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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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06.07.2008
 

Rhetorik
Der neue Renner – wieder einmal

Beinahe jede Woche werden wir Hochschullehrer aufgefordert, uns hochschuldidaktisch weiterzubilden.
Gegen gutes Geld, das wir privat zahlen müßten, wollen uns junge freiberufliche Rhetorik-Trainerinnen das überzeugende Reden (und manches andere) beibringen. Ob solche Veranstaltungen je zu einer Verbesserung der Lehre geführt haben, weiß ich nicht, wahrscheinlich ist es nie untersucht worden (wie ja auch die Evaluierer, die das Land heute bevölkern, nie evaluiert werden). Es wundert mich ja schon ein bißchen, daß die jungen Damen, von denen sonst weiter nichts bekannt ist, sich anheischig machen, zu unseren Vorlesungen etwas Nahrhaftes beizutragen. Nun, mich betrifft es nicht, ich werde bald pensioniert und ändere mich sowieso nicht mehr.

Das Ganze erinnert mich an einen Gedanken, den einer meiner akademischen Lehrer vor über vierzig Jahren einmal äußerte: Die abendländische Bildungsgeschichte läßt sich als ununterbrochener Konkurrenzkampf von Wissenschaft (Platon) und Rhetorik (Isokrates) auffassen. Das muß man sich mal durch den Kopf gehen lassen. In den Geisteswissenschaften und in der Hochschulpolitik haben im Augenblick die Rhetoriker den Fuß in der Tür. Daher auch die "Schlüsselqualifikationen" in den neuen Studiengängen. Wer hier nachliest, wird sofort die Richtigkeit jenes Gedankens erkennen: Die Versprechungen gleichen aufs Haar denen der alten Sophisten. Bei uns in Erlangen heißt es klipp und klar, daß alles im Dienst der "Employability" steht. Das ist etwas so Erhabenes, daß es kein deutsches Wort dafür gibt.



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Kommentare zu »Rhetorik«
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Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 25.10.2024 um 14.14 Uhr  
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Wo auch immer er Deutschland orten würde, seine Wähler würden ihm blind zustimmen, weil sie selbst keine Ahnung haben. Aber kann man ein Wahlvolk schelten?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2024 um 12.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#54125

Statt eines „kognitiven Tests“, bei dem man sich fünf Wörter merken muß, sollte man Trump eine unbeschriftete Weltkarte vorlegen. Ob er wenigstens ungefähr das Land seiner Väter zeigen könnte, in dem die Menschen zur Zeit so unsäglich leiden (kein Strom aus der Leitung, kein schönes amerikanisches Auto vor der Tür, überall vergewaltigte deutsche Frauen und ausländische Kriminelle)?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2024 um 20.19 Uhr  
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Trump brauchte fast eine Viertelstunde, um die Pointe mit dem langen Penis eines verstorbenen Golfspielers vorzubereiten. Das Ganze war so geschmacklos, daß es einem die Sprache verschlug. Natürlich dachte jeder an die ebenso gut bezeugte Tatsache, daß Trump selber nur einen sehr kleinen („pilzförmigen“) hat. Wie zurückgeblieben muß man sein, um an Männern die Länge ihres Schwanzes zu rühmen?
Ein paar Tage zuvor erklärte Trump, er liebe schwarze Männer (deren Stimmen er braucht). „Black men“ wiederholte er noch einmal genießerisch und sah dabei so verzückt aus, als erinnere er sich an wunderschöne Erlebnisse mit solchen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2024 um 06.44 Uhr  
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Cicero hat offen gesagt, daß seine Reden nicht immer seine wirklichen Ansichten darstellten, sondern auf den jeweiligen Zweck ausgerichtet waren. Nicht einmal seine „leidenschaftlichen“ Reden gegen Catilina machen eine Ausnahme. Es ist alles Theater, und das war für die klassische Rhetorik selbstverständlich und keineswegs anrüchig. Das Ziel war Glaubwürdigkeit, nicht Wahrheit. Der Gerichtsredner ist anders als der Richter nicht an der Wahrheitssuche beteiligt. Daher ja die Abneigung von Platon bis Kant. Diese Seite wird den Gymnasiasten, die sich durch die edlen Texte quälen, meist verschwiegen.

Die letzte Stufe der Redekunst wird erreicht, wenn nicht einmal Glaubwürdigkeit erforderlich ist, um dem Redner die Zustimmung der Masse zu verschaffen. Für einen Trump hat die klassische Rhetorik keinen Begriff. Das „Ethos“ geht zwar in die richtige Richtung, holt aber das Charisma nicht ein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.10.2024 um 11.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#54114

„Donald Trump wettert bei einer Wahlkampfveranstaltung gegen Windräder und Solarfelder und zieht Deutschland als mahnendes Beispiel heran. „Sie haben überall Windräder aufgestellt, und der Wind wehte nicht so stark. Und wenn sie diesen Prozess fortgesetzt hätten, wäre Deutschland jetzt pleite“, behauptete der Republikaner bei einem Bürgerdialog im US-Bundesstaat Florida. Die sei einer der Hauptgründe, warum Angela Merkel nicht mehr Bundeskanzlerin sei. (...) Sie haben sich fast selbst zerstört“, sagte Trump. (...) Bei seinem Auftritt in Florida wetterte Trump auch gegen große Solarfelder: „Alles aus Stahl, Glas und Drähten, es sieht aus wie die Hölle. Und man sieht Kaninchen, die sich darin verfangen. Für jeden Umweltschützer ist es einfach schrecklich.“ (WELT 23.10.24)

Man kann nicht einmal sagen, daß Trump in einer Phantasiewelt lebt oder gar lügt – er redet einfach drauflos, weil er weiß, daß er es sich leisten kann („and I wouldn’t lose any voters, OK?"). Mir fällt kein anderer Politiker ein, der es so weit gebracht hat, auch nicht aus der überlieferten Geschichte der Menschheit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.10.2024 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#54090

Es scheint noch kein Buch mit dem Titel "Die Prominenten" zu geben. Das wundert mich. Bernhard Pörksen hat sich mit den Medien und der damit verbundenen Prominenz beschäftigt. Aber angesichts der ungeheuren Rolle in unserem Leben ist das Thema der sich selbst erhaltenden und verstärkenden Prominenz unterbelichtet.
Das Wesentliche ist erstens die Abkoppelung von Eigenschaften und Leistungen des Prominenten, zweitens die positive Rückkoppelung: Je prominenter, desto prominenter. Jemand wird eingeladen, weil er schon mal eingeladen wurde usw.
Das Ende kommt manchmal durch einen tiefen Fall, im allgemeinen aber eher durch Überdruß und Ablösung durch einen neuen Prominenten – bei begrenzten Ressourcen (Aufmerksamkeit, Sendezeit).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2024 um 06.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#54083

„... and get away with it“ – das ist der Schlüssel zu Trumps Verhalten und Erfolg. Wenn man dieses Stadium erreicht hat – und Trump war sich schon vor Jahren bewußt, es erreicht zu haben –, ist alles möglich. (Zur Erinnerung: "I could stand in the middle of Fifth Avenue and shoot somebody, and I wouldn’t lose any voters, OK?" Trump 2016. Die seither vergangenen Jahre haben ihn vollkommen bestätigt.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2024 um 05.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#54011

Wenn Vance offensichtliche Unwahrheiten in die Kamera sagt, macht er ein ähnliches Gesicht wie Tucker Carlson oder Sean Hannity, aber ganz anders als Trump, für den es solche Kategorien wie wahr und falsch nicht gibt. Trump wirkt daher nicht einmal „frech“ wie jene groß gewordenen Schlingel. Wenn der kleine Junge auf frischer Tat ertappt wird und sie trotzdem (wie man treffend sagt) „ins Gesicht“ des Erwachsenen leugnet, macht er dieses schwer beschreibbare Gesicht: den Blick unverwandt auf die Augen des anderen gerichtet, als wolle er testen, wie seine halsbrecherische Beteuerung des Absurden wirkt, im übrigen aber eigentümlich ausdruckslos (Pokerface). Es ist eine Art Vorwärtsverteidigung in aussichtsloser Position. Genau dies findet man bei Carlson, Vance usw., aber nicht bei Trump.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.09.2024 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53953

„Trump wiederholte auch seine Falschbehauptung, Deutschland sei nach einem gescheiterten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wieder dazu übergegangen, Kohlekraftwerke zu bauen. ‚Deutschland hat es versucht, aber dann haben sie Angela durch jemand anderen ersetzt, und dieser andere baut jetzt jede Woche ein Kohlekraftwerk in Deutschland‘, sagte Trump mit Blick auf die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Nachfolger Olaf Scholz (SPD).“ (tagesschau.de 24.9.24)
Es ist möglich, daß Trump das entweder wirklich glaubt oder es nicht der Mühe wert findet, die Wahrheit über ein so fernes und noch dazu schreckliches Land zu erfahren. Wer macht sich bei uns die Mühe, Behauptungen über Madagaskar nachzuprüfen? Überhaupt: Was ist Wahrheit, verglichen mit dem augenblicklichen Knalleffekt beim Reden? (Wie der „andere“ heißt, muß man sich auch nicht merken, wenn man Alaska und Afghanistan verwechselt.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.09.2024 um 04.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53852

Trump hat seinen evasiven Stil (das bekannte „Rambling“) selbst zu erläutern versucht: Er spreche stets von vielen Dingen gleichzeitig, aber alles verwebe sich wundersam zu einem Ganzen. (Dazu die bekannten Handgesten, die ihn unter allen Menschen dieser Erde unverwechselbar machen.) Er weiß also, daß er an Gedankenflucht leidet, kann aber nichts zurückhalten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2024 um 05.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53799

Wie wahr die Parole „Brot und Spiele“ ist, zeigt sich auf bemerkenswert offene Weise im Tatenbericht des alten Augustus („Monumentum Ancyranum“): Gladiatorenspiele mit 10.000 Kämpfern, 3.500 Tiere bei Tierhatzen in der Arena getötet usw. Dazu immer wieder Verteilung von Millionen Sesterzen aus der Kriegsbeute oder der eigenen Schatulle. Die Autorität (auctoritas) stützt sich auch ohne Amt auf die Beliebtheit oder ist eigentlich dasselbe („Populismus“). Heute sorgen die Medien für „Prominenz“ (Fernsehunterhalter, Schauspieler, Sportler...), und daraus rekrutiert sich dann das politische Personal. Die politische Theorie hatte dies nicht auf dem Schirm (um im Bild zu bleiben), oder steckt es in der „charismatischen Herrschaft“?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2024 um 05.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53785

Die Körpersprachexperten wissen rein gar nichts – außer wie man sich vermarktet. Die Korrelationen, die sie behaupten, sind nicht empirisch überprüft, und das wäre auch angesichts der horoskoptypischen Vagheit nicht möglich. Das eigentliche Problem sind die Medien, die immer wieder darauf hereinfallen – oder vielmehr das Publikum, dem sie solchen Unsinn zumuten zu können glauben. So ja auch der ganze Psychoquark, der als Forschung verkauft wird.

Die ZEIT widmet Titelbild und Dossier einem Problem, das wahrscheinlich gar nicht existiert: Eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen soll psychisch gestört sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.08.2024 um 04.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53780

Körpersprache-Experte analysiert: "Das wird sie die Wahl kosten"
(t-online.de 23.8.24, Stefan Verra über Kamala Harris)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2024 um 05.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53763

Ich bin ja kein Freund der Rhetorik, aber ich gebe zu, daß sie in der Politik ihren Platz hat. Und der Neid muß es ihnen lassen: Amerikaner wie die Obamas können es unvergleichlich besser als unsere deutschen Trantüten. Wenn diese polemisch werden, werden sie gehässig und verderben dem Zuhörer die gute Laune.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.08.2024 um 16.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53759

Donald Trump hält die Medal of Freedom, die er einer reichen Unterstützerin verliehen hat, für wertvoller als die militärische Auszeichnung Medal of Honor:

“But civilian version, it’s actually much better because everyone [who] gets the Congressional Medal of Honor, they’re soldiers. They’re either in very bad shape because they’ve been hit so many times by bullets or they’re dead,” Trump concluded. “She gets it, and she’s a healthy, beautiful woman, and they’re rated equal, but she got the Presidential Medal of Freedom, and she got it for — and that’s through committees and everything else.”

Natürlich ist es besser, gesund und schön (und reich) zu sein als von Kugeln zerfetzt und tot. Das hat der Kriegsheld Trump richtig erkannt und hält es für preiswürdig.
(Die von Kennedy gestiftete zivile Auszeichnung hat nichts mit der militärischen, aus dem Bürgerkrieg stammenden zu tun. Das weiß Trump aber nicht, weil er überhaupt nichts weiß. Trump hatte sich auch damit geschmückt, daß er die Auszeichnung postum an Elvis Presley verlieh, aber die Familie weigerte sich, an der Verleihung teilzunehmen. Die Wirkung verpuffte.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.08.2024 um 14.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53736

Trump findet Kamala Harris schön (wie seine Frau Melania), sich selbst aber noch schöner. Seine Berater versuchen, ihn von solchen kindischen Sprüchen abzuhalten, aber er hält ihnen stand, weil er seiner Meinung nach am besten zu siegen versteht. Auch darum halte ich es für möglich, daß er noch vor der Wahl hinwirft, wenn allzu klar ist, daß er sie verlieren wird. Dann kann er sich schmollend als größter Präsident seit Lincoln in den sonnigen Süden zurückziehen, statt die Show mit der gestohlenen Wahl, die man ihm nicht mehr abnehmen wird, ein zweites Mal vorzuführen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.08.2024 um 12.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53721

"könnte" ist sowieso immer richtig, egal wie es irgendwann ausgeht.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 14.08.2024 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53720

„Russland beginnt, den Krieg zu verlieren“ (welt.de)

»Das Kursk-Manöver könnte das militärische Ende der Ukraine einleiten« (spiegel.de)

Es kommt halt immer drauf an, wen man fragt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2024 um 16.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53672

Ein Verpackungsexperte hat die verbindliche Vorgabe fest angebundener Flaschendeckel als nicht zwingend und nicht logisch kritisiert. „Bringt das wirklich etwas für den Planeten oder selbst für Europa? Und da ist meine klare Antwort: Nein“, sagte Markus Prem von der Hochschule Kempten der Deutschen Presse-Agentur. (...) „Man hat damit der Industrie Milliardeninvestitionen unter anderem in neue Maschinen auferlegt für einen Effekt, der quasi nicht messbar ist.“ (FAZ 6.8.24)

Es ist natürlich sehr effektvoll, wenn man Flaschendeckel und den Planeten kontrastiert. Das kennen wir aus Texten, die den Klimaschutz lächerlich machen. Die „Milliarden“ sind zweifellos eine Übertreibung, um nicht zu sagen eine Lüge. Bei anderen Produkten (Speiseöl, Sojasoße, Kondensmilch) hat man immer wieder mal mit tethered caps experimentiert, das kann so teuer nicht gewesen sein.
Und ob meßbar oder nicht – in der Landschaft liegen tatsächlich sehr viele Verschlüsse herum, die nicht verrotten, besonders um Park- und Rastplätze. Auch die Landwirte schimpfen über immer mehr Plastik auf den Feldern und Wiesen. Muß ja nicht sein. Der Experte stammt übrigens aus der Verpackungsindustrie und dürfte ihr weiterhin eng verbunden sein. Man kennt das von vielen Professoren gerade in den angewandten Wissenschaften (Auftragsforschung, Drittmittel).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2024 um 05.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53637

Bei der Präsidenten-„Wahl“ in Venezuela wurde nicht die Zahl der Stimmen in Prozente umgerechnet, sondern umgekehrt die vorab festgelegte Prozentzahl in jene Stimmenzahl, die man sich selbst und der Opposition zugedacht hatte. Daher die verblüffende Exaktheit: 51,200000000 gegen 44,20000000 Prozent.

Sieger Maduro erhielt umgehend die Glückwünsche aus Rußland und China, wie immer in solchen Fällen. Man versteht sich.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.07.2024 um 18.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53538

In den 17-Uhr-Nachrichten im ZDF wurde gerade kommentiert: "Trumps erster Auftritt nach dem Anschlagsversuch". Also wenn das kein Anschlag war! Kurz vorher hieß es einleitend: "Zwei Tage nach dem Attentat".

Ich halte diesen "Anschlagsversuch" wie das frühere "versuchte Attentat" einfach nur für laxen sprachlichen Umgang.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 16.07.2024 um 11.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53536

Um Aufhalten geht es auch nicht. Es ist nur manchmal schwierig, mitten in einem solchen Prozeß die richtige Entscheidung zu treffen. Was nützt es, wenn ich eine klare Vorstellung davon habe, was ein Wort bedeutet, aber nicht sicher sein kann, daß die Leser es auch so verstehen? Bei »mißglücktes Attentat« und »versuchtes Attentat« ist in diesem Fall allerdings kaum ein Mißverständnis zu befürchten, schon weil alle Leser wissen dürften, was geschehen ist, so daß eventuelle Unschärfen bei der Bezugnahme auf dieses Geschehen nicht ins Gewicht fallen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.07.2024 um 10.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53534

Solche Bedeutungsverschiebungen sind normal, und wir können sie nicht aufhalten. Interessant sind allgemeine Tendenzen dahinter, gerade hier zum Beispiel zwischen "Versuch" und "Vollendung". Davon gibt es noch mehr, was ich hier auch schon erwähnt habe (de conatu).
Zur Umdeutung von "Alternative" zu "Option" will ich noch nachtragen, daß auch im Englischen etwa im 19. Jahrhundert der gleiche Bedeutungswandel weitgehend abgeschlossen war. Man entscheidet sich also für eine von zwei alternatives.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 16.07.2024 um 09.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53533

Interessant, daß Sie das anmerken. In meinem gestrigen Beitrag sprach ich vom »mißglückten Attentat«, und ich habe tatsächlich kurz überlegt, ob manche unter »Attentat« vielleicht einen vollzogenen Mord verstehen könnten. Ich sehe es aber auch so, daß das Attentat, also der Anschlag, stattgefunden hat. Ein »mißglücktes Attentat« ist für mich ein Attentat, das stattgefunden, aber den damit verfolgten Zweck verfehlt hat. Bei einem »versuchten Attentat« wäre die Tat, hier die Abgabe von Schüssen auf die Zielperson, gar nicht erst zur Ausführung gekommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.07.2024 um 06.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53532

Die Rede vom "versuchten Attentat" ist nicht nur etymologisch unbefriedigend. Der Anschlag war ja real, auch wenn er sein Ziel nicht erreicht hat. Aber "Attentat" gewinnt allmählich die Bedeutung "Ermordung".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2024 um 14.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53527

Der Gesalbte des Herrn wird nun wohl den Wahlkampf gewinnen. Das Bild seines blutüberströmten Hauptes und leidenden Antlitzes, aber auch der geballten Faust geht um die Welt. Die Iwo-Jima-Ikonographie der sogleich verschickten Bilder ist bereits treffend kommentiert worden.

„Biden hat den Befehl gegeben“. Der hat nämlich mal gesagt, nun müsse man Trump „ins Visier nehmen“. Man erinnert sich an Alexander Gauland: „Wir werden sie jagen!“ Etwas deutlicher und näher an der buchstäblichen Auslegung: Pence, Fauci, Drosten am Galgen usw.

Nebenbei: Nicht mal richtig schießen können die Demokraten. Das kommt davon, wenn man die NRA verteufelt und die Kinder am frühen Umgang mit Schußwaffen hindert.

Die Wahrheit ist nicht aufzuhalten:

„Natürlich ein verwirrter Einzeltäter, keine Verbindung zum tiefen Staat. Man sollte gut auf Viktor Orban aufpassen. Den Kriegstreibern in Europa und den USA schwimmen die Felle davon.“
„Eine, Am Kupfergraben in Berlin hockt sie, wird sich entsetzt zeigen.“ (Rechtschreibung korrigiert)
„Der linke Abschaum zeigt mal wieder sein wahres Gesicht.“
„Die Biden-Gang und mit ihm Teile des Secret Service werden noch weitere Attentäter zum Schuß kommen lassen: Man muß organisatorisch trennen zwischen den Scharfschützen auf dem Dach und denjenigen die „unten“ – oder auf einem Lkw – die Fäden in der Hand halten und Gefahrenhinweise bewußt und systematisch ignorieren.“
Usw.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 15.07.2024 um 13.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53526

Viele Medien üben sich überraschend unkritisch in Bewunderung für Trump, weil der mit der geballten Faust, die er unmittelbar nach dem mißglückten Attentat auf ihn in die Luft reckte, ein untrügliches Gespür für die »Macht des Augenblicks« bewiesen habe. Ich will ihm dieses Gespür nicht absprechen, aber zur Wahrheit gehört auch, daß das Ganze nur funktioniert, wenn die Medien mitmachen. Für mich war seine Botschaft in die Kameras der zahlreich anwesenden Journalisten: »Ich weiß genau, daß ihr das Spielchen mitspielt, hier habt ihr das Bild, das ihr so geil findet, verbreitet es millionenfach und schreibt vor allem darüber!« In der Politik ist das Gespür für die richtige Geste zur richtigen Zeit ohne eine stillschweigende Allianz mit den Medien wertlos. Wer weiß, wie die Medienleute ticken, ist klar im Vorteil. Dieses Wissen immer wieder auszuspielen ist die eigentliche Kunst.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2024 um 06.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53523

„Trump hat sein Opfer auch für uns gebracht. Er verkörpert unser altes Leben, natürlich nicht als Milliardäre, aber wir waren mit so viel weniger zufrieden. Doch dieses bisschen Freude wollen uns woke Umstürzler nehmen. Trump steht für unser altes, lieb gewonnenes Leben.“

„Gott schütze Donald Trump.“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.06.2024 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53440

„Rhetorik, das wusste schon Aristoteles, hat mehr mit Überzeugung als mit Überredung zu tun.“ (SZ 27.6.24)
Oder war das Konfuzius? Oder Walter Jens? Egal.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2024 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53248

Von der Rhetorik halte ich nicht viel und von der Tübinger Schule schon gar nichts. Vor vielen Jahren habe ich zu einem kleinen Buch von Gert Ueding einige Notizen verfaßt und sie später auch bei Amazon als Rezension eingetellt. Vielleicht interessiert es jemanden:

Gert Ueding: Rhetorik des Schreibens. Eine Einführung. Königstein/Ts.: Athenäum Verlag 1985.

Der Tübinger Rhetoriker und Literaturkritiker Gert Ueding, Schüler von Walter Jens, legt ein Büchlein vor, das zugleich die historische Kenntnis der Rhetorik fördern und Anleitung zu wirkungsvollem Schreiben für heutige Menschen geben will. Er folgt im großen und ganzen den klassischen Vorbildern, vor allem Quintilian, und widmet sich vor allem in der ersten Hälfte hauptsächlich der "inventio" und "elocutio", während er später auch auf die moderneren Textformen des Protokolls, des Referats, des Rundfunk-Features u.a. eingeht.

Das kleine Werk ist, wie andere Schriften aus dieser Schule, von einem Anspruch durchzogen, der sich in Uedings Worten so ausdrückt:
"In der Regel spielt die Rhetorik weder im Deutschunterricht der Schulen noch im Germanistikstudium der Hochschulen eine ihrer Bedeutung angemessene herausragende Rolle." (14)
Zur ideologischen Begründung ihres Anspruchs wird der Rhetorik auch in diesem Buch eine besonders innige Verbindung zur Demokratie nachgesagt. Nun ist zwar richtig, daß die demokratische Redefreiheit erst die Rhetorik in ihrer klassischen Vielfalt ermöglicht, andererseits hat man aber nicht ohne Grund die Rhetorik der Demagogen seit je auch als Totengräber der Demokratie angesehen, und dieser ebenfalls klassische (auf Platon zurückgehende) kritische Gesichtspunkt sollte nicht verschwiegen werden.
Die doppelte Zielsetzung ist der Grund für ein äußerst problematisches Vorgehen des Verfassers. Er läßt nämlich das Bewußtsein von der Zeitgebundenheit der rhetorischen Anweisungen vermissen. Die Formel von der "Ubiquität der Rhetorik" (9, nach Helmut Schanze) rechtfertigt für ihn wohl dieses ungeschichtliche Vorgehen.
Mit einem gewissen Befremden wird man schon die Ausführungen über den "erhabenen Stil" und die erhabenen Gegenstände lesen (19), denen er angemessen ist. Gibt es das heute noch? Eine noch ausführlichere Einbeziehung der auszugsweise zitierten Quellen hätte noch deutlicher werden lassen, daß die Lehre von den drei Stilarten auch gesellschaftliche Verhältnisse und Normen voraussetzt, die heute einfach nicht mehr gelten.
Wie weit aber die Gedankenlosigkeit getrieben werden kann, das zeigt sich bei den "Beweismitteln" der antiken Gerichtsrhetorik, wo Ueding aufzählt:
"Dokumente, Zeugenaussagen, Verträge, Abmachungen, peinliche Befragungen, Gesetze" (usw.) (33)
Vergeblich wartet der Leser auf einen Hinweis, daß dies natürlich nur historisch zu verstehen sei und daß heute Aussagen, die unter der Folter gemacht werden ("peinliche Befragungen"), keine Verwendung finden. Überhaupt vermißt man ein Bewußtsein vom Unterschied des antiken Rechtssystems und insbesondere Prozeßrechts von dem unseren.
In eine andere Zeit fühlt man sich auch versetzt, wenn der Autor ausführt:
"Bei der politischen Beratungsrede kann der Redner mit dem Ort argumentieren, indem er ihn als günstig bzw. ungünstig für das Vorhaben herausstellt, etwa wenn es darum geht zu entscheiden, ob man dem feindlichen Heer besser auf freiem Feld oder auf einem unwegsameren Gelände entgegentritt." (47)
Und wir dachten, solche Fragen seien vom militärischen Fachpersonal zu entscheiden!

Es ist richtig, daß in der älteren Rhetorik auch geschlechtsbezogene Stereotypen unter den Topoi zu finden waren. Ueding zollt dem Zeitgeist seinen Tribut, indem er zugesteht, daß die Ansichten des Aristoteles und Quintilian heute "in dieser generalisierten Form widerlegt" sind. Gleichwohl hätten sie "als wirkungskräftige Vorurteile überlebt und Gültigkeit behalten" (40). Deshalb werde zwar ein moralisch guter Redner auf ihre Benutzung verzichten, jedoch:
"Der Zugang zum Fundort Geschlecht ist damit natürlich nicht versperrt, wie das folgende kurze Zitat (...) illustrieren mag (...)"
Was soll nun gelten? Selbstverständlich machen Menschen immer wieder von solchen Klischees Gebrauch, aber sollen wir sie nachahmen? Was heißt: Der Zugang zum Fundort Geschlecht sei "nicht versperrt"? Was hat es mit weiterhin gültigen Vorurteilen auf sich?
Ähnlich fragwürdig ist der Hinweis, daß der Glaube an die Schicksalsbestimmtheit noch "durchaus im allgemeinen Bewußtsein verankert" ist und entsprechende Argumente daher ihre Wirkung nicht verfehlen dürften (43).
Ueding zeigt überall eine gewisse Unentschlossenheit, die antiken Überlieferungen, wenn sie falsch sind, eindeutig als falsch zu kennzeichnen. So habe der Hinweis auf das Schicksal "wenig" Beweiskraft (statt "keine"), und:
"Quintilians exemplarischer Schluß von der stattlichen Erscheinung eines Mannes auf dessen Liebesverlangen wirkt, wenngleich er im Einzelfall durchaus zutreffen mag, heute nicht mehr einleuchtend." (42)
Was soll die Einschränkung? Der Schluß funktioniert gerade im Einzelfall ja nur, wenn das Klischee allgemein gilt. Anderfalls ist er Unfug – keine Logik, sondern eben bloß Rhetorik.

In den breiten Ausführungen über die Topik verwechselt Ueding durchgehend die Argumente zu einem (beliebigen) Thema mit diesem Thema selbst.
Wenn eine Lobrede auf eine Stadt oder Landschaft zu halten ist, so ist dies eben das Thema, und es hat wenig Sinn, hier auf den "Ort (locus)" als Suchkategorie (Topos) zurückzugreifen.

Wie in der Rhetorik weithin üblich, spricht Ueding sehr oft von der Wirkung oder Wirksamkeit bestimmter rhetorischer Mittel, ohne daß solchen Aussagen eine empirische Wirkungsforschung zugrunde läge. Wir wissen ja gar nicht, welche Wirkung diese Mittel und ob sie überhaupt eine haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2024 um 09.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#53037

Zur Kunst der Verächtlichmachung gehört nicht nur, wie erwähnt, die Rede von Frank-Walter, Robert und Annalena, sondern auch, daß die edleren Herrschaften wie Hans-Georg Maaßen und Michael Ballweg stets mit vollem Namen genannt werden.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.03.2024 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52920

Auf t-online analysiert ein Körpersprachenexperte in einem Video die Rede von Präsident Biden zur Lage der Nation (https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/usa/id_100360534/biden-rede-in-der-analyse-koerpersprache-experte-erlaeutert-details-video.html). Ich habe mir die Rede heute früh komplett angesehen, und der Experte hat nichts gesagt, was ich nicht selbst schon beobachtet und gedacht hätte. Da ich mich in der Deutung von Körpersprache nicht für überdurchschnittlich kompetent halte, frage ich mich, welchen Informationswert das Ganze haben soll. Die gespannte Erwartung, die die reißerische Überschrift (»Experte entdeckt Auffälligkeiten bei Biden«) auslösen soll, bleibt übrigens, wie so oft, unerfüllt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.03.2024 um 14.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52915

Trump hat sich angewöhnt, seine Widersacher stets mit Spottnamen zu erwähnen. Einmal hatte er es vergessen und nur „Nikki“ gesagt. Er unterbrach sich, um es nachzuholen:

“ And when I purposely interpose names they said, ‘He didn’t know Pelosi from Nikki, from tricky Nikki,” Trump said when speaking to his crowd of supporters in North Charleston.

Aber die Selbstkorrektur nahm seiner Rhetorik die Spitze und wirkte ausgesprochen lahm.

Die Verwechslung von Personen (nicht nur von Namen) ist bei Trump schon lange zu beobachten. Er hat bei verschiedenen Gelegenheiten zu erkennen gegeben, daß er glaubt, seinerzeit gegen Obama angetreten zu sein, er hat seinen Vater mit seinem Großvater verwechselt usw. Seth Meyers und andere haben sich über seinen Gebrauch von „interpose“ (s. o.) lustig gemacht. Trump verwendet nicht nur Wörter falsch, sondern bringt immer wieder Nicht-Wörter hervor. Psychiater wie John Gartner („Bidens Gehirn altert, Trumps Gehirn verfällt“) versuchen, seine spezifischen Ausfälle von den sozusagen normalen altersbedingten Bidens zu unterscheiden. Psychologische Ferndiagnosen sind eigentlich mit Vorsicht zu betrachten, aber in der Logopädie genügt eine Sprachprobe durchaus, um eine erste Diagnose zu stellen. Die Schwierigkeit liegt eher darin, daß Trumps Sprachverhalten, wenn man ihm eine Zeitlang zuhört und zusieht, so einzigartig ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2024 um 18.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52624

Daß große Bauprojekte an einem Paar Gelbbauchunken scheitern, finden wir gar nicht gut, außer wenn es sich um grüne Projekte handelt – dann schätzen wir die Unken über alles.
Wir verurteilen Straßenblockaden, aber nur wenn sie links und grün sind. „Großdemonstration in Berlin: Traktoren, LKW und Busse blockieren die Stadt“ - das finden wir großartig.
Wir sind marktliberal und lehnen „das süße Gift der Subventionen“ ab, aber wenn die Ampel sie abbauen will, protestieren wir im Namen der hart arbeitenden Bauern und Gastwirte.
Die Klimalüge verurteilen wir aufs schärfste, aber die saubere Kernenergie zum Schutz des Klimas halten wir für unverzichtbar.
Den Strom aus den AKWs brauchen wir auch für die E-Autos, die wir allerdings ablehnen.
Die Coronapandemie gab es gar nicht, aber den zu schlappen oder übertriebenen Seuchenschutz der Regierung verurteilen wir und verlangen Bestrafung der Täter.
Wir sind Patrioten und unterstützen die patriotischen Deutschenhasser in aller Welt.
Wir sind also die einzigen, die eine klare und eindeutige Position vertreten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2024 um 07.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52577

Alles muß weg: Windräder, Ausländer, Wärmepumpen, PV-Anlagen, Ausländer, Lastenfahrräder, Mülltrennung, Ausländer, E-Autos, Ökobauern, Moscheen und Ausländer.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.01.2024 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52507

„Die Solidarität existiert in unserem Land“ (Olaf Scholz, Silvesteransprache 2023)

= Es gibt hilfsbereite Menschen.

Ich war schon immer mehr fürs Schlichte, und so will ich es auch im neuen Jahr halten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.12.2023 um 04.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52451

Auch die Uni Stuttgart muß Heizkosten sparen.

So ganz verstehen wir das nicht: Die Dächer sind vollgestopft mit Photovoltaikanlagen. Immer mehr Windräder stehen auch in Baden-Württemberg. Und die Grünen dort produzieren doch auch heiße Luft in rauen Mengen.
Früher musste jeder Schüler Kohle oder Briketts mit in die Schulklasse mitbringen. Aber da gab es noch keine Windräder.
(Tichy 22.12.23)

Die Gebäude werden nicht elektrisch geheizt, weshalb der Hinweis auf Windräder und Photovoltaik verfehlt ist. Aber für Tichys Hetzmagazin reicht es allemal, wie auch die dummdreisten Leserzuschriften zeigen.

Die Unterfinanzierung der Hochschulen ist ein anderes Thema, das nichts mit der Energiewende zu tun hat. Daß sie bei der Beheizung unbenutzter Gebäude sparen, ist nichts Neues, das hatten wir schon vor vielen Jahren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.12.2023 um 06.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52422

Das Recht auf Subventionen (z. B. für Leute, die sich ein E-Auto leisten können, aber die staatliche Prämie gern mitnehmen) wird leidenschaftlicher verteidigt als die allgemeinen Menschenrechte. Die gleichen Leute, die für die Schuldenbremse waren und oft die E-Mobilität verhöhnt haben, beklagen jetzt „Habecks E-Auto-Sauerei“ (BILD).
Anders gesagt: Natürlich muß gespart werden, aber nicht bei mir!
Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Subventionen, sie werden in der Regel mit diesem Vermerk gewährt und können bei entsprechender Kassenlage zurückgenommen werden.
Allein die Prämien für E-Autos haben 10 Mrd. € gekostet. Damit wurde der Konsum relativ wohlhabender Bürger gefördert. Jetzt spricht die Branche von „tiefem Vertrauensverlust“. Das ist nicht der richtige Ausdruck, es geht ums Geld. Wegen der Prämie konnten die Hersteller die Preise hoch halten. Das gestehen sie indirekt ein, wenn sie nun ankündigen, die Prämie „aus der eigenen Tasche“ bezahlen zu wollen. Der Wettbewerb beginnt und wird für sinkende Preise sorgen.
Die Rechten stehen auf beiden Seiten gleichzeitig und gewinnen in jedem Fall. Volkstribun Aiwanger hetzt die Bauern auf. Schon werden Politiker der Regierungskoalition weich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2023 um 09.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52385

„Der Staat soll gerecht, die Kirche soll barmherzig sein, heißt eine alte Regel. Wo es die Kirche für gerecht hält, Altenheimbewohner vor die Tür zu setzen, um Flüchtlingen, denen der barmherzige Staat die Miete zahlt, die Türen zu öffnen, da gilt die Regel allerdings nicht mehr. Man muss weder Rassist noch Populist, nicht einmal AfD-Mitglied sein, um diesen Rollentausch absurd zu finden.“ (Konrad Adam)

Soviel ich weiß, wurde niemand vor die Tür gesetzt. Meist handelt es sich um eine Umsiedlung aus überalterten Gebäuden. Vgl. https://dpa-factchecking.com/germany/230420-99-387164/
https://dpa-factchecking.com/germany/231122-99-42767/ u. a.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.12.2023 um 17.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52356

In meinem rechtsradikalen Lieblingsmagazin lese ich:

Der Stanford-Professor Jay Bhattacharya hat in einer kurzen Stellungnahme auf X kein gutes Haar an Karl Lauterbach gelassen. Er nennt ihn „unglaublich falsch informiert“ und drückt den Deutschen sein Beileid für ihren „derart unqualifizierten“ Gesundheitsminister aus. - Der angesehene Mediziner der Stanford-Universität und Covid-Forscher Jay Bhattacharya ....

Der Name kam mir bekannt vor, vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Jay_Bhattacharya

Ich verlasse mich stets auf die extremen Außenseiter. Sie müssen recht haben, sonst wären sie ja keine Außenseiter.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2023 um 19.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52261

Politiker werden wegen ihres Unterhaltungswertes gewählt, die Karriere von Unterhaltungskünstlern entscheidet sich an ihren politischen Äußerungen...
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 16.11.2023 um 01.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52192

Der Verbraucherschutzverein Berlin-Brandenburg bewertet die Bürgerfreundlichkeit von Kommunalverwaltungen in ganz Deutschland und erstellt entsprechende Ranglisten. Der Bürgermeister von Mönchengladbach wehrt sich vehement gegen die schlechte Bewertung seiner Stadt und meldet Zweifel an den Methoden der Erhebung an. Der VSVBB dazu: »Erfahrungsgemäß wird unsere Analyse ausschließlich von Städten kritisiert, die in unserem Ranking schlechte Werte erzielen. Städte, die einen der höheren Ränge erreichen, werben dagegen teilweise sogar mit ihrem guten Abschneiden.« Ach was! Hätte der VSVBB es beim ersten Satz belassen, hätten viele Leser vielleicht, ganz in seinem Sinne, gedacht, daß an der Kritik wohl nichts dran ist, weil sie von schlechten Verlierern geäußert wird. Der zweite Satz macht diesen rhetorischen Pluspunkt aber gleich wieder zunichte, weil er unfreiwillig komisch wirkt und in Kombination mit dem ersten Satz den Eindruck erzeugt, daß der Verein der Kritik nichts entgegenzusetzen hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.11.2023 um 08.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52185

Wer heute ruft, zu einer bestimmten politischen Position dürfe es "kein Aber" geben, hat vor einigen Jahren Merkel vorgeworfen, daß sie (wie übrigens alle Politiker es tun) ihre Politik als "alternativlos" bezeichnete. Wenn zwei das gleiche tun...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2023 um 05.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52130

Ich zweifle nicht daran, daß das neue "Euclid"-Weltraumteleskop sich als sehr nützlich erweisen wird. Das ist allerdings dem Normalmenschen und Steuerzahler nicht leicht zu erklären, wie alles in der modernen Kosmologie. Man zeigt also fünf erste Fotos und behauptet, sie zeigten bisher noch nie Gesehenes. Aber wieso eigentlich? Ich habe schöne Bilder von Galaxien und Galaxienhaufen und erkenne keinen Unterschied. Der Pferdekopfnebel im Orion gehört zu bekanntesten malerischen Objekten, die auch bisher schon wunderbar abgelichtet worden sind.

