).
Bevor nun jemand hier auf abwegige Gedanken kommt, die Gesellschaft selbst präsentiert sich im Internet in der herkömmlichen Rechtschreibung Remarques und des 20. Jahrhunderts ("Rußland", "Nachlaß" usw.), womöglich geht daher die Verhunzung des Buches zulasten des Verlages.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2010 um 13.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17295
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„Das gelobte Land“, der letzte Roman, ist bei K&W gleich in reformierter Rechtschreibung erschienen. Man kann die Veränderungen gegenüber dem Original nicht mehr überprüfen.
Ein anderer Verdacht hat sich nicht bestätigt. In meiner Ausgabe von "Im Westen nichts Neues" (1929) heißt es Ich bewahre mir einen Knust auf; das Weiche esse ich heraus, der Knust bleibt im Brotbeutel. In der besagten Neuausgabe heißt es dagegen eine Kante. Aber das ist anscheinend schon viel früher so geändert worden, wohl weil nicht alle Deutschen den (mir sehr vertrauten) Ausdruck Knust kennen.
Allerdings kommt mir die Kante für das abgeschnittene Ende vom Brot auch nicht richtig vor, man sagt doch wohl meistens der Kanten.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.11.2010 um 15.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17298
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Ich kenne auch nur den Kanten, die Kante als Brotrand ist mir fremd.
Im Erzgebirge sagen wir: is (das) Ranftl
(mit einem kurzen, breit gesprochenen a-Laut, zwischen a und ä)
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.11.2010 um 15.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17299
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In der von Kiepenheuer so genannten „Taschenbuchausgabe mit Materialien“ von „Im Westen nichts Neues“ (mir liegt die 10. Auflage von 2004 vor) findet sich der Roman in herkömmlicher Rechtschreibung. Der Band ist mit Materialien und einem Nachwort von Tilman Westphalen versehen. Ich muß gestehen, daß ich Remarque nicht sonderlich gern lese, weshalb ich von dieser Ausgabe nur einige Bände besitze. Sie sind jedoch sämtlich in der herkömmlichen Rechtschreibung erschienen.
Darf ich daher fragen, was genau für eine Taschenbuch-Ausgabe Sie haben, Herr Ickler?
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Kommentar von R. M., verfaßt am 23.11.2010 um 16.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17300
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Knust ist niederdeutsch, offenbar liegt Osnabrück nördlich des Knäppchen-Äquators.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2010 um 16.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17301
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Die Neuausgabe (meiner Tochter, die den Roman in der Schule liest), nennt sich KIWI Paperback 494, 31. Aufl. 2010, mit Nachwort von Till Westphalen). Sie ist nicht als Schulausgabe gekennzeichnet.
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 23.11.2010 um 22.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17306
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Als Norddeutsches "Urgestein" kenne kenne ich den "Kanten" beim Brot nicht, sondern nur den "Knusten" bzw. "Knust".
Ich habe es gerade nicht zur Hand, aber sollte "fertig werden" nicht nach dem Regelwerk von 1996 verpflichtend getrennt geschrieben werden (analog zu "fertig stellen", wie uns Windows heute noch fragt)?
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 23.11.2010 um 22.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17307
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Ich muß mich gerade korrigieren. Ich habe gerade mit meinem Bruder telefoniert, da hatte ich meinen Kommentar schon abgeschickt. Der hat mir auf die Sprünge geholfen: Das Brotende war "der Kanten". Ich bin wohl schon zu lange vom Norden weg in Hessen.
Asche auf mein Haupt......
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Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 24.11.2010 um 11.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17313
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Bei uns im Osnabrücker Land heißt es nur "Knust" oder "Knüstchen" bzw. auf platt "Knüsken" oder "Kneusken".
Eine "Kante" ist ein vierschrötiger Hüne.
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 24.11.2010 um 22.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17321
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Zu Remarques Roman "Das gelobte Land" ist übrigens noch nachzutragen, daß er zuerst 1998 als Band 2 der insgesamt 5bändigen Ausgabe "Das unbekannte Werk" (herausgegeben von Thomas F. Schneider und Tilmann Westphalen) bei Kiepenheuer & Witsch erschienen war. Ich besitze diese Ausgabe jedoch nicht und kann deshalb keine gesicherten Angaben zur Rechtschreibung machen. Da jedoch der Untertitel "Frühe Prosa, Werke aus dem Nachlaß, Briefe und Tagebücher" z. B. bei Amazon deutlich zu erkennen ist, möchte ich eine Publikation in Reformschrieb bezweifeln: http://www.amazon.de/gp/product/images/346202695X
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Kommentar von Kael, verfaßt am 28.11.2010 um 10.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1371#17354
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Bei uns im Oldenburger Land heißt es Knust...
Der "Lachknust" ist der Anschnitt... wenn das Brot noch frisch und knusprig ist.
Der "Weinknust" ist das Ende vom Brot... wenn es schon zäh und trocken ist.
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