Das Wichtigste steht manchmal im Text: Man möchte der Dunklem Materie und der Dunklen Energie näherkommen. Aber was die Fotos dazu beitragen, läßt sich nicht erklären. Daher der zwiespältige Eindruck, wie schon bei jenen Bildern, die eigentlich aus dem Infrarotbereich "umgerechnet" und insofern fake waren.

Wie gesagt, ich zweifle nicht am Sinn dieser Unternehmungen, halte die Milliarden im Gegenteil für sinnvoller ausgegeben als für die staatliche Preisbewirtschaftung (Deutschlandticket, Industriestrompreis, E-Auto-Prämie und andere konsumptive Ausgaben).
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 04.11.2023 um 13.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52089

https://www.fluter.de/wort-und-totschlag
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 04.11.2023 um 12.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52087

Anführungszeichen mit NS-Vergangenheit. Damals konnte aus einem Wissenschaftler leicht ein „Wissenschaftler“ werden. Victor Klemperer erwähnt sie, meine ich, in der „Sprache des Dritten Reiches“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickier, verfaßt am 04.11.2023 um 09.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52086

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44628

Habecks Ansprache wird allgemein gelobt. Was kann man da machen? Nun, man kann z.B. „Wirtschaftsminister“ in Anführungszeichen setzen. Das ist vom gleichen Schlag wie vor Jahrzehnten „Kanzlerdarsteller“ als Bezeichnung für den Kanzler. So erzielt man mit geringen Eigenmitteln einen schönen Gewinn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2023 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52001

Zum gleichen Thema: Soeben lese ich, daß die Republikaner den Trumpissimus Jim Jordan nicht länger unterstützen. Das wird kaum zugunsten eines noch Rechteren geschehen sein, den es nicht gibt, und damit wäre der scheinbar unaufhaltsame Kurs der Partei nach rechts oder vielmehr zu Trump (der ja eigentlich weder links noch rechts und überhaupt kein Politiker, sondern einfach Trump ist) gestoppt. Ich sammele Indizien.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2023 um 05.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#52000

Trumps frühere Anwältin Sidney Powell kooperiert mit der Staatsanwaltschaft, bekennt sich schuldig, am Wahlbetrugsversuch mitgewirkt zu haben. Immer mehr Menschen scheinen zu glauben, daß es günstiger für sie ist, ihre Zukunft nicht länger an die Zukunft des Meisters zu binden. Für ihn ist das kein gutes Zeichen. Die Meinung, seine Zeit sei nun wirklich abgelaufen, könnte sich sehr schnell selbst verstärken, und dann ist kein Halten mehr. Was bisher für ihn sprach, könnte ebenso gut gegen ihn sprechen, das begeisternde Auftreten könnte abstoßend wirken usw. – Gruppendynamisch interessant, wenn auch aus der Ferne nicht gut zu beobachten.

Mich hat das Unwägbare, dann aber doch enorm Gewichtige an historischen Veränderungen immer interessiert. Als Hitler und Goebbels vor der Masse oder im Volksempfänger zu hören waren, dachten die Menschen: „Wie kann man nur dagegen sein!“ Heute denken wir beim Nachhören derselben Reden: „Wie konnte man nur dafür sein!“ Wer es weiß, ist klug. Oder: Erbarmen mit dem Zeitgeist!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.10.2023 um 19.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51996

Der MM zitiert heute auf S. 32 einen vom Blitz Getroffenen, der mit einem leichten Kribbeln im Arm überlebt hat:
„Die Ärzte vermuten, dass ein Nerv beschädigt ist, aber sie wissen nicht, wie nachhaltig.“

Eine neue Studie von französischen und amerikanischen WissenschafterInnen zeigt, dass das Erbgut von Pflanzen und Tieren 25 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl nachhaltig stark geschädigt ist.
(eu-umweltbuero.at)

Am ersten Jahrestag der Kernschmelze von Fukushima Daiichi bildete sich in Frankreich jedoch eine Menschenkette von 60.000 Personen [...] Sie richtet sich gegen eine Lobbykratie einer tödlich riskanten Technik, die uns alle mit nachhaltig irreparablen Unfällen bedroht.
(deutschlandfunk.de, 8.7.2012)

Die Hervorhebungen sind von mir. Sie zeigen, daß der herkömmliche Gebrauch immerhin überlebt hat, wenn es auch heute meist ganz anders gemeint ist. Welchen rhetorischen Vorteil bringt so ein neutrales Wort wie nachhaltig, Nachhaltigkeit, wenn es mal eben synonym zu umwelterhaltend, Umweltschutz verwendet wird? Der vor- oder nachteilige Wortsinn ergibt sich ja erst aus dem Zusammenhang des Satzes. "Nachhaltig" ist im Prinzip wie eine Steigerung mit "sehr", etwas kann sehr gut oder sehr schlecht sein. Wieso diese einseitige ökologische Sicht auf das Wort? Man kann die Umwelt nachhaltig gut behandeln oder nachhaltig zerstören. Das ständige Gerede von allgemeiner "Nachhaltigkeit" ("nachhaltig" reisen usw.) fällt mir ziemlich auf die Nerven. Warum kann man nicht statt dessen "Umweltschutz" sagen? Für den bin ich ja auch.
Im Englischen mit sustain(ability) verhält es sich kaum anders.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2023 um 15.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51995

"Jetzt das Notwendige zu tun, heißt, FDP und Grüne zu entlassen, eine neue Regierung der nationalen Vernunft zu bilden." (Söder)

Der Begriff der „nationalen Vernunft“ hat mich überrascht, aber beim Googeln sehe ich, daß er keineswegs neu ist. Man könnte von einem Oxymoron sprechen, weil die Vernunft jedenfalls unter Philosophen gerade nicht national ist. Wie üblich, läßt gerade die paradoxe Spannung viel Raum für verschiedenste Ausfüllungen. Trumps „MAGA“ paßt auch rein. Söders Ruf nach einer großen Koalition klingt nach nationalem Notstand, der zu außergewöhnlichen Schritten zwingt („keine Parteien mehr, nur noch Deutsche...“).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2023 um 09.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51994

Es kommt mir ziemlich riskant vor, eine Partei zu gründen und ihr einen Namen zu verpassen, der, wenn auch nur als Kürzel, den Namen des Gründers enthält. Ist so etwas schon mal erfolgreich gewesen? Die "Schill-Partei" hieß offiziell anders (ich müßte nachschlagen, aber wozu, sie ist naturgemäß längst vergessen).

Ein anderer Eindruck: Irre ich mich, oder werden überall in der Welt immer mehr Gaukler (wie man früher sagte, also Unterhaltungskünstler) an die Regierung gewählt – außer natürlich in den strikt aristokratischen kommunistischen Diktaturen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.10.2023 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51934

Die Logik ist weder ein Teil der Linguistik noch gar deren Grundlage. Sie ist wie jedes Sprachverhalten Gegenstand der Linguistik. Linguistik hat es nicht Begriffen zu tun, sondern mit Wörtern.

Die Logiker mögen Bedeutung durch Wahrheitstafeln definieren, das hat mit dem wirklichen Leben nichts zu tun. Dort ist Bedeutung (Funktion) etwas ganz anderes, nämlich letzten Endes auf Überleben und Fortpflanzung bezogen (Schopenhauers „Willen“). Davon weiß die Logik nichts. Darum sind auch die Begriffe der „Modallogik“ äquivok; logisch hat „Notwendigkeit“ keinen Sinn oder einen ganz anderen als im Leben, wo es eine Not zu wenden gibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2023 um 15.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51932

„Wenn jeder das täte...!“ „Wenn das alle machen würden...!“ - Das hört man oft als Argument gegen eine Normverletzung. Man könnte antworten: „Aber das tun eben nicht alle!“ Ein allzu billiges und unbefriedigendes Argument, wie es scheint, und doch steckt Weisheit darin. Die Wirtschaft, das ganze Zusammenleben in Gesellschaft beruht gerade darauf, daß nicht alle alles tun.
Die Mahnung ist eine volkstümliche Fassung des kategorischen Imperativs. Von Sokrates bis Kant wollten die Philosophen, daß das Handeln „widerspruchsfrei“ sei. Kant fand dafür die Formel, daß das moralische Verhalten als korrekte logische Ableitung aus einer verallgemeinerbaren Maxime müsse rekonstruiert werden können. Man darf nicht lügen, weil die Maxime „Du darfst lügen“ sich selbst aufheben würde. Denn wenn jeder nach Belieben die Unwahrheit sagte, gäbe es keine Kommunikation und daher auch keine Lügen mehr. Auch aus Menschenliebe darf man nicht lügen, das verstieße gegen die Menschwürde des Belogenen.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Über_ein_vermeintes_Recht_aus_Menschenliebe_zu_lügen)

Die Menschenwürde ist aus dem Nichts herbeigezaubert oder vielmehr durch Appell an die Alltagsspsychologie und -sprache herbeigeholt, wie „Achtung“ und „Pflicht“. (Letzterer hat Kant seinen bekannten Hymnus gewidmet, der den Leser befremdet.)
Die Philosophen dieser Richtung wollen das Leben ganz und gar vernünftig machen – ein Gelehrtenideal. Die Anerkennung der Täuschung und des Kampfes der „Egoismen“ als grundlegende Tatsache ist pragmatisch und wird als Kompromiß hingenommen, aber nicht als wesentliche Voraussetzung. Adam Smith und die anderen aus der Nationalökonomie kommenden Philosophen haben erkannt, daß der „Egoismus“ wesentlich ist: Der Bäcker macht die Brötchen nicht aus Menschenliebe, sondern weil er Geld verdienen will. Das ist keine bedauernswerte Tatsache, sondern die Grundlage der Gesellschaft (Mandeville). So sehen es auch die Entlarvungspsychologen (ein Pleonasmus) wie Schopenhauer, der bei aller Distanz zu Darwin das gleiche lehrt: Leben ist Überleben, Fortpflanzung („Wille“), daher Fressen und Gefressenwerden und Lügen und nichts von „Würde“. Leben ist unsauber.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.10.2023 um 13.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51915

Der ganzen Angelegenheit kommt mit Recht großes öffentliches Interesse zu, denn sowohl ein vom Täter oder vom angeblichen Opfer vorgetäuschter als auch ein tatsächlicher Angriff auf einen Politiker ist ein Angriff auf die Demokratie. Es sollte nicht nur lückenlos ermittelt, sondern die Ergebnisse auch öffentlich bekanntgemacht werden.

Zumindest letzteres vermisse ich bisher. Es wird zwar alles mögliche spekuliert, und wer auf noch unbeachtete Möglichkeiten hinweist (nicht nur rhetorisch), macht sich selbst der Spekulation verdächtig, aber fachliche Beweise oder Widerlegungen gibt es teilweise nicht oder es wird öffentlich nichts darüber bekannt. Natürlich, wenn kein Gift verwendet wurde, kann man keins nachweisen. Aber einen Spritzen- oder Nadelstich sollte man kurz nach der Tat wohl nachweisen oder mit größerer Sicherheit zurückweisen können, als nur zu sagen, niemand hat etwas gesehen. Warum hört man keinen Mediziner dazu?
Warum geben sich Journalisten mit einer ärztlichen Anamnese zufrieden, anstatt auf einer Expertise zu bestehen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2023 um 04.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51910

Mit Ihren beiden rhetorischen Fragen unterstellen Sie etwas, was Sie so wenig wissen wie ich. Ich halte es sogar von vornherein für unwahrscheinlich, daß der Sache mit einem möglichen Nadelstich nicht nachgegangen worden sein sollte.

Ich habe (leider) auch einige Bekanntschaft mit Arztbriefen. Darin sollte stehen, was der Patient berichtet, aber ein Vernehmungsprotokoll ist es nicht. Insofern hat mich die Wiedergabe in einigen rechten Medien schon etwas gewundert. Aber letztlich kommt es darauf nicht an. Das Gerede von der toxischen Flüssigkeit, die man leider (oder glücklicherweise) nicht mehr nachweisen könne, erfüllt seinen Zweck.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.10.2023 um 21.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51909

Da haben Sie recht, der Arztbrief enthält auch die Schilderung des Patienten. Bisher wurde also nicht bekannt, ob etwas, und wenn ja, was, in bezug auf den angeblichen Stich ärztlicherseits festgestellt wurde.

Wenn es dabei bleibt, kann jede Seite "bis in alle Ewigkeit", wie Prof. Ickler sagt, ihre Version behaupten. Die Ärzte sagen vielleicht, sie haben das Nötige getan, hatten aber keinen kriminalistischen Auftrag.

Hatte vielleicht irgendjemand ein Interesse daran, daß der Nadelstichfrage nicht weiter nachgegangen wird? Weshalb wird in so einem brisanten Fall nicht lückenlos ermittelt?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.10.2023 um 14.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51907

Wenn ich es richtig verstehe, hat die Staatsanwaltschaft keine ärztlichen Befunde angezweifelt, sondern lediglich darauf hingewiesen, daß es für die Darstellung, Herrn Chrupalla sei beim Selfieschießen von einer anderen Person in den Oberarm gestochen worden, bisher keine Beweise gibt. Die Ärzte haben diese Schilderung offenbar ohne Arg in die Anamnese aufgenommen, das hat aber zunächst nichts mit der Frage zu tun, ob ihm überhaupt eine Injektion verabreicht worden ist. Normalerweise wäre das kein Problem, Ärzte schreiben alles mögliche auf, was Patienten ihnen bei der Befragung über Beschwerden und Vorgeschichte erzählen, aber in diesem Fall ist die Sache natürlich etwas heikel, und so hielt die Staatsanwaltschaft wohl eine Klarstellung für angezeigt. Ohne Kenntnis des vollen Wortlauts des Arztbriefs ist die Sache schwer zu beurteilen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.10.2023 um 13.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51905

Es ist schon bemerkenswert, daß die Staatsanwaltschaft ein ärztliches Gutachten bezweifelt. Kommt so etwas öfters vor? Gibt es Grund zur Annahme, daß die Ärzte ein falsches Zeugnis ausgestellt haben?

Nach meinem laienhaften Verständnis sollte die moderne Medizin eigentlich in der Lage sein, einen Nadel- oder Spritzeneinstich innerhalb der ersten ein bis zwei Stunden zweifelsfrei (notfalls mikroskopisch) nachzuweisen. Gibt es in diesem brisanten Fall keine solchen Nachweise?

Es drängen sich dabei natürlich auch Gedanken an den fast gleichzeitigen Fall Weidel auf. Wieso fragt niemand die Schweizer Polizei, worin die Bedrohungslage konkret bestand? Ist die Schweizer Polizei ähnlich verdächtig wie die deutschen Ärzte?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2023 um 03.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51903

Augsburger Allgemeine:

Fall Chrupalla: Staatsanwaltschaft distanziert sich von Arztbrief des Klinikums Ingolstadt
Im vorläufigen Arztbrief sei im körperlichen Untersuchungsbefund Chrupallas von einem "Nadelstich re. Oberarm im Bereich M. deltoideus" die Rede, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Außerdem ergebe sich aus dem Schreiben, dass bei den toxikologischen Untersuchungen des Klinikums Ingolstadt keine Substanzen festgestellt worden seien. Auch die weiteren Untersuchungen seien unauffällig verlaufen, so die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Ingolstadt, Veronika Grieser. Die von den Ermittlungsbehörden in Auftrag gegebene chemisch-toxikologische Untersuchung von Blutproben habe Schmerzmittel im therapeutischen Bereich nachgewiesen, jedoch keine weiteren relevanten Substanzen. Die Schmerzmittel könnten dem Arztbrief zufolge auf die Behandlung im Krankenhaus zurückzuführen sein. Chrupalla sei auf der Intensivstation überwacht worden und danach in einem "beschwerdefreien, guten Allgemeinzustand" entlassen worden, zitierte Grieser aus dem Schreiben.
Die Staatsanwaltschaft distanzierte sich deutlich von der im Klinikum getätigten Anamnese: "Die in der Anamnese durch die Ärzte niedergelegte Schilderung, bei einer politischen Veranstaltung sei Herr Chrupalla ‚beim Selfies schießen in einer Menschenmenge mit einer Spritze in den rechten Oberarm gestochen worden‘, findet in den bislang vorliegenden Zeugenaussagen, darunter die Zeugenaussage von Herrn Chrupalla und seiner Personenschützer, keine Grundlage. Die Beibringung einer Spritze oder einen körperlichen Angriff haben diese Zeugen nicht wahrgenommen." Zeugen hätten lediglich beobachtet, dass sich der 48-Jährige nach kurzer Zeit an den Oberarm gegriffen habe. 

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2023 um 03.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51902

Durch die von der AfD gestreute Vermutung, bei der unauffindbaren Substanz, die Chrupalla gespritzt worden sein soll, handele es sich möglicherweise um ein Betäubungsmittel, das schon nach kurzer Zeit nicht mehr nachgewiesen werden kann, wird die Tür für einen nie mehr widerlegbaren Verdacht geöffnet. Die Partei wird also die These von der Giftspritze bis in alle Ewigkeit wiederholen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2023 um 03.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51898

Die Sache wird mit der Zeit mysteriöser statt klarer:

Attacke auf AfD-Chef Chrupalla bestätigt: Injektion einer toxischen Substanz (Tichy)

Wenn bisher keine Substanz nachgewiesen werden konnte – woher weiß man dann, daß sie „toxisch“ war? Und wie gelangt ein "Arztbrief" zuerst in die Hände der "Jungen Freiheit"?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2023 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51896

Ein "tätlicher Vorfall" (AfD) hat Chrupalla außer Gefecht gesetzt. Die Presse weiß nicht so recht, was sie daraus machen soll. "Mutmaßlicher Anschlag" (WELT) ist eigentlich auch schon zuviel.

Wenn ich meine medizinischen Kenntnisse zusammenraffe, würde ich sagen: Leichte Schwellung und Rötung am Oberarm zusammen mit heftiger körperlicher Reaktion deutet doch sehr auf einen anaphylaktischen Schock nach Insektenstich hin. Das entlastet die Hauptverdächtigen aber keineswegs, im Gegenteil: Die Grünen waren es doch, die "Rettet die Bienen!" in Bayern durchsetzten. Der Anschlag war also von langer Hand vorbereitet. Hitchcock hat es versäumt, den Film "Die Bienen" zu drehen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.10.2023 um 11.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51855

Die Nazis haben sehr wohl blutige Spuren hinterlassen, von der AfD ist so etwas nicht bekannt. Man sollte sich öfters daran erinnern, wer die Nazis waren und was sie getan haben, bevor man Konservative in diese Ecke drängt. Wer die Massenmigration beenden will, ist noch nicht ausländerfeindlich. Wer für eine konservative Familien- und Geschlechterpolitik eintritt, ist nicht homophob, usw.
Demokratie bedeutet, das gesamte demokratische politische Spektrum gleichberechtigt zu akzeptieren. (Die etwas zirkuläre Formulierung bekomme ich im Moment nicht raus, ohne daß der Satz zu lang wird.)
Die AfD hat m. E. einen sehr festen rechten Platz. Wandern sehe ich vor allem die CDU/CSU von ganz rechts nach nunmehr Mitte links.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 01.10.2023 um 09.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51854

"Neue Zähne" klingt schon sehr nach Luxus. Meine Kritik am Rächer der zurückgesetzten Beitragszahler bezog sich auf seine Steilvorlage für die Medien.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2023 um 07.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51852

In der Sache gebe ich Ihnen teilweise recht, aber deswegen die AfD wählen? Der Preis wäre mir zu hoch. Auch ist deren Wanderung nach rechts noch nicht abgeschlossen. Und die Rhetorik ist kein belangloses Beiwerk. Ich will keine historischen Parallelen ziehen, aber "vestigia terrent".
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.10.2023 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51851

Entschuldigung, aber ich möchte noch sagen, worauf ich hinaus will, und zwar gerade im Blick auf schädliche politische Rhetorik. Die Kritik an Merz ist für mich nur ein Beispiel für tausend Vorgänge derselben Art: Wer ein durch die Migration verursachtes Problem anspricht, wird von sämtlichen Parteien außer der AfD und den meisten Medien reflexartig massiv kritisiert, mit möglichst viel Empörung über die Nähe zur AfD. Ernsthafte Kritik an der Migration wird komplett der AfD überlassen, und die AfD ist abgrundtief schlecht, gefährlich. Daraus folgt, daß man immer so wenig wie möglich gegen Migration unternehmen wird, denn wenn man das ändern würde, würde man ja der abgrundtief schlechten AfD recht geben.

Und denen, die Migration unbedingt begrenzt sehen wollen, bleibt nur die AfD als politische Heimstatt. Es ist in erster Linie das Verhalten der übrigen Parteien in Migrationsfragen, das die die AfD stark macht.

Die permanente extreme Rhetorik gegen die AfD, auf die sich alle anderen Parteien und die meisten Medien festgelegt haben, ist überaus verlogen und lächerlich. Joachim Gauck hat kürzlich mit Recht auf das Beispiel Dänemark verwiesen. Das dortige Pendant der AfD, die Dansk Folkeparti, stürzte von 21,1 % (2015) auf zuletzt 2,6 % ab (2022), nachdem die dänischen Sozialdemokraten die Forderung nach möglichst konsequenter Eindämmung der Migration übernommen hatten. Der Zusammenhang ist völlig klar.

So würde es gehen, die AfD zu marginalisieren. Aber das will man gar nicht, weil es bequemer ist, die AfD inbrünstig zu verteufeln. Zu der Idee, sich der AfD anzunähern, heißt es immer reflexartig: "Auf keinen Fall, damit stärkt man die AfD ja nur." Das Gegenteil wäre richtig (siehe Dänemark). Tja, und solange es das größte aller Übel sein soll, eine Position der AfD zu übernehmen, wird eben kein Problem gelöst, weder die krassen Belastungen durch übermäßige Migration noch der Zustrom von Wählern zur AfD.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2023 um 05.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51849

Jedenfalls freut es mich, daß es hier noch einige Frühaufsteher gibt. Wir sind einfach bessere Menschen. Oder waren Sie noch gar nicht im Bett? Das will ich doch nicht hoffen...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2023 um 05.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51848

Nur um das noch einmal klarzustellen: Ich bin und war immer gegen die illegale Zuwanderung und vor allem gegen das Gerede von "Flüchtlingen".
Zur Sache will ich hier weiter nichts sagen, es führt ja zu nichts.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.10.2023 um 04.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51846

Heerscharen bewaffneter Migranten? Ich würde sagen, Sie selbst spitzen mit "Heerscharen" und "bewaffneter" rhetorisch zu, wenn Sie dies als typische Aussage beispielsweise von AfD-Politikern oder AfD-Wählern verstanden wissen wollen. Deren typische Aussage lautet: "Es sind seit Jahren viel zu viele Migranten. Das muß aufhören. Man hätte spätestens ab 2015 die Einwanderung konsequent begrenzen müssen." Leider vertritt nur die AfD die Meinung derjenigen, die einen Stopp der illegalen Migration fordern.

Zu den Zahlen für Deutschland siehe die Grafik in dieser Meldung: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/06/PD23_249_12411.html. Man sieht: Seit 2012 kommen jährlich mehr als 1 Million Menschen nach Deutschland. Abzuziehen ist die Abwanderung. Also: Die Netto-Zuwanderung war seit 2012 in jedem Jahr außer 2020 höher als 300.000. Summe in den zehn Jahren von 2012 bis 2021 (alles vor dem Ukraine-Krieg): 4,7 Millionen Netto-Zuwanderung. Von den 4,7 Millionen waren nicht alle Asylbewerber aus Ländern wie Syrien und Afghanistan oder aus Afrika, aber ein großer Teil davon.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.10.2023 um 04.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51845

PS. Ich habe erst nachträglich bei Google gesucht, was sich zu meiner Vermutung an Fakten finden läßt. Man findet da schon einiges, zum Beispiel hier: https://www.welt.de/gesundheit/article170502133/Fluechtlinge-leiden-haeufiger-an-Karies-und-Parodontitis.html (welt.de, 2017).

Bei Google findet man das PDF einer Dissertation zum Thema "Mundgesundheit von Flüchtlingen", Universität zu Lübeck, 2018. Auswertung der Untersuchung einer repräsentativen Stichprobe von 102 Flüchtlingen. Ich lese in der Zusammenfassung: "Nur 15,7 % der Teilnehmer gingen als Kind regelmäßig zu zahnärztlichen Untersuchungen." Und: "43 % der Geflüchteten benötigten eine prothetische Versorgung."

Solche Fakten hat man natürlich bei der Kommentierung der Äußerung von Merz in den staatstragenden Medien nicht gelesen. Das wurde Merz regelmäßig als faktenblinder Hetzer hingestellt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2023 um 04.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51844

Die AfD ist stolz darauf, daß sie gar nichts zu tun braucht, um in der Gunst der Wähler immer weiter aufzusteigen. In der Tat: Wer sich als erster traut, „Ausländer raus“ zu sagen, braucht kein weiteres Programm und kein attraktives Personal. Das ist eine anthropologische Konstante.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2023 um 04.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51843

Wenn man die „Flüchtlingszahlen“ von 2022 ohne weitere Erklärung nennt, scheinen sie schockierend hoch zu sein: 1,14 Millionen mehr als im Vorjahr! Davon waren allerdings 1,01 Millionen Ukrainer. Diese Ukrainer sind natürlich nicht die Heerscharen bewaffneter Migranten, die im neuesten Schreckensgemälde der Rechten auf die deutsche Grenze vorrücken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2023 um 03.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51841

Mir kommen die Tränen... So gut meint es der Mann also, und wir haben ihm so gemein mitgespielt! Auch in früheren Fällen, wo er es ebenso gut gemeint hatte.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.10.2023 um 03.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51839

Hat Merz mit "lassen sich die Zähne neu machen" wirklich ein Extrembeispiel verwendet, hat er rhetorisch zugespitzt? Hat er etwas Falsches gesagt? Das wird überall geschrieben, aber ich wäre da nicht so sicher.

Man sollte einmal jährlich zum Zahnarzt gehen. Der findet dann bei Patienten mit fragwürdiger Ernährung und/oder mangelnder Zahnhygiene oft einen oder mehrere Zähne mit Karies. Er repariert die beginnenden Schäden. Der Patient hat oft noch keine Schmerzen verspürt. Wenn ein Patient vier Jahre lang nicht zum Zahnarzt gegangen ist, wird dieser viel zu tun haben.

Vermutlich waren viele Migranten, es könnte ein hoher Prozentsatz sein, jahrelang nicht beim Zahnarzt. Deshalb werden bei vielen von ihnen eine Reihe von kariösen Zähnen zusammenkommen, wenn sie erstmals nach Jahren in Deutschland zu einem Zahnarzt gehen. Ich nehme doch an, daß dieser dann alle kariösen Zähne versorgt. Das geht dann schon in Richtung Sanierung des Gebisses, "sich die Zähne neu machen lassen".

Und was ist eigentlich so schlimm daran, ein Problem anhand eines etwas krasseren Falls zu verdeutlichen? Das ist sonst völlig normal und auch zwecks Veranschaulichung sinnvoll. Neulich habe ich im ZDF einen Bericht über den Wohnungsmangel gesehen. Da sagte ein Bürgermeister in einer kleineren Stadt: "Wir richten in diesem Gebäude gerade Wohnungen für 100 Geflüchtete her. Aber jede Woche kommt ein Bus mit 50 neuen Geflüchteten. Da können Sie sich vorstellen, wie lange so eine Maßnahme Abhilfe schafft." Nicht in jeder Gemeinde sieht es so drastisch aus. Also hat das ZDF hier ein "Extrembeispiel" verwendet, um das Problem zu verdeutlichen, oder? Genau wie Merz. Komischerweise verklagt aber niemand das ZDF wegen Volksverhetzung. Niemand fordert den Rücktritt des ZDF-Intendanten. Warum eigentlich nicht?

Also, wer verwendet hier eine Aussage zu politischen Zwecken, anstatt sich um die Problemlösung zu kümmern? Aus meiner Sicht ist es nicht Friedrich Merz. Es sind die, die über ihn herfallen und sich dabei als Hüter von Demokratie und Moral aufspielen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2023 um 17.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51828

Die bayerischen Grünen plakatieren: „Klima statt Krise“. Gar keine Agentur ist auch keine Lösung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2023 um 12.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51821

Auch mir.

Es ist ein Unterschied, ob man Probleme zu lösen versucht oder ob man sie nur benutzt.

Auch das mit dem staatsmännischen Format ist so treffend, daß es von mir sein könnte.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.09.2023 um 12.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51820

Herr Virch spricht mir wieder mal aus der Seele. Das ist etwas weniger emotional und verärgert als ich es beschrieben habe, aber dafür finde ich es ganz genau getroffen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 29.09.2023 um 11.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51819

Sachlich ist an Merzens Einlassung ja nicht viel auszusetzen. Eine Unzahl abgelehnter Asylbewerber wird nicht abgeschoben, wird bei Bedarf gleichwohl medizinisch behandelt und erhält nach 18 Monaten Grundversorgung sogar Anspruch auf dieselben ärztlichen Leistungen wie jeder deutsche Beitragszahler, der nicht zuletzt wegen der Migration oft wochenlang auf Arzttermine warten muß. Es ist aber ein rhetorischer Fehler zu versuchen, eine solche Situation anhand eines Extrembeispiels zu kritisieren. Überzeichnungen werden im Kabarett goutiert, in der Politik nicht. Von Kabarettisten werden Bosheiten erwartet, Politiker machen sich damit angreifbar. Irgendwo habe ich den Kommentar gelesen, es fehle Merz an staatsmännischem Format.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2023 um 09.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51817

Serielles oder modulares Bauen könnte Wohnungen erschwinglicher machen. Daran führt wahrscheinlich kein Weg vorbei. Autos kommen ja auch nicht aus der Manufaktur. Überall in der Welt, z. B. in Schweden und den Niederlanden, wird vorbildlich modular gebaut. Ein Blick über den Tellerrand ist allerdings hier wie anderswo (Energiewende, Corona usw.) allzu anstrengend, paßt auch nicht zur Strategie. Tichy verkündet: „Die Platte kehrt zurück“ „Der Plattenbau läßt grüßen“ usw. Die Kommunistin Merkel regiert zwar offiziell nicht mehr, aber ihr Projekt, Deutschland in ein Gefängnis nach dem Muster DDR umzuwandeln, wirkt weiter.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2023 um 09.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51816

Da stimme ich Ihnen zu. Ich hatte jahrzehntelang auch beruflich, wenn auch nicht zentral, mit Äusländerpolitik und ‑recht zu tun und habe die Entwicklung von den Gastarbeitern bis zum heutigen Zustand sehr bewußt miterlebt. Da war schon immer viel Täuschung und Selbsttäuschung im Spiel.

An Merz interessiert mich, um es noch einmal zu sagen, die Rhetorik, nicht die Sachfrage und die relative "Größe der Probleme".
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 29.09.2023 um 08.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51815

Aus meiner Sicht ist nicht eine Äußerung von Friedrich Merz das Problem, sondern die Tabuisierung nahezu aller Probleme rund um Asylmißbrauch und illegale Migration durch alle Parteien außer der AfD. Diese Probleme sind zehn Größenordnungen massiver als Äußerungen der Art "lassen sich die Zähne machen" statt zum Beispiel korrekt "belasten das Gesundheitssystem". Man erkennt die Schieflage auch an so einem Fall: Kaum liegt Merz mit einer Äußerung über durch Migration verursachte Probleme sachlich leicht daneben, gibt es bundesweit eine pflichtschuldige Riesenempörung über ihn, als sei er ein Verbrecher. Eine bundesweite Empörung über die zigmilliardenfach größeren Probleme, die in diesem Fall Merz anhand eines Beispiels in aller Kürze ansprechen wollte, gibt es hingegen nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2023 um 05.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51814

Heute morgen ging mir der Anfang eines Konzertes im Kopf herum, zweifellos Beethoven, und ich grübelte eine ganze Weile, welches der fünf Klavierkonzerte es eigentlich war. Dabei versuchte ich vergeblich, mir den Klang des Klavierparts vorzustellen, aber es paßt einfach nicht. Gerade als ich nachsehen wollte, fiel mir ein, daß es ja das Violinkonzert war, das ich fast „auswendig kann“ (als Nichtmusiker). Komisches Gefühl des plötzlichen Orientiertseins.
Das gibt es auch auf anderen Gebieten. Ich beobachte eine Person, versuche sie als XY zu sehen und die Schwierigkeiten dabei herunterzuspielen – bis ich erkenne, daß es die Person YZ ist, und plötzlich ist alles klar. Die Beharrlichkeit, mit der wir eine Deutung festhalten (Vorurteile), ist manchmal schädlich, scheint aber insgesamt von Vorteil zu sein. Jeder kennt allerdings Mitmenschen, bei denen die Unbelehrbarkeit ins Pathologische ausartet. Dann geht man am besten seiner Wege und vergeudet weiter keine Lebenszeit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2023 um 04.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51813

Es gibt Mißbrauch, auch in großem Stil, das bestreite ich ja nicht. Wie ich denn auch die "Refugees-Welcome"-Bewirtschaftung der Migration immer abgelehnt habe. Mir ging es um jenen rhetorischen Kick zuviel. "Einladungspolitik" gehört auch dazu. Die Politik mag diese Wirkung haben (ein schwieriges Thema!), aber "Einladungspolitik an alle Armen und Beladenen dieser Welt" unterstellt, daß es auch die Absicht ist, und das ist keine Beschreibung, sondern eine Interpretation aus der bekannten Ecke.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 29.09.2023 um 03.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51811

So, wie ich den Ausdruck »sich die Zähne [neu] machen lassen« verstehe, bezeichnet er normalerweise eine komplette Zahnsanierung, die eindeutig nicht unaufschiebbar ist, sondern ästhetischen Zwecken dient. Kein Zahnarzt wird so etwas als Notfall einstufen, weder bei Kassenpatienten noch bei Asylbewerbern. Er kann bei Flüchtlingen auch nicht davon ausgehen, daß ihm die Behandlungskosten von den zuständigen Ämtern erstattet würden (siehe auch hier: https://www.zahnersatzsparen.de/wissenswertes/versorgung-fuer-fluechtlinge-in-der-zahnmedizin/).

Sicher gibt es in der Praxis Grenzfälle bei der Beurteilung der Eilbedürftigkeit einer konkreten Zahnbehandlung. Aber Merz suggeriert mit seiner Äußerung ja Mißbrauch durch Flüchtlinge in großem Stil auf Kosten deutscher Patienten, denen eine schnelle Versorgung verwehrt bleibe, weil die Flüchtlinge ihnen die Termine wegnähmen. Wenn das zutrifft, soll er das auch so sagen dürfen; ich bin der letzte, der ihm das aus Gründen der politischen Korrektheit übelnehmen würde. Ich glaube aber nicht, daß er dafür belastbare Belege hat. Ich denke eher, daß er ein bißchen zündeln wollte. Wenn es ihm nur darum gegangen wäre, eine Stimmung in der Bevölkerung zu artikulieren, hätte er das klar kennzeichnen müssen. Ob ihm oder der CDU das alles auf Dauer nützt, bleibt abzuwarten. Ich glaube eher, daß die Leute im Zweifel lieber das Original wählen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.09.2023 um 01.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51809

Aber selbstverständlich, wie wir Merz kennen, wird er sich schon sehr bald wieder für seine "Falschbehauptungen" entschuldigen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.09.2023 um 00.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51807

In der heutigen Tagesschau wurde die Behauptung von Merz wie folgt "richtiggestellt":

Asylbewerber haben in den ersten 18 Monaten nur Anspruch auf Nothilfe. Zahnersatz gebe es nur, wenn dieser unaufschiebbar sei.
Also doch! Welcher Zahnarzt traut sich denn, einen Asylbewerber abzuweisen mit der Begründung, er sei kein Notfall?

Ab dem 18. Monat, so weiter im Ersten, haben Asylbewerber Anspruch auf alle Kassenleistungen. Das muß man sich mal überlegen! Abgelehnte Asylbewerber, genau die hat Merz ausdrücklich benannt, haben ab dem 18. Monat Anspruch auf alle Kassenleistungen! Wer von ihnen nicht dumm ist, nimmt diese natürlich an. Genau das ist es doch, was Merz kritisiert, also zu recht. Wo ist die Falschbehauptung?

Was die Knappheit der Arzttermine betrifft, so hatte ich beim Zahnarzt bisher tatsächlich noch keine Probleme, aber wie ich Merz verstehe, war das ja nur ein Beispiel, an dem er der Kürze halber gleich mehrere Mißstände genannt hat.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, wenn ich in einem leichteren akuten Notfall (Platzwunde, die mit ein bis zwei Stichen genäht oder fachmännisch geklebt werden muß) zu einem niedergelassenen Notfallchirurgen gehe und keinen Versicherungsnachweis dabei habe, werde ich abgewiesen an den Notfallbereitschaftsdienst im Krankenhaus.
Dort um 18 Uhr angekommen und registriert, erzählt ein anderer Patient im Warteraum, er sitze da bereits seit 12 Uhr. Tatsächlich dauert es dann bis kurz vor 24 Uhr, also fast 6 Stunden, bis ich versorgt bin und wieder nach Hause gehen kann. Die wartenden Patienten sind augenscheinlich zu 90% Ausländer oder Migranten.
Meiner Ansicht nach meint Merz genau diese Mißstände. Die Zustände in Deutschland werden durch die ungezügelte Einladungspolitik an alle Armen und Beladenen dieser Welt, nach Deutschland zu kommen, weil es hier alles geschenkt gibt, immer schlimmer.

Die Tagesschau behauptet ebenfalls, Merz bringe Falschaussagen, und sie liefert dazu gleichzeitig die Begründung, daß er doch recht hat!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2023 um 18.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51805

"Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen. Und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine."

Wegen dieser Falschbehauptung über Asylbewerber ist Merz angezeigt worden. Er geht sehr weit mit dem Stimmenfang ganz rechts. Eine Verurteilung würde ihm nutzen.
In Wirklichkeit reisen Deutsche ins Ausland (Ungarn, Bulgarien...), um sich die Zähne machen zu lassen, aber nicht wegen Terminen, sondern um sehr viel Geld zu sparen, z. B. für Implantate.

Statt die Probleme zu benennen, die es ja wirklich gibt (Asylbetrug), geht der Demagoge immer noch einen Kick weiter, und daran erkennt man ihn unfehlbar: "die kleinen Paschas" usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.09.2023 um 05.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51710

Bundestag verabschiedet umstrittenes neues Heizungsgesetz (NDR u. a.)

Ampel prügelt Habecks Heizhammer durch den Bundestag (Tichy)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2023 um 06.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51663

Als ermatteter Leser in vorgerückten Jahren kann man über den unaufhörlichen Strom eitler Phrasen nur noch lächeln.

Das bleibt an der Oberfläche. = Ich weiß mehr, aber mich läßt man ja nicht ran.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.08.2023 um 04.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51652

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50914

Noch nüchterner als die Investoren sehen vieleicht die Versicherungsmathematiker den wirtschaftlich relevanten Tatsachen ins Auge. Ich hatte vor einiger Zeit Einblick in Texte großer Rückversicherungsunternehmen. Der Streit über den Klimawandel kam mir danach ziemlich kindisch vor. Was die AKWs betrifft, so halte ich mich an die Tatsache, daß kein Unternehmen bereit ist, sie zu versichern; die Risiken muß der Staat übernehmen (wir alle).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2023 um 05.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51575

Höcke: „Die EU muß sterben, damit das wahre Europa leben kann.“ Zu „Deutschland muß sterben, damit wir leben können“ gibt es ein Gerichtsurteil (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2000/11/rk20001103_1bvr058100.html), das auch auf die Vorlage (Heinrich Lersch: „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!“) eingeht. Es gibt viele Variationen: „Zerschlagt das Erfüllungssystem! Marxismus und bürgerliche Parteien müssen sterben, damit Deutschland leben kann! Adolf Hitler macht euch frei!“ Noch auf dem Kriegerdenkmal unseres Dorffriedhofs steht etwas ähnliches. Es klingt sehr pathetisch, und mit dem Sterben ist es dann meistens doch nicht so einfach.
Übrigens fehlt das „System“ selten, das ist heute noch wie vor 100 Jahren das Kennwort.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.07.2023 um 18.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51512

Bei "Krankenhaussterben" denkt man unwillkürlich an die armen Insassen. In Wirklichkeit gibt es viele Krankenhäuser, die man bei einem Schlaganfall oder Herzinfarkt lieber nicht ansteuern sollte. Es ist oft dargelegt worden, warum eine gewisse Konzentration besser für die Patienten ist als ein kurzer Weg. Ich habe von konkreten Plänen erfahren, wo ich wirklich sagen muß: Zehn Minuten mehr Fahrzeit würden sich lohnen. Die meiste Zeit geht nachweislich verloren, bis der Patient oder seine Angehörigen sich überhaupt entschließen, die Ambulanz zu rufen. Daß schwierige Operationen nicht in jeder Quetsche durchgeführt werden sollten, ist inzwischen allgemein bekannt. Wir waren immer sehr froh darüber, daß in unseren Erlanger Kliniken die erfahrensten Mediziner mit der besten Ausstattung bereitstanden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2023 um 19.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51426

Der alte Gegensatz von Rhetorik und Philosophie (Wissenschaft), der zuerst zwischen den Schulen des Isokrates und Platons ausgetragen wurde, wirkt auch in der Gegenwart. Ich hatte schon mal aus dem Vorwort von Dawkins zu "Der blinde Uhrmacher" zitiert. Er schreibt dort auch:

„Ein Jurist oder Politiker wird dafür bezahlt, daß er seine Leidenschaft und seine Überzeugungskraft einbringt im Namen eines Klienten oder einer Sache, die er persönlich vielleicht gar nicht vertritt. Ich habe dies nie getan und werde es auch nie tun. Kann sein, daß ich nicht immer recht habe, aber mir ist die Wahrheit sehr wichtig, und ich sage nie etwas, woran ich nicht glaube. Ich erinnere mich, wie schockiert ich war, als ich einen Universitäts-Debattierklub besuchte, um mit Anhängern des Kreationismus zu diskutieren. Beim Abendessen nach der Debatte saß ich neben einer jungen Dame, die einen recht überzeugenden Vortrag zugunsten des Kreationismus gehalten hatte. Sie selbst konnte eigentlich gar kein Anhänger dieses Glaubens sein, also bat ich sie, mir ehrlich zu sagen, warum sie sich so verhalten hatte. Sie gab offen zu, sie habe lediglich ihre Debattierkunst geübt und es als eine größere Herausforderung empfunden, eine Position zu vertreten, an die sie nicht glaube. Offenbar ist es in den Debattierklubs der Universitäten üblich, daß man den Sprechern einfach vorschreibt, welche Seite sie zu vertreten haben. Die eigenen Überzeugungen haben damit nichts zu tun. Ich war von weit her angereist, um die unangenehme Aufgabe zu erfüllen, eine öffentliche Rede zu halten, denn ich glaubte an die Wahrheit des Themas, das vorzutragen man mich gebeten hatte. Als ich merkte, daß die Mitglieder des Klubs die Themen als Vehikel für Argumentationsspiele benutzten, entschloß ich mich, in Zukunft Einladungen von Debattierklubs auszuschlagen, soweit sie das unehrliche Verfechten von Fragen ermutigen, bei denen die wissenschaftliche Wahrheit auf dem Spiel steht.“

Recht so! Das Leben ist zu kurz für solche Frivolitäten, vor allem, wenn man etwas zu sagen hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.07.2023 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51400

Das schon mehrmals herangezogene "Forsthoff-Theorem" (Das allgemeinste Interesse findet die geringste Beachtung) steht, wie ich jetzt erst sehe, wörtlich bei Aristoteles: ἥκιστα γὰρ ἐπιμελείας τυγχάνει τὸ πλείστων κοινόν (Politik II,1).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.06.2023 um 05.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51337

Erneute Tragödie im Atlantik – Gut 111 Jahre nach ihrem Untergang hat die legendäre „Titanic“ fünf weitere Menschenleben gekostet

Das erinnert an den Schicksalsberg der Deutschen im Himalaya, der auch immer wieder Menschenleben fordert. Zum Glück bestehen diese Monster nicht auf Jungfrauen wie der Minotauros und andere Ungeheuer in Mythos und Märchen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.06.2023 um 05.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51320

An allem ist das Ganze schuld. Diese scharfsinnige Analyse teilen Rechte und Linke.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2023 um 06.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51308

Eine „Psychologin und Neurowissenschaftlerin“ erklärt, warum wir eher Mitgefühl für die Tiefsee-Abenteurer als für ertrunkene Flüchtlinge empfinden. Sie scheint die Sensationsmache der Medien für unser Mitgefühl zu halten. Breiter kann man den Psychoquark nicht treten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2023 um 04.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51307

Das Gesums um die fünf Tiefsee-Abenteurer wurde mit Recht kritisiert. Post mortem erfolgt die Heiligsprechung:

An Bord befanden sich der Vorstandschef der Betreiberfirma, Stockton Rush, der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding, der pakistanische Geschäftsmann Shahzada Dawood und dessen Sohn Suleman sowie der französische "Titanic"-Experte Paul-Henry Nargeolet.
Die fünf Männer seien "echte Forschungsreisende" gewesen, mit "speziellem Abenteuergeist und einer tiefen Leidenschaft für die Erforschung und den Schutz der Meere der Welt", teilte OceanGate Expeditions mit.


Wenn es stimmt, daß das Fenster nicht für diese Tiefe ausgelegt war, wird die Heuchelei noch krasser.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2023 um 04.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51162

Zuletzt hatte ich dies gesehen:
https://www.volksverpetzer.de/faktencheck/atomstrom-exportieren-frankreich/

Die Zuverlässigkeit der Angaben kann ich natürlich nicht beurteilen. Daten aus der Energiewirtschaft sind wohl auch nicht unparteiisch ausgewählt.
In den letzten Monaten (s. meine früheren Einträge) hatte ich mich auf zahlreiche Berichte anläßlich des Ausfalls so vieler französischer AKWs gestützt, mich aber nicht um das Festhalten der Dokumentation bemüht.

Wie gesagt, der von manchen vorausgesagte Blackout ist nicht eingetreten, und ich hatte immer darauf vertraut, daß die Unternehmen die Stromerzeugung nicht abstellen, ohne über Ersatz aus anderen Quellen zu verfügen. Dabei mag vorübergehend Import eine Rolle spielen, fest stehen jedenfalls die Unzuverlässigkeit und die enormen Kosten der Kernenergie, s. Flamanville als Menetekel, ganz zu schweigen von der Endlagerung.

Und ebenfalls schon gesagt: Seit 35 Jahren ist die Zahl der betriebenen AKWs nicht wesentlich gestiegen. Geplant und im Bau ist manches, was dann doch nicht geht.

Aber ich sehe schon, daß ich jetzt die ganze Atomdebatte hier aufzurollen anfange, darum schließe ich schleunigst und ziehe mich auf den Beobachterposten zurück. Nur mit der Rhetorik von rechts werde ich mich nicht abfinden.
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 30.05.2023 um 23.37 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51161

Aufschlußreicher als der reine Saldo des Stromhandels mit Frankreich ist der tageszeitliche Verlauf unter Einbeziehung der Strompreise, hier für die letzten drei Tage dargestellt:
https://imgur.com/Scc4VQ2

Die Balken nach oben und unten sind der Export bzw. Import. Die kontinuierliche Linie kennzeichnet den Strompreis, der negativ und positiv sein kann.

So kann man das Diagramm interpretieren:

In der Mittagszeit ballert überall die Photovoltaik, Strom ist im Überfluß da, der Strompreis fällt bis auf -100 €/MWh und tiefer. Das läßt sich Frankreich nicht entgehen und importiert eifrig, ganz einfach weil es sich lohnt.

Nach diesen ca. 6 Stunden sieht es wieder anders aus: Die PV-Produktion geht zurück, Wind ist gerade nicht verfügbar, unser Mangel an Grundlastbereitstellung macht sich bemerkbar und wir müssen importieren. Jetzt aber zu Preisen von 50 bis 150 €. Frankreich springt wieder gerne ein und verdient abermals.

Finanziell und was unsere Abhängigkeit angeht höchst unerfreulich.
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 30.05.2023 um 19.03 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51159

Deutschland hat auch in dieser Zeit viel mehr Strom nach Frankreich exportiert als umgekehrt.
Woher sind Ihre Daten?
Aus den allgemein zugänglichen Daten (agora, energy-charts) kann man übereinstimmend ablesen, daß für den Monat Mai der Saldo des Handels zwischen Frankreich und Deutschland bei etwa 1 TWh Richtung Deutschland liegt. D exportiert nach F 388 GWh und importiert von F 1,4 TWh. Daraus ergibt sich der Netto-Import von ca. 1 TWh.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.05.2023 um 14.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51158

Man kann auch mit wahren Aussagen lügen:

„Aktuell können die wegfallenden Kilowattstunden aus den Kernkraftwerken unter anderem durch Zukäufe aus Nachbarländern wie Frankreich oder Polen gedeckt werden.“ (https://www.wechselpilot.com/magazin/strom/marktupdate-mai-2023/) (9.5.23)

Können, werden aber nicht. Deutschland hat auch in dieser Zeit viel mehr Strom nach Frankreich exportiert als umgekehrt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2023 um 11.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51141

Dem 100jährigen Kissinger wird schon deshalb ein gewisser Bonus zugebilligt, weil er – right or wrong – viel bewirkt hat. Solche Menschen bekamen früher den Beinamen „der Große“. Eine ziemlich gemischte Population.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2023 um 06.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51139

Nur noch EINE Scheibe Wurst pro Tag – dafür mehr Insekten: Der grüne Totalüberwachungsstaat droht

Ist das nicht furchtbar? Nur EINE Partei kann uns davor bewahren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2023 um 06.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51127

Schon für den Deutschenhasser Trump war Deutschland der Inbegriff der Verelendung. Darum schwärmten unsere Patrioten für ihn. Nun schwärmen sie für DeSantis, für den wiederum Trump nicht schwärmt. Es ist kompliziert.

DeSantis: „Wir wollen nicht wie Deutschland enden. Dort haben sie keine vernünftige Stromversorgung und die Energiepreise klettern.“  
Das dürfte Musik in den Ohren von Andreas Scheuer sein, der sich Anfang Mai zusammen mit anderen Politikern der CSU in Florida mit DeSantis getroffen hatte. „Ich teile die Analysen von DeSantis. Das mag einige schockieren. Aber dazu stehe ich“, sagte Scheuer damals dem Portal t-online.
(FR 25.5.23)

Unsere Stromversorgung funktioniert sehr gut, nur die Bahn funktioniert nicht, und für die war zuletzt Andreas Scheuer verantwortlich, der aber laut eigener Aussage nichts davon gewußt hat. Es ist wirklich kompliziert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2023 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51066

„Der Pazifismus der 30er-Jahre – der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben – dieser Pazifismus der 30er-Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.“ (Heiner Geißler)

Wie kann man sich durch einen solchen nicht einmal besonders originellen Satz „provoziert“ fühlen? Vgl.

To be specific, the gospel and apologetics of Gandhism current in the West is the handiwork of the pacifists. For them Gandhi is the last support for the discredited and ineffectual doctrine of pacifism. Pacifistic ideas, so influential in the inter-war years, not only failed to prevent the second World War, but even helped to bring it about by giving moral validity to the cowardly fear of war among the British and the French people which permitted Germany to launch her war of revenge. After being proved to be dangerous ideologues by that war, the pacifists have now fallen back on Gandhi as their last prop, and are arguing that by liberating India from foreign rule by his non-violent methods he has proved that non-violent methods and ideas are sound. Unfortunately, the British abandonment of India before Gandhi’s death has given a spurious and specious plausibility to what is in reality only a coincidence without causal relationship. The pacifists refuse to see that fear of war is the most insidious breeder of wars. (Nirad C. Chaudhuri: Thy Hand, Great Anarch! India 1921-1952. London 1987:41)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2023 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51039

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44009

Zugunsten einer Herabsetzung des Wahlalters wird angeführt, die heute 16jährigen würden am längsten von politischen Entscheidungen (Klimaschutz usw.) betroffen sein. Man denkt natürlich gleich an Säuglinge, die noch länger davon betroffen sein werden. Warum gerade 16? Vergessen ist, daß nicht Betroffenheit (und nicht Wut, s. den Link) die Mitbestimmung begründet, sondern Verantwortung. 16jährige werden nicht zum Wehrdienst herangezogen, können keinen Baukredit aufnehmen und werden nach Jugendstrafrecht verurteilt – Betroffenheit hin oder her.
Die Folgen zu bedenken ist heute nicht mehr cool, nur die gute Absicht zählt. Mit Recht wird die Selbstentmachtung des Bundestags durch „Bürgerräte“ kritisiert. Angeblich sollen deren ausgeloste Mitglieder die Interessen des Volkes artikulieren – also genau das, weshalb wir die Abgeordneten gewählt haben. Was soll das?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2023 um 05.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51036

Im gleichen Interview, in dem er etwas von „nuclear warming“ erzählte, behauptete Trump, die Demokraten trieben nicht nur Babys „im neunten Monat“ ab, sondern „exekutierten“ Neugeborene. Jimmy Kimmel fragte entgeistert, ob die Kinder auf den elektrischen Stuhl geschnallt werden oder wie man sich das vorzustellen habe.
Trump wirkte dabei wieder wie jemand, der etwas aufsagt, zusammen mit dem Singsang und den ständigen Wiederholungen wirkt es eigentümlich versonnen. Es kann sein, daß er im Augenblick wirklich glaubt, was er sagt, berauscht von den eigenen Formulierungen und ihrer Wirkung. Wenn man ehrlich ist, wird man zugeben, daß man diese Versuchung kennt. Nur daß Trump ihr jederzeit nachgibt. Man gewöhnt sich dran, auch an solche exzentrischen, psychopathischen Auftritte.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.05.2023 um 15.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51010

Unbildung ist heilbar, Dummheit nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2023 um 04.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51007

Für mich sind "dumm" und "ungebildet" nicht dasselbe. Außerdem sind manche Menschen in einer Position, die es ihnen fast unmöglich macht, nicht reich und reicher zu werden. Eine gewisse Schläue gehört wohl dazu.

Die Darstellung in den Büchern von Woodward und Wolff wird im wesentlichen nicht angezweifelt, bei aller Detailkritik, die 3.000 Seiten naturgemäß auf sich ziehen.

Ob unsere Zeit ihren Thukydides finden wird? Ob man sie als zweite Tragödie der Demokratie ansehen wird?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.05.2023 um 22.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51006

Na ja, was ist Bildung? Ich denke immer, so reich zu werden und es bis zum amerikanischen Präsidenten zu bringen, erfordert schon auch eine Art Bildung. Sicher nicht unbedingt die Art, die man sich als "gebildeter Mensch" spontan vorstellt. Es ist eher ein Talent. Ganz dumm darf man jedenfalls dazu auch nicht sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2023 um 04.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#51004

Die Anwältin der Klägerin fragt Trump in dem Video nach dem als "Access Hollywood"-Video bekannt gewordenen Mitschnitt von 2005. Damals sagte Trump über Frauen: "Wenn du ein Star bist, lassen sie dich alles tun. Du kannst alles tun. Sie bei der Muschi packen." Die Anwältin wollte von Trump wissen, wie er heute zu diesen Aussagen stehe. "Historisch gesehen stimmt das mit den Stars, wenn man sich die letzten Millionen Jahre ansieht", antwortete Trump. Sich selbst sehe er als einen solchen Star. (t-online.de 6.5.23)
Ich halte es für möglich, daß Trump die Zeitangabe wörtlich meint. Immerhin ordnet er sich den Hominiden zu (Homo troglodytes trump.). Außerdem bestätigt er, daß er bewußt das Handicap-Prinzip anwendet, auch wenn er davon noch nie etwas gehört haben dürfte (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50867). Er ist ja einer der ungebildetsten Menschen, die es je zu Prominenz gebracht haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.04.2023 um 03.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50953

Es war ja viel darüber zu lesen, was alles getan (und bezahlt) werden müßte. Ich will darauf aber nicht eingehen, es ist ja Schnee von gestern.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.04.2023 um 23.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50952

Selbst die drei letzten waren zusammen nur noch 15 Milliarden wert. Lohnt sich also nicht. Peanuts.
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 24.04.2023 um 21.48 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50951

Meines Wissens sind auch die drei zuvor abgeschalteten AKW noch rückholbar. Im Prinzip ginge also es um sechs AKW, für die ein Weiterlaufen machbar wäre.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 24.04.2023 um 17.14 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50949

Es ging doch nur noch um drei AKW – oder hätte man noch weitere aktivieren können?

Wenn man wirklich auf Atomstrom setzen wollte, käme man um Neubauten nicht herum. Und Kraftwerke neuerer Bauart sind nicht gerade billig, von der langen Planungs- und Bauzeit abgesehen.

Der Grund für die Diskussion ist doch vor allem der Ausstieg aus dem russischen Gas, den man nicht voraussehen konnte. Und ob sich das Verhältnis zu Rußland wieder ändert, weiß auch niemand so genau.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2023 um 15.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50948

Wie gesagt, durch den Stromverbund (und andere Faktoren) ist es ziemlich schwierig, hier eindeutige Aussagen zu machen. Beispielsweise schrieb der genannte Morton Freidel vor 5 Monaten: „Wer Atomkraftwerke laufen läßt, muss kein Gas in Qatar kaufen.“ Gleichzeitig wurde bekannt, daß Frankreich, das ja nun seine AKWs laufen läßt wie kaum ein anderes Land, den Import von Flüssiggas seit Jahresbeginn um 66 Prozent erhöht hatte und überhaupt sehr viel Gas importiert. Auch daraus will ich nicht viel machen, aber man sieht, wie kompliziert alles ist.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.04.2023 um 12.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50947

Der Stromexportüberschuß von Deutschland betrug 2022 etwa 4,8% der gesamten Stromproduktion.
Der Anteil Kernenergie betrug jedoch 2022 noch rund 6% der produzierten Gesamtmenge.

Man wird also erst noch sehen, ob es durch den Ausbau erneuerbarer Energie gelingt, die Kernenergie und den vorläufig höheren Anteil an fossilen Energieträgern auszugleichen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2023 um 05.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50944

Im europäischen Stromverbund kommt es natürlich jeden Tag vor, daß Deutschland auch Strom aus Frankreich, dem Land der (maroden) Kernreaktoren, importiert. Insgesamt exportieren wir viermal soviel Strom nach Frankreich wie umgekehrt. Wenn man den Hintergrund wegläßt, bleibt übrig: Deutschland schaltet die letzten AKWs ab und importiert Atomstrom aus Frankreich. So funktioniert Demagogie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.04.2023 um 07.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50938

„Und deshalb, meine amerikanischen Mitbürger: Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt. Meine Mitbürger in der ganzen Welt: Fragt nicht, was Amerika für euch tun wird, sondern fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“
Woher immer Kennedy diese rhetorischen Gag hatte, er fällt zunächst einmal durch einen logischen Knick auf. Die Anwendung auf die fellow citizens of the world müßte doch lauten: „Fragt, was ihr für Amerika tun könnt.“
Und damit bin ich beim Grund für den unangenehmen Geschmack, den mir das Zitat jedesmal hinterließ, ebenso wie später Trumps pseudopatriotisches MAGA-Getue, wo es doch nur darum geht, die Reichen immer reicher zu machen. Orwell hat in seinem Essay über Kipling das Nötige gesagt:

Any soldier capable of reading a book of verse would notice at once that Kipling is almost unconscious of the class war that goes on in an army as much as elsewhere. It is not only that he thinks the soldier comic, but that he thinks him patriotic, feudal, a ready admirer of his officers and proud to be a soldier of the Queen. Of course that is partly true, or battles could not be fought, but ‘What have I done for thee, England, my England?’ is essentially a middle-class query. Almost any working man would follow it up immediately with ‘What has England done for me?’ In so far as Kipling grasps this, he simply sets it down to ‘the intense selfishness of the lower classes’ (his own phrase). When he is writing not of British but of ‘loyal’ Indians he carries the ‘Salaam, sahib’ motif to sometimes disgusting lengths.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.04.2023 um 21.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50936

"Arbeiterschließfächer" hatten wir doch schon mal.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.04.2023 um 08.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50934

Es geht nicht um Wärmepumpen
Die Ampel plant mehr: Die Zerstörung von Daheim und Heimat, die Zerstörung von Vorsorge und Unabhängigkeit.
Das Leben in vertrauten Zusammenhängen, vor Ort, mit Freunden, Vereinen und Familie.
Menschen sollen entwurzelt werden; Ältere ihre Wohnungen räumen – es soll Platz gemacht werden.


(Tichy)

Man braucht nicht zu sagen, für wen Platz gemacht werde soll. Die Umvolkung ist im Gange.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.04.2023 um 04.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50914

„Viele Länder gucken völlig verstört auf Deutschland“, „Die ganze Welt lacht über Deutschland“ usw. – das kann man ja mal sagen, denn bevor einer es widerlegt hat, ist die Karawane weitergezogen, und niemand interessiert sich mehr dafür.

Übrigens, was den katastrophalen Niedergang der deutschen Wirtschaft betrifft: „Den drei großen Ratingagenturen S&P, Moody’s und Fitch zufolge haben die Eurozonen-Länder Deutschland, Luxemburg und Niederlande eine besonders hohe Kreditwürdigkeit.“ Nämlich AAA. Wie ist das nun wieder zu erklären?

Hier gehört auch die Legende vom einzigartigen Vorpreschen Deutschlands bei Klimaschutz und Energiewende. Im Climate Change Performance Index (CCPI) stehen die dummen Deutschen und ihre noch dümmere Regierung auf dem 16. Platz und müssen sich immer wieder mahnen lassen, mehr zu tun. Wie sieht die völkerpsychologische Deutung für den Rest der Welt aus? Spinnen die alle?

Dem Zeitungsleser schwirrt der Kopf.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2023 um 18.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50898

Noch einmal zu Trump: In seinem Kopf könnten sich "nuclear war" und "global warming" vermischt haben. Es würde zu seinem übrigen Gerede passen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.04.2023 um 14.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50894

Ein gut durchdachter Atomausstieg kann m. E. nur bedeuten, daß Alternativen vorhanden sind, daß keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden und daß bestehende Kraftwerke bis zum Ende ihrer geplanten bzw. noch wirtschaftlichen Betriebszeit weitergenutzt werden. Milliardeninvestitionen einfach so in den Sand zu setzen, das heißt, daß kein wirklich zwingender Grund vorliegt, ist doch Wahnsinn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2023 um 06.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50890

Halbe Wahrheiten sind schlimmer als ganze Lügen, weil man ihnen nicht direkt widersprechen kann.

Um den (von seiner eigenen Partei beschlossenen) Atomausstieg als "Geisterfahrt" anprangern zu können, weist Merz auf die gut 400 weltweit betriebenen Atomreaktoren hin, verschweigt aber, daß deren Zahl seit 35 Jahren praktisch stagniert – was unbegreiflich wäre, wenn darin die Zukunft der Energieversorgung gesehen würde. Dann hätte ihre Zahl doch geradezu in die Höhe schießen müssen. Berücksichtigt man die Bauzeiten, dann zeigt sich daran, daß die Atomenergie schon vor über 40 Jahren praktisch tot war – lange vor Fukushima. Unternehmen stiegen wegen Unwirtschaftlichkeit aus, Versicherungsgesellschaften winken schon lange ab.
Wie es in Wirklichkeit steht, zeigt z. B. der Wikipedia-Eintrag über Flamanville 3 im Musterland der AKWs: Bauzeit verdreifacht, Kosten bald versechsfacht – und noch immer nicht in Betrieb. Nun soll es 2024 soweit sein; wir sprechen uns wieder.

(Diese Nachbetrachtung, weil ja seit gestern unsere Energieversorgung unsicher ist...)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2023 um 05.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50880

Der ehemalige US-Präsident musste sich kürzlich vor einem New Yorker Gericht wegen mutmasslicher Fälschung von Geschäftsunterlagen verantworten. Trump schilderte bei Fox News, was er angeblich im Gericht in Manhattan erlebt hatte. «Ich sage dir, Leute haben geweint. Leute, die dort arbeiten.» Normalerweise hätten es die Mitarbeiter dort mit Mördern zu tun. «Es ist ein harter Ort.» Aber als sie ihn gesehen hätten, hätten sie geweint. «Sie haben wirklich geweint. Sie haben gesagt: Es tut mir leid. Sie haben gesagt: 2024. Die Tränen sind ihnen aus den Augen geflossen. Ich habe so etwas noch nie gesehen.»

Fernsehzuschauer wissen, daß das nicht stimmt. Die Angestellten haben mit gewohnt stoischer Miene ihre Arbeit getan, und Trump hat sie auch gar nicht angesehen. Aber als er das angebliche Ereignis schilderte, wirkte er von seiner eigenen wiederholungsreichen Erzählung so ergriffen, daß er sie womöglich bei jeder Wiederholung immer mehr für wahr gehalten hat. Ich habe es mir mehrmals angesehen und wußte wirklich nicht, ob ich es mit einer schauspielerischen Meisterleistung oder mit einer Geisteskrankheit zu tun habe.
Mehrmals hören mußte ich auch die Stelle, wo er wiederholt von „nuclear warming“ als Gefahr für die Menschheit sprach. Ich glaubte mich verhört zu haben. Offenbar wußte auch Tucker Carlson nicht, was er meinte. Es war wohl vom selben Kaliber wie seine unvergessene Empfehlung, Bleichmittel gegen Corona einzunehmen.
Das ganze Gespräch mit Tucker Carlson (der ihn nach geleakter eigener Aussage „leidenschaftlich haßt“) war gruselig, wenn man bedenkt, daß dieser Mann amerikanischer Präsident war und wieder werden will.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.04.2023 um 05.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50867

„Im allgemeinen Sprachgebrauch wird eine Person als ‚Idol‘ im Sinne von Vorbild bezeichnet, der große Bewunderung entgegengebracht wird.“ (Wikipedia „Idol“)

Das ist nicht richtig. Trump ist das Idol seiner Verehrer, aber nicht unbedingt das Vorbild.

Trump brachte die Bekanntheit als TV-Star mit in den politischen Wettbewerb, was ein nicht zu unterschätzender Vorteil war. Die Verehrungsbereitschaft einer großen Zahl von Menschen war schon vorhanden. „Prominenz“ ist heute oft schon die halbe Miete. In der direkten Konfrontation mit den Anhängern, der Besinnungslosigkeit der realen Gruppe bei den groß inszenierten Auftritten ereignet sich die selbstverstärkende Begeisterung. Man will nicht in Ruhe lesen, was der Held zu sagen hat (er selbst liest auch nicht), sondern hingerissen werden, von ihm und jeder von sich selbst, weil es erhebend ist, sich erhoben zu fühlen. Der Verliebte liebt die Verliebtheit, den gehobenen Zustand der Hingerissenheit und schreibt dies dem Objekt zu, das daher immer maßlos überschätzt wird. (Trump hat noch nie etwas Gescheites gesagt.) Ein Beweis ist die Liebe zu nichtexistierenden Objekten (Gott, Jesus...). Auch in literarische Figuren kann man sich verlieben, wobei es weniger der Held ist, mit dem man sich eher „identifiziert“ (dummes Wort), als dessen Angebetete, die man mitliebt (also eher Lotte als Werther).

Weder Wolff noch Woodward können sich so recht erklären, worin die Anziehungskraft und Macht Trumps eigentlich besteht, obwohl sie ihm – bei aller Verschiedenheit – in ihren je drei Büchern sehr nahe kommen. ‘I’m the guy who gets away with it,’ he had often bragged to friends in New York. (Michael Wolff: Siege. Trump under fire. London 2020:2)

Einige Kommentatoren sehen voraus, daß Trump die Massen nicht mehr so fesseln wird, nachdem ihm wie jedem anderen Bürger der Prozeß gemacht worden ist. Im Gerichtssaal, wo er den Mund halten mußte und sein (unorthodoxes, aber doch unbestreitbares) schauspielerisches Talent nicht ausleben konnte, sah er zwischen den Anwälten vergleichsweise wie ein Häufchen Elend aus. Er konnte sich dabei auch nicht wie in seinen öffentlichen Auftritten als Opfer stilisieren, sondern war einfach auf Normalmaß geschrumpft. Das wird ihm nachhängen. Der Absturz könnte um so tiefer sein, je weniger Substanz der Aufstieg hatte.

(Bei Woodward überwiegt das Dokumentieren, während Wolff dem Rätsel von Trumps Wirkung näher zu kommen versucht. Man sollte beide lesen.)
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 06.04.2023 um 13.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50845

Junge Leute beginnen häufig mit einem „genau“, das auch überall eingestreut werden kann, wo sonst vielleicht eine Pause einträte. Denselben Zweck erfüllt das verbreitete völlig sinnfreie „keine Ahnung“. Unser Gesundheitsminister leidet unter einer krassen „also“-Manie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2023 um 05.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50844

Bei Interviews hört man meinem Eindruck nach immer häufiger, daß der Gefragte seine Antwort mit einem „na ja“ einleitet, der umgangssprachlichen Form von „nun“, entsprechend dem wohl noch häufigeren „well“ in englischsprachigen Interviews. Dazu gibt es einen scharfsinnigen Aufsatz von Marcel Pérennec: „Von Zeitdeiktika zu Text- und Diskurskonnektoren: Überlegungen zur sprachlichen Temporalität“ (in René Métrich/Marcel Vuillaume, Hg.: Rand und Band. Abgrenzung und Verknüpfung als Grundtendenzen des Deutschen. Festschrift für Eugène Faucher zum 60. Geburtstag. Tübingen 1995:299-314): Solche Ausdrücke fingieren Kohärenz, Zusammenhang mit dem Vorhergehenden, lassen die Äußerung daher weniger abrupt erscheinen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.03.2023 um 08.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50734

"Holt euch euer Land zurück!" (= "Holt mich hier raus!")
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.03.2023 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50653

Trump: „I am your warrior. I am your justice. And for those who have been wronged and betrayed: I am your retribution.”
Das klingt tatsächlich wie „Ich bin die Wahrheit und das Leben“. Comedians haben natürlich auch den eigentümlichen Singsang aufgegriffen, in den Trump gerade während seiner letzten großen Rede verfiel. Es klang nicht so, als ob er es meinte, sondern irgendwie rezitiert und damit auch distanziert und ein wenig gelangweilt. So etwas Seltsames hat es noch nie gegeben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.03.2023 um 05.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50651

Kleine Lügen können einen Menschen erledigen, große Lügen stärken ihn. Gerade wo es nichts aufzudecken gibt, weil alles offen zutage liegt, ist die Begeisterung der Anhänger unendlich.
„Die neuen Enthüllungen ziehen die Glaubwürdigkeit des quotenstarken Moderators Carlson jedoch weiter in Zweifel.“
Das ist lächerlich, es geht längst nicht mehr um Glaubwürdigkeit. Es geht um die Macht: Wer kann es sich leisten?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.03.2023 um 07.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50597

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#4880

Nun gibt auch Murdoch zu, daß Fox News im Wahlkampf 2020 zugunsten von Trump Lügen verbreitet hat. (1.3.23) – Nicht nur damals.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 28.02.2023 um 10.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50587

Anja Reschke scheint Wurmfleisch nicht zu schmecken, wenn ich ihren Text richtig deute.
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/wissen-vor-acht-zukunft/videos/wissen-vor-acht-zukunft-video124.html
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2023 um 04.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50490

Hoppla! "den Großen" natürlich! (Bin auf die falsche Taste gekommen.)

Gestern las meine Frau mir vor und übersprang versehentlich eine Zeile: ham[pered … home] base. Wir rätselten, was mit "hambase" gemeint sein könnte, und mußten lachen, als wir das Geheimnis gelüftet hatten. Immerhin habe ich jetzt ein neues Kosewort.

Das Überspringen einer Zeile war in der Zeit des ermüdenden Kopierens eine Hauptfehlerquelle, mit der die Textkritik immer rechnen muß. Heute passieren andere Fehler, wie eben das vorzeitige "Senden".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2023 um 04.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50489

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49890

Trump selbst hat den Grund seines Erfolgs klar erkannt. Oft hat er sich in diesem Sinn geäußert: Was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Und dann unübertrefflich:

‘I’m the guy who gets away with it,’ he had often bragged to friends in New York. (Michael Wolff: Siege. Trump under fire. London 2020:2)

Wem dieser Ruf schon vorauseilt, der ist unbesiegbar. (Man denkt an Napoleon, Alexander den
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 10.02.2023 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50475

Zu #50169:

Ich wollte noch Beispiele nachreichen. Hier ist ein aktuelles aus welt.de (https://www.welt.de/politik/deutschland/article243700393/Wahl-in-Berlin-Ich-schliesse-nichts-aus-sagt-Franziska-Giffey.html), wobei der O-Ton natürlich von der Nachrichtenagentur geliefert wird:

Der Spitzenkandidat und Chef der CDU in Berlin, Kai Wegner, verteidigte das Vorgehen seiner Partei in der Debatte um die Vornamen der Täter aus der Silvesternacht. „Ich habe den Eindruck in Berlin, oftmals, wenn Probleme unangenehm sind, dann sprechen wir nicht darüber“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wir müssen Probleme beim Namen tatsächlich nennen, um sie zu lösen.“

Das Entscheidende sei, dass sich viele junge Männer, die in Berlin geboren seien und einen deutschen Pass besäßen, häufig dennoch nicht dazugehörig fühlten. „Wir müssen diese jungen Männer für unsere Gesellschaft gewinnen, dass sie gar nicht erst vor der Justiz irgendwann landen“, betonte Wegner.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.02.2023 um 07.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50473

Die Corona-Abrechnung – Kritiker behielten Recht, doch Aufarbeitung und Entschuldigung fehlen

Jeder hat irgendwann mit irgend etwas recht. Wenn man wegläßt, womit er nicht recht hatte, hatte er recht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2023 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50450

Es ist furchtbar. Man nehme auch zur Kenntnis:

Ein Lockdown tötet 29 Mal mehr Menschen als er rettet.
(...)
...es wird sich zeigen, dass der Dominoeffekt von Lockdowns auf der ganzen Welt mehr Menschen getötet als gerettet hat, und auch mehr Menschen, als an COVID-19 selbst gestorben sind.“
(...)
Als erste tödliche Lockdown-Sünde benennt Prof. Thakur einen explosionsartigen Anstieg von psychischen Erkrankungen und Selbstmordversuchen um bis zu 600%, der „bis zu 10-mal so viele Menschen töten könnte wie das Virus“. (Julian Tumasewitsch Baranyan, The European 16.11.22)
 
 

Kommentar von Murcon, verfaßt am 05.02.2023 um 20.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50448

Polizeipräsident a. D. Uwe Kranz über schockierende Übersterblichkeit in Deutschland!

https://www.youtube.com/watch?v=UZfP0IG1-u4

Mit Bitte um Kenntnisnahme!<
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.02.2023 um 08.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50446

Die Cochrane-Metastudie ist ziemlich umfangreich. Wenn man sich das Original trotzdem ansieht, erkennt man, daß daraus keineswegs die Unwirksamkeit der Masken gegen Corona hervorgeht, wie die üblichen Verdächtigen behaupten. Inzwischen haben viele Journalisten und Fachleute das auch dargelegt, was aber an der gewohnten Polemik nichts ändert.
Auch die Trump-Verehrer werden ja bis zum Ende der Tage behaupten, Trump habe bei den Präsidentschaftswahlen einen "Erdrutsch-Sieg" (landslide) errungen. Da kann man nichts machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.02.2023 um 08.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50445

Verliert ein Land die "Kontrolle" über einen Hafen, einen Flughafen, wenn ausländische Investoren Anteile oder auch das Ganze erwerben? Was die Flughäfen betrifft, bleibt die "Kontrolle" der Flugsicherheit doch wohl im Lande, so daß auch auf dem insolventen Frankfurt-Hahn niemand abstürzen wird. Das patriotische Lamento relativiert sich auch, wenn man an deutsche Auslandsinvestitionen denkt. Es hängt wieder mal viel am Wort "Kontrolle".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.01.2023 um 05.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50391

Konrad Adam ist sich nicht zu schade, die „Trampolinspringerin“ wiederaufzuwärmen:

Frau Baerbock betreibt Außenpolitik im Stil ihrer Lieblingssportart, des Trampolinspringens, bei dem die Volte um so besser gelingt, je elastischer, je nachgiebiger, je weicher die Basis ist.

Kein Wunder, daß auch Computerprogramme Texte hervorbringen, die man von solchen Geistreicheleien nicht unterscheiden kann.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 29.01.2023 um 20.46 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50387

Rewe hat schon seit längerer Zeit Insektenburger(-Patties) im Eis. Ich habe die sogar mal probiert. Allerdings sieht man die Insekten nicht als ganzes, insofern muß man sich nicht unbedingt ekeln.

Laut diesem Artikel seit April 2018:
https://www.morgenpost.de/vermischtes/article214119251/Bei-Rewe-gibt-es-jetzt-den-Insektenburger-zu-kaufen.html
Man findet auch weitere Quellen.

Auf Straßenfesten konnte man schon vor Ewigkeiten geröstete Heuschrecken und Mehlwürmer bekommen. Vielleicht gab es da Sondergenehmigungen. Ich bin mir auch sicher, daß ein Restaurant hier in Kiel schon vor der Corona-Zeit sowas im Angebot hatte.

Der Wikipedia-Artikel "Speiseinsekten" gibt europäische Zulassungen erst ab 2021 an, führt Deutschland nicht gesondert auf. Irgendwie seltsam.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2023 um 16.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50385

Da haben Sie natürlich recht, und die Deklarationspflichten sind seit früher ja auch ausgeweitet worden, nicht zuletzt wegen der Allergiker, so daß heute auf allen möglichen Produkten steht, sie könnten Spuren von Haselnüssen enthalten...
Aber jetzt bin ich doch neugierig geworden und werde mal Insekten und Mehlwürmer probieren, sobald Rewe sie in ansprechender Form anbietet.

Ein Kollege erzählte mal, er habe als Student in einer Großmolkerei gearbeitet und esse seither keine dieser "Zubereitungen" mehr, die da in zahllosen Formen angeboten werden. Besonders die Tankwagen mit dem Flüssigei aus Holland hätten seinen Ekel hervorgerufen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.01.2023 um 11.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50383

Als ich 1989 aus der DDR freikam, wo es alle Arten von Meeresfrüchten für Normalsterbliche überhaupt nicht gab, habe ich zuerst naturgemäß immer einen großen Bogen um diese für mich neuen und ekligen Tierchen gemacht. Inzwischen gehören Shrimps, Muscheln und manch ähnliches zu meinen Lieblingsgerichten!

Aber daß ich mir in diesem Leben auch noch den Ekel vor Spinnen, Insekten, Würmern und sonstigem Gefleuch abgewöhne, glaube ich nun doch nicht. Jeder sollte essen dürfen, was er will, und es darf einem nichts ungewollt untergejubelt werden. Lebensmittel gehören ordentlich nach ihren Bestandteilen gekennzeichnet!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2023 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50382

EU-Ekel-Ess-Verordnung (Roland Tichy persönlich)
Nur Tiere fressen Insekten, nicht wahr?
Wikipedia: „Der Verzehr von Insekten ist in vielen Teilen der Welt völlig normal. Insekten wurden dort schon immer als Nahrung genutzt, kulturell bedingt gab es daher weniger Vorbehalte und entsprechend weniger Auflagen als bei der Einführung als neues Lebensmittel in Ländern der Europäischen Union. Das Angebot ist dementsprechend in anderen Regionen deutlich umfangreicher und vielfältiger, zumal die Insekten auch lebend verkauft oder direkt an Straßenständen zubereitet werden dürfen.“ (Der Eintrag ist gerade vollständig überarbeitet worden.)

Die Deutschen essen gern verschimmelte und verfaulte Milch, was manche anderen Völker eklig finden. Die jüdischen Speisevorschriften verbieten Insekten, mit Ausnahme der leckeren Heuschrecken. "Tora-Ekel-Ess-Verordnung"?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2023 um 04.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50376

Vgl. übrigens https://de.wikipedia.org/wiki/Maikäfersuppe
Der Eintrag spricht davon, wie Maikäfersuppe schmecken soll – offenbar war niemand aufzutreiben, der sie gekostet hat. Ich kann damit nicht dienen, weil ich seit Jahrzehnten keinen Maikäfer mehr gesehen habe – ein voller Erfolg der chemischen Industrie.
Es ist ein bißchen wie bei den vermeintlichen Skandalen um Pferdefleisch:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1505#40242
Komisch und lehrreich ist daran, mit welcher Inbrunst die Leute glauben, ihr ureigensten Überzeugungen zu vertreten, wo sie doch bloß das gesellschaftliche Vorurteil wiedergeben.
Die griechische Aufklärung („Sophistik“) begann, als kluge Menschen die Relativität und Konventionalität der Sitten, Gottesvorstellungen usw. erkannten. Der Rückfall in die Dumpfbackigkeit ist jederzeit möglich, wie man sieht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.01.2023 um 17.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50374

Was der Bauer nicht kennt...

Insekten sind ein weitvebreitetes Nahrungsmittel (https://de.wikipedia.org/wiki/Speiseinsekt, aber wenn sie nun auch in Deutschland und der EU breiter in den Handel sollen kommen dürfen, haben die "Liberal-Konservativen" leichtes Spiel, die üblichen Vorurteile auf ihre Mühlen zu leiten. "Schädlingspulver" im Brot usw., man ist sprachlich sehr kreativ, wenn es um die Klaviatur des Ekels geht. Besonders hervorgehoben wird immer wieder, daß auch der Darminhalt der Tier nicht entfernt wird. Wir sollen also Scheiße essen – das kann doch nicht gesund sein!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.01.2023 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50340

In bezug auf die Ukraine scheint das aber genau umgekehrt zu sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2023 um 05.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50335

Die Linken rufen "Frieden!", die Rechten "Freiheit!"
Komisch, wie verläßlich dieses Klischee geblieben ist.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 17.01.2023 um 10.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50294

Man sucht natürlich gern nach einem Sündenbock. Das Problem ist nicht Exxon, sondern allgemein menschliche Unvernunft. Dazu die Relation von Nutzen und Schaden fossiler Brennstoffe. Der Schaden liegt irgendwann in der fernen Zukunft, der Nutzen ist sofort da.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 17.01.2023 um 08.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50293

Die Diagramme wurden vereinzelt schon früher veröffentlicht. (Wenn sie nicht ohnehin öffentlich waren.)
https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/nir-shaviv-erklaert-den-klimawandel-fuer-die-afd-im-bundestag/exxon-1982/

Der Rechtsstreit geht auch schon länger.
https://en.wikipedia.org/wiki/ExxonMobil_climate_change_denial

Later the same year [2015, SF], on October 14, Ted Lieu and Mark DeSaulnier wrote to the United States Attorney General (US AG) requesting an investigation into whether ExxonMobil violated any federal laws by "failing to disclose truthful information" about climate change.

Dazu auch:
https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/uralte-exxon-propaganda-neu-aufgelegt-im-deutschen-wahlkampf/

Wir erfahren jetzt mehr darüber, weil der Aktivismus in den Medien zunimmt. Ich befürchte, daß das ganze auch eine Kehrseite hat, ein zunehmendes Mißtrauen gegenüber der Berichterstattung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.01.2023 um 06.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50289

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47921

Wenig überraschend kommt heraus, daß Ölkonzerne wie Exxon schon seit 1977 genau berechnet hatten, wieviel die Verbrennung von Öl und Gas zur Klimaerwärmung beiträgt (FAS 15.1.23, SZ 16.1.23). Für den internen Gebrauch hatten sie auch Diagramme entworfen, die jetzt veröffentlicht werden. In der Öffentlichkeit hatten sie Zweifel gesät. (An der Studie in „Science“ ist auch Naomi Oreskes beteiligt, Verfasserin von „Merchants of doubt“ 2010.) „Die Parallelen zur mittlerweile überführten Tabakindustrie leuchten auch deshalb sofort ein, weil es sich oft um dieselben PR-Organisationen handelt, die hinter dieser Kampagne stehen.“ (FAS)
Sie hätten aber meiner Ansicht nach ihre Vertuschung nicht betreiben können ohne ein breites Einverständnis der Verbraucher, der Politiker und der Presse. Die Menschheit fährt eben Auto und raucht gern. Und die Aktionäre wollen Geld sehen.
(Hans von Storch relativiert den Wert der Studie mit dem Argument, „wissen“ habe Exxon die Klimafolgen nicht können – aber das gilt trivialerweise von allen Prognosen. Genau diese Unsicherheit ständig zu betonen war die ausdrücklich gewählte PR-Strategie von Exxon. v. Storch hebt die Bedeutung seiner späteren eigenen Studien hervor.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.01.2023 um 06.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50170

Wie Sie gegen Ende selbst andeuten, liegt eine Lösung des Rätsels nahe: die Übersetzungleistung! Dazu wäre ein Redakteur nötig, der diesen Namen verdient, aber den hat man längst eingespart.

Viele Beiträge wirken auch so, als habe man einen Volontär an das Thema gelassen. Zum Jahreswechsel habe ich versucht, meiner Frau einiges aus der Zeitung vorzulesen, z. B. über die Bräuche zu den Rauhnächten oder über die Entdeckung der Higgs-Bosonen. (Beim Vorlesen merkt man die Schwächen besonders.) So verschieden die Zeitungen (FAS, SZ, ZEIT), so einförmig die Schreibweise: ein wenig human interest (Kleidung und Frisur des CERN-Direktors), ein wenig Expertenmeinung (zu den Rauhnächten ein katholischer Theologe und eine Schamanin), und zur Sache selbst erfährt man fast gar nichts, weil die Verfasser davon offenbar nichts verstehen und auch nichts Genaueres wissen wollen.

Früher war mehr Redaktion. Man könnte, was z. B. die ZEIT betrifft, Dieter E. Zimmer nachtrauern. Ich habe ihn zwar wegen gewisser Irrtümer kritisiert, aber seine Recherche war gründlich, und schreiben konnte er auch. Ebenso Thomas v. Randow.

Unter diesen Umständen versteht man, daß im Rest von Redaktion die Pressemitteilungen und Agenturvorgaben fast unverändert in das Blatt kopiert werden.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 01.01.2023 um 21.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#50169

Seit einiger Zeit fällt mir auf, daß die Medien Äußerungen von Politikern, Verbandsvertretern usw. sehr wörtlich zitieren. Ungewöhnliche Wortstellungen, eingestreute Füllwörter, gelegentlich selbst kleinere Grammatikfehler werden minutiös protokolliert, wo früher die Redaktion eine gewisse Glättung vorgenommen hätte. Leserfreundlich ist das nicht, ich vermute, man will damit den Willen zu absoluter Neutralität demonstrieren. Allerdings meine ich, daß die Eins-zu-eins-Verschriftlichung einer mündlichen Äußerung nicht vor Verfälschung schützt, vielleicht eher im Gegenteil. Wenn ich Aussagen aus einem Politikerinterview, das ich im Radio gehört habe, später in der Zeitung wörtlich nachlese, wirkt der Text auf mich oft gerade seltsam unauthentisch. Während des Hörens nehme ich Füllwörter nicht wahr, empfinde ich Formulierungen, die den Anforderungen eines Schrifttextes womöglich nicht genügen, nicht als unzulänglich, ist mir die Aussageabsicht auf Anhieb klar, erkenne ich, ob etwas ironisch gemeint ist oder nicht usw. Mündliche Äußerungen enthalten viele Signale, Informationen (wie immer man es nennen will), die dem schriftlich fixierten Text fehlen. Diesen Mangel kann man nicht dadurch ausgleichen, daß man jede gesprochene Silbe, jedes gesprochene Äh verschriftlicht. Wenn man so einen Text liest, vermeint man, die Aussage exakt so erfaßt zu haben, wie sie mündlich getätigt worden ist, aber ich glaube, daß das nicht stimmt, ebenso wie man einen nicht erlebten Sonnenuntergang nicht unbedingt dann gut nachempfinden kann, wenn man ein Foto davon mit besonders hoher Auflösung betrachtet. Wegen der verschiedenen Rezeptionsbedingungen gesprochener und geschriebener Texte muß bei der Wiedergabe von Zitaten eine gewisse Übersetzungsleistung erbracht werden. Zu der muß man aber fähig sein und auch den Mut haben. Ich habe im Moment keine Beispiele bei der Hand, kann aber vielleicht bei Gelegenheit welche nachreichen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.12.2022 um 13.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49996

Haftstrafe für Corona-Leugner (SZ 3.12.22)

Die Überschrift behauptet es zwar nicht, suggeriert aber, daß man in Deutschland wegen Corona-Leugung ins Gefängnis kommt. In Wirklichkeit wurde der Vorbestrafte verurteilt, weil er ein Hindernis auf Bahngleisen errichtet und dadurch einen IC zur Schnellbremsung gezwungen hatte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2022 um 18.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49890

Ich kenne die amerikanischen Verhältnisse und Stimmungen nicht gut, aber wenn an Trump auch nur ein Hauch von "Loser" haftet (und das war ja jetzt oft zu hören), dann dürfte das einen selbstverstärkenden Effekt haben. Es ist gewissermaßen die Umkehrung des "Handicap-Prinzips": Konnte er sich jeden Schnitzer und jede Unverschämtheit leisten, weil er damit nur seine Stärke bewies, die all das wegsteckte, so werden die gleichen Vorfälle bei einem Loser als Schwäche ausgelegt. Ein Feldversuch in Gruppendynamik.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.10.2022 um 07.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49828

China, China, China – wir Älteren haben noch Kanzler Kiesinger im Ohr. Das fällt mir ein, wenn ich die Debatte um die Beteiligung chinesischen Kapitals am Hamburger Hafen beobachte. Die Sache selbst kann ich nicht beurteilen, aber rhetorisch ist die Lage ziemlich verfahren, weil das Wort China irrationale Reflexe auslöst (mit Rußland geht es ähnlich).
Daß chinesisches Kapital in vielen deutschen und europäischen Unternehmen steckt, spielt keine Rolle. Hamburger Hafen in chinesischer Hand – Tafelsilber verkauft usw. Damit kann man Unkundige schrecken. Die gelbe Gefahr...
Ein Verbot solcher Investitionen zu fordern ist ja auch viel einfacher als auf die chinesischen Seltenen Erden usw. zu verzichten.
Übrigens: Die Männerriege der chinesischen Führung müßte eigentlich die "feministische Außenpolitik" alarmieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2022 um 04.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49806

In gewissen Medien lernen schon Anfänger den überheblichen Tonfall, mit dem sie dann von göttlicher Höhe herab anderen Leuten den Lauf der Welt erklären.

Ebenso sehr ist davon auszugehen, dass Liz Truss die internationale Rolle von Großbritannien mit ihrer ungewöhnlichen Wirtschafts- und Außenpolitik langfristig prägen wird. (Jonas Kürsch auf Apollo News am 16.10.22)

Da wäre ich nicht so sicher. (Vier Tage später muß der junge Nachwuchs-Rechte bei Tichy den Rücktritt der Premierministerin erklären. Kein Problem. Er wird seinen Weg machen.)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 16.10.2022 um 14.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49780

Da bekommt die Frage »Warum sollten Wähler Ihnen ihre Stimme geben?« im »Kandidat:innencheck« des NDR eine ganz andere Bedeutung.

(https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/landtagswahl_2022/kandidatencheck/williehamburg102.html)
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 16.10.2022 um 11.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49778

Es dürfte sich um Julia Willie Hamburg gehandelt haben. Sie war wegen des niedersächsischen grünen Wahlerfolges auf allen Kanälen zu hören, es schmerzte in den Ohren. Das Patriarchat versagt den Frauen halt immer noch den Stimmbruch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.10.2022 um 04.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49773

Aus der Küche höre ich eine weibliche Schreistimme, alles vollkommen ohne Modulation in hoher Tonlage. Meine Frau, die das Radio angeschaltet und zugehört hat, sagt, es sei eine grüne Politikerin gewesen. Es stößt mich ab wie weniges, ich kann keine zehn Sekunden zuhören. Ich glaube nicht, daß ich ein pathologischer Einzelfall bin; es geht hier um einen politisch relevanten Punkt: Wer wird ernst genommen? Liebe Freundinnen, nehmt euch zu Herzen, was die guten Redner seit über 2000 Jahren wissen, und schreit nicht so!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2022 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49733

Gibt es eigentlich schon eine Abhandlung über das Ausrufezeichen in Wissenschaftstexten? Ich habe den „Appell an die Staunensfähigkeit“ mal als Merkmal der Sachliteratur (im Gegensatz zu Fachliteratur) bezeichnet. Aber das war noch sehr vorläufig und stimmt so auch nicht, es sei denn als „Frequenzspezifikum“. Es kommt auch zusammen mit sic oder an dessen Stelle vor und deutet dann an, daß man sich wundern oder empören soll. Bekannt ist auch die Verwendung in aufgezeichneten Schachpartien.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.09.2022 um 11.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49653

Die Gegner der Energiewende sprechen gern von „Windmühlen“, um die technischen Wunderwerke, die da draußen unseren Strom erzeugen, verächtlich zu machen.
Jetzt beklagen sie, daß der billige Windstrom zu den gleichen Preisen abgerechnet wird wie der teure Gasstrom. Damit entblättern sie unfreiwillig ihre bisherigen Milchmädchenrechnungen.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 30.08.2022 um 10.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49628

Der Hauptfeind der Rechten (die teilweise aus übergelaufenen Linken bestehen) ist Globohomo:

https://en.wikipedia.org/wiki/Globohomo
https://urbandictionary.com/define.php?term=Globohomo

Und der wird sowohl von den Grünen als auch von der "Merkel-CDU" (sowie FDP) vertreten. Klimapolitik wird als Schuldkult verstanden.

Eigentlich alles ganz logisch.

;-)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2022 um 05.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49624

Gestern ging durch die Nachrichtensendungen eine Rechnung, die ich mindestens unvollständig fand. Aus über 50 Mill. verkauften 9-Euro-Tickets wurde berechnet, daß 10 Prozent davon zur Fahrten mit dem ÖPNV anstelle von Autofahrten geführt, folglich ebenso viel CO2 vermieden hätten wie ein Tempolimit von 130 aufs Jahr gerechnet.
Es fehlte einiges: Hat sich der Autoverkehr wirklich um diese Menge verringert, oder wurden die Reisen zusätzlich unternommen? (Haben die Nutznießer lediglich ausgesagt, sie wären sonst mit dem Auto gefahren?) Auch der ÖPNV führt zu CO2-Emissionen, weil wir weit davon entfernt sind, seinen Antrieb vollständig umweltneutral zu erzeugen. Das subventionierte Ticket als „Erfolg“ zu verkaufen (so die Sprachregelung), ist leichtfertig, weil es die Kosten ausklammert. Die vielen Milliarden wären besser in die Infrastruktur der Bahn investiert. Aber man will weiter machen, weil es so gut „angenommen“ wird. Naiver geht es nicht, was die Propaganda betrifft.
Übrigens: Wenn ein Tempolimit – im Gegensatz zu den Behauptungen der FDP – so viel CO2 einspart, dann wäre es doch umgehend einzuführen, denn im Gegensatz zum 9-Euro-Ticket kostet es gar nichts. DAS wäre eine logische Folgerung aus den Daten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2022 um 05.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49623

Das Böse brauchte zwar einen Namen, sollte aber nicht zu konkret benannt werden. Das "System" ist gerade recht, auch die "Elite". Ein relativ seltener Neologismus ist mir gestern begegnet:

Die herrschende Ökobourgeoisie beutet die untere Mittelschicht aus. (Titelzeile bei Tichy 29.8.22)

Das klingt beinahe soziologisch und hebt sich damit vorteilhaft vom bereits etablierten "Kampfbegriff" (Wikipedia) "Ökofaschismus" ab. Der Hauptfeind der Rechten sind ja nicht die Linken, sondern die Grünen. Eine interessante Entwicklung, weil die Grünen selbst nicht pauschal als links gelten können. (Man denke nur an den Gründervater Herbert Gruhl, wahrhaftig kein Linker, wie ich aus persönlicher Bekanntschaft bestätigen kann, und die ÖDP, die eine Konstante in der ökologischen Bewegung verkörpert.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2022 um 04.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49614

Natürlich macht es Spaß, die "Phrasen" der anderen (Phrasen gibt es nur bei den anderen) zu entlarven, indem man sie wörtlich nimmt und so böswillig wie möglich "logisch" auseinandernimmt. Unter den Rechten hat es Alexander Kissler in einem eigenen Buch getan. Er kann Merkel nicht ausstehen, knöpft sich folglich "Wir schaffen das" und "Das ist alternativlos" als Phrasen vor. Linguistisch indiskutabel, aber seit je üblich: Politische Meinung als Sprachkritik verkleidet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.08.2022 um 06.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49596

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49542

Auch die Republikaner in den USA sprechen davon, ihr Land zurückzuerobern, als sei es von fremden Truppen besetzt.

Die Trump-Fans halten den völlig abgehoben lebenden Milliardär für einen der Ihren und glauben, daß er „sein Land liebe“. Ein erstaunlicher rhetorischer Erfolg. Dabei spielt wohl mit, daß sie ihn vom Fernsehen her schon so lange kennen wie einen Familienangehörigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.08.2022 um 11.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49576

Über eine Versuchung, die jeder kennt (wenn er ehrlich ist):

Auch wenn Trump gerichtlich wegen eines Steuervergehens verurteilt werden sollte, wird das seine Anhänger nicht beeindrucken. Sie zeigen sich jetzt schon entschlossen, solche Verfahren ebenso wenig anzuerkennen wie Wahlen - was immer dabei herauskommt. Auch Auftritte, die man normalerweise grotesk finden würde, schaden dem großen Mann nicht im mindesten, im Gegenteil: wer sich so etwas leisten kann, muß wirklich ein ganz Großer sein (Handicap-Prinzip). Damit ist eine Schwelle überschritten. Man kennt das von Wahnkranken: Gegenstehende Tatsachen werden umgehend in das Wahnsystem eingebaut und stärken es, statt es zu schwächen. Wir haben das im großen Maßstab bei den Verschwörungstheoren der letzten Jahre beobachten können. Auch unsere Patrioten stehen nach wie vor geschlossen hinter dem Deutschenhasser Trump und glauben ihm auch seine Lügen zur Razzia in Mar-a-Lago. Right or wrong – our president!

Ich habe ähnliches immer wieder beobachtet. Zum Beispiel bei den Anhängern der Psychoanalyse. Über Freud ist inzwischen vieles bekannt, was neutrale Beobachter schaurig genug finden müssen, aber es ficht die Gläubigen nicht an. Womit wir bei der Religion wären – ich brauche das nicht näher auszuführen.

Argumentieren ist hier unmöglich, die Irrlehren und der Wahnsinn finden irgendwann eine „biologische Lösung“ (ähnlich wie von Thomas Kuhn beschrieben).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2022 um 05.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49542

„Robert Habecks Politik gegen Deutschland“

Die Rechtsradikalen sprechen nicht von politischen Positionen innerhalb der deutschen Diskussion (für und gegen die Reichen oder die Armen, die Frauen, die Alten oder die Jungen usw.), sondern stellen den Gegner als Fremden dar, der gleich ganz Deutschland bekämpft. So war schon Merkel wie ein Alien zu uns gekommen, um Deutschland zu zerstören (nicht zuletzt durch Umvolkung, Flutung mit bärtigen Messermännern und Vergewaltigern). Sie hat es nicht ganz geschafft (nicht einmal das!), aber nun besorgen die Grünen den Rest.

Über alles kann man diskutieren, aber wenn jemand "gegen Deutschland" arbeitet, ist Schluß. Da bleibt nur noch Kampf bis aufs Messer (Wegsperren, Deportieren, Vertreiben).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2022 um 04.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49522

Die Begriffe und Regeln der antiken Rhetorik wurden in hellenistischer Zeit immer feiner ausgesponnen, bis der Adept sich einbilden konnte, damit auch die Garantie ihrer Wirksamkeit zu besitzen. (Vgl. Marrou, Geschichte der Erziehung S. 379.) Das erinnert an die minutiösen Vorschriften der Homöopathie und an andere Rituale, auch die Gesetzesgerechtigkeit der jüdischen Schriftgelehrten, gegen die Jesus protestierte. Diesen Verlust an Substanz zugunsten der Pedanterie finden wir immer und überall. Man kommt vor lauter Geschäftsordnungsdebatten gar nicht mehr zum Geschäft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.07.2022 um 12.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49481

„Berlin endlich wieder schrill, laut und bunt“ (BILD zum Christopher Street Day 2022)

Dieses „endlich“ ist unendlich interessant.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2022 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49464

„Ein Drittel der 45 Millionen lohnabhängigen Beschäftigten leidet täglich unter den geistigen Störungen ihrer Chefs.“
Das dürfte auf den Selbsteinschätzungen der Beschäftigten beruhen und ist mit der gleichen Vorsicht zu genießen wie andere Aussagen dieser Art. Aber wenn es zur eigenen Meinung paßt, wird es hingenommen und weiterverbreitet. Wer würde spontan nicht sagen, daß der eigene Chef verrückt oder ein Aas oder beides ist?
Da die Wirtschaft floriert, muß man annehmen, daß „Psychopathen“ (ebd.) offenbar gute Führungskräfte sind, und kann sich eigentlich nichts anderes wünschen. Was nützt ein netter Chef, wenn der Betrieb pleite geht?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.07.2022 um 21.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49462

Wie kann man nur die allseits bekannten Tatsachen so verdrehen?
Tagesschau: "[...] zumal der russische Präsident erneut von reduzierten Lieferungen spricht, und fast spöttisch davon, man könne ja die nicht genehmigte Pipeline Nordstream II nutzen. Für die Bundesregierung sind das Spielchen."

Deutschland will im Verbund mit EU und Nordamerika Rußland wirtschaftlich in die Knie zwingen. Dazu werden staatliche und private Vermögen Rußlands und russischer Unternehmer enteignet, gleichzeitig erwartet man aber von Rußland die Einhaltung der bestehenden Verträge.

Selbst die Pipeline, die das geforderte Gas liefern soll, wird noch sanktioniert, eine notwendige Reparatur aus Kanada ist nach Sondergenehmigung immer noch nicht in Rußland eingetroffen, volle Gaslieferung wird also vom Westen nach wie vor verhindert. Aber es ist natürlich Putin, der "erneut von reduzierten Lieferungen spricht".
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 19.07.2022 um 21.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49457

Nach harscher Kritik von Lesern ist der SPIEGEL inzwischen zurückgerudert, jedenfalls ein bißchen. Im Moment (21.10 Uhr) lautet der Titel: »Patrouilliert bald die Temperaturpolizei durch Deutschland?« Klingt immer noch sehr nach BILD.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 19.07.2022 um 20.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49456

Einige unserer »Qualitätsmedien« tun sich mit sachlicher Berichterstattung auffallend schwer. Neulich dachte ich nach der Lektüre des x-ten Artikels zu dem Thema, der russische Gaslieferstopp solle mit reißerischen Schlagzeilen geradezu herbeigeschrieben werden. Die masochistische Wollust, mit der da zum Teil spekuliert und das »Zittern« vor Putin zelebriert wird, empfinde ich als geschmacklos und der Lage überhaupt nicht angemessen. Ich stelle mir auch immer das selbstzufriedene Grinsen der Mitarbeiter im Kreml vor, die dort den internationalen Pressespiegel zusammenstellen.

Gerade lese ich: »Macht Habeck den Ceaușescu?« Nein, nicht in der BILD.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.07.2022 um 10.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49429

Atomkraft hilft eben doch (Titel der FAS 16.7.22)
Was bedeutet hier das trotzige „eben doch“? Hat die FAZ immer recht gehabt mit ihrer AKW-Begeisterung? Man erinnert sich an die hartnäckige Werbung der FAZ für Kalkar und Wackersdorf, als die Industrie und dann die Politik das Projekt des Schnellen Brüters wegen Unwirtschaftlichkeit aufgegeben hatten. Immerhin wußte Kurt Rudzinski noch, wovon er redete. Morten Freidel, der Verfasser des neuen Artikels, weiß es nicht. Er ist Literaturwissenschaftler und schreibt in der FAS flott über alles mögliche. In seinem Plädoyer für Atomkraft beruft er sich in typischer Weise auf „Fachleute“ und „die Wirtschaft“, um gegen den Atomausstieg und die Grünen zu polemisieren. Er zitiert ein Dutzend Leute einschließlich Unionspolitikern, die allesamt seine Position stützen, und keine Gegenstimmen. Die Kritik an der Atomkraft wird durchweg als „ideologisch“ abgetan. So etwas auf der ersten Seite lesen zu müssen ist beschämend. Im Deutschunterricht ließe es sich als abschreckendes Beispiel verwenden.

(Meine bessere Hälfte verwahrt sich schon seit Jahr und Tag gegen alles, was aus der Feder von Herrn Freidel kommt, und würde die FAS am liebsten abbestellen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.07.2022 um 04.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49428

Noch eine Variante des Forsthoff-Theorems: Die einfachsten Maßnahmen (Maske gegen Corona, Tempolimit zum Energiesparen) sind am schwersten durchzusetzen, weil die Verteidiger unserer Freiheit es verhindern.
Tips zum Energiesparen ernten Hohn und Spott, woran man sieht, daß die meisten Menschen sich an die Zeiten von Knappheit nicht mehr erinnern und sich so etwas trotz der Nachrichtenflut aus aller Welt auch nicht vorstellen können.
Weniger festgestellt als unterstellt wird der allgemeine Konsens, daß durch Putins Krieg niemand einen Nachteil erleiden dürfe, der nicht sofort durch staatliche Leistungen ausgeglichen werden müsse. So wird das nichts.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.07.2022 um 06.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49406

Abgesehen vom unterschwelligen Haß und Neid auf die Jugend – wer noch in der immer anspruchsvolleren Berufsausbildung steckt und sich anschickt, eine Familie zu gründen und trotzdem Steuern und ständig steigende Sozialabgaben zu zahlen (auch für uns alte Knacker), tut genug für die Gemeinschaft und muß sich nicht mit dem heiligen JFK sagen lassen: "Frag nicht, was der Staat..." usw. – wie Wickert tatsächlich geschmackloserweise zitiert.

Da unsere jüngste Tochter ihr FSJ in einem psychosozialen Heim geleistet und dabei von heute auf morgen Arbeiten verrichtet hat, zu denen nicht jeder bereit wäre, kann ich ein bißchen mitreden. Von Charakterbildung war nie die Rede, und die Achtzehnjährige hat ihren Charakter auch nicht geändert, sie war schon immer so. Diese Arbeit muß gemacht werden, und die psychisch gestörten Menschen brauchen außer Essen und Hygiene auch Zuwendung. Wer das leisten kann und will, der soll es tun. Wickerts eklige Predigt ist weit von dieser Wirklichkeit entfernt.
 
 

Kommentar von , verfaßt am 12.07.2022 um 06.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49404


 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.07.2022 um 20.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49355

zu #49262:

Sollte die "technische Notwendigkeit" tatsächlich nur ein Vorwand sein, könnten wir Putin ganz leicht hereinlegen.
Wir bräuchten nur zu sagen, ok, Nordstream I muß gewartet werden, nehmen wir also die fertige Leitung Nordstream II in Betrieb. Dann müßte Rußland Farbe bekennen und wir hätten wieder Gas.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.06.2022 um 08.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49328

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41402:

Für „Wo bleibt der Aufschrei“ liefert Google 35.000 Belege. Was für ein Geschrei das gäbe, wenn jeder vermißte Aufschrei aufgeschrien würde!

In Essen prügeln sich Großfamilien. Wo bleibt der Aufschrei?

Früher war die Großfamilie etwas, was wir zugunsten der Kleinfamilie aufgegeben haben und manchmal zurückwünschten, weil die Kleinfamilie wg. der Kinderaufzucht und auch sonst nicht ideal war. Das Wort bedeutet heute eher so etwas wie "Clan", also mehr oder weniger kriminelle Bande, am ehesten Zigeuner oder so was aus der Fremde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2022 um 14.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49300

Manche geben sich als Freiheitskämpfer (gegen die Merkeldiktatur, gegen Mundschutz usw.), aber wenn es um eine allgemeine Dienstpflicht für erwachsene Bürger geht, sind sie wieder mit von der Partie.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 17.06.2022 um 22.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49275

Ich kenne den Wortlaut der einzelnen Stellungnahmen nicht, aber es gehört ja zum Spiel dazu, allzu präzise Festlegungen zu vermeiden. Wenn etwa Gazprom nur allgemein von der Notwendigkeit einer Drosselung gesprochen haben sollte, kann man sich meines Erachtens durchaus darauf beziehen, indem man von »dieser« Notwendigkeit spricht, gleichzeitig aber bestreiten, daß diese Notwendigkeit gleichzusetzen ist mit der Notwendigkeit einer Drosselung um soundsoviel Prozent. Ist aber auch wirklich nicht so wichtig. Habeck hat sich in den letzten Tagen öfter zu dem Thema geäußert, und da ist nicht auszuschließen, daß eine Formulierung mal verkürzt ausfällt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.06.2022 um 21.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49274

Dieser Satz von Habeck wurde leider in der Tagesschau genauso isoliert gebracht, wie ich ihn hier zitiert habe. Ich gebe hier Prof. Ickler recht, der auf den Kontext verweist, und dann könnte sich natürlich auch herausstellen, daß Habeck mit "dieser technischen Notwendigkeit" doch etwas anderes meinte. Leider wurde dazu kein Kontext gesendet, so daß man als Hörer oder Zuschauer möglicherweise irregeführt wird.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.06.2022 um 21.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49273

Ich meinte die zwei Notwendigkeiten, auf die Sie sich auch beziehen, und zwar die für 40% laut Gazprom und die für (wie Sie annehmen) 90% laut Habeck.

Es geht jedoch zuerst nur um die eine, nämlich darum, daß Gazprom von der Notwendigkeit spricht, auf 40% zu drosseln. Von etwas anderem (einer zweiten Notwendigkeit) war bis dahin nie die Rede. Wenn Habeck also nun von "dieser technischen Notwendigkeit" spricht, kann er nur die eine bis dahin genannte russische Version meinen, die er mit dieser Erwähnung sozusagen bestätigt und gleichzeitig verneint.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 17.06.2022 um 20.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49272

Aber woher wissen Sie, daß sich die Notwendigkeit auf zwei verschiedene Dinge bezieht? Ich sehe hier keinen zwingenden Widerspruch. Wenn zum Beispiel die Reparatur notwendig ist, um 100 Prozent der Gaslieferung sicherzustellen (das hat Habeck nicht bestritten), es könnten aber trotz der Reparatur 90 Prozent weiter geliefert werden, Rußland liefert jetzt aber unter dem Vorwand der Reparatur nur 40 Prozent, dann ist die Aussage in sich schlüssig. Die Formulierung »technische Notwendigkeit« bezieht sich dann zweimal auf dasselbe, nämlich auf die Notwendigkeit einer geringen Drosselung, die er im ersten Teil des Satzes anerkennt und im zweiten Teil als Vorwand für etwas anderes, nämlich die starke Drosselung, brandmarkt.

Und natürlich ist Rußland dieser Schachzug nicht zu verdenken. Putin nutzt die Schwächen des Westens bisher geschickt aus.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.06.2022 um 18.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49271

Wenn in einer deutschen Zeitung ohne weitere Erläuterung die Rede davon ist, ich erfinde jetzt mal was, z. B. daß letztes Jahr mehr Bier als Wein getrunken wurde, dann kann man wohl mit Selbstverständlichkeit davon ausgehen, daß sich beides auf Deutschland bezieht, zumindest aufs gleiche Land, und nicht darauf, daß es in Deutschland mehr Bier als in Belgien Wein war. Das ergäbe ja keinen Sinn.

So sollte es sich eigentlich auch mit dieser "technischen Notwendigkeit" verhalten, die sich nicht einmal auf dringende Reparaturen und im gleichen Atemzug (Habecks) auf aufschiebbare Reparaturen beziehen kann, bzw. nicht einmal auf geringe Drosselung und im gleichen Atemzug auf zu starke Drosselung.

Nun ja, wie auch immer, wer wollte es Gazprom bzw. Rußland verdenken, falls es denn so ist, einmal die Widersprüchlichkeit aufzuzeigen, daß der Westen einerseits pünktliche Gaslieferungen haben möchte, andererseits bei den vertraglich festgelegten Reparaturen und Ersatzteilen Sanktionen beschließt.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 17.06.2022 um 16.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49268

Nicht unbedingt. Die Frage ist, was genau technisch notwendig sein soll: die durchgeführten Reparaturarbeiten oder die Drosselung der Gasdurchfuhr bzw. das Ausmaß dieser Drosselung. Gazprom hatte ja offenbar mitgeteilt, nach Reparaturarbeiten fehlten mehrere Kompressoren des deutschen Siemens-Konzerns am Startpunkt der Pipeline. Habeck hat diese Begründung als vorgeschoben bezeichnet, da die Reparaturarbeiten keine derart starke Drosselung der Lieferungen rechtfertigten. Es kann demnach tatsächlich eine gewisse technische Notwendigkeit geben (der genaue Bezug bleibt in der hier zitierten Äußerung unklar), die aber nur als Vorwand für die starke Drosselung mißbraucht wird. Unter normalen Umständen hätte Gazprom das Problem vielleicht diskret gelöst, und die Öffentlichkeit hätte nie davon erfahren.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.06.2022 um 15.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49266

Na ja, was so alles in der Zeitung steht, ist wieder eine andere Sache. Aber wenn Habeck "diese technische Notwendigkeit" sagt (nicht etwa relativierend ein "angebliche" gebraucht), dann bestätigt er die technische Notwendigkeit zunächst, um sie sofort im gleichen Satz wieder zu negieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2022 um 14.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49265

Gerade habe ich die Zeitung bekommen. Wie ich sehe, schützt die russsische Seite "technische Gründe" vor – das läßt Habecks Äußerung natürlich in einem anderen Licht erscheinen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2022 um 12.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49263

Ohne Kontext kann man eine solche Fomulierung (spontan, mündlich?) kaum beurteilen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.06.2022 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49262

Minister Habeck gestern:
"Meiner Einschätzung nach nutzt Rußland jetzt diese technische Notwendigkeit, um die Gasmenge zu reduzieren, um die Preise nach oben zu treiben."

Also ist es denn nun eine technische Notwendigkeit oder nicht?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 17.06.2022 um 09.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49261

Die FDP könnte sich an ihrer niederländischen Schwester VVD ein Beispiel nehmen. Die hat, als stärkste Regierungspartei, zunächst (2012) eine Erhöhung des allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen von 120 auf 130 km/h durchgesetzt, nun aber im Zuge der politischen Debatte über den Anteil des Autoverkehrs an den immer noch zu hohen Stickstoffemissionen eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit auf 100 (!) km/h (wenn auch nur tagsüber zwischen 6 und 19 Uhr) mitgetragen. Allerdings hat das oberste Verwaltungsgericht des Landes dabei kräftig nachgeholfen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2022 um 05.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49260

Ich beobachte seit längerer Zeit, was aus dem Markenzeichen der FDP, der Ablehnung eines Tempolimits, wird. Es hat sie scheinbar nicht beeindruckt, daß alle Welt immer wieder sagt, das wäre ein einfaches und leicht einführbares Mittel, wenigstens etwas Treibstoff zu sparen, abgesehen von weiteren positiven und keinerlei negativen Folgen. Bisher ging es nicht, weil die Partei daraus eine Existenzfrage gemacht hat. Die drohende reale Knappheit könnte ihr nun eine goldene Brücke bauen.

Es ist immer wieder interessant, wie Menschen gegen bessere Einsicht an etwas festhalten, nur weil sie die Kurve nicht kriegen, also die sogenannte Sturheit. "Pankraz der Schmoller" gehört hierher. Man hört von verkrachten und für immer verkracht bleibenden Familienmitgliedern. In Romanen "versöhnen" sie sich manchmal auf dem Totenbett.

Obwohl man die Politik nicht psychologisieren sollte, ist es doch der gleiche, ins Gruppendynamische übertragene Vorgang, wenn das "System" sich unfähig zeigt, einen durchaus eingesehenen Fehler zu korrigieren. Bei der Rechtschreibreform habe ich es aus größter Nähe miterlebt.

Wieviel Unglück handelt sich unsere unglückliche Spezies unnötigerweise zusätzlich ein?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2022 um 14.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49236

Peter Hahne schreibt:
„Die Bildungspolitik produziert Studenten, natürlich korrekt „Studierende“ genannt, aber nicht, was es wirklich braucht. Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger? Mangelware! Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte?“
Wikipedia über Peter Hahne:
„Nach dem Abitur 1971 studierte er evangelische Theologie, Philosophie, Psychologie und Germanistik in Bethel, Heidelberg und Tübingen mit dem Berufswunsch Geistlicher. Er schloss 1977 sein Studium als Diplomtheologe ab.“

Fernsehteilnehmer kennen seine weitere Karriere.

Die Gegenüberstellung ist nicht fair, weil „Studierender“ kein Beruf ist. Auch die Ärzte zum Beispiel haben ja mal studiert. Bezeichnenderweise erwähnt er nur soziale Berufe, nicht etwa Techniker und Wissenschaftler. Das sind die, denen es nach Steinmeier an Gemeinsinn fehlt und die deshalb eine Dienstpflicht brauchen. Gar nicht zu reden von den jungen Müttern, die mit ihren Kindern in den Tag hineinleben und sich nicht ums Gemeinwohl scheren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.06.2022 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49235

Nicht weil ihre Dienste gebraucht werden (wie der Wehrdienst), sondern mit dem Ziel der Charakterbildung will Steinmeier eine Dienstpflicht für alle. Er versteht nicht, daß Erwachsene, also mündige Bürger, per definitionem keine Erziehungsobjekte mehr sind. Eigentlich steht die alte Vorstellung vom Militär als Schule der Nation weiterhin im Hintergrund.
Neben diesem Fundamentalfehler fällt das übrige Gerede kaum ins Gewicht: »Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein«, sagte Steinmeier. „Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen. Das baut Vorurteile ab und stärkt den Gemeinsinn. – Woher weiß er denn das alles?

Kann wegfallen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2022 um 07.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49185

...die Waisenkinder, mit ihren blauen Jäckchen und ihren lieben, unehelichen Gesichtchen... (Heine).

Das ist eigentlich keine Hypallage (Unterstöger in SZ 4.6.22), sondern eher ein ironisches Spiel mit dieser rhetorischen Figur. Wie Dawkins zu sagen pflegt: Kein Kind wird als Katholik geboren. Auch Unehelichkeit ist kein Merkmal, sondern eine Zuschreibung, Einordnung, Verurteilung (und ein Schicksal). Heine kritisiert es.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2022 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49107

Es ist erstaunlich, wie lange sich unter gedankenlosen Journalisten die billige Polemik gegen das Wort „alternativlos“ halten kann (vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17859). Wenn man einen Politiker nicht leiden kann (Thatcher, Merkel...), findet man bei ihm Belege für „alternativlos, keine Alternative“); man würde sie auch bei anderen finden, wenn man nur suchte. Aber entscheidend ist, daß jeder, der ein politisches Ziel verfolgt, es selbstverständlich für alternativlos erklärt, auch wenn er dieses Wort nicht benutzt. Wenn man sich für eine Option entschieden hat, ist die Alternative nicht mehr gegeben. Das ist logisch zwingend, alternativlos...
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 07.05.2022 um 20.38 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49069

Ich kann es vielleicht nicht beurteilen, aber mir scheint es fraglich, wie ein Verbot von Symbolen Ausschreitungen verhindern soll. Wichtig wäre doch vor allem die räumliche Trennung der Gruppen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 07.05.2022 um 19.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49068

Es ist wohl so – wir wollen gelobt werden. Die Grüne Marina Weisband beklagte bei Maybrit Illner kürzlich die Zögerlichkeit der deutschen Waffenlieferungen an die Urkraine: „Ich telefoniere täglich mit meiner Familie in Kiew, und ich werde täglich angeschnauzt, warum Deutschland nicht so hilft, wie andere Länder es tun. Wir machen uns gerade nicht sehr beliebt.“

Das geht gar nicht! Dann lieber Weltkrieg.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 07.05.2022 um 18.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49067

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, von dem man zuvor ein paar Stunden lang nichts gehört hatte, hat wieder mal einen »Riesenskandal« ausgemacht und angeprangert. Die Berliner Polizei hat dafür zu sorgen, daß die Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. und 9. Mai an den verschiedenen Ehrenmalen in der Hauptstadt sicher und würdevoll vonstatten gehen. Zusammenstöße zwischen prorussischen und proukrainischen Demonstranten sollen verhindert werden. Deshalb hat die Polizei unter anderem das Zeigen von Symbolen wie russischen oder ukrainischen Fahnen in den betreffenden Bereichen verboten. Damit, so der Botschafter, würden die Opfernation und die Täter »gleichgesetzt«, was für ihn erneut beweist, daß alle Solidaritätsbeteuerungen gegenüber der Ukraine »leere Worthülsen« seien.

In Wirklichkeit wird natürlich nur das Zeigen von Symbolen der beiden Konfliktparteien gleichgesetzt, und zwar einzig und allein zum Zwecke der Verhinderung von Provokationen, die in gewaltsame Ausschreitungen münden könnten. Man kann das für übertrieben oder sogar für falsch halten, aber darin einen Beleg für Heuchelei und mangelnde Unterstützung der Ukraine zu sehen erscheint mir absurd. Die Berliner Polizei hat keinen Zweifel daran gelassen, daß sie alles daransetzt, die Veranstaltungen nicht zur Bühne für Putinpropaganda werden zu lassen. So hat sie in der entsprechenden Allgemeinverfügung »das Zeigen von Symbolik und Kennzeichen« verboten, »die geeignet sind, den Russland-Ukraine-Krieg zu verherrlichen, z.B. das Zeigen der Flagge der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), das Verwenden von russischen und sowjetischen Militärflaggen, das Zeigen von Darstellungen des ukrainischen Staatsgebietes ohne den Donbass (Oblaste Luhansk und Donezk) sowie Flaggen der Separatistengebiete Luhansk und Donezk«, außerdem »das Billigen des derzeit von Russland gegen die Ukraine geführten Angriffskrieges« (https://www.berlin.de/polizei/_assets/dienststellen/anlagen-dir-e/220504-direvst111-av-ehrenmale.pdf).

Diplomatische Zurückhaltung ist von diesem Botschafter nicht zu erwarten und in der gegenwärtigen Situation vielleicht auch nicht immer angezeigt, aber merkt er denn nicht, daß er mit seinem Verhalten mittlerweile mehr kaputtmacht als voranbringt? Natürlich kann ein Diplomat auch mal die Öffentlichkeit suchen, wenn er das Gefühl hat, in einer für sein Land existentiellen Frage bei der Gastregierung auf taube Ohren zu stoßen, aber diese Phase haben wir ja längst hinter uns gelassen. Man hat fast den Eindruck, das Produzieren von Schlagzeilen sei bei ihm inzwischen zum eitlen Selbstzweck geworden. Er hat die Deutschen anfangs schon ganz richtig eingeschätzt: sie lassen sich von wuchtigen Reden gegen ein großes Unrecht leicht beeindrucken, sind immer peinlich darauf bedacht, auf der »richtigen Seite« zu stehen, möchten gelobt werden für moralisch erwünschtes Verhalten. Doch je mehr Zeit ins Land geht, desto differenzierter wird nach dem ersten Schock der Blick auf die Ursachen des Krieges, die Rolle Deutschlands und das, was uns in den nächsten Jahren bevorstehen könnte. Angesichts dieser Entwicklung wirkt die Hau-drauf-Rhetorik des Botschafters zunehmend deplaziert. Ob es ihm gelingen wird, seine Möglichkeiten wieder klüger zu nutzen, als er es im Augenblick tut? Das wäre zu wünschen, denn es steht zu befürchten, daß der Krieg noch eine Weile andauern wird.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 06.05.2022 um 09.00 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49065

Ich habe ein wenig den Verdacht, daß diejenigen, die öffentlich vor einer militärischen Eskalation warnen, oft eher die wirtschaftlichen Abhängigkeiten Deutschlands von Rußland im Auge haben. Das Argument mit dem drohenden Atomkrieg oder dem zusätzlichen Leid durch Verlängerung der Kriegshandlungen läßt sich dagegen besser verkaufen. Es erweckt den Anschein einer reinen Moraldiskussion – das Verhindern von Toten kann doch nur etwas Gutes sein. Im Hintergrund geht es wohl auch darum, wie man die deutsche Industrie vor den Konsequenzen eines Gasembargos schützen kann.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.05.2022 um 05.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49063

Gute Fragen! Warum Rußland für seine Nachbarn nicht attraktiver ist, habe ich mich auch schon gefragt. Sicher wurden da Fehler gemacht. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß nach dem Zusammenbruch des Kommunismus das ganze Land erstmal runtergewirtschaftet war.
Daß Rußland nichts zu bieten hätte, kann man nicht sagen. Bodenschätze ohne Ende, und auch kulturell und in wissenschaftlicher Hinsicht gibt es einiges. Es braucht wohl seine Zeit, bis das Desaster der Planwirtschaft sich erholt hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2022 um 05.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49062

Zu Anton Hofreiter (und http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32616):

Ein Politiker, der sich nach eigenem Bekunden „verletzt“ fühlt, weil er keinen Ministerposten bekommen hat, sollte auf keinen Fall einen Ministerposten bekommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2022 um 05.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49061

Jeden Tag lese ich, daß dieser oder jener davor warnt, Putin noch weiter zu reizen. Vorausgesetzt wird anscheinend, er habe die Ukraine angegriffen, weil er gereizt worden sei. Dreimal darf man raten, wer ihn gereizt hat und damit zumindest eine Mitschuld trägt.

Ein Blick auf die russische Kriegspropaganda wirkt klärend.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 06.05.2022 um 03.34 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49060

Warum hat es Rußland nicht mit "Softpower" geschafft, seine Nachbarländer an sich zu binden? Wie soll das mit Gewalt überhaupt funktionieren?

Was für eine Weltmacht möchte Rußland eigentlich sein? Eine mit Anziehungskraft? Oder eine, die Angst und Schrecken verbreitet?

Und warum sollte es der Ukraine unter russischer Vorherrschaft gut gehen? Ein Vorbild wäre ja Weißrußland. Geht es Weißrußland besser als den Nato-Beitrittsstaaten? Ich sehe das nicht. Und wie kann Neutralität möglich sein, wenn es keinerlei Sicherheit und keinerlei Vertrauen gegenüber Rußland gibt? Ist Weißrußland eigentlich "neutral"? Was hat Rußland außer fossilen Rohstoffen anzubieten? Destabilisierung? Korruption? Politische Knäste?

Rußland hat sich in eine Richtung entwickelt, die seinen Nachbarstaaten Angst macht. Es bietet ihnen keine Perspektive.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.05.2022 um 22.52 Uhr  
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Prinzipiell hätte die Ukraine natürlich das Recht, als souveräner Staat seine Bündnispartner selbst auszusuchen. Aber faktisch gibt es nun mal schon seit fast 80 Jahren mindestens zwei große Weltmächte, die darüber bestimmen, was in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft passiert. Das ist nicht gerecht, aber es ist die aktuelle Lage. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs wurde das von beiden Seiten akzeptiert. Dann brach das kommunistische System in der Sowjetunion zusammen, zeitweise war Rußland wirtschaftlich schwach, was die Amerikaner glaubten für sich ausnutzen zu können. Aber kurz bevor Rußland machtpolitisch bedeutungslos wurde, hat es sich unter Putin wieder gefangen und behauptet nun seinen Anspruch als Weltmacht.

Die Ukraine als unmittelbarer Nachbar Rußlands hätte das alles wissen können. Zum Teil hat sie sich das Elend ihrer jetzigen Lage also selbst ausgesucht. Das klingt hart, ist aber die Realität. Als Verbündeter von Rußland oder wenigstens als neutraler Staat mit guten Beziehungen zu Rußland und zur EU wäre es ihr gut gegangen. Aber sie mußte sich ja diesen Floh der NATO-Mitgliedschaft ins Ohr setzen lassen. Ich weiß nicht, was die Politiker dieses korrupten Landes dafür bekommen haben.

Rußland hatte sich bis dahin mit wachsendem Unmut, aus dem es auch keinen Hehl machte, von der NATO demütigen lassen. Das ist die russische Sicht, nicht meine. Man muß die russische Sicht nicht gutheißen, aber kennen. Wäre die Ukraine auch noch an die NATO gefallen, wäre Rußland als Weltmacht endgültig abgeschrieben gewesen. Peter Scholl-Latour hat das in seinem Buch, aus dem ich schon zitiert habe, ausführlich beschrieben. Das war also eine bekannte Rote Linie, die die NATO unter amerikanischer Führung glaubte ohne Rücksicht auf das ukrainische Volk überschreiten zu können. Der Krieg und alles Leid war voraussehbar. Genauso voraussehbar wie der Dritte Weltkrieg, falls der Westen weiterhin glaubt, Rußland in die Niederlage in diesem Krieg gegen die Ukraine zwingen zu können.

Vor dem endgültigen Untergang hat Rußland noch genug Atombomben, um nicht allein unterzugehen.

Soweit dazu, was auch die Ukraine dafür kann.

Warum Rußland die Ukraine angreift und nicht gleich die NATO? Na klar ist die Ukraine erstmal der leichtere Weg. Putin ist sicher kein Selbstmörder. Gnade uns Gott, ihn dahin zu treiben!
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 05.05.2022 um 19.57 Uhr   Mail an
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Was kann eigentlich die Ukraine dafür, daß die Nato ihre Tentakeln nach ihr ausstreckt? Putin hätte lieber den eigentlichen Aggressor – die Nato – angreifen müssen. Er läßt sein Gefolge doch immer wieder mal einen Weltkrieg ins Spiel bringen. Warum zieht er nicht die naheliegende Konsequenz? Ist Putin feige? Vergreift er sich lieber an Schwächeren?

Wenn man argumentiert, daß der Westen Rußland provoziert hat, nach welcher Logik marschiert Rußland in die Ukraine ein?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.05.2022 um 17.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49057

Ich glaube, niemand behauptet, die NATO wolle ihr [Staats-]Gebiet auf Kosten anderer Staaten ausdehnen. Das Wort Expansion kann man aber sicher auf verschiedene Arten verstehen.

Von Helmut Kohl [...] ist in Moskau folgende Aussage vom 10. Februar 1990 im Dialog mit Gorbatschow festgehalten: »Wir sind der Meinung, die NATO solle die Sphäre ihrer Aktivität nicht erweitern. [...]«
(Peter Scholl-Latour, Rußland im Zangengriff, Ullstein Taschenbuch, 2007, S. 183, Hervorhebung von mir)

Zur NATO-Mitgliedschaft von Rußland (ebenda, S. 185):

So abstrus es klingen mag, sogar der Beitritt Rußlands zur NATO stand zur Debatte. [...]
Die radikale Ablehnung einer maßlosen Expansion des Atlantischen Bündnisses bis zum Westpazifik als Folge eines Beitritts Rußlands hatte ihre guten Gründe. Zunächst war man davon überzeugt, daß es die Amerikaner mit einer solchen Absicht gar nicht ernst meinten und die »partnership for peace« nichts als eine Schimäre war. Zudem hatte Primakow noch die Aussage des damaligen US-Sicherheitsberaters Strobe Talbott im Ohr. Dieser persönliche Freund der Bush-Dynastie hatte 1996 die NATO mit einem Flugzeug verglichen, für dessen Passagiere es keine unterschiedlichen Klassen gäbe. »Es sind aber allein die Amerikaner, die im Cockpit dieser Maschine sitzen«, hatte der damalige Außenminister Rußlands erwidert, was Talbott mit einem wissenden Lächeln bestätigt habe.

Noch zwei Seiten weiter nennt Scholl-Latour den Rußland-Beitritt zur NATO "Hirngespinste".
 
 

Kommentar von , verfaßt am 05.05.2022 um 12.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49054


 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 30.04.2022 um 17.49 Uhr   Mail an
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Warum sollte sich Mexiko mit China verbünden? Wird es von den USA militärisch bedroht? Die Ukraine hat für einen Nato-Beitritt dagegen nachvollziehbare Gründe. Auch sind in den osteuropäischen Nato-Ländern keine wirklich bedrohlichen Waffensysteme stationiert.

Das Beispiel mit der Pistole scheint mir auch nicht treffend. Bei uns in Deutschland ist die Gefahr einer solchen Bedrohung relativ gering. Wäre sie sehr hoch, z.B. bei fehlender Polizei, würde sich jeder bewaffnen.

Die Frage, ob man sich einem Aggressor ergibt, läßt sich nicht pauschal beantworten. Das ist ein ständiges Dilemma. Hätte man die Landshut stürmen dürfen? Soll man einem Entführer Lösegeld zahlen?

Meines Erachtens geht es im Fall der Ukraine um sehr viel. Das ist kein kleiner Konflikt, der mit uns wenig zu tun hat, es geht da durchaus um die Zukunft von Europa. Putin entwickelt sich offenbar zu einem völlig skrupellosen Diktator, gerade seine öffentlichen Gedankenspiele mit einem dritten Weltkrieg zeigen, wohin seine Reise geht. Ich nehme zu seinen Gunsten an, daß er nur blufft. Aber gerade wenn man ihn ernstnimmt, muß man ihn stoppen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.04.2022 um 16.59 Uhr  
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Wenn Frieden statt Freiheit nur kommunistische Propaganda gewesen wäre, dann hätte sich der Eiserne Vorhang schon viel früher, allerdings in einem Atombombeninferno, aufgelöst.

Ich habe in der DDR immer von Freiheit geträumt, aber wir glaubten, anders als durch einen Atomkrieg würde sie kaum Wirklichkeit werden. So einen Krieg wollte natürlich niemand, weder Kommunisten noch die, die sich nach Freiheit sehnten. Das gleiche galt ja auch für den Westen. Die beiderseitige Abschreckung hat gewirkt. Es gab ein Einvernehmen zwischen Ost und West über das "Gleichgewicht des Schreckens", wie es damals oft hieß. Das war keine kommunistische Propaganda.

Aber plötzlich im Jahre 2022 kann eine deutsche Außenministerin sich so etwas vorstellen. Sie meint, das Risiko eingehen zu müssen und zu können, denn wenn es rumst, ist es ja nicht unsere Schuld. Da fehlen mir die Worte.

Weder Hitler noch die Alliierten hatten, als es um Polen ging, eine Atombombe. Stalin hätte Hitler sicher gern die eine Hälfte Polens überlassen, wenn er die andere hätte behalten dürfen. Ich glaube, mit der heutigen Situation hat das sehr wenig zu tun.

Wenn jemand die Pistole an den Kopf gehalten bekommt, ergibt er sich normalerweise. Nicht so die Ukraine. Ihre Führung schreckt vor noch so vielen Opfern und Zerstörung nicht zurück. Die Ukraine sollte eigentlich selbst wissen, daß sie als NATO-Mitglied für Rußland nicht akzeptierbar ist. Was würden wohl die USA tun, wenn Mexiko mit Rußland oder China einen Militärpakt bilden würde und Raketenbasen errichten ließe?
Es klingt absurd, aber genauso absurd ist es, was jetzt in der Ukraine passiert.

Es wäre übrigens ein Irrtum zu glauben, daß sämtliche ukrainischen Flüchtlinge Putingegner wären. Sie werden allerdings ausnahmslos in diesem Sinne von unseren Medien vereinnahmt. So manche Schulleiter und Lehrer, die jetzt ukrainische Schüler bekommen, reiben sich die Augen darüber, was sie von ihnen zu hören kriegen. Ich sehe im deutschen Fernsehen fast nur, wie Flüchtlinge ihr Leid klagen. Aber sie werden lieber gar nicht gefragt, wem sie es verdanken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2022 um 04.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49031

Ich weiß nicht, was Frau Baerbock denkt, aber ich lese nun offene Briefe von "Prominenten", die Scholz vor Waffenlieferungen warnen und die Ukrainer auffordern, sich nicht gegen ihre Annexion zu wehren, damit nicht noch mehr Blut vergossen wird. Den "Frieden" über die Freiheit zu stellen, war immer fester Bestandteil der kommunistischen Propaganda. In der DDR war jede geerntete Zuckerrübe ein Beitrag zum Friedenskampf gegen den Faschismus.

Viel Leid wäre verhindert worden, wenn man Hitler Polen überlassen hätte, statt sich mit der Ankündigung von Blut, Schweiß und Tränen einzumischen. Dann hätten wir heute ein friedliches, judenfreies deutsches Europa vom Atlantik bis zum Ural.

Mehr will ich dazu nicht sagen; das tun andere. Immerhin ist es interessant, wie die deutsche Prominenz sich sortiert. Die Überraschung hält sich in Grenzen. (Pikant: die Zeitschrift "Emma" als Zentralorgan...)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.04.2022 um 00.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#49029

Was denkt sich diese Grüne Frau Baerbock eigentlich, wenn sie sagt, wir ärgern zwar Putin, sind aber im Recht, und wenn er sich zu sehr darüber ärgert, dann ist er zwar nicht im Recht, aber die Möglichkeit bestünde schon, daß er einen Atomkrieg beginnt?

Was nützt es uns nachher, wenn die Welt in Trümmern liegt, wer recht gehabt hat?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.04.2022 um 13.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48932

Darauf wollte ich hinaus, lieber Herr Riemer. Was mich wundert, ist der Verteidigungsreflex, den Kritik an Rußland strammlinks immer noch auslöst.

Zum Hinweis auf den Globus: War Kennedy überängstlich?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2022 um 11.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48931

Na ja, die Ostgrenze der Nato ist vielleicht doch nicht ganz mit Kuba gleichzusetzen... (Kuba als Westgrenze von was? Der Warschauer Pakt endete westlich am Eisernen Vorhang, nicht in der Karibik.) Manchmal empfiehlt sich ein Blick auf den Globus.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 14.04.2022 um 11.30 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48930

Ich sehe zwei grundlegende Probleme.

Erstens kann eine politisch-militärische Neutralität der osteuropäischen Staaten nur funktionieren, wenn entsprechendes Vertrauen in das benachbarte Rußland besteht. Die Schweiz kann neutral sein, weil sie von den Nachbarländern nichts zu befürchten hat. Das ist bei den ans Putin-Rußland grenzenden Staaten eben anders. Hätte die Nato diese Staaten nicht aufgenommen, hätten sie sich selbst helfen müssen. Eventuell mit eigenen Atomwaffen.

Zweitens kann es zwischen Westeuropa und Rußland keine wirtschaftlich-kulturellen Verflechtungen geben, wenn Rußland sich immer mehr zu einer Diktatur mit Expansionsbestrebungen entwickelt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.04.2022 um 10.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48927

Lieber Herr Virch, Sie fragen in Ihrem Blog, ob die Rechtfertigung durch Ihren Freund überzeugt. Ich finde die einzelnen Punkte, die er nennt, im großen und ganzen richtig (das Wort "logischerweise" hätte ich weggelassen, und die Propaganda blüht auf beiden Seiten).

Aber: Es ist natürlich keine Rechtfertigung, kann also in diesem Sinne auch nicht überzeugen. Es ist einfach eine Aufzählung der Gegebenheiten, die Rußlands Reaktion auf die Entwicklung der NATO keinesfalls rechtfertigen, jedoch zeigen, daß sie voraussehbar und durch die USA/NATO vermeidbar war.

Für die USA, die die korrupten Strukturen in der Ukraine kühl berechnend ausnutzten, war es eine Win-Win-Situation. Entweder die Ukraine kam in die NATO oder die lästigen guten Handelsbeziehungen zwischen Rußland und Europa wurden nachhaltig gestört. Letzteres ist nun wie vermutet eingetreten. Die USA waschen ihre Hände in Unschuld und können sich zufrieden zurücklehnen. Die Rüstungsindustrie frohlockt, und die Völker (an der Spitze die Ukraine) zahlen mit Blut und Inflation. Der Weltfrieden steht auf der Kippe. War es das nun wert? (Die Frage geht an die USA/NATO.)

Ich möchte betonen, daß ich mit keinem Wort den Krieg in der Ukraine rechtfertige, ganz im Gegenteil! Aber es gibt nicht nur den einen Schuldigen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.04.2022 um 08.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48926

Man muß kein Putinversteher sein, um amerikanische Raketenbasen an Rußlands Grenzen ebenso bedrohlich zu finden wie russische Stellungen auf Kuba. Aber ein Angriffskrieg? Und woher kommt die trotz seiner anhaltende Rußlandsympathie vieler Linker? Wagenknecht beispielsweise greift kaum verhohlen Putins Propaganda auf und streitet (natürlich zum Wohle der Menschen) gegen Sanktionen und Waffenlieferungen. Ist das Nostalgie?

https://virchblog.wordpress.com/2022/04/03/der-grose-whataboutismus/
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 14.04.2022 um 08.50 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48925

Es könnte auch sein, daß Putin einfach lügt. Vielleicht ärgert ihn bloß, daß sich die osteuropäischen Staaten von Rußland abwenden.

Mein Eindruck ist, daß Putin als skrupelloser Diktator wahrgenommen werden möchte, und den Gefallen sollten wir ihm vielleicht tun.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.04.2022 um 06.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48922

Ob Rußland oder die USA oder wer auch immer bedroht ist oder nicht, darüber könnte man zwar auch lange mit verschiedenen Argumenten diskutieren, aber was hat das damit zu tun, ob Rußland (oder ...) sich bedroht fühlt?

Wenn ich in freier Wildbahn ein Bärenjunges streichle, bedrohe ich es sicher nicht, warum also wird seine Mutter umgehend Hackfleisch aus mir machen? Sie hat doch gar keinen Grund dazu!? Oh doch, sie hat einen! Ob ich ihn nun anerkenne oder nicht, das hilft mir in dem Moment gar nicht.

Woher wissen Sie, daß Rußland sich nicht bedroht fühlt? Putin hat es doch oft genug gesagt. Die ihm nicht zuhören oder ihn nicht ernst nehmen, sind genauso naiv wie der, der ungeschützt in freier Wildbahn ein Bärenjunges auf den Arm nimmt.

Was meinen Sie damit, daß ich die Rede vom bedrohten Rußland übernähme? Ich habe nichts darüber gesagt, ob Rußland bedroht ist, ich sage nur, es fürchtet um seine Sicherheit! Das muß jemand, der rings um Rußland Raketenrampen aufbaut, doch beachten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2022 um 04.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48919

Als „Helden unserer Zeit“ werden beim rechtsradikalen Tichy nicht etwa die Ukrainer gefeiert, die um ihre Freiheit und ihr Leben kämpfen, sondern die „Spaziergänger“, die auf deutschen Straßen gegen die Seuchenprävention kämpfen und mit der Bundestagsentscheidung einen großen Sieg errungen haben. Das wollen wir mal festhalten, weil spätere Generationen ein solches Maß an Perversion nicht für möglich halten werden.
Der sogenannte Philosoph Precht riet den Ukrainern kürzlich, ihren Widerstand gegen Putin aufzugeben, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Ob er den gleichen Rat auch den Deutschen geben würde, falls Putin Rußlands alten „Einflußbereich“ (dieser Begriff wird gerade wieder Mode) auch auf die ehemalige DDR ausdehnen und um der eigenen „Sicherheit“ willen gleich ganz Deutschland annektieren würde? Die Ukraine war kein perfekter Staat, aber daß die Ukrainer ihre Freiheit gegen Putin verteidigen wollen, das scheint hierzulande die Vorstellungskraft mancher Zeitgenossen zu übersteigen. (Manche von ihnen verhöhnen zugleich Deutschland wegen seiner geringen Wehrhaftigkeit.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2022 um 03.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48917

Sie übernehmen die Rede vom bedrohten Rußland, das um seine "Sicherheit" fürchte. Ich will hier keine politische Diskussion über dieses uralte Stückchen anfangen, sondern nur festhalten, daß ich gänzlich anderer Meinung bin. Rußland ist heute so wenig bedroht, wie es Sowjetrußland war, und der Überfall auf die Ukraine ist kein Verteidigungskrieg.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.04.2022 um 23.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48915

Ob der deutschen Regierung wenigstens jetzt schwant, daß sie nicht unbedingt gut beraten ist, wenn sie den Regierungschef eines Landes, das 2020 laut Korruptionswahrnehmungsindex von transparency.de an der Grenze zwischen zweitem und letzten Drittel von 180 Ländern der Welt rangiert, zu einer Art europäischem Heiligen stilisiert?

Anstatt immer mehr und schwerere Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern und damit die ganze Welt der Gefahr einer atomaren Zerstörung auszusetzen, sollten die USA und Rußland endlich Verhandlungen über eine gegenseitige Sicherheit aufnehmen!

Das ukrainische Volk badet gerade den Fehler aus, daß nach dem Fall des Berliner Eisernen Vorhangs 1989/1990 keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen wurden.

Was ist das nur für eine leichtsinnige Kriegshysterie, die Deutschland und andere Länder plötzlich befallen hat? Sind alle auf einmal irre geworden, eine Atommacht derart militärstrategisch und jetzt auch noch militärisch, wirtschaftlich und politisch in die Enge zu treiben?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.04.2022 um 07.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48912

Daß die ukrainische Regierung ständig gegen deutsche Politiker polemisiert und nun den Bundespräsidenten, also den Repräsentanten Deutschlands, zur unerwünschten Person erklärt hat, kann die Bundesregierung schon aus formalen (protokollarischen) Gründen nicht hinnehmen. Das hat nichts mit der Beurteilung des früheren Außenpolitikers Steinmeier zu tun. Vielleicht hat die ukrainische Regierung sich ausgerechnet, daß Deutschland auf diese Melodie am ehesten zum Tanzen zu bringen ist. Die Bundesregierung hätte schon längst den ukrainischen Botschafter zur unerwünschten Person erklären können. Man sollte schon aus Gründen der Selbstachtung weitere Unterstützung von einer Entschuldigung abhängig machen, bevor die diplomatischen Sitten weiter verfallen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.04.2022 um 07.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48896

Seit 5:45 Uhr wird zurückgeschossen. – Urform aller Angriffskriege. Jedenfalls in der Neuzeit. Früher mußte Krieg nicht begründet werden.

So ahmt jede Diktatur heute die Demokratie ("Volksdemokratie") nach, was früher auch nicht nötig war. Herrschaft verstand sich von selbst und mußte nicht legitimiert werden.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.04.2022 um 00.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48872

Sie haben recht. Ich hatte den Text der Erklärung gründlich gelesen und dann angefangen zu überlegen, wie man der Argumentation eventuell einen Sinn unterlegen kann. Am Ende ist mir das entscheidende Wörtchen »nicht« in meinen Gedankenspaziergängen offenbar abhanden gekommen, vielleicht auch, weil ich ständig diese Szene mit dem Mann am Seil vor Augen hatte. Ich fand aber schon die Formulierung, daß Leichen »nicht erstarrten«, etwas merkwürdig, man würde hier doch normalerweise sagen »nicht erstarrt waren«, wenn man den Zustand der Leichen zum Zeitpunkt der Aufnahmen beschreiben wollte. Vielleicht liegt auch ein Übersetzungsfehler vor. Mit »nicht erstarrten« (im Sinne von »keine Leichenstarre aufwiesen«) ergibt das Ganze nur dann einen Sinn, wenn man unterstellen würde, daß diese Menschen unmittelbar vor den Aufnahmen getötet worden sind. Dazu würde dann der Hinweis auf das nichtgeronnene Blut und das Fehlen von Leichenflecken passen (die ja bereits eine knappe halbe Stunde nach Todeseintritt auftreten können). Die Aussage wäre dann ungefähr so: »Wir (die Russen) waren schon viele Tage weg, und ihr präsentiert uns jetzt Aufnahmen von Toten, die gerade erst gestorben sein können.« Aber auch das wäre ja höchst unplausibel, aus wieder anderen Gründen, die hier teilweise schon genannt worden sind.

Ohnehin ist die ganze Exegese eigentlich sinnlos. Welchen Wert solche Erklärungen haben, hat man bei früheren Gelegenheiten gesehen. Daß man sich in Moskau überhaupt die Mühe macht, so genau und so ausführlich (wenn auch nicht überzeugend) auf den Vorgang einzugehen, zeigt jedenfalls, daß man selbst dort nur höchst ungern mit dem Geschehenen in Verbindung gebracht werden möchte.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 05.04.2022 um 13.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48856

Einen leichenstarren Toten kann das russische Verteidigungministerium kaum meinen, da es ausdrücklich von "nach mindestens vier Tagen nicht erstarrten" Leichen spricht und sie als Beweis für "eine weitere Inszenierung des Kiewer Regimes" präsentiert. Die erste "Inszenierung" (der angebliche ukrainische Raketenbeschuß eigener Wohngebäude) wird nicht mehr so lauthals angeprangert, seit ganz Mariupol in Trümmern liegt. Plausibilität spielt hier aber eh keine Rolle.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 04.04.2022 um 22.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48851

Ich habe das anders verstanden. In einem der Videos sieht man, wie ein erstarrter männlicher Leichnam an einem langen Seil vorsichtig von der Straßenmitte an den Straßenrand gezogen wird. Das paßt zu der Darstellung der ukrainischen Seite, die Leichen seien von den Tätern teilweise mit Sprengfallen versehen worden. Da die Aufnahmen aber angeblich vom Sonntag stammen, paßt die Leichenstarre nicht zu der Behauptung, russische Soldaten hätten die Zivilisten getötet, da die Russen bereits vier Tage zuvor den Ort verlassen hatten, so jedenfalls die Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums. Danach belegt die Leichenstarre, daß diese Menschen nach dem Abzug der Russen getötet worden sein müssen (also von irgendwem, aber nicht von russischen Soldaten), gerade weil die Leichenstarre in der Regel nach spätestens 48 Stunden endet.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.04.2022 um 19.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48850

Herr Virch meint das ironisch. Leichenstarre hält immer nur max. 2 Tage an, aber im russischen Verteidigungsministerium wundert man sich, daß sie nach 4 Tagen immer noch nicht eingetreten ist, und will damit die Fälschung aufdecken.
Das hat sicher jemand nicht so gut Bescheid gewußt. Andererseits belegt dieser Fehler auch nicht das Gegenteil.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 04.04.2022 um 19.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48849

Das mit der Leichenstarre habe ich nicht verstanden. Gab es da Bilder, bei denen man noch eine Leichenstarre sieht? (Der eine Radfahrer?)

Ich halte es übrigens für ausgeschlossen, daß Ukrainer ihre eigenen Einwohner getötet haben. Da hätte man noch die ganzen Zeugen zwingen müssen zu lügen. Vielleicht waren es zivile Kämpfer, die man umpositioniert hat, es wurden ja Gewehre ausgegeben. Aber sowas funktioniert nicht bei zu vielen Mitwissern.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 04.04.2022 um 09.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48844

Und das, wo das russische Verteidigungsministerium die Wahrheit längst aufgedeckt hatte:

https://russische-botschaft.ru/de/2022/04/03/erklaerung-des-russischen-verteidigungsministeriums-zur-provokation-des-kiewer-regimes-in-butscha/

Die Leichenstarre beginnt ein bis zwei Stunden nach Eintritt des Todes und hält zwischen 24 und 48 Stunden an. Nur bei Ukrainern dauert sie länger.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.04.2022 um 22.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48841

Das Erste, Sendung "Brisant", heute 17.00 Uhr zu Butscha:
"Mutmaßliche Greueltaten russischer Soldaten, die bisher noch nicht unabhängig überprüft werden konnten."

Was allerdings weder Das Erste noch das ZDF daran hindert, sofort mit eindeutigen Schuldzuweisungen an Rußland darüber zu berichten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.03.2022 um 18.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48805

Ein Wahlsieg ist „erdrutschartig“, eine Niederlage „krachend“.

Interessant wird es rhetorisch und gruppendynamisch im Gefolge der Landtagswahl im Saarland. Hätte die CDU besser abgeschnitten, würde Merz es gewiß nicht versäumen, sich den Erfolg gutzuschreiben. Aber nun distanziert er sich von Hans und den angeblich bloß saarländischen Angelegenheiten in einer Weise, die es mir noch unwahrscheinlicher erscheinen läßt, daß ihm das Fußvolk je ein „Friedrich, Friedrich!“ entgegenjubeln wird. Sogar Laschet war nach einiger Zeit zu der Erkenntnis fähig, nicht der richtige Mann an der Spitze zu sein.
Solange Merz „weg“ war und nicht liefern mußte, wie man heute sagt, konnte sich sein legendärer Ruf als Wirtschaftsfachmann und großer Redner halten, aber nun blättert das zusehends weg. Und gruppendynamisch ist der selbstverstärkende Abwärtsstrudel so mächtig, daß es schon außergewöhnlicher Gaben bedürfte, ihn aufzuhalten. Hinzu kommt ein gewisses Charaktermerkmal, das seit seinem Wiedererscheinen sehr oft besprochen worden ist. (Meine Prognose für die Wahlen im Mai brauche ich wohl nicht deutlicher zu machen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.03.2022 um 17.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48803

Wenn man Fox News stumm schaltet, sieht man eher noch deutlicher, wie Tucker Carlson, Sean Hannity, Laura Ingraham lügen. Vielleicht Einbildung. Millionen Amerikanern und der russischen Regierung gefällt es.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2022 um 04.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48767

Und alle Züge stehen still
Die Bahn legt ihren Güterverkehr wegen Stromknappheit lahm
Das gabs wohl so noch nie: Kein Strom mehr für Züge. Am Mittwochmorgen war der Strom im Bahnnetz so knapp, dass die Bahn ihre Güterzüge stehen lassen musste.
(Holger Douglas bei Tichy 26.3.22)

Anscheinend gab es wegen Wartungsarbeiten einige Abschaltungen, aber das war anderen Medien keine Nachricht wert. Daß die Bahn „ihre Güterzüge“ („alle Züge“) stehenlassen mußte, und zwar wegen Stromknappheit, scheint nicht zu stimmen. Aber Dutzende von Tichy-Lesern frohlocken. Sie freuen sich auch, weil nun die "Mangelwirtschaft" beginnt; gemeint sind einige Lieferengpässe bei Haferflocken, Klopapier... Die Erfahrung zeigt aber, daß auch in einer von Merkel und nun den Grünen völlig ruinierten Wirtschaft alsbald jemand einspringt und die Nudelregale wieder füllt.
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 24.03.2022 um 23.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48766

Das sind ja eigentich Petitessen, Herr Riemer. Die Dame hat einfach eine absolut unangemessene Formulierung gewählt. Sendeplatz 17:15h spricht ja für sich. Sie ist schlicht zu doof, um zu erkennen, daß sie so nicht reden darf. Meine Vermutung.

Verhöhnt werden die Ukrainer meines Erachtens durch die AfD, die Linkspartei, Teile der SPD, und alle unsere friedensbewegten Prechts, Kässmanns und ähnliche, die in erster Linie durch das "Sondervermögen der Bundeswehr" beunruhigt sind.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.03.2022 um 22.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48765

"Die Ukraine, ein Land mit etwa 40 Millionen Einwohnern, ein Land, das bis vor einem Monat sich eben nicht beschäftigen mußte mit täglichen Bombenangriffen, Leid und Tod. Muß es jetzt aber."
(Moderatorin der Sendung "Brisant", Das Erste, heute 17.15 Uhr)

Hoffentlich hören das keine Bewohner der Ostukraine, deren Wohnhäuser in dem schon seit 8 Jahren währenden Bürgerkrieg immer wieder von ukrainischen Raketen getroffen wurden. Sie müßten sich unsäglich verhöhnt fühlen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2022 um 07.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48760

Habeck als Bittsteller beim Terror-Scheich – Ist Wirtschaft wichtiger als Moral? (BILD 22.3.22)

Die hohen sittlichen Maßstäbe der BILD sind sprichwörtlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2022 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48613

Auch auf meinen patriotischen Lieblingsseiten werden mir die Augen geöffnet: Als guter Landesvater erstreckt Putin seine Fürsorge natürlich auch auf die Landsleute, die außerhalb der Staatsgrenzen schikaniert werden. Darum muß er gelegentlich schweren Herzens einen Nachbarstaat annektieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2022 um 17.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48612

Viele Linke haben ihre Anhänglichkeit an das Mutterland der Revolution ohne weiteres auf das nachkommunistische Rußland übertragen (das passenderweise in gleicher Kontinuität vom KGB-Mann Putin beherrscht wird), so daß sie weiterhin einem „fremden Patriotismus“ huldigen, wie man es zu DDR-Zeiten genannt hat. Drüben mußten sie es (in den Schubüchern usw. wurden ständig russische Superhelden gefeiert, bis in die Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache, die ich untersucht habe; ähnlich in China), hüben tun sie es aus freien Stücken. Es ging ihnen also gar nicht um den Kommunismus.

Wegen der russischen Annexion der Ukraine wollen sie jetzt gegen die westliche Aggression demonstrieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2022 um 07.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48608

Körpersprache-Experte analysiert  
Im Video: Darum hält sich Putin krampfhaft am Tisch fest
(t-online.de 23.2.22)

Das haben wir jetzt gebraucht. Der Experte ist der Unternehmensberater Tilman Billing. Er bietet an: „Onlinetermine · Service/Leistungen vor Ort.“
Die Para- und Pseudowissenschaften ziehen Journalisten unwiderstehlich an: Man weiß nichts und braucht auch nichts zu wissen, um sich in diesem Niemandsland einzurichten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.02.2022 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48598

Nicht nur Frau Wagenknecht, auch z. B. die frühere Rußland-Korrespondentin der ARD, Gabriele Krone-Schmalz.
Rußland in die NATO, das wäre natürlich die Ideallösung. Fragt sich nur, wer eigentlich dagegen ist. Wenn irgendwann die ganze Welt in der NATO ist, dann ist endlich Frieden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2022 um 12.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48597

Echt jetzt? Das sagt Frau Wagenknecht ja auch, aber ich habe meine Zweifel. Meiner Ansicht nach wäre es am besten, Putin die Nato-Mitgliedschaft anzubieten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.02.2022 um 11.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48596

"Mit Worten gegen Panzer! So läßt sich etwas überspitzt die Strategie der Bundesregierung und ihrer Verbündeten zusammenfassen."
(Shakuntala Banerjee in "Berlin direkt", ZDF, 20.2.22, 19.15 Uhr)

Sind die Ausweitung der NATO bis direkt an die russischen Grenzen in Estland, Litauen, Polen, die Stationierung von Waffen und Soldaten, die Abhaltung von Militärmanövern der NATO in Osteuropa bis teilweise direkt vor die russischen Grenzen nur Worte?

Der Plan war außerdem, die NATO auch noch auf die Ukraine auszudehnen, und das wäre ohne Zweifel irgendwann passiert, wenn die Russen weiter stillgehalten hätten. Glaubte irgendjemand im Westen ernsthaft, Rußland würde abwarten, bis die Krim zusammen mit der ganzen Ukraine auch zum NATO-Gebiet gehörte, um dann anstandslos seinen dortigen Schwarzmeerflottenstützpunkt zu räumen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2022 um 06.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48594

Kriegstreiber Ukraine hat Rußland schon die Krim aufgenötigt und droht nun damit, sich gänzlich annektieren zu lassen. Da ist Gegenwehr unvermeidlich. Putin gibt sich aber alle Mühe, seinen Einmarsch abzuwenden.
 
 

Kommentar von Thdodor Ickler, verfaßt am 15.02.2022 um 07.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48542

Statt „die da oben“ oder „Eliten“ kann man sagen: „politische Klasse“ oder „Kaste“. Das klingt wissenschaftlicher, richtig soziologisch. Merkwürdig bleibt natürlich, daß diese Kaste bei der Inszenierung von „Corona“ weltweit einig und verschwiegen agiert (wie seinerzeit das „internationale Finanzjudentum“). Aber wir kommen ihnen auf die Schliche!
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 07.02.2022 um 08.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48486

Geht es nur um die Überschrift? Woher wollen wir wissen, von wem die stammt? Womöglich von einem alten weißen Mann?

Darunter steht: Ein Land nach dem anderen verkündet das Ende aller Corona-Maßnahmen. Nur Deutschland traut sich nicht, über eine Exit-Strategie nachzudenken. Dabei träfen die Argumente unserer europäischen Nachbarn für die Öffnung auch hierzulande zu.

So hätte ich auch das Wort Corona in der Überschrift interpretiert. Es ist klar, daß Covid hier nicht gemeint sein kann. Überschriften neigen zur Verkürzung. (Drosten sagte, man sollte sich aus der Pandemie herausimpfen, Streeck, mann müsse lernen mit dem Virus zu leben. Alles Verkürzungen.)

Im Artikel selbst werden die Maßnahmen von sechs Ländern beschrieben (siehe auch Titelbild). Die in Deutschland geplante sommerliche Pflichtimpfung ist tatsächlich ein Alleingang.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2022 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48485

Wie Europa Corona hinter sich lässt – außer Deutschland (WELT 7.2.22)

So schreibt eine frischgebackene Jungredakteurin. Sie hat das Handwerk bei Springer gelernt, einschließlich des Klischees vom deutschen Alleingang. Alles, was Deutschland tut, ist einzigartig.

Den Kampf gegen Corona aufzugeben bedeutet nicht, Corona hinter sich zu lassen. Wie ist es möglich, diesen Unterschied zu übersehen? Und doch tun es viele; sie denken eben quer.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.01.2022 um 18.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48408

Daß Meuthen aus der AfD ausscheiden würde, habe ich schon vor zwei Jahren notiert, aber ich verstehe auch das lange Hinauszögern. Was sie ihm jetzt alles hinterherwerfen, ist auch nicht überraschend. Solche Parteien folgen unausweichlich dem Gesetz, wonach sie angetreten. Fixpunkt ist Höcke. Vorerst.

Erika Steinbach will der AfD beitreten, ausdrücklich wegen Meuthens Austritt. Viele werden sie längst für ein AfD-Mitglied gehalten haben. Maaßen, Otte und andere nutzen der AfD mehr, wenn sie in der CDU bleiben, solange es geht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.01.2022 um 05.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48401

Das Akquirieren von Drittmitteln, das Peter Bieri in den Geisteswissenschaften für Unfug hält (https://www.nzz.ch/articleF7R1L-ld.413125), simuliert eine Nachfrage, die den Schein der Marktwirtschaftlichkeit in die Forschung trägt. In Wirklichkeit geht es ja meist um die DFG oder um Stiftungen, also praktisch Spenden, Wohltätigkeit. Der Wettlauf um die Zuteilung solcher Mittel hat nichts mit einer wirklichen Nachfrage zu tun. Niemand braucht die Geisteswissenschaften; es ist eine bildungs- und kulturpolitische Entscheidung, sie weiterzubetreiben. Das ist ja auch richtig, aber mit einer von vornherein besseren Ausstattung der Universitäten könnte der Staat viel bürokratischen Aufwand, den Bieri beklagt, vermeiden und sich ehrlich machen. (Ich kenne allerdings Professoren, denen es gerade recht ist, nicht forschen zu müssen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2022 um 07.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48319

Expertenrat mahnt Vorbereitungen auf Verschärfung der Corona-Lage an
Der Corona-Expertenrat rechnet angesichts der rasanten Entwicklung bei den Neuinfektionen mit einer drastischen Zunahme der Krankenhausaufnahmen – und ruft dazu auf, verschärfte Schutzmaßnahmen zu überlegen.
(SPIEGEL)

Neues Corona-Papier – Expertenrat empfiehlt keine Regel-Verschärfung (BILD)

Beides richtig, Akzentuierung voraussagbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.01.2022 um 07.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48295

Die Süddeutsche Zeitung erwärmt sich mehr und mehr für Friedrich Merz, mit dem sie sogar sprechen durfte.
Ich habe das oft beobachtet: Kein Mensch auf der Welt ist im persönlichen Gespräch so garstig, wie man es erwartet und gern gehabt hätte. Auch die großen Diktatoren und Massenmörder hatten ihre charmante Seite. Während der Rechtschreibdebatte fand mancher Journalist, daß sogar ich nicht der Kampfhund bin, den sie erwartet hatten, sondern eigentlich ganz nett. (Hoffentlich haben sie nicht übersehen, was für verdammte Blödmänner, wauwau, die Reformer waren.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2022 um 05.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48202

"Wo bleibt die von der Politik beschworene Apokalypse?", fragt Lanz. Sein Verdacht: Die Zahl der Covid-Intensivpatienten wird dramatischer dargestellt, als sie ist. (11.1.22)

(Ich weiß nicht, wie Herr Lanz aussieht, weil ich all diese Moderatoren und Innen fast nur von Fotos kenne und ständig verwechsele. Mir geht es also nur um den zitierten Spruch.)

Der Sprecher behauptet nicht, sondern präsupponiert, daß "die" Politik die Apokalypse vorausgesagt hat. Wer hat das getan? Unter allen, die sich über die Zahl der Intensivpatienten geäußert haben, werden auch welche sein, die die gegenwärtigen und die künftigen Zahlen zu hoch oder zu niedrig angegeben haben. Und schließlich: Wie ist die Lage wirklich? Sie ändert sich täglich und wird je nach Datenquelle unterschiedlich eingeschätzt; auch Lanz kennt sie nicht.
So gesehen, war das Ganze nur heiße Luft. Man weiß zwar nichts, bringt es aber kraft Amtes groß heraus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.01.2022 um 07.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48170

Man sollte meinen, die Politik finde in Gesetzgebung und Regierungsbeschlüssen statt, aber die Medien beziehen sich immer mehr auf informelle Ankündigungen, „Versprechen“ (die gehalten werden oder auch nicht), Talkshow-Äußerungen: „Scholz kann Impfpflicht-Versprechen nicht halten“ usw. Dadurch entsteht der Eindruck, Politik sei ein tägliches Gerangel in mehr oder weniger unterhaltsamen Schaukämpfen, und das paßt vielleicht zur Virtualisierung einer Gesellschaft, die ihr halbes Leben vor dem Bildschirm verbringt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2022 um 05.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48141

Daß Trump (232 Stimmen) die Wahl knapp gegen Biden (306) gewonnen haben könnte, würden seine Fans vielleicht gerade noch glauben, aber daß er sie „erdrutschartig“ gewonnen habe, versetzt sie erst in richtige Begeisterung. So muß man es machen. Je krasser die Evidenz negiert wird, desto besinnungsloser die Nachfolge. So bringen die Speichellecker bei Fox News es fertig, die Videos von der Erstürmung des Kapitols mit der Beschreibung zu kommentieren, ohne die böswilligen Unterstellungen der Demokraten würde man das für eine normale touristische Besichtigung halten. Wer dazu gebracht wird, seinen eigenen Augen nicht zu trauen, ist der wahre Gläubige (...quia absurdum).
Im geschichtlichen Rückblick stehen wir manchmal staunend vor Massenbewegungen und fragen uns: "Wie konnte man nur...?" Aber es geschieht immer noch, vor unseren Augen, und wir sollten daraus lernen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.01.2022 um 06.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48110

Ich höre mit halbem Ohr eine Diskussionsrunde, die sich darüber unterhält, was sich in Deutschland 2022 ändern muß. Aus der Tatsache, daß er sich mit seinen Voraussagen schon vor einem Jahr geirrt hat, folgert ein Politologe, man müsse eben immer auf Überraschungen gefaßt sein, und scheut auch nicht den Kalauer „Erstens kommt es anders...“ Außerdem meint er, die sonst verdienstvolle Merkel habe den Politikstil negativ verändert, nämlich durch ihre „Alternativlosigkeit“. Ich halte das für eines der stumpfsinnigsten Klischees; einer schreibt es vom anderen ab. Erstens war die Redewendung „alternativlos“ nicht neu, und zweitens war sie mit keinen anderen politischen Verfahren verbunden als bei allen anderen Politikern, auch nicht im Sinne eines ihr nachgesagten „präsidialen“ Stils. (Wie denn, wo denn, wann denn? War sie etwa die „Basta“-Kanzlerin?) Zweitens ist es eine enorme Überschätzung, einer einzigen Personen einen solchen Einfluß auf den politischen Umgang zuzuschreiben. Ich habe davon jedenfalls nichts bemerkt. Es war alles wie immer.
Ich habe nach fünf Minuten abgeschaltet, also auch nicht abgewartet, was Jan Fleischhauer und die anderen mehr oder weniger Prominenten sagen werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.12.2021 um 19.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48043

Für Vergleiche fehlt mir der Stoff. Ich wollte nur kurz berichten, was ich gelesen hatte. Eine ganze Seite in diesem Stil hat mich ein bißchen verwirrt.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 26.12.2021 um 14.07 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48042

Angela Merkel war noch besser. Die hat Interviews gar nicht erst gegeben.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 26.12.2021 um 13.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48041

Rhetorisch ist er mir lieber als Scholz. Der bewegt für ebenso dürftige Auskünfte minutenlang lauwarme Luft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.12.2021 um 09.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48037

Die FAS brachte zu Weihnachten ein ganzseitiges Gespräch mit Friedrich Merz. Ich habe selten etwas so Frustrierendes gelesen.

Auszug:

FAS: Sollte die Basis mitentscheiden?
Merz: Ich bin offen für jede gute Idee.
FAS: Sie haben gesagt, der Vorsitz der CDU und Unionsfraktion gehöre in eine Hand, aber es könne Gründe geben, davon abzuweichen. Was wären das für Gründe?
Merz: Das Thema steht gegenwärtig nicht auf der Tagesordnung.
FAS: Mittelfristig schon.
Merz: Und dann werde ich anfangen, darüber nachzudenken.
(...)
FAS: Können Sie mit Söder?
Merz: Der CSU-Vorsitzende ist mein Freund, egal wie er heißt.


Und damit will sich die Union erneuern?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.12.2021 um 17.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48022

Halbvoll oder halbleer?

„Wie viele Väter setzen heute hierzulande beruflich aus und beziehen Elterngeld? Auflösung: gerade mal 40 Prozent.“ (SZ 23.12.21)

Die Textstruktur ist so angelegt, daß wir das beschämend wenig finden sollen. Man kann aber auch staunen, daß es (schon) so viele sind. Es gibt am Arbeitsmarkt noch weitere Tatsachen, die das stützen, aber ich will mich hier nicht weiter darüber auslassen, sondern nur auf den rhetorischen Trick aufmerksam machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.12.2021 um 15.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#48019

Kubicki (FDP) (oder eher AfD?) meint, vielen Befürwortern der Impfpflicht gehe es um "Rache und Vergeltung" an Ungeimpften. Das hat er bestimmt bei Befragungen festgestellt.

Aber mal im Ernst. Wie ein Virologe neulich sagte: Wir müssen auch die Ungeimpften schützen, sogar wenn sie es aus Verstocktheit nicht selbst tun. Rache?

Dazu passen die Berichte von den Intensivstationen; Ärzte und ihre Helfer sind oft auch wütend über besonders renitente Impfgegner, die sie gleichwohl ebenso gewissenhaft zu retten versuchen wie die Geimpften, die ihnen allerdings insgesamt weniger Arbeit machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.12.2021 um 09.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47966

Und jetzt alle zusammen: „Friedrich! Friedrich!“ – Ob das gutgeht?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2021 um 04.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47921

Immer mehr stellt sich heraus, daß auch die Zweifel am menschengemachten Klimawandel nicht auf wissenschaftliche Kontroversen zurückgehen, sondern auf Manipulationen durch die Öl- und Gaskonzerne, die „Merchants of doubt“ bezahlt haben. Das entspricht den Erfahrungen mit der Tabak- und Pharmaindustrie. Hier wären „Verschwörungstheorien“ also gerechtfertigt, aber statt dafür auf die Straße zu gehen, verteidigt das irregeführte Volk seine künstlichen Paradiese.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.12.2021 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47845

Dummerweise heißt Ampel auf niederländisch stoplicht. Deshalb lesen und hören die Holländer jetzt überall, daß Deutschland ab heute von einer stoplicht-coalitie regiert wird. Da das so gar nicht nach Aufbruch klingt, zog der FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Fricke es im niederländischen Radio soeben vor, von einer rijlicht-coalitie zu sprechen. Das wird aber am hiesigen Sprachgebrauch nichts ändern. Außerdem wirkt die Umschreibung einer Ampel als »Fahrlicht« unpassend. Die Ampel ist eben keine geeignete Aufbruchsmetapher. Sie könnte eher für Ordnungspolitik, die Organisation eines geordneten Zusammenlebens oder ähnliches stehen, aber so wird das Bild ja nicht verwendet. Es geht schlicht um die Farben der beteiligten Parteien, wie auch bei »Kenia« usw. Das »Fahrlicht« könnten allenfalls die Grünen für sich reklamieren ...
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 02.12.2021 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47785

Andreas Gabalier kann mit Raunestimme sogar singen.
https://www.spiegel.de/kultur/musik/andreas-gabalier-konzert-in-berlin-wenn-die-lederhose-schwitzt-und-raunt-a-1235533.html
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 02.12.2021 um 16.02 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47784

Das Wort ist sehr beliebt als rhetorischer Kniff in politischen Kommentaren. Dem Gegner wird verstohlenes Verbreiten von Gerüchten vorgeworfen. Neudeutsch auch Dogwhistling.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.12.2021 um 11.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47783

Am weitaus häufigsten begegnet mir das Wort etwa in der Form:
ein Raunen ging durch den Saal/die Menge/...

Daß man auch etwas Bestimmtes "raunt", ist mir weniger geläufig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2021 um 08.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47782

sie raunte leise Worte ist eine typische Wörterbucherfindung. Dabei wäre es nicht schwer, echte Belege zu finden, die auch meist viel interessanter sind. Für mich ist die Komponente "andeutend, vielsagend, geheimnistuerisch" weitaus stärker als "leise". Eben runenhaft...
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 02.12.2021 um 07.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47781

raunen

Duden: leise, mit gedämpfter und gesenkter Stimme, murmelnd etwas sagen

Wiktionary: mit gedämpfter Stimme sprechen
Beispiele:
Er raunte ihr etwas ins Ohr.
Sie raunte leise Worte.
Wenn du so raunst, verstehe ich nichts.

Es wird inzwischen wohl häufiger im übertragenen Sinn verwendet, aber ganz unpassend. Es bezieht gar nicht darauf, daß Leute etwa nur in Andeutungen reden. Sie reden vielmehr ganz offen und deutlich, denken aber in "falschen" Zusammenhängen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.12.2021 um 18.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47773

Wer den Judenstern mit der Inschrift „Ungeimpft“ trage, verharmlose den Holocaust, wird behauptet. Das ist logisch nicht durchzuhalten. Die – auch für mich unzweifelhafte – Verwerflichkeit muß anders begründet werden.

Man kann explizieren: Die Coronabekämpfung ist ebenso schlimm wie die Judenvernichtung. - Das ist zwar irre, aber es ist nicht unbedingt eine Verharmlosung, jedenfalls in den Augen der Irren, für die es zur Zeit nichts Schlimmeres gibt, als sich impfen zu lassen. Manche sehen darin ja eine Art Euthanasie (wenn man sich die Einlassungen etwa bei Tichy ansieht).

Dort haben, nebenbei bemerkt, die Rechtsradikalen einen neuen Helden: Zemmour will Frankreich den Franzosen zurückgeben – und zwar allen (1.12.21)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.11.2021 um 05.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47753

„Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.“ (Merkel)

Die üblichen Verdächtigen machen daraus, Merkel habe die Corona-Krise mit dem Zweiten Weltkrieg verglichen. Es ist nicht möglich, nicht mißverstanden zu werden, wenn der Mißversteher es so will.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.11.2021 um 05.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47730

„Wir müssen digitaler werden“, forderte Merz und versprach, er wolle „der Anwalt der jungen Generation sein“. (FAZ 28.11.21)

Über diesen "Anwalt der jungen Generation" mag die junge Generation sich selbst ein Urteil bilden.

Aber "Digitalisierung" ist in letzter Zeit derart hochgejubelt worden, daß die Leute wie besoffen wirken. Man sollte schon sagen, was man eigentlich meint.
In eigenen Bereichen wird die Digitalisierung ganz ohne einen politischen Pfeifen-August vorangetrieben, in anderen, die dem fachfremden Politiker wohl näher liegen, ist tatsächlich etwas nachzuholen (papierlose Steuererklärung usw.). Und dann gibt es Bereiche, wo man nachdenken sollte, was man wirklich will: Unterricht, Pflege – alles digitalisieren?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.11.2021 um 04.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47699

Ist es wirklich so geschickt, wenn die CDU – nach 16 Jahren eigener Herrschaft – im Koalitionsvertrag den "Aufbruch" vermißt? (Brinkhaus)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2021 um 11.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47588

Was hat Impfen eigentlich gebracht? (BILD)

Die Schlagzeile ist tendenziös, nämlich im Kontext der allgemeinen Ansicht, daß Impfen die Lösung ist. Wenn man gegen diese Selbstverständlichkeit nun einen Schritt zurücktritt (das bewirkt „eigentlich“), dann sät man Zweifel, ohne es ausdrücklich zu sagen. (Man wird doch wohl fragen dürften...) Mission erfüllt, wie bei Springers „merchants of doubt“ Tag für Tag.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.11.2021 um 06.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47519

Wenn auf einem Produkt steht: Ohne Zusatz von XY, dann nehmen wir an, daß XY schlecht ist. Andernfalls würde der Hersteller ja nicht diese Form der Werbung wählen, nicht wahr? Später kaufen wir ein anderes Produkt, auf dem steht: mit XY angereichert. Das muß was Gutes sein.

Ähnlich: Ein Weiter-so kann es nicht geben. Daraus schließen wir, daß es bisher nicht gut gelaufen ist. Wieso eigentlich? Dazu kommen wir gar nicht, sondern stimmen für den Wechsel.

Similia similibus curantur. Dieser homöopathische Grundsatz leuchtet unmittelbar ein, schon wegen des Gleichklangs (Polyptoton).
Man kann immer noch überlegen, warum das gelten soll, aber man ist trotzdem schon voreingenommen zugunsten der magischen Einsicht.
 
 

Kommentar von , verfaßt am 17.10.2021 um 08.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47356


 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 14.10.2021 um 13.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47329

Es gibt bestimmt einen Eintrag zu Imponiersprache. Vielleicht kann man es dahin verschieben.

Fachleute sprechen bei solchen groben journalistischen Fehlern von Misinformation. Bei bewusst irreführender Berichterstattung wird hingegen der Begriff Desinformation benutzt.
https://tagesschau.de/faktenfinder/kongsberg-medien-101.html
Ersteres muß man wohl englisch aussprechen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.10.2021 um 08.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47308

„Schluss mit der Ein-Mann-Partei!“ (JU Bayern gegen Söder) – Das ist Unsinn. Wenn man eine Volkspartei sein will, d. h. eine Partei ohne Ideologie und daher nur mit einem Programm pro forma, das niemanden interessiert, dann kommt es nur auf das Personal an. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde die Union schon zu Adenauers Zeiten als Kanzler-Wahlverein verspottet. Aber nur so kann eine Volkspartei Wahlen gewinnen. Als Merkel-Wahlverein war sie erfolgreich, aber nun ist niemand mehr in Sicht, der die Wähler anzieht oder gar begeistert. Söder gleich wieder abzubauen – ohne einen Gegenkandidaten – ist Selbstmord.
Am Niedergang der Union war nicht Laschet schuld, sondern "Laschet" war die Schuld. (Segensreiche Rechtschreibung!) Und das reicht natürlich weiter zurück. Man braucht einen XY, um XY-Wahlverein sein zu können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2021 um 06.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47228

Für ein Gruppenfoto nahm die neue SPD-Fraktion kurz die Masken ab. Sie hätte sich denken können, was die Rechten, insbesondere die Maskenkritiker und -verweigerer, daraus machen würden. Und so ist es denn auch gekommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2021 um 04.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47213

Nach einer Wahl gesteht man ein, daß es nicht gereicht hat, bedankt sich bei allen Unterstützern, gratuliert dem Sieger und verspricht konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle des Landes.

Normalerweise.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2021 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47165

Im letzten Eintrag habe ich Erich Kästner zitiert. Dessen "Entwicklung der Menschheit", im Ton an Wilhelm Buschs "Näh- und Mäh- und Waschmaschinen" erinnernd, ist nicht gerade tiefsinnig, überrascht aber doch durch manche Einzelheiten, die im Jahre 1932 noch nicht so aktuell waren. Z. B. Atome zu spalten gelang Otto Hahn erst 1938. Dazu Fernsehen und Weltraumfahrt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2021 um 07.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47164

Wie gelegentlich schon bemerkt worden ist, hat sich der Hund des Alkibiades seither in eine tote Katze verwandelt: https://en.wikipedia.org/wiki/Dead_cat_strategy

Wissenschaft und Technik haben die Welt so verändert, daß ein alter Grieche sie nicht wiedererkennen würde, aber in der Rhetorik würde er sich sofort zu Hause fühlen. Wir fliegen zum Mond und sind noch immer die alten Affen.

Auch im Wahlkampf notiert: Wenn jemand ruft "Was ist bloß aus Deutschland geworden!", dann beklagen alle, was aus Deutschland geworden ist.
 
 

Kommentar von , verfaßt am 17.09.2021 um 04.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47124


 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.09.2021 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47117

Newsom nun doch nicht abgewählt

Erst erzeugen die Medien die Erwartung, er werde abgewählt, dann wenden sie sich gegen dieses Eigenprodukt.

Auch unsere jungen Rechtsradikalen blickten hoffnungsvoll nach Kalifornien: „US-Demokraten droht historische Niederlage in Kalifornien“. Leider wurde nichts daraus – ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist?

Einträge bei Tichy:

„Es gibt jetzt schon Tausende von Wählern in Kalifornien, die im Wahllokal erfahren, dass sie bereits ihre Stimme abgegeben haben. Die “Uni-Party” aus Demokraten und Rinos haben außerdem dafür gesorgt, dass die “Wahlmaschinen” richtig programmiert und zugänglich sind. Zudem gibt es in den “Briefwahlunterlagen” an der Stelle ein Loch, wo man für “yes” (also Abberufung Newsom”) ankreuzt. schon vorab aussortieren. Im korrupten Pelosi-Staat läuft alles nach Plan.“
„Die Wahlmaschinen sind genauso konfiguriert, wie schon bei der Präsidentenwahl.
Wenn nicht mindestens 70% der Stimmen für den Recall ausfallen, gibt das eine Mehrheit für Newson. Black lives mattern nur, solange sie Democrats sind.“
„Gestern auf Twitter schon die ersten Wahlbetrügereien online. Alte Dame wollte wählen, man sagte ihr, sie hätte schon gewählt, was wohl definitiv falsch war. Andere Personen ebenfalls betroffen. Die Amis haben ein Problem mit Wahlen. Und wenn wir RGR bekommen, werden wir auch überall manipulierte Entwicklungen sehen, wenn die erst mal die Schaltstellen besetzt haben.“
„Auf jeden Fall wäre es das Ende der Covid-1984-Panikdemie, weil die ganze Welt sehen würde, dass auch in Kalifornien keine Katastrophe eintritt, wenn man die Paranoia zurückfährt — aber genau deshalb ist die Wahl zu wichtig, um sie den Wählern zu überlassen. Die wird massiv gefälscht.“
„Welche Manipulationsmöglichkeiten gibt es bei dieser Wahl? Die Democrats kennen sich mit solchen Dingen ja bestens aus, Übung macht den Meister.“
U.v.a.

Trumps göttlicher Glanz scheint aber zu verblassen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2021 um 04.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47071

Bei zweiten Triell wurden weitgehend die gleichen Fragen gestellt und die gleichen Antworten gegeben wie beim ersten. Für das dritte ist nichts anderes zu erwarten. Den Journalisten scheint nichts einzufallen. Wollen die "Wähler und Wähler" wirklich so dringend wissen, welche Koalitionen ein Kandidat unbedingt ausschließt oder was der eine oder der andere früher mal gesagt hat? Warum sehen sich die Moderatoren nicht den Terminkalender der Bundeskanzerlin an? Da würden sie im Laufe einer Woche alles finden, was ein Bundeskanzler tut, und könnten daraus ihre Fragen ableiten, z. B. zur Außenpolitik, die in den Triellen fast gar nicht vorkommt.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 13.09.2021 um 04.30 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47069

Ich kann bestens verstehen, wenn Leute sich von der Wissenschaft abwenden. Schlagwörter sind offenbar wichtiger als Inhalte, und man betreibt hemmungslos Wahlkampf.
https://twitter.com/W_Lucht/status/1437001919432638466
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.09.2021 um 23.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47066

Im ZDF wurde heute verbreitet, das erste "Duell" habe 2002 zwischen Stoiber und Schröder stattgefunden. Ich bin aber sicher, daß ich von der DDR aus im Westfernsehen schon ein Duell zwischen Strauß und Kohl gesehen habe, als sie sich noch um die Kanzlerkandidatur stritten. Vielleicht hieß es damals noch nicht Duell, sondern Streitgespräch oder Diskussion. Wie auch immer, meiner Meinung nach war es genau dasselbe. Auch zwischen den benannten Kanzlerkandidaten und zwischen anderen Politikern im allgemeinen gab es schon immer Duelle, Trielle, Tetra-, Hexa- und Frikadelle.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.09.2021 um 19.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47064

"In gut einer Stunde beginnt das Triell. Es sei für die Union, so meint Markus Söder, mit diesem ganzen Wochenende die letzte Chance für eine Wende. Wenn er sich da mal nicht irrt."
(Theo Koll in "Berlin direkt", ZDF, heute 19.10 Uhr)

Wenn er sich irrt, dann ist es nicht die letzte Chance, d. h. dann gibt es entweder gar keine Chance mehr oder es gibt noch mehr Chancen. Letzteres hat Koll aber sicherlich nicht gemeint.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.09.2021 um 18.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47063

Duelle von Spitzenkandidaten der beiden größten Parteien gab es zwar schon lange, aber nachdem diesmal alle vom Triell sprechen und die Parteien mit einem Kanzlerkandidaten solcherart in den Medien bevorteilt werden, werden sich wohl bei kommenden Bundestagswahlen die anderen Parteien (FDP, AfD, Linke, Freie Wähler, ...) davor hüten, keinen eigenen Kanzlerkandidaten zu benennen, selbst wenn sie sicher sind, daß er nie zum Zuge kommt. Das heißt, solche Duelle, Trielle usw. wird es zukünftig auf absehbare Zeit gar nicht mehr geben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.09.2021 um 07.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47062

Der Aufwand für Trielle, Wahl-Arenen und ähnliche Inszenierungen wird immer größer, der Kontrast zur Durchschnittlichkeit der Probanden ebenfalls. Ich meine das nicht despektierlich; aber es ist doch unverkennbar, daß die zu inspizierenden Personen „Menschen wie du und ich“ sind, denen man hier unerfüllbare Erwartungen entgegenbringt. Und was bringt es am Ende? Lange Gesichter und weitere Selbstbespiegelung der Medien, die noch lange „analysieren“ werden, was sie selbst angerichtet haben.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 07.09.2021 um 12.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47041

Etwa seit meinem zwölften Lebensjahr interessiere ich mich sehr für Politik. Bisher habe ich elf Bundestagswahlen bewußt miterlebt. Ich kann mich an keine einzige erinnern, die nicht im Vorfeld zu einer »Richtungsentscheidung« erklärt worden wäre. Damit kann man wirklich niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.09.2021 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47040

In einem Video, das FOCUS verbreitet, zeigt sich, daß Merz die Namen der anderen sieben Mitglieder von Laschets Zukunftsteam nicht im Kopf hat. (https://www.focus.de/politik/deutschland/wir-wollen-hier-mal-nicht-albern-werden-als-merz-die-namen-des-zukunftsteams-von-laschet-aufzaehlen-soll-eiert-er-herum_id_20920928.html) Ein sehr peinlicher Augenblick, weil er es nicht zugeben will und „herumeiert“. Zuvor hat er sich und die anderen mit starken Worten gelobt. Für den Zuschauer ist klar, daß dieses Team (zwei Wochen nach Beginn der Briefwahl!) in panischer Eile zusammengestellt wurde. „Kein Mensch kennt den anderen, jeder ist allein“, wie Hermann Hesse so unnachahmlich sagt.

Wenn man bei einem solchen Bluff erwischt wird, kann man sich entweder noch tiefer hineinquasseln oder sich mit selbstironischem Charme aus der Affäre ziehen, aber das ist nicht jedem gegeben.

Früher wurde eine solche Bloßstellung (nicht wegen des Aussetzers, sondern wegen der unbeholfenen Lüge drumherum) als tödlich empfunden, der heutige Politiker hat danach nicht einmal eine schlaflose Nacht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.09.2021 um 13.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47032

Prof. Julian Nida-Rümelin, Ex-Staatsminister und Mitglied im Deutschen Ethikrat (66), mahnt: Die Ständige Impfkommission „hat schon vor Monaten allen Erwachsenen empfohlen, sich impfen zu lassen“. Nida-Rümelin: „Insofern bedurfte es keiner weiteren Testpersonen – keiner ‚Versuchskaninchen‘ – mehr.“

Kaum zu glauben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.09.2021 um 05.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47023

Laschets auswendig gelerntes Schlußwort im Triell:

"Gegenwind habe ich immer wieder gespürt, auch jetzt. Aber spüren wir nicht alle den Wind der Veränderung, der uns ins Gesicht bläst? In solchen Momenten brauchen wir Standhaftigkeit, Verlässlichkeit und einen inneren Kompass. Und das ist mein Angebot."

Wie verhält sich der Gegenwind, der Laschet persönlich zu schaffen macht, zum „Wind der Veränderung“? Will er seinen Kritikern standhalten und zugleich der (jeder?) Veränderung im Weltgeschehen? Was meint er bloß? Der „wind of change“ der Scorpions war doch etwas Gutes und kein Gegenwind.

Beobachtern fiel auf, daß Laschet anders als die anderen beiden die Gelegenheit nicht nutzte, sein Programm („Joah...“) zusammenzufassen, was dringend nötig gewesen wäre.

(Wie ich sehe, haben auch andere die schiefe Wind-Metaphorik bemerkt.)

Inzwischen wird auch immer klarer, daß Laschet die beiden "Angriffe", für die er denn auch als kämpferisch (= unterhaltsam) gelobt wurde, vorher geplant hatte und unbedingt anbringen wollte, unabhängig von der Gesprächssituation: die Grünen als Verbotspartei und die SPD als rote Socken – wortgleich wie bei früheren Gelegenheiten, so daß die Gegner gut vorbereitet waren. Wer schreibt ihm bloß ein solches Drehbuch? Wer steckt hinter dem "Wind der Veränderung"? Vielleicht müssen wir auf die Memoirenliteratur warten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.09.2021 um 06.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#47019

Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat mit ungewöhnlichen Worten für das Impfen gegen COVID-19 geworben: "50 Millionen sind jetzt zwei Mal geimpft. Wir waren ja alle die Versuchskaninchen für diejenigen, die bisher abgewartet haben. Deshalb sage ich als einer dieser 50 Millionen – es ist gut gegangen! Bitte macht mit", sagte Scholz in einem Interview der NRW-Lokalradios.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kritisierte Scholz für dessen Wortwahl. "Wer (...) 50 Millionen geimpfte Bürgerinnen und Bürger als Versuchskaninchen bezeichnet, senkt das Vertrauen in die Wirksamkeit des Impfstoffes", sagte Ziemiak "Focus Online". Von einem Vizekanzler müsse man bei einem solch sensiblen Thema Ernsthaftigkeit und eine sorgfältige Wortwahl erwarten können. Scholz hatte bereits vor einer Woche bei einer Wahlkampfveranstaltung dazu aufgerufen, Ungeimpfte von der Impfung zu überzeugen, und sich dabei ähnlich geäußert: "Wir alle waren gerne eure Versuchskaninchen – bei uns ist das mit der Impfung gut gegangen, jetzt bitte macht es auch.“
(web.de 4.9.21)

Laschet, Spahn und andere schließen sich an. BILD lügt wie gewohnt: „Scholz nennt Geimpfte Versuchskaninchen“.

Die Empörungsbereitschaft (oder ist es die Verzweiflung?) lähmt den Verstand. Viele Impfskeptiker haben gesagt oder gedacht: „Ich warte lieber ab, bis viele geimpft sind und man die Nebenwirkungen sieht.“ Für sie – wie Scholz jedesmal ausdrücklich sagte – waren die vielen in der Tat „Versuchskaninchen“. – Man kann das Format einer Person daran erkennen, ob sie diesen Unsinn mitmacht.
Dabei waren es die Rechten, die immer wieder von „Massenexperiment“ gesprochen haben: „Die Impfung mit einem nicht ausreichend erprobten Impstoff ist nichts anderes als ein Massenexperiment am lebenden Menschen“ usw.
Übrigens: Spahn über Impfgegner: „hat schon fast religiös-fanatischen Charakter“ (BZ) Setzt er Impfgegner etwa mit den Taliban gleich?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2021 um 04.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46993

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46929

Im "Triell" gestern abend trug Laschet fast wortgleich dasselbe vor: Deutschland bzw. die EU müsse Flughäfen in anderen Ländern "sichern" können usw. Konkret fiel ihm zur Sicherheitspolitik nur ein, daß die Bundeswehr bewaffnete Drohnen brauche, um unsere Soldaten zu schützen. Dies schien er aber hauptsächlich deshalb zu sagen, weil er der SPD und den Grünen vorwerfen wollte, sie hätten das bisher hintertrieben. Die Heftigkeit, mit der er auf den Drohnen bestand, kam mir ebenso überraschend wie aufgesetzt vor – ist das wirklich das Hauptproblem unserer Sicherheits- und Außenpolitik? Die USA sind die einzigen, die Drohnen in großem Umfang einsetzen – schützen sie damit ihre Soldaten? Ich lese immer etwas anders, auch nach den jüngsten "Vergeltungsschlägen". Scholz, der den Afghanistan-Einsatz immer noch für richtig hält, entgegnete nur, die Eurodrohne sei ja in der Entwicklung, und über die Bewaffnung müsse man später entscheiden. Kein Wort zur Problematik des Drohnenkriegs, auch nicht von der Völkerrechtlerin. Darauf muß man wohl warten, bis andere Staaten dazu übergehen, mißliebige Personen ("Drahtzieher und Planer") hierzulande per Drohne zu liquidieren. Barbarische Unternehmen wie die Ermordung Khashoggis sind dann nicht mehr nötig.

Übrigens: Der amerikanische Geheimdienst weiß genau, wen die jüngsten Drohnenangriffe getötet haben und wen nicht, aber von dem Selbstmordanschlag am Flughafen von Kabul wußte er nichts? (Unsere Journalisten, obwohl nicht an der Front, wirken wieder mal lammfromm eingebettet.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2021 um 16.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46956

Ich kenne "überschaubar" als ironisches Hüllwort für "kümmerlich, dürftig".
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.08.2021 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46954

Nein, den kannte ich noch nicht. Aber herrlich! Vielen Dank für den Link!
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 25.08.2021 um 16.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46953

Apropos Loriot: Ist meine Beobachtung richtig, daß Loriot der Urheber eines Sprachwandels ist?
Die Szene im Spielfilm "Ödipussi": Essen im sehr feinen Lokal, der Kellner lüftet die Silberglocke vom Teller und es kommt eine sehr karge Portion zum Vorschein. Er kommentiert trocken "Das ist sehr übersichtlich".
Also "übersichtlich" als lustiger Euphemismus und unpassende Kategorie zu "gering, enttäuschend wenig".
Die Verwendung von "übersichtlich" für "gering" ist meiner Wahrnehmung nach mittlerweile gängig, der humoristische Hintergrund immer mehr verblaßt.
Mein Sohn benutzt das Wort als gleichwertigen, neutralen Ersatz. Vergleichbar evt. mit dem Sprachwandel frz. tête (Kopf) von lat. testa (Scherbe).
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 25.08.2021 um 14.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46952

Das ist ja schön. Vielen Dank, Herr Schardt!
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 25.08.2021 um 14.34 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46951

"LORIOT – DAS WAHLPLAKAT (1980)"
Per Google kommt man schnell auf diesen funktionierenden Link:
https://www.bitchute.com/video/RpoAuqsEtTRk/
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 25.08.2021 um 13.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46950

[Der Link scheint in Deutschland nicht zu funktionieren (hier in NL schon). Ich meinte jedenfalls Loriots Sketch »Das Wahlplakat« von 1980, vielleicht kennt ihn der eine oder andere.]
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2021 um 12.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46949

Eigentlich heißt "für die Menschen" ja "für alle", daher gegen niemanden. Meine Frau meint aber, daß es trotzdem eine polemische Spitze enthält, etwa so: Man kann nicht alles der Klimapolitik unterordnen, sondern muß auch an die Menschen denken.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 25.08.2021 um 09.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46948

Das war schon vor 40 Jahren so: https://www.youtube.com/watch?v=3o_AQYZ3Fn4
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2021 um 09.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46947

Weil es um die Menschen geht, wenn es um Deutschland geht. (CDU-Plakat mit Foto vom fröhlichen Laschet, der sich offenbar keine Sorgen um die Menschen macht)

Die Menschen sind die größtmögliche Menge von Adressaten, so daß eigentlich nichts schiefgehen kann. Wenn Sie auch ein Mensch sind, ist Laschet der Richtige!

Anscheinend haben die großen Parteien Inhalt, Design und Verbreitung ihres Werbematerials an Unternehmen abgegeben, die das nach allen Regeln der Kunst professionell erledigen – und für alle gleich, so daß die Unterschiede, wie auch empirisch nachgewiesen ist, nicht mehr zu erkennen sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.08.2021 um 05.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46929

Laschet im Gespräch mit der FAS (22.8.21): Über Biden sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zunächst anerkennend, der Präsident der Vereinigten Staaten bekenne sich klar zur transatlantischen Partnerschaft. Dann fügte Laschet aber hinzu: „Gerade deshalb hat mich seine Ankündigung am 14. April enttäuscht, den von Donald Trump angeordneten Afghanistan-Abzug eins zu eins umzusetzen, ohne die Verbündeten umfassend an dieser folgenreichen Entscheidung zu beteiligen.“ Für Deutschland und Europa folge daraus, dass es zwar immer am besten sei, sich mit Amerika abzustimmen. Notfalls aber müsse „die EU in der Lage sein, ohne die US-Partner zu handeln. Wir müssen einen Flughafen wie den in Kabul auch alleine sichern können. Wir brauchen mehr Europa in der Außenpolitik.“
Zur Erinnerung: Deutschland und die Nato sind in den afghanischen Bürgerkrieg gezogen worden, weil die übermächtigen USA ihn zum Bündnisfall erklärt haben. (Abwegig genug. Der Anschlag auf das WTC war kein Angriff Afghanistans auf ein Nato-Land. Und wann haben die USA ihre Verbündeten an der Entscheidung für eine militärische Intervention "beteiligt"?) Was für eine Militärmacht müßte die EU (!) werden, um Flughäfen in weit entfernten Ländern zu „sichern“! Was die stärkste Militärmacht, die die Welt je gesehen hat, nicht schafft, soll die EU schaffen, die nicht einmal eine Armee hat? Verwechselt er die EU mit der Nato? Was soll „die EU ... ohne die (?) US-Partner“ eigentlich bedeuten?

Laschet sagt bei dieser Gelegenheit auch: „Präventive Politik handelt vorausschauend.“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2021 um 16.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46927

Ich bin völlig Ihrer Meinung und danke Ihnen für die ausführliche Darstellung. Die Presse wird mir immer unsympathischer; und "faul" ist der richtige Ausdruck für den Hauptzug.

"Kampf gegen den Klimaschutz" ist ein Allerweltsversprecher, der keiner Erklärung bedarf. Wir haben tausendmal gehört "die neue Rechtschreibreform" usw., was ebenso unlogisch ist. Die theoretische Grundlage in meinem berühmten Aufsatz "Paradigmen als Syntagmen"...

Soweit ich Laschet bisher beobachtet habe, ist er besonders schwach im unvorbereiteten Gespräch. Da rutschen ihm Sachen raus, oder es fällt ihm gar nichts ein oder nur Phrasen. Alles nicht schlimm und nicht einzigartig, aber man stellt ihn sich ungern auf internationalem Parkett vor. Merkel brauchte sich da nicht zu verstecken.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 22.08.2021 um 14.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46923

Ja, es zeigt seine Zerstreutheit, und manche fragen sich irgendwann, ob es wirklich nur einzelne Aussetzer sind oder ob mehr dahintersteckt und er allein schon wegen dieser Unkonzentriertheit womöglich nicht für das Amt taugt. Das kann ich nachvollziehen. Aber das wurde hier ja nicht kritisiert, sondern es wurden ihm schlimme Wissenslücken in Geschichte unterstellt. Der Mann steht unter ungeheurem Druck, und ich würde jedem Kandidaten solche kleinen Fehler nachsehen. Wenn Annalena Baerbock oder Olaf Scholz dieser Versprecher unterlaufen wäre, hätte der SPIEGEL das ebenso genüßlich aufgespießt. Ich halte das nicht für besonders seriös. Man kann so was am Rande erwähnen, aber heute machen Medien daraus eine Schlagzeile, die sich früher dafür zu fein gewesen wären und so was der BILD-Zeitung überlassen hätten. Laschet hat in seiner 36minütigen Rede auch mehrmals vom Kampf gegen den Klimawandel gesprochen, einmal indes vom »Kampf gegen den Klimaschutz«. Ist das jetzt eine Freudsche Fehlleistung, die beweist, daß er eigentlich gegen Klimaschutz ist? Solche Fehler findet man fast in jeder frei gehaltenen Politikerrede, auch bei Merkel, auch bei Söder.

Und natürlich sollen die Medien das Geschehen in den sozialen Netzwerken nicht ignorieren, aber sie geben ihm meines Erachtens viel zu viel Raum und werten es damit künstlich auf. Manche Artikel – oft sind es vorgefertigte Agenturmeldungen, die nur hier und da ein wenig angepaßt werden – bestehen inzwischen zu großen Teilen aus Aneinanderreihungen von Zitaten aus »dem Netz«. Das empfinde ich als faul, oberflächlich und unangemessen.

Unter dem Hashtag #Landshut macht sich nun die Twittergemeinde lustig. Eine Userin schreibt: »Bei seiner Wahlkampftour wird #Lasset besonders freudig in #Landshut erwartet – falls #Söder ihn über die bayerische Grenze lässt.«

Das ist natürlich ungemein komisch und muß unbedingt gebracht werden. Interessanter hätte ich es allerdings gefunden, wenn sich der SPIEGEL einmal der Frage zugewendet hätte, ob denn Laschets Hinweis auf die GSG 9 uns irgendwie weiterbringt oder nur eine rhetorische Luftnummer ist. Laschet hat die Gründungsgeschichte der Eliteeinheit ja nicht im Rahmen eines Vortrags über deutsche Geschichte in Erinnerung gerufen, sondern als Beispiel dafür angeführt, daß es gelingen kann, aus festgestellten Mängeln (Olympia 72) die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Nun ist aber der Aufbau einer Sondereinsatztruppe der Polizei eine sehr überschaubare Sache. So etwas beschließt man, und dann macht man es, fertig. Die militärischen Fähigkeiten der EU so auszubauen, daß sie mit Situationen wie jetzt in Afghanistan künftig auch ohne die Amerikaner fertig wird, ist dagegen ein derart gigantisches (und umstrittenes) Vorhaben und wirft so viele Fragen auf, daß man Laschet hier stellen müßte, statt sich über einen Versprecher lustig zu machen: Was heißt das konkret für die Verteidigungsausgaben Deutschlands? Muß die Konzeption der Bundeswehr geändert werden? Wie will Laschet die Europäer auf eine Linie bringen? Wie denkt er über die Einlassungen Macrons zur NATO und zum Aufbau einer europäischen Armee? All solche Fragen sind hundertmal interessanter als Laschets Patzer.

Ich sage nicht, daß seriöse Medien solche Fragen nicht mehr stellen. Es gibt gute Kommentare und Hintergrundberichte von sachverständigen Journalisten. Aber insgesamt sehe ich eine wachsende Tendenz zur Oberflächlichkeit und zur Überbetonung von Äußerlichkeiten. Das gilt besonders auch fürs Fernsehen. Wertvolle Sendezeit wird damit verplempert, Politiker mit Fragen zu triezen, von denen der Fragesteller – aber auch das Publikum – ganz genau weiß, daß die Befragten darauf nicht oder nur ausweichend antworten werden. Das Vorführen des Ausweichens kann für sich genommen nützlich sein, aber ab einem bestimmten Punkt verliert es seinen Wert. Wenn umgekehrt dem Interviewten mal eine Bemerkung entfährt, die aufhorchen lassen müßte, wird häufig nicht nachgefaßt, weil der Journalist entweder die Brisanz des Gesagten gar nicht erkennt oder es für wichtiger hält, die vorformulierten Fragen, die noch auf seinem Zettel stehen, restlos abzuarbeiten. Ich empfinde es auch als Unsitte, daß manche Journalisten die Politiker in Interviews alle naselang unterbrechen. Sie inszenieren sich so als Anwalt der Zuschauer, der es dem Politiker nicht durchgehen läßt, Wahlkampfparolen und Gemeinplätze zu verbreiten. Das ist manchmal nötig, aber es wird allzu oft übertrieben, so daß der Befragte gar nicht dazu kommt, seine Gedanken geordnet und im Zusammenhang vorzutragen. Und das ist nun ganz sicher nicht im Interesse des Publikums.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2021 um 06.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46919

Ich sehe das etwas anders. Wenn Laschet tatsächlich gesagt hat, daß 1977 die GSG9 die Entführungsopfer „in Landshut“ (statt in Mogadischu aus der „Landshut“) befreit hat, dann zeigt das wieder die Zerstreutheit, die seine Auftritte kennzeichnet. Das Stichwort „Landshut“ hatte er sich wohl gemerkt, und der abgekoppelte Sprechapparat machte daraus den nächstliegenden Satz. Das wäre ebenso lustig wie furchtbar, gerade weil es keine Wissenslücke wäre.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 21.08.2021 um 22.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46914

Laschet erinnert an die Entstehungsgeschichte der GSG 9 und verweist darauf, daß sie 1977 Deutsche »aus der entführten Lufthansa-Maschine in Landshut befreit« habe. Das veranlaßt den SPIEGEL zu der Schlagzeile »Laschet patzt in deutscher Geschichte«. Die Zwitschergemeinde kommentiert den Versprecher erwartungsgemäß mit »Häme« usw.

Daß sich erwachsene Menschen bei Twitter wie giggelnde Pennäler aufführen, die offenbar zuviel Freizeit haben, ist inzwischen bekannt. Wahrscheinlich haben viele von ihnen erst mal googeln müssen, was damals überhaupt geschehen ist. Daß das Flugzeug »Landshut« hieß und insofern in Laschets Satz nur das Wörtchen »in« nicht stimmte und nicht »in Landshut«, wie viele offenbar denken, geht manchem wahrscheinlich erst nach der Lektüre des entsprechenden Wiki-Eintrags auf.

Aber was bringt ein (immer noch) renommiertes Nachrichtenmagazin dazu, solchen pubertären Quatsch Tag für Tag aufzugreifen und zu »reproduzieren«, wie man in anderem Zusammenhang beim SPIEGEL gern sagt. Er berichtet aber nicht nur darüber, er macht sich die Kritik zu eigen, wie die Schlagzeile zeigt. Glaubt irgend jemand im Ernst, Laschet dächte, die Geiseln seien in Landshut befreit worden? Und das soll Qualitätsjournalismus sein?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.08.2021 um 05.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46903

Nehmen wir an, der Tagesspiegel hat das Spontan-Interview des FOCUS mit Laschet korrekt wiedergegeben: https://www.tagesspiegel.de/politik/armin-laschet-im-spontan-interview-joah-was-machen-wir-noch/27534062.html. (Laschet fiel nicht ein, was er als Kanzler tun wolle.)

Wie ist ein solcher Blackout möglich? Was man wirklich will, sozusagen ein Herzensanliegen, vergißt man nicht. Anders die angelernten Sätze eines Wahlprogramms. Laschet wirkt ja bei Reden oft eigentümlich unkonzentriert, als sei er in Gedanken woanders. Hinzu kommt, daß er sich nach Juristenart nicht festlegen will, als wenn er „nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen“ wolle, wie man in seinen Kreisen sagt – nur daß das laufende Verfahren die deutsche Politik ist, wo man sich ein solches Abwarten nicht leisten kann.

Allgemein zum gegenwärtigen Wahlkampf:
Wenn die Parteien noch eine Stammwählerschaft hätten, deren Interessen sie (wirklich oder vermeintlich) vertreten, würden „Patzer“ des Spitzenpersonals sie nicht erschüttern. Aufstieg oder Abstieg in der öffentlichen Gunst, die sich innerhalb von Stunden bemerkbar machen, sind nur möglich, wenn das Personal austauschbar scheint.
Es ist heute fast unmöglich, angesichts eines Wahlslogans zu sagen, wem und welcher Partei er zuzuordnen ist. Wie wäre es mit „Für ein stabiles Deutschland“? Das hängt bei uns im Dorf, und ich habe schon wieder vergessen, welche Partei ich folglich wählen soll.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.08.2021 um 15.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46869

Die Taliban haben weder "gegen Afghanistan" gekämpft (sondern aus ihrer Sicht sogar für Afghanistan, nur eben ein anderes, wie im Bürgerkrieg üblich) noch gegen "die Afghaninnen und Afghanen", wie die SZ treuherzig schreibt. Dazu auch http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43082
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.08.2021 um 18.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46844

Mit den gefüllten Pausen haben Sie zweifellos recht. Das ist auch in der Linguistik anerkannt.

Einzelne Merkmale wie Wippen, Hacken, Schreien usw. darf man natürlich nicht isoliert sehen, sondern nur im Zusammenhang. Daher meine Anspielung auf den schlichten Inhalt, der eine exzessive gestische Akzentuierung nicht gut verträgt.

Eine kleine Person kann durch konzentrierte, beinahe gestenlose Rede durchaus faszinierend wirken.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 15.08.2021 um 12.55 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46841

Manirierte Körpersprache scheint viele Menschen nicht zu stören. Ich mochte Ranga Yogeshwar nie besonders, gerade wegen seiner Manierismen und auch sonst eher "gefühligen" Art. Aber er scheint allgemein ganz gut anzukommen.

KuchenTV ist einer der wenigen Youtuber mit über 1 Mio Abonnenten, scheint also einiges richtig zu machen. Aber ich kann die Unruhe, die er ausstrahlt, nicht ertragen (einmal abgesehen von den Inhalten). Und zu dieser Unruhe gehört auch sein Gewippe (Beispiel https://youtube.com/watch?v=B5eiG53iKHY).

Wippte nicht auch FJS? Sein Imitator Helmut Schleich tut es jedenfalls und sogar recht markant. (Es gibt überhaupt phänomenale Imitatoren, Max Giermann muß man unbedingt gesehen haben.)

Da es hier um Leute ging, die aufgrund ihrer Körpergröße in Gefahr sind, übersehen zu werden, fällt mir noch etwas anderes ein: Dienen die weitverbreiteten Ähs und Ähms der mündlichen Rede dazu, ein Unterbrechen durch anwesende Gesprächspartner zu verhindern? Eine Redepause kann ja durchaus als entsprechende Einladung verstanden werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.08.2021 um 11.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46839

Dazu paßt, daß er ja auch noch auf- und abwippt. Das fiel meiner Frau auf, die sich schon lange mit dem Charakter kurzer Männer beschäftigt.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 14.08.2021 um 22.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46835

Laschets Armbewegungen haben möglicherweise neben dem rhetorischen auch noch einen ganz profanen Grund. Ich habe öfter beobachtet, daß gerade kleine Leute beim Reden gern in der Luft herumfuchteln, und es mir damit erklärt, daß sie immer Angst haben, übersehen zu werden. Wenn das aber nun mal seine Art ist, sollte Laschet es sich nicht mühsam abtrainieren. Das möglichst unverfälschte Original erleichtert den Vergleich. Wir sehen, hören und lesen die Kandidaten jetzt ja häufiger und können uns allmählich ein Bild von den drei Charakteren machen.
Scholz ist übrigens auch klein, kommt aber ohne das Fuchteln aus. Es würde auch gar nicht zu seinem hanseatischen Habitus passen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2021 um 16.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46830

Laschet wirkt durch die Gewohnheit, zu seinen Worten heftig den Takt zu schlagen, wie sein eigener Gebärdendolmetscher; aber weil das Gesagte nicht schwer zu verstehen ist, schwächt diese Redundanz den Gesamteindruck. (Ich versuche, dem Geheimnis seiner Selbstdemontage auf die Spur zu kommen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2021 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46700

„Es ist eine Unverschämtheit, mich als ‚Querdenker‘ abstempeln zu wollen, weil ich gegen die Impfpflicht bin und mehr Sensibilität einfordere beim Thema Impfen von unter 12-Jährigen, was auch die Stiko bisher nicht empfiehlt.“ (Aiwanger)

Das ist es ja nicht, was man ihm vorwirft. Mit seiner Weigerung, sich impfen zu lassen, und seinem sonstigen Gerede stärkt er den Impfgegnern den Rücken. Die Verschiebung des gegnerischen Arguments ist ein klassischer rhetorischer Trick, wie u. a. Schopenhauer darlegt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2021 um 05.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46682

"Ich bin überzeugt, Bayern und Deutschland wären sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte, und wir würden die Schwerkriminellen einsperren. Das wäre der richtige Weg." (Hubert Aiwanger, Minister und stellv. MP)
Das Gewaltmonopol – auch gegenüber den bärtigen Männern aus dem Orient, die hier gemeint sind – liegt beim Staat, und Schwerkriminelle werden weggesperrt, wenn sie gerichtlich verurteilt sind; das muß man nicht fordern.
Übrigens bietet ein Dirndl wenig Möglichkeiten, ein Messer unterzubringen. Dort, wo der Hubert der Resi das Trinkgeld neisteckt, hält es nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2021 um 18.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46669

Daß Milchkaffee zum "Symbol für trendbewusste Neu-Großstädter der kreativen Mittelschicht" und Yuppies werden konnte (Wikipedia), muß am Fremdwort liegen (Latte macchiato). Populisten wie Hubert Aiwanger gebrauchen es als Schimpfwort für die verhaßten Grünen und Linken, die man in der Außengastronomie der immer noch nicht autofreien Leopoldstraße sitzen sieht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.07.2021 um 04.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46629

Zu den anreißerischen Überschriften, die mir bei DER WESTEN auffielen, erfahre ich jetzt erst, daß es da einen Fachausdruck gibt: Clickbaiting.

Auch Focus und Der Westen arbeiten mit Clickbait-Überschriften. (Wikipedia)

Die Technik ist so primitiv, daß man sich auf den Arm genommen fühlt. Aber dagegen stumpfen die Medien ab. Ich wundere mich ja sowieso, was Fernsehzuschauer sich alles bieten lassen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2021 um 08.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46582

Die „Unverzügliche von Thüringen“ weilte in den USA, trank mit Biden auf dem Balkon des Weißen Hauses ein Gläschen Wein und ging mit der Klima- und Gender-Ideologin Kamala Harris frühstücken – sie kam wie geplant (kein Reise-Abbruch) am Tag nach der Flut zurück und landete nicht auf dem Regierungsflughafen Köln-Wahn ein paar Kilometer neben den tödlichen Tragödien von Ahrweiler und Erftstadt. Nein, sie flog nach Berlin und ging kurz vor 19 Uhr erstmal gemütlich Einkaufen. Erst dann brach sie zu Wahlkampf pur für Malu Dreyer auf. Bloß nicht neben dem lachenden Laschet gesehen werden! Ja, es bleibt mir nur dieser Zynismus, sorry. Angesichts von Massensterben und Verwüstung geht es nicht anders.

Peter Hahne, der dies bei Tichy schreibt, ist sicher zwei Tage und Nächte nicht aus den Gummistiefeln herausgekommen; die Flutkatastrophe fordert den ganzen Mann.

Unsere lebenslustige Mutti scheint währenddessen in Washington etwas zur Lösung der Nordstream-Frage beigetragen zu haben, das wäre doch auch etwas.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2021 um 04.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46580

Für die Rechten ist an der Flutkatastrophe "unbezweifelbar" Merkel schuld (wie an Corona und der Erfindung von Corona, dem Impfen und den Impf-Pannen usw.).

Da übergeht man gern oder weiß es auch ganz einfach nicht, daß der Bund keine Kompetenz für den Katastrophenschutz hat. Die liegt bei den Ländern und dann bei Landkreisen und Gemeinden. Sie können den Bund zu Hilfe rufen (Bundeswehr, THW), und es gibt auch eine relative neue Bundesbehörde, die das Ganze koordinieren soll.

Wir haben übrigens Geld fürs THW gespendet, weil wir aus persönlichen Kontakten wissen, daß das eine gute Sache ist; andere Spenden haben wir fast ganz eingestellt (außer für den Nationalpark Wattenmeer, eine alte Liebe).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2021 um 09.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46541

Wie jeder weiß und trotzdem viele jetzt auszusprechen für nötig halten, ist das Auftreten von Politikern an Katastrophenorten eher kontraproduktiv. Es bindet Personal, und die zugehörigen Kamerateams stören ebenfalls. Es muß aber sein, und wehe, ein Kandidat versäumt es oder verspätet sich! Bei Hochwasser bringen Gummistiefel die entscheidenden Wählerstimmen, Lederschuhe kosten welche.
Wie gesagt, von Laschet weiß ich wenig, wozu auch die räumliche und mentale Entfernung hier in Bayern beitragen mag. Ich habe zufällig seine Ansprache in Hagen gesehen und gehört. Die Aneinanderreihung von Füllseln vor laufender Kamera hat uns ein wenig überrascht und sehr amüsiert. Das war unfreiwillige Satire (Phrasengenerator) vom Feinsten. Aber vielleicht ist das ja gerade das Richtige fürs angestrebte Amt. Ich wäre zwar auch beinahe Bundeskanzler geworden, aber nachträglich bin ich froh, daß ich Diogenes in der Tonne geblieben bin.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2021 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46511

Boris Johnson nennt den kommenden Montag (19.7.21), an dem er die Corona-Bekämpfung aufgeben will, „freedom day“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2021 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46363

Für den Pimpf, der bei „Tichy“ eigentlich fürs Kleinrechnen von Corona im Einsatz ist, wird auch die Niederlage einer Fußballmannschaft zum Sinnbild des deutschen Niedergangs unter Merkel: „Joachim Löw ist die Angela Merkel des Fußballs“ usw. (https://www.tichyseinblick.de/meinungen/deutschland-em-aus-kein-kampf-nur-haltung/) Ein anderer titelt einen Tag später: „Mit Löw ist auch das System Merkel in Wembley gescheitert“ – wobei das imaginäre „System Merkel“ in diesen Kreise eine ähnlich Rolle spielt wie vor 100 Jahren das „System“, das es zu „zerschlagen“ galt. Es umfaßt alles, was „wir“ nicht sind. – Den jugendlichen Vortänzern auf dieser rechtsextremen Website folgen dann erstaunlich viele gestandene Männer (mehrere hundert Zuschriften in kürzester Zeit allein zum Fußball-Artikel).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2021 um 04.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46230

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45160

Die "größte Sorgfalt und Exaktheit", mit der man den Kuhdung oder Sand im Eimer herumrühren soll, hat etwas von einer Zwangsneurose. Die theoretische Grundlage des Rituals ist hinfällig, aber das Ritual selbst gibt Halt. Es erinnert auch an religiöse Vorschriften. Zum Beispiel die minutiös festgelegte, im Laufe der Jahrhunderte immer komplizierter gewordene Errichtung eines Feueraltars und die dabei und darum herum durchzuführenden Beschwörungen in der brahmanischen Religion. Die vedische Literatur ist sozusagen ein "Handbuch des unnützen Wissens", war aber die Grundlage einer ganzen Gesellschaft. Von der psychologischen Grundlage mag vieles unerkannt auch in unserer Zeit noch wirksam sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.06.2021 um 11.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46201

Daß China mehr Propaganda im Westen machen will, glaube ich gern, nicht aber, daß es sich um Werbung für unseren guten alten Marxismus handelt. Man schießt sich doch nicht selber ins Bein. Auch geht es China meiner Ansicht nach nicht um missionarische Ausdehung des eigenen Systems oder gar der nicht mehr vorhandenen Ideologie (die nur der Machterhaltung im Inneren dient), sondern ums Geschäft und nur insofern auch um Macht.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 11.06.2021 um 20.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46168

Das wäre wirklich nett. Danke!

Vielleicht reichen auch ein paar Stichworte zum Suchen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.06.2021 um 18.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46165

Mit Literatur dazu bin ich im Augenblick nicht so gut ausgestattet, werde mich aber drum kümmern.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 11.06.2021 um 16.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46163

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44420

Das Sprechregister, die Gebrauchsprosa unter Gesprächspartnern mit gleichem Rederecht scheint uns der Nullpunkt der Sprache zu sein, die Poesie ein luxurierender Überbau. Ich habe schon mehrmals meine Sympathie für Theorien geäußert, die es gerade anders herum sehen, gestützt auf ethnologische Evidenz.

Das Thema würde mich näher interessieren. Welche ethnologischen Belege gibt es hier? Sind das Belege aus der Gegenwart?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2021 um 13.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#46107

Herrscht das Volk, regiert die Rede; herrscht Despotismus, regiert der Trommelwirbel. (...) Wo Gewalt herrscht, braucht der Rhetor sich keine Mühe zu machen, die Hörer mit kunstreicher Suada auf seine Seite zu bringen, er kann es einfacher haben. Der Säbel ersetzt das Argument und den Beweis.

Solchen Unsinn kann nur einer geschrieben haben. Schon die einfachste Kenntnis der Geschichte beweist ja das Gegenteil. Für Walter Jens war konsequenterweise die Nazi-Rhetorik überhaupt keine. Aber wozu dann das Propagandaministerium und die lichtvollen Ausführungen in "Mein Kampf"? Goebbels war übrigens ein viel besserer Redner als Jens.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2021 um 16.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45886

„Hofmannsthal war – weit vor Eliot, Pavese und Pound! – ein Meister der synoptischen Evokation.“ (Walter Jens: Von deutscher Rede)

Ein typischer Jens-Satz. Bevor der Leser darüber nachdenken kann, ob und wie weit Eliot, Pavese und Pound Meister der synoptischen Evokation waren und was das überhaupt bedeutet, ist Jens schon weiter, und man ist überwältigt von soviel Bildung. Das galt einmal als glänzend, Robert Minder sprach im SPIEGEL von „Grandezza“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2021 um 05.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45851

Einen gewissen Markus Lanz hatte ich vor längerer Zeit mal ein paar Minuten gesehen. Leserbriefe zu einer neuen Show zeigen mir, daß er sich nicht gebessert hat, eher wohl im Gegenteil. Ein Moderator, der seine eigene Meinung für die wichtigste im Raum hält, kommt mir sehr immoderat vor. Den "Gästen" ständig ins Wort zu fallen oder sich in kindergartengemäße Spiele wie "Doch – nein – doch – nein" einzulassen – das halten er selbst und seine Verehrer für "kritischen Journalismus". Und ich bezahle das auch noch!
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 27.04.2021 um 23.27 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45780

Dieser Kurbjuweit-Artikel ist nicht nur im nachhinein peinlich zum Quadrat. Der einzig ernstzunehmende Satz daraus ist "Bislang begeistert Schulz als Schulz". Genau hier hätte der Autor eigentlich zur Besinnung kommen können.

Interessanterweise titelt Spiegel Online heute: "Rollt jetzt der Baerbock-Zug?"

Ist es dasselbe wie seinerzeit der havarierte Schulz-Zug?
Ich glaube, die Sache ist diesmal anders. Nicht, was die Jubelchöre der Medien angeht. Die klingen heute so wie damals. Aber Baerbock ist eine andere Person. Sie vertritt substantiell und glaubwürdig Ideen, die derzeit Konjunktur haben. Sie ist überzeugt, kämpft dafür machtbewußt und geschickt, und sie hat niemals etwas Gespieltes, Aufgesetztes.
Bei Schulz dagegen war für Außenstehende (Nicht-Journalisten, Nicht-Sozis) das hohles Pathos und die aufgesetzte Rhetorik schon immer durchschaubar. Heiße Luft, die beim ersten Piekser komplett entwich.

Wenn Dirk Kurbjuweit dann Schulz für eine Sauerstoffgabe an die deutsche Politik und Gesellschaft hält und schreibt "Martin Schulz ist derzeit der führende Respirator der deutschen Politik", dann weiß man nicht, wer einem mehr leid zu tun hat: der Aufschneider, der ganz schnell auf sein Normalmaß zurechtgestutzt wurde, oder der Journalist, der dem Aufschneider so grandios auf den Leim gegangen ist.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 26.04.2021 um 21.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45774

Zur Erinnerung:

»Der gute Start von SPD-Kanzlerkandidat Schulz ist eine Hoffnung für die liberale Demokratie.

Der Respirator ist ein Beatmungsgerät für Patienten, denen der Sauerstoff ausgeht. Martin Schulz ist derzeit der führende Respirator der deutschen Politik. Er belebt die Demokratie, macht Leuten Lust auf die SPD, Hoffnung auf einen Wechsel in der Regierung. Endlich ist da eine Alternative zu Bundeskanzlerin Merkel, die seit über elf Jahren regiert und so müde und lustlos wirkt, als wäre ihr das selbst zu lange.

Dies ist eine Wendezeit. Es geschieht die Wende von einer Demobilisierungsphase in der deutschen Politik zu einer Mobilisierungsphase, und das ist eine Wende zum Guten. Merkel wollte nicht, dass sich die Deutschen allzu viel mit Politik beschäftigen, sie wollte die Bevölkerung über viele Jahre beruhigen, beschwichtigen, einschläfern. Die Demokratie war unterversorgt mit politischem Sauerstoff, also mit Debatten, Emotionen, Ideen. Die Wahlbeteiligung sank.

Als Merkel diese Zeit der Agonie selbst beendet hat, mit ihrer Flüchtlingspolitik, begann Phase eins der Mobilisierung. Bei der AfD sammelten sich Ängste, Ressentiments und Enttäuschung, die Debatte wurde lebhaft, zum Teil aber auch widerlich. Die Demokratie wirkte plötzlich lebendig, wie erwacht, das aber vor allem auf dem rechten und äußerst rechten Flügel. Damit rutschte die liberale Demokratie in eine Krise.

Nun erlebt Deutschland eine Wende in der Wende, dank Schulz. Mit ihm hat Mobilisierungsphase zwei begonnen, in der Mitte der Gesellschaft und links davon. Die Begeisterung, die er derzeit auslöst, zeigt auch, was so lange vermisst wurde. […]

Von Merkel unterscheidet ihn vor allem Leidenschaft. […]

Für die Sozialdemokratie ist Schulz ein Geschenk, weil da endlich einer ist, der einen ungebrochenen Machtwillen zeigt. […]

Schulz […] wirkt so frisch wie machthungrig, seine SPD scheint ihn zu lieben. Wenn Kandidat und Partei es schaffen, eine Einheit zu bleiben, ist das ein Gewinn für alle Demokraten – wegen der Alternative.

Bislang begeistert Schulz als Schulz, nicht als ein Politiker, der ein Programm anbietet. Allerdings kann das nur kurzfristig funktionieren. Auf neue Ereignisse, vor allem auf Überraschungen – und Schulz ist eine – reagieren Menschen in zwei Etappen: erst emotional, dann mit Fragen, also rational. Schulz befindet sich noch in der ersten Etappe, der schöneren. Wenn der Jubel abklingt, wird er sagen müssen, was er mit Deutschland vorhat, welche Flüchtlingspolitik er verfolgen will, wie er mehr Gerechtigkeit erreichen will, ob es neue Gesetze zur inneren Sicherheit braucht oder nicht. Damit wird er Bürger vergraulen, und im politischen Betrieb lauern hinter jeder Ecke Widersprüche, Ungereimtheiten, Affären. Schulz muss erst noch zeigen, ob er wirklich geeignet ist.«

(Aus dem SPIEGEL 7/2017, Leitartikel von Dirk Kurbjuweit)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.04.2021 um 05.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45755

Lese gerade noch mal http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43150

Tatsächlich war die AfD zunächst für eine tatkräftige Bekämpfung der Pandemie, bevor sie ihren Kurs um 180 Grad drehte.

Wenn die Rechenkünste versagen, kommt man auf den alten Hut zurück: Die Leute sterben nicht an, sondern mit Corona.

Vor zwei oder drei Wochen verkündete die deutsche Autoindustrie unter dem Beifall der Rechten, sie halte am Verbrennungsmotor fest. Vorgestern hörte ich eine AfD-Politikerin im DLF-Interview. Nachdem sie rasend schnell ihre Sprüchlein zu allen möglichen Themen aufgesagt hatte, wurde sie gefragt, wer denn die wunderschönen deutschen Dieselautos kaufen solle. Daran hatte sie anscheinend noch nie gedacht. Ihre Antwort schließlich: In China gebe es immer noch viele Liebhaber...

Auf eine so schwache Hoffnung würde ich eine Schlüsselindustrie nicht bauen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.04.2021 um 05.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45754

Sehr gut! Seither ist es eher schlimmer geworden.

Fourest erzählt, daß sich eine indonesische Studentin über eine amerikanische Mensa beschwerte, die ein indonesisches Gericht auf dem Speiseplan hatte, das aber nicht so zubereitet war, wie sie es gewohnt war. Sie fühlte sich dadurch verletzt. Später wurde nachgewiesen, daß das "indonesische" Gericht aus Frankreich stammte und in Indonesien ebenso wie die verquatschte Bezeichnung stark modifiziert worden war. (Ich gebe die Geschichte aus dem Gedächtnis wieder.)

Krankhaftes Dauerschmollen gab es schon immer, heute ist es politisch und ziemlich gefährlich.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 24.04.2021 um 09.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45748

Ich bin nicht sicher, ob ich das schon einmal verlinkt habe, Falls ja, bitte ignorieren:

https://virchblog.wordpress.com/2016/05/09/mimimi/
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2021 um 05.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45743

Wir haben uns auch noch viel über den Fall unterhalten. Man muß wohl den Zeitgeist berücksichtigen. Im Feuilleton wird tagtäglich die "Verletzlichkeit" gefeiert, die dieser oder jene ganz besonders für sich in Anspruch nimmt. Ich will keineswegs den Super-Spartaner dagegenstellen (Ein Indianer kennt keinen Schmerz), aber Wehleidigkeit ist in meinen Augen ein Luxusphänomen und keine Tugend. In meiner Umgebung sehe ich überall tapferes Hinnehmen von Umständen, die nicht deshalb verschwinden, weil keiner sie erwähnt. Es gibt in Wirklichkeit gar nicht so viele Jammerlappen, wie man als Medienkonsument meinen könnte.

Als Mann bin ich ganz überwältigt von den Frauen, die immer wieder Schwangerschaft und Entbindung auf sich nehmen. (Habe vor wenigen Tagen einen weiteren Enkel bekommen.)

Nur zum Scherz kursiert in unserer Familie die typische Redensart der Selbstbespiegelungsgesellschaft: "Was macht das mit dir?" Ich wünsche mir etwas mehr "Zum Teufel auch, daß muß jetzt sein, ganz egal, was es mit mir macht!"
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 24.04.2021 um 02.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45742

Habeck tritt nach, Söder tritt nach, jeder auf seine Weise. Aber bei Söder erfüllt es noch einen gewissen Zweck, seine Anhänger erwarten es von ihm. Außerdem gehören Sticheleien aus München quasi zum guten Ton. Er darf es damit aber nicht übertreiben, denn andernfalls würde man bei einem Wahldebakel der Union nicht nur bei Laschet, sondern auch bei ihm die Schuld suchen. Habecks nachträgliche Einlassungen können dagegen gar nichts Positives bewirken. Eigentlich war es schon eine Ungehörigkeit, daß er als Mann überhaupt seinen Hut in den Ring geworfen hat. Wenn er jetzt weinerliche Erklärungen über seine schier übermenschliche Opferbereitschaft nachschiebt, stellt er den strahlenden Sieg seiner Konkurrentin indirekt in Frage, und das müssen selbst seine (heimlichen) »Unterstützenden« empört zurückweisen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.04.2021 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45734

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45721

Die SZ kommentiert Habecks Selbstentblößung auf S. 1 ähnlich wie ich und zitiert dazu andere, die ihn als Heulsuse bezeichnen. Politisch unreif ist es jedenfalls, da hilft auch "Regierungserfahrung" nicht. Wir sind bei künftigen Bundeskanzlern nicht so sehr auf "Verwundbarkeit" erpicht, wie manche zu glauben scheinen. Auch die Erwartung, daß Habeck nun Baerbock zur Seite stehen und für die gemeinsame Sache arbeiten würde, ist erstaunlich schnell zerstoben. Einen so schlechten Verlierer hat man lange nicht erlebt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.04.2021 um 08.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45722

Söder kann noch einen Gewinn verbuchen, der in den üblichen Analysen nicht vorkommt: Er ist durch sein Auftreten als Bewerber bundesweit viel bekannter geworden, als er es vorher war. Das ist in unserem Medienzeitalter viel wert. Jeder Prominente (wie TV-Star Trump) kann schon allein deshalb mit Stimmen rechnen, weil er prominent ist. Das ist das Einmaleins der Produktwerbung. Oberflächliche Journalisten schreiben nun zwar "Laschet ringt Söder nieder" oder so ähnlich, aber jeder weiß, daß das Unsinn ist. Laschet hat nicht gerungen, sondern die Parteien-Arithmetik ausgesessen. Die Umfragen bestätigen es, so flüchtig ihr Gehalt auch sein mag.
Da ich Söders Entwicklung sozusagen aus nächster Nähe verfolgt habe, wurde mir auch seine Strategie schon früh klar, und ich habe auch hier immer wieder darauf hingewiesen, daß es ihm offensichtlich darauf ankam, sich alle paar Wochen in Erinnerung zu bringen und dadurch unübersehbar und unübergehbar zu werden. In Bayern hat er damit alles erreicht, und nun folgt der entsprechende Schritt in die Bundespolitik. Es ist also nicht so, wie der rechtsradikale Peter Hahne meint: Söder ist nicht "vom Kanzlerkandidaten zum Provinzpolitiker" geworden, sondern umgekehrt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.04.2021 um 08.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45721

Robert Habecks Bekenntnis, sein Verzicht auf die Kanzlerkandidatur sei der schmerzhafteste Tag seines politischen Lebens gewesen, kommt mir ungeschickt vor (um das mindeste zu sagen). Gerade wenn es ehrlich gemeint war, hätte er das besser unterlassen. Es bestätigt nachträglich, daß er nicht der Richtige gewesen wäre.

Staatsmännischer hätte gewirkt: Ob Annalena oder ich, spielt keine Rolle – es geht um die Sache. Söder macht das naturgemäß besser: kein Gschiß um seine persönliche Verletztheit oder so etwas. In solchen Fällen muß man erhobenen Hauptes vom Platz gehen und sich wieder an die Arbeit machen. Bernie Sanders wußte das auch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.04.2021 um 07.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45720

Zum 75. Todestag von John M. Keynes hat gestern auch die SZ dargelegt, daß es richtig ist, in solchen Krisenzeiten wie jetzt viel Geld auszugeben, zumal bei den niedrigen Zinsen. Biden mache es auch richtig, müsse aber auch durch höhere Steuern von den bisher so üppig verwöhnten Reichen für mehr Einnahmen sorgen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2021 um 04.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45664

Als Laie will ich mich zu ökonomischen Fragen nicht äußern, zumal auch die Wirtschaftswissenschaftler auf der ganzen Welt in den letzten Jahren unsicher geworden sind, ob ihre grundlegenden Theorien überhaupt stimmen.

Aber als Bürger macht man sich ja seine Gedanken. Unter Merkel ist die Schuldenlast des Bundes – was viele nicht wissen – erstmals wieder gesunken, statt immer weiter zu steigen. (Das hat man so oder so bewertet, aber als Tatsache steht es fest.)

In Krisenzeiten "Geld in die Hand zu nehmen", auch Schulden zu machen ist ja gut keynesianisch (deficit spending, antizyklisch) – auch das ein Novum, weil bis etwa 2012 auch in der Hochkonjunktur immer mehr Schulden gemacht, Wahlversprechen eingelöst, Klientelen bedient wurden.

Wenn ich es recht verstehe, ist es sehr wichtig, die "Stimmung" aufzuhellen, damit nicht eine sich selbst verstärkende Depression einsetzt. Dazu gehört zum Beispiel, mit Kurzarbeit den Personalbestand zu halten, die Kaufkraft und Kauflust durch die Krise zu retten usw. Eine florierende Wirtschaft kann auch mit Riesenschulden leicht fertig werden, das scheint die allgemeine Annahme zu sein. In den USA ist das offensichtlich, wobei, wie gesagt, statt Trumps asozialer Begünstigung seiner Klasse nun die Massenkaufkraft gestärkt wird.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.04.2021 um 19.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45659

Ich bezog mich vor allem auf den Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und den RKI-Chef Lothar Wieler. Sie bekommen im Fernsehen wohl am meisten von allen Gelegenheit, ihre Maximalforderungen darzustellen.

Ökonomen kommen kaum zu Wort. Aber der Kölner Stadtanzeiger titelte vor 2 Tagen:
Studie des Kölner IW
Deutschland macht 650 Milliarden Euro Schulden durch Corona

Wir hatten schon hohe Staatsschulden, jetzt kommt mit einem Schlag noch ein Drittel dazu. Wo soll das alles noch hinführen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2021 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45658

Ich wüßte nicht, wer das vergessen hätte. Drosten zum Beispiel hebt es fast in jeder Sendung hervor. Der Zusammenhang dürfte ja auch klar machen, wie meine abschließende Bemerkung gemeint war.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.04.2021 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45657

"Es gibt Corona-Skeptiker, die den Medizinern die Kompetenz absprechen,"

Es ist natürlich sehr dumm, Fachleuten die Kompetenz auf ihrem Fachgebiet abzusprechen. Aber meiner Meinung nach wird oft vergessen, daß Corona viel mehr Dimensionen hat als nur die medizinische. Mediziner allein können nicht abwägen, welche Maßnahmen gesamtgesellschaftlich (z. B. auch wirtschaftlich) tragbar sind und womit man insgesamt mehr kaputtmacht, als man rettet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2021 um 07.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45656

Platon wies der rhetorischen Sophistik (oder sophistischen Rhetorik) nach, daß ihre angemaßte Allzuständigkeit nichts anderes bedeutet, als daß sie nix von gar nix verstand. Das focht sie natürlich nicht an, im Gegenteil, es war damals gerade der neueste Hit der Philosophie, daß es nur Meinungen und kein Wissen gebe. Daher die "Ubiquität der Rhetorik" (Gadamer).

Das meint auch die Tübinger Schule der Rhetorik, weshalb zum Beispiel Walter Jens zu jedem beliebigen Thema lang oder kurz sprechen konnte, genau wie die Zeitgenossen des Sokrates. Nur um die Naturwissenschaften machten die alten wie die neuen Sophisten (auch Habermas usw.) einen Bogen, wenn auch nicht immer.

Eng damit verquickt ist die juristische Beredsamkeit. Es gibt heute keine rechtsfreien Räume mehr, jeder Furz ist justiziabel. Zwangsläufig werden Richter zu Oberlinguisten (Rechtschreibreform), Oberepidemiologen (Corona) usw. – und anders als in den Fachwissenschaften ist kein Appell möglich, außer eben an die nächsthöhere Instanz von ebensolchen.

Es gibt Corona-Skeptiker, die den Medizinern die Kompetenz absprechen, mit der Einmischung der Justiz aber hochzufrieden sind (solange sie ihnen zuarbeitet).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2021 um 05.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45653

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43228

Fast auf den Tag genau ein Jahr später hat der angeblich aufgelöste "Flügel" die AfD übernommen. Das war vorauszusehen. Die personellen Konsequenzen sind aufgeschoben, aber ebenfalls unvermeidlich.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.04.2021 um 15.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45632

Ja, dieses "Malbuch" ist selten dämlich, finde ich auch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.04.2021 um 14.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45631

Vielen Dank noch an Herrn Virch für den Hinweis auf die phantastischen Zeichnungen! Noch verbotener als der niederträchtige Inhalt ist die Zeichenkunst. So gut könnte ich auch zeichnen, nämlich gar nicht. Cacatum non est pictum.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.04.2021 um 14.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45630

Zuerst dachte ich; O je, das ist fein ausgedacht und könnte gefährlich werden, wie früher die Polemik gegen das "System" ("Schweinesystem"), als Sammelruf für sehr viele ganz verschiedene Unzufriedene. Aber schon bald zeigte sich, daß auch diesmal das Schlagwort seine eigene Dynamik entwickelt und schnell zur Karikatur wird - wozu natürlich beigetragen hat, was die AfD normal findet.

Ihre Frage, lieber Herr Riemer: Meine primäre Quelle ist "Tichys Einblick", wo ich aus bestimmten Gründen öfters reinschaue. Dort wird Corona teils geleugnet, teils heruntergerechnet. Es ist nicht das wüsteste rechte Medium, aber doch sehr bezeichnend. Ich widerstehe der Versuchung, hier einiges wiederzugeben, was ich dort gelernt habe...

Es hat auch komische Seiten, z. B. das Bestehen darauf, daß Merkel, die bekanntlich in wenigen Monaten aufhört, "Corona" dazu benutzt, ihre Macht zu festigen – die kommunistische Diktatorin, die von Politik nur so viel versteht, wie sie in der FDJ gelernt hat.

Daß Sie das Forsthoff-Theorem anführen, ist nicht ganz fair, denn es handelt nicht vom "Normalen" im Sinne der AfD oder Cora Stephans.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.04.2021 um 13.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45629

Und was unsere Leitmedien so für normal halten ...
Ein ARD-Reporter (Das Erste) sagte in seinem Live-Kommentar vom AfD-Parteitag in Dresden kopfschüttelnd in die Kamera:

"Sehr rückwärtsgewandt – immer wieder wird hier gesprochen von der Familie aus Mutter, Vater und Kind."
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 12.04.2021 um 13.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45628

Was die AfD so für normal hält. https://virchblog.wordpress.com/2020/02/29/kannibalenmalen/
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.04.2021 um 12.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45627

Andererseits wurde hier schon öfters bedauert, daß Normalos unter die Räder kommen (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1040#43190) bzw. "Die allgemeinsten Interessen haben die geringsten Durchsetzungschancen, weil sie nicht organisiert sind und keine Lobby haben (Forsthoff-Theorem)" (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=783#41495)

So gesehen ist es vielleicht nicht verkehrt, wenn eine Partei die Normalität zum Programm erhebt.

(Wo gibt es den Slogan bei Corona-Leugnern? Habe ich nicht gefunden.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.04.2021 um 06.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45620

Die AfD appelliert an das gesunde Volksempfinden („Aber normal“).

Meuthen wies den Vorwurf zurück, die AfD sei eine Partei von Corona-Leugnern. (web.de 10.4.21)

Der Slogan ist aber die Losung der Corona-Leugner, die seit Wochen von „Tichy“ und anderen Irren verbreitet wird. Ihnen zufolge braucht man die Pandemie nur zu ignorieren, dann verschwindet sie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2021 um 04.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45579

Wie kann man eine neue Partei "Team Todenhöfer" nennen? Erstens ist eine Partei kein Team, und zweitens um eine Person herum – das geht gar nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.03.2021 um 05.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45451

Wie realistisch dagegen unsere korrupten Politiker, die Corona zu Geld machten!

Übrigens: Daß sich die Apotheker an Masken "dumm und dämlich" verdient haben, wie einer von ihnen jetzt erklärte, muß nicht jetzt erst entdeckt werden, es war von Anfang an klar: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1103#44899

Ich möchte hier noch eine alte Vermutung loswerden: Die Ersetzung von billigen, waschbaren Stoffmasken durch FFP2-Masken hat wahrscheinlich keinen so großen Zusatznutzen gebracht, daß der Milliardenaufwand sich gelohnt hätte. Das Abfangen von Tröpfchen war in der ersten Welle wirksam genug, die Aerosole, von denen jetzt auch nur ein Teil in die FFP2-Maske geht, verursachen nur wenige Zusatzinfektionen. In der Klinik werden, wie ich höre, auch die einfachen OP-Masken getragen, nur in besonderen Situationen die anspruchsvolleren, unter denen man es auch nicht den ganzen Tag aushält. (Manche Kolleginnen meiner Tochter haben schon einen Kreislaufkollaps erlitten.) Ob der Grenznutzen schon berechnet worden ist?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 18.03.2021 um 01.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45450

"Im Mai 2020 hörte Tansania auf, die Zahl der Neuinfektionen zu veröffentlichen. Im Juni erklärte Präsident Magufuli das Land kurzerhand für Covid-frei."

Ich mußte lachen, als ich das las. Was für ein astronomischer Unterschied zur Corona-Politik in Europa! Selbst ein Bolsonaro ist ein Waisenknabe gegen diesen Magufuli (der gestern starb, vermutlich an Corona).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.03.2021 um 04.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45401

"Geld verdienen an der Krise, das geht nicht" (Brinkhaus) – Das ist auch wieder übertrieben. Krisen bedeuten eine erhöhten Bedarf an bestimmten Gütern und Dienstleistungen. Die Deckung dieses Bedarfs ist eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, so läuft die gesamte Wirtschaft. Das ist sogar gut, denn so wird Beschäftigung geschaffen und ein Kollaps verhindert, mit dem niemandem geholfen wäre. Natürlich sollen auch Impfstoffentwickler und -hersteller gut verdienen, sonst würde sie nicht solche Anstrengungen unternehmen. Bei korrupten Politikern geht es um etwas anderes. Das sollte man beim Namen nennen, statt wieder einmal nach Art von Bettelmönchen das Wirtschaften zu verdammen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.03.2021 um 08.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45368

„Nicht Corona hält uns im Lockdown, sondern diese Bundesregierung, weil sie seit Monaten zu unfähig ist, ausreichend Masken, ausreichend Schnelltests und ausreichend Impfstoff zur Verfügung zu stellen“, sagte der FDP-Politiker [Kubicki]. (2.2.21)
Wie steht es um andere Länder?
Kubicki sucht immer wieder den Schulterschluß mit der AfD, wird daher auch gern von „Tichy“ zitiert, wo man ja alle Politiker mit Ausnahme der AfD in Grund und Boden kritisiert. Dazu paßt Kubickis Warnung (oder Drohung), der Frust könne in Gewalt umschlagen. Davon reden sie in rechtsradikalen Kreisen gern (und manchmal erkennbar sehnsüchtig – wie ihr Idol Trump: „They are very angry!“).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.03.2021 um 05.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45354

Im Küchenradio mit halbem Ohr Reden vom Parteitag der Linken gehört. Liebe Genossinnen und Genossen (auch: Genossen und Genossen). Ich habe unauslöschlich im Ohr Genosse Ulbricht usw., man mußte ja seinen Zwingherrn mit Genosse anreden. Unüberwindliche Antipathie. Wie hält es eigentlich die SPD heute? Gilt das Genossen-Du noch?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2021 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45314

Laschet findet die Befürwortung strenger Corona-Schutzmaßnahmen "populistisch".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2021 um 08.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45259

Wolfgang Herles setzt (bei Tichy) seine „Wutrede“ fort. Bei ihm sind alle Sicherungen durchgebrannt, und wieder fehlt der Blick aufs Ausland: Gehören alle Politiker der Welt in „Umerziehungslager“? Man reibt sich die Augen. Der Mann wurde doch mal als Journalist ernst genommen. Aber von Journalisten erwartet man keine Wutreden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.02.2021 um 05.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45248

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schaffte es, sogar die Friseuröffnungen auf eine Metaebene zu ziehen. „Friseure haben auch was mit Würde zu tun.“ Es gehe nicht nur um Hygiene, die Haare in Form zu bringen, sei für manche Menschen auch ein Weg „sich wiederzufinden“, sagte Söder. (FAZ 11.2.21)
Die Leitkultur gewinnt Konturen. (Sollten nicht auch Frisöre ein Kreuz „deutlich sichtbar im Eingangsbereich“ aufhängen?)
Man muß bei Söder immer mit einem bestimmten Humor rechnen, der außerhalb Bayerns nicht leicht zu verstehen ist. So hatte ja auch die höchstpersönliche Anbringung eines Kreuzes etwas Karnevalskes, und auch deshalb ist der Kreuz-Erlaß vielleicht nicht als ernsthafte Bedrohung der Religionsfreiheit wahrgenommen und bekämpft worden. Auch war er ja implizit gegen die Muslime gerichtet und daher vielen Bürgern ganz recht. Solche Faxen muß Söder sich natürlich abschminken, wenn er Kanzler werden will. Man konnte über die Jahre hin beobachten, wie er versuchte, seriöser zu werden. Er ist ja tatsächlich fast am Ziel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.02.2021 um 08.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45245

Im amerikanischen Kongreß sieht und hört man wie auch sonst drüben doch recht oft hervorragende Redner. Bei uns herrscht daran eine seit 200 Jahren beklagte Armut.

Übrigens: Wo steckt eigentlich der (unbegreiflicherweise) als glänzender Redner geltende Friedrich Merz? Er erinnert mich an einen periodischen Kometen: Auftauchen – verschwinden – auftauchen... Sogar der "glänzende Redner" Martin, Martin! Schulz war beständiger.

Mein Verhältnis zur Rhetorik ist ja zwiespältig. Ich sehe aber ein, daß in der Politik der "Wille des Volkes" immer wieder gebündelt und in eine hoffentlich richtige Richtung gelenkt werden muß, und wenn dazu eine Tatsachengrundlage vermittelt werden kann, dann ist das besser als die Philosophenherrschaft ("Mehrheit ist der Unsinn...").
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2021 um 05.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45222

The president uses "we" but he didn’t join them as his supporters took the short walk from the rally to Congress.

Trump scheint das Krankenschwester-wir gebraucht zu haben („Wie haben wir denn geschlafen, Herr Müller?“). Er meinte also eigentlich: "Ihr werdet zum Capitol marschieren, ich habe damit nichts zu tun und werde mir das im Fernsehen ansehen." >

Als er sagte "I´ll be right there with you", meinte er natürlich "Ich werde in Gedanken bei euch sein." Seinen feinen Mantel und die Lederhandschuhe wollte er denn doch nicht schmutzig machen.

Ins Gefängnis gehen die Capitol-Stürmer, nicht er, auch wenn sie geltend machen, sie hätten in dem guten Glauben gehandelt, seiner Aufforderung zu folgen. Selber schuld. Der Führer hat das sehr fein gemacht, auch linguistisch gesehen.

Seine Ankündigung lange vorher, es werde "wild" werden, war so gemeint: "Kommt alle nach Washington und verhindert, daß es wild wird!"
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2021 um 08.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45204

Nach AH gab es nichts Verhängnisvolleres in diesem Amt als AM. (Wolfgang Herles, 6.2.21)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.02.2021 um 04.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45190

Trump streitet nicht um einige Stimmen, die ihm gestohlen worden seien, sondern spricht immer wieder von seinem „Erdrutsch-Sieg“. Das finde ich besonders interessant: eine klare Niederlage in einen noch viel klareren Sieg umzudeuten. Für die Verteidiger wird es damit natürlich schwerer, aber das scheint dazuzugehören: Credo quia absurdum – das ist erst der richtige Test der Glaubensfestigkeit. Es schweißt die Anhänger zusammen. Wer sich in dieses Boot begibt, kann und wird so bald nicht aussteigen. (Handicap-Prinzip: Ich kann es mir leisten, und daran sieht man, wie großartig ich bin.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.02.2021 um 07.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45173

Haben eigentlich „Sanktionen“ schon einmal die Menschenrechtslage in einem anderen Staat verbessert? Und wenn nicht – was folgt daraus? So bedauerlich man es finden mag, es gibt tatsächlich „innere Angelegenheiten“ eines Staates.
(Nordstream 2 soll unter immer neuen Vorwänden verhindert werden, aber das wird die Lage Nawalnys und die Verhältnisse in Rußland nicht verbessern; im Grunde weiß das auch jeder. Es ist alles nur Rhetorik.)

Weil praktisch alle größeren Unternehmen international tätig sind, spürt man in der Unternehmenskommunikation überall den langen Arm der US-Sanktionen (und nur diese werden stets erwähnt), vor allem gegen Kuba, Iran, Nordkorea. Die Handelsbeziehungen der Staaten werden durch zwei Rechtsquellen geregelt: das internationale Wirtschaftsrecht und die US-Sanktionen. Alles andere wie EU-Sanktionen spielt im Vergleich keine Rolle. Entsprechende Hinweise nehmen viel Raum ein. Amerikanische Gesetze und amerikanische Rechtsprechung gelten dank der Wirtschafts- und vor allem Finanzmacht de facto weit über die USA hinaus. Man gewinnt den Eindruck, daß die USA die eigentlichen Herren der Welt sind. Wer selbst Geschäfte machen will, muß sich fügen; und man ist eher übervorsichtig, als etwas zu riskieren. Darum sind unzählige Texte zur Mitarbeiterschulung usw. länger als nötig; wieder und wieder mahnen sie, die US-Sanktionen mit allen ihren Verästelungen zu beachten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.02.2021 um 08.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45160

Bei der anthroposophischen Herstellung von Kiesel- oder Kuhdungpräparaten rührt man ein wenig Gesteinsmehl bzw. Mist in einem Eimer Wasser eine Stunde lang, abwechselnd nach rechts und links, „stets mit größter Sorgfalt und Exaktheit“ (Oswald Hitschmann: Dauerfruchtbarkeit und Gesundheit im Land- und Gartenbau. Büdingen 1960; der Verfasser zieht selbst die Parallele zur Homöopathie).

Das ist sehr komisch. Kuhmist ist immer gut, aber die Sache mit dem Kiesel ist eine Spezialität von Rudolf Steiner:

"Der Kiesel (ebenso wie einige andere, wichtige Spurenelemente) wird, wie Dr. R. Steiner einmal ausführt, unmittelbar aus dem Kosmos in die Erde gestrahlt, von wo ihn die Pflanzen aufnehmen." (ebd.)

Ob das auch in den Waldorfschulen gelehrt wird?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2021 um 07.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45118

Die Therapiefreiheit der Ärzte wird in Deutschland besonders hoch gehalten. Andererseits sind sie verpflichtet, ihre Patienten lege artis zu behandeln, sonst machen sie sich strafbar. Solche Bezugsnormen gibt es, andernfalls hätten die Ärzte Narrenfreiheit, und jeder Quacksalber könnte seine Kur mit der Kasse abrechnen.
Bei vielen Infektionskrankheiten ist die Impfung das Mittel der Wahl. Darf ein Arzt seinem Patienten davon abraten, obwohl keine Kontraindikation vorliegt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2021 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45116

Den weltweit getragenen Mund-Nasen-Schutz zum "Symbol bedingungsloser Unterwerfung" hochzustilisieren ist auch eine Leistung. Die Lächerlichkeit wird in gewissen Kreisen nicht mehr bemerkt.

20.000 Pfund Strafe wegen Schneeballschlacht (Spiegel 29.1.21)
Und ich dachte, nur in Merkel-Deutschland herrsche der Polizeistaat.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.01.2021 um 10.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45096

Johnsons Ausrutscher? Und was ist mit dem Mediziner, der Johnson sogar noch unterstützt, man dürfe den Menschen mit Spekulationen Angst machen, weil die Angst nützt? Beim DLF scheint man dasselbe zu glauben, sonst hätte man diesen Beitrag wohl kaum gesendet. Dazu Söder usw., die Episoden häufen sich. Die Angstmacherei hat wohl Konjunktur.

Heute viele Leserbriefe zu Corona im MM. Zwei Kindergärtnerinnen reiben sich die Augen, wie, 70% bis 90% aller Kinder sind anwesend ("Notbetreuung"), und dann heißt es, Kitas seien geschlossen? Und sie schimpfen, daß sie nicht geimpft werden, obwohl sie über die Kinder täglich Kontakt mit 80 Haushalten haben. Andere sollen Homeoffice machen, sie können nicht.

Sie verstehen halt nicht, daß nicht alle auf einmal geimpft werden können. Wie soll es anders gehen, alte Menschen sowie Krankenhaus- und Pflegepersonal sind eben zuerst an der Reihe. Es läuft also soweit schon alles richtig, außer das man bei 70 bis 90% Belegung auch gleich für alle öffnen könnte. Die meist jungen Erzieherinnen sollten sich nur ihres verschwindend geringen Risikos besser bewußt sein. Aber das hat eben wieder etwas mit der ganzen staatlichen Panikmache zu tun, siehe oben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.01.2021 um 08.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45095

Johnsons Ausrutscher ist ja sogleich flächendeckend zurückgewiesen worden, insofern bleibt das eine Episode am Rande (wie Söders Flugzeugabstürze...).

Die ganze Welt kämpft gegen Corona, oft viel rigoroser als Deutschland. Was ist davon zu halten?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.01.2021 um 14.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45093

DLF, Informationen am Abend, 23.1.21, 18.30 Uhr,
nachzuhören auf www.deutschlandfunk.de, von mir nach Gehör mitgeschrieben, die Übersetzung der wörtlichen Reden zum engl. O-Ton verlas der DLF-Kommentator:

Der britische Premier Boris Johnson überraschte gestern mit der Aussage, die neue britische Variante des Coronavirus sei nun doch tödlicher als die alten, und zwar um 30%.

[...] Yvonne Doyle, Direktorin der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England [...]: „Es ist einfach viel zu früh für solche Aussagen. Wir müssen die Untersuchungen abwarten. Wir wissen aber, daß es in Krankenhäusern keine höhere Sterblichkeit gibt. Es gibt dafür keine Hinweise, keine Belege, und das sind sehr gute Nachrichten.“

Auch Gesundheitsexperte Mike Tildesley [Medizinprofessor an der Universität Warwick] mahnt zur Zurückhaltung. Nur ein Grund, so Tildesley, könne erklären, warum Johnson so früh an die Öffentlichkeit gegangen sei. „Ich mache mir Sorgen, wenn wir solche Dinge vorzeitig melden. Ich verstehe aber, daß es darum geht, diese beängstigenden Aussagen zu nutzen, um den Menschen zu zeigen, daß sie sich an die Regeln halten müssen. Schließlich sind die Krankenhäuser durch die neue Coronavariante sehr unter Druck. Ich kann Johnsons Vorgehen unterstützen, wenn es ihm darum geht, die Zahl der Coronafälle zu reduzieren.

Interessant, um den Menschen Angst zu machen, darf man schon mal unbewiesene Spekulationen raushauen. So versucht also die Regierung eines Nachbarlandes, ihre Bürger zu erreichen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.01.2021 um 09.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45092

Die Schweden selbst sehen es inzwischen anders, und die Vorgänge waren auch nicht so. Der Vergleich mit Norwegen und Finnland liegt näher. Überhaupt ist es nicht schwer, in die Nachbarländer zu schauen. Zum Beispiel die neuesten Nachrichten aus den Niederlanden und viele andere, die sogar in der Tagesschau laufen. Aber lassen wir das.

Die Einzelfälle sind alle schlimm und traurig, keine Frage, aber wenn es um das Schicksal und Wohlergehen eines ganzen Landes geht, dann sind 3,5% einfach zu wenig. (...)

Wenn also Regierung und Medien etwas erklären möchten, dann sollten sie ehrlicherweise von diesen 3,5% sprechen und nicht von täglichen Flugzeugabstürzen (Söder, 2020).


Was Herr Söder mal beiläufig zur Illustration einer Zahl gesagt hat („Flugzeugabstürze“), sollte man nicht so verwenden, als sei es die Argumentation der Gegenseite. Aber zu „Wohlergehen eines ganzen Landes“, einem recht abstrakten Begriff, könnte man einiges sagen. Man sollte nicht nur auf das Sterberisiko starren. Christian Drosten wies kürzlich auf den Krankenstand hin, der sich noch weiter drastisch erhöhen könnte und dann auf die Wirtschaft (und damit das „Schicksal und Wohlergehen“ des ganzen Landes) sehr schädlich auswirken würde. Schon jetzt höre ich von vielen Verwandten und Bekannten, wie die Krankmeldungen einschließlich Quarantäne den Betrieb belasten. Viele wichtige Posten sind nur doppelt oder dreifach besetzt, und wenn zwei ausfallen, ist die Hölle los. In der Pflege ist das schon Alltag.
Haben Sie das bedacht?
Es scheint auch keine genaueren Zahlen zu den „Genesenen“ zu geben, die in Wirklichkeit noch nicht wieder ganz gesund sind, auch noch nicht wieder arbeiten können. Mir sind Fälle bekannt. Überhaupt rückt die Krankheit immer näher heran.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.01.2021 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45089

Wir wundern uns ja gerade, warum die Regierung mit ihren Erklärungen viele Bürger nicht erreicht. Das wird wohl auch damit zu tun haben, daß sie auf solche Zahlen nicht eingeht, daß sie eben, warum auch immer, lieber von Tausenden von Toten als von 3,5% spricht.

Ich weiß zuwenig darüber, welche Maßnahmen in der ganzen Welt ergriffen werden. Prinzipiell würde ich zu deren Beurteilung natürlich überall den gleichen Maßstab anlegen. Sind wirklich auf der ganzen Welt Gaststätten, Hotels, Geschäfte, Kinos geschlossen?

Der schwedische Sonderweg sei gescheitert, war Ende letztes Jahr zu lesen. Aber wieso? Wenn Schweden vergleichbare Infektions- und Todeszahlen hat wie Deutschland (auf gleiche Bevölkerungszahl bezogen) dann sind sie doch mit ihrem lockeren Umgang viel leichter als wir durchgekommen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2021 um 08.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45085

Zu Ihren Rechnungen will ich mich nicht äußern, sondern nur die scheinbar nebensächliche Frage stellen, ob Sie nur die vergleichsweise zahmen Maßnahmen in Deutschland übertrieben finden oder auch die Maßnahmen der ganzen übrigen Welt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.01.2021 um 00.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45084

Erklären wäre schon gut, aber es müßte ehrlich, auf der Grundlage von Fakten erklärt werden, und die Argumente der Gegner von zu restriktiven Maßnahmen müßten gehört und ehrlich widerlegt werden.

Allerdings, wenn das möglich wäre, hätte man es schon einmal getan oder versucht. Es ist also nicht möglich, eine ehrliche Erklärung würde nur beweisen, daß die Maßnahmen tatsächlich überzogen sind.

Natürlich, es wird nicht einfach gelogen. Die Zahlen, die veröffentlicht werden, sind sicher richtig. Sie werden allerdings propagandistisch in Szene gesetzt. Wenn nur oft genug wiederholt wird, sie seien sehr hoch, dann glauben es die meisten Leute.

Vergleiche mit der Grippewelle 2018, die ähnlich viele Todesopfer forderte, werden von Regierung und Hauptmedien zurückgewiesen, stattdessen wird aber durchaus mit Parallelen zu mittelalterlichen Seuchen (Pest, Pocken) oder der Spanischen Grippe von 1918 Angst und Schrecken verbreitet (man braucht nur "Corona" und eine der anderen Krankheiten in eine Suchmaschine einzugeben).

Ein anderes häufig gebrauchtes propagandistisches Mittel ist das Zeigen relativ junger Leute mit einem schweren Krankheitsverlauf. Damit läßt sich auch sehr gut Angst verbreiten. Es wird natürlich nie dazugesagt, wie wahrscheinlich es ist, als junger Mensch so schwer zu erkranken. Sicher, möglich ist es, es gibt auch Kinder, die schon an Krebs sterben.

Die Wahrscheinlichkeit, daß ich mit meinen 66 Jahren innerhalb des nächsten Jahres sterbe, beträgt laut Statistik etwa 1%. Die Wahrscheinlichkeit, daß ich an Corona sterben würde, falls ich mich infiziere, ist ebenfalls altersabhängig, und zwar ebenso hoch bis doppelt so hoch wie die eben genannte Wahrscheinlichkeit, für mich also etwa 2%. Die Wahrscheinlichkeit, daß ich mich überhaupt im Laufe eines Jahres an Corona infiziere, beträgt zur Zeit 2 Mio./83 Mio., also etwa 1/40. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß ich im nächsten Jahr sterbe, von 1% auf 1% + 2%/40 = 1,05%. Ist das jetzt viel? Warum sollte ich mir übertriebene Sorgen machen?

Ich weiß natürlich, daß die Gefahr mit wachsendem Alter (etwa ab 70 und besonders ab 80) und auch sonst in medizinischen und Pflegeberufen stark zunimmt. Deshalb sind für die Betroffenen strenge Sicherheitsmaßnahmen sinnvoll.

2020 sind etwa 4% mehr Menschen gestorben als im Schnitt der 4 Jahre davor. Davon wurden etwa 0,5% durch die Hitzewelle im August verursacht. Man kann also davon ausgehen, daß eine Übersterblichkeit von bis zu 3,5% durch Covid-19 verursacht wurde (Zahlen habe ich selbst errechnet auf Grundlage der Daten von statista.de).

Das ist viel, es zeigt die hohe Gefährlichkeit der Krankheit, jedoch keine Ausnahmesituation. Der Kampf gegen Corona erfordert wirklich sinnvolle Maßnahmen. Was zur Zeit in Deutschland passiert, ist jedoch mit diesen 3,5% m. E. nicht gerechtfertigt. Die Einzelfälle sind alle schlimm und traurig, keine Frage, aber wenn es um das Schicksal und Wohlergehen eines ganzen Landes geht, dann sind 3,5% einfach zu wenig.

Wenn also Regierung und Medien etwas erklären möchten, dann sollten sie ehrlicherweise von diesen 3,5% sprechen und nicht von täglichen Flugzeugabstürzen (Söder, 2020).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2021 um 07.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45081

„Erklären statt anordnen“ solle die Regierung, so hört man es oft. Aber die Regierung könnte jeden Tag einen Kurzvortrag über die Seuche verbreiten und würde trotzdem viele Menschen nicht erreichen, die dafür unempfänglich sind. Sie halten nun einmal nicht die Krankheit, sondern deren Bekämpfung für das eigentliche Übel. Andererseits sind alle, die es wollen, hinreichend aufgeklärt und verhalten sich entsprechend.
Der Riß geht durch Verwandte und Bekannte. Man stellt fest, daß eine Kommunikation mit Menschen, die man zu kennen glaubte, nicht mehr möglich ist. Das sind die traurigen Tatsachen; mit „erklären statt anordnen“ macht man es sich zu leicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.01.2021 um 07.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45076

Bei der Inauguration Bidens war Trump wahrhaftig "conspicuously absent". Das wurde besonders deutlich, wenn die Kamera auf den verloren wirkenden Pence schwenkte, was sie oft und gern tat. Für mein Gefühl war das die gründlichste Verabschiedung Trumps überhaupt, obwohl eigentlich die ganze Feier dieses Thema hatte, ohne daß der vom Hof Gejagte je genannt wurde.
Ich versuchte mir wohl nicht als einziger immer wieder mal vorzustellen, daß Trump unter den Gästen wäre, sogar herausgeboben wie seine jeweiligen Vorgänger,aber es gelang mir einfach nicht. Machtübergabe durch einen stolzen Verlierer – das konnten alle anderen, aber er nicht; er hat es ja selbst eingestanden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2021 um 08.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45058

In seinem Aufruf zur Erstürmung des Kapitols verhöhnte Trump die „Schwachen“. Das erinnert mich an einen anderen Ausspruch: "There is no good and evil, there is only power...and those too weak to seek it". Das könnte von vielen anderen sein...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2021 um 07.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45055

Morgen wird Trump seine vorerst letzte Flegelei liefern, aber gewiß ist nur eins:
Die USA haben nun ihre Dolchstoßlegende, die sich zwar abschwächen kann, aber nie verschwinden wird.
Man könnte wieder mal über Wahrheit nachdenken. Wenn die bestallten Wahlhelfer und alle, zum Teil von Trump selbst ernannten Richter die Korrektheit der Wahl bestätigen und trotzdem fast die Hälfte der Amerikaner an der Betrugsthese festhält – was kann man da noch machen? Trump unterscheidet nicht zwischen Wahrheit und Lüge, er ist reinster Konstruktivist (ohne zu wissen, was das ist). Damit ist er im Sinne der klassischen, erfolgsorientierten Rhetorik einer der Größten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.01.2021 um 05.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#45039

Friedrich Merz (CDU) hat sich bereit erklärt, den Posten des Bundeswirtschaftsministers zu übernehmen. „Dem neuen Parteivorsitzenden habe ich angeboten, in die jetzige Bundesregierung einzutreten und das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen“, sagte er Reuters und twitterte das später auch noch. (welt.de 16.1.21)

Man könnte hier von einem mehrfach mißglückten Sprechakt im Sinne Austins sprechen: unbefugter Sprecher, ungeeigneter Adressat. Nicht nur Laschet, sondern die Bundeskanzlerin, die es angeht und die Merz durch Übergehen brüskieren wollte, hat darauf sofort geantwortet.

Den politischen Kommentar überlasse ich anderen. Merz bleibt sich treu: entweder ganz oben oder gar nicht! Ins Präsidium wollte er nicht, obwohl diese Wahl ihm sicher war (um "Frauen den Vortritt zu lassen" – ausgerechnet Merz!). Das kritisieren sogar seine Fans. Nun ist er wieder draußen. (Während einige auf der äußersten Rechten behaupten, Merkel habe Merz "zur Strecke gebracht", zeigt "Cicero" sehr treffend, daß Merz das schon selbst besorgt hat. Lesenswert.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.01.2021 um 10.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44960

„Wir stehen vor einer Neugründung unseres Landes.“ (Christian Lindner beim virtuellen Dreikönigstreffen 2021)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.01.2021 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44940

In einem verdientermaßen lobenden Beitrag über Christian Drosten wird beiläufig gesagt, sein Podcast sei "mitunter ein wenig unverständlich", aber "beruhigend". Das hat meine Frau und mich ein wenig erstaunt. Wir sind beide keine Naturwissenschaftler, aber unverständlich haben wir ihn an keiner Stelle gefunden. Natürlich wissen wir zu wenig über die Einzelheiten, aber das kann man nicht Unverständlichkeit nennen. Drostens Kunst, sein Fachwissen zurückzunehmen und trotzdem nicht unverantwortlich zu vereinfachen, ist gerade das Bemerkenswerte.
Die große Verbreitung und Beliebtheit dieses NDR-Podcasts zeigt auch, daß es doch noch ziemlich viele Menschen gibt, die anderthalb Stunden zuhören können.
Soweit ich weiß, will Drosten nicht mehr an Talkshows teilnehmen. Das ist sehr vernünftig und beweist, wie bald er erkannt hat, daß solche Veranstaltungen das genaue Gegenteil des Podcast-Formats sind. Hier sind auch die Wissenschaftsjournalistinnen des NDR zu loben, die nicht nur sachlich bestens informiert sind, sondern auch ihre Rolle als Vertreter der Hörerschaft genau erfaßt haben. Sie geben die Stichworte und bringen die Verständnisfragen vor, die der Hörer gern stellen würde.
Drostens Kollegin Ciesek ist auch sehr gut.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2020 um 04.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44797

Ein besonders überzeugendes Beispiel für die Macht der Sprache ist die Erfindung der "Achsenzeit". Als wir jung waren, glaubten wir, Jaspers lesen zu müssen. So hat sich auch in mir die "Achsenzeit" festgesetzt, und ich hatte jahrzehntelang keinen Grund, mir darüber kritische Gedanken zu machen, auch nicht, als ich Platon und die Upanishaden und ein wenig Zarathustra und sogar Konfuzius im Original las.

Natürlich wird heute auch die Kritik (Assmann als Ägyptologe ist natürlich besonders berufen) erwähnt, aber der Gegenstand wird doch stets so abgehandelt, als ob "etwas dran" sei. Man kann sich einfach nicht mehr davon befreien, das erlebe ich an mir selbst. Es ist mir etwas peinlich. Je näher man sich die Sache anschaut, desto ferner rückt sie. Das gilt für viele Bildungssachen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.11.2020 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44760

Die meisten Infektionen finden in den Familien statt. Das gilt aber nicht für Weihnachten, weil Weihnachtsviren (limitierte Edition von Friedrich Merz) nicht ansteckend sind. Da können die Großeltern gern kommen. („Es könnte ihr letztes Weihnachten sein“, wie ein republikanischer Politiker sagte, allerdings mit Bezug auf Thanksgiving.)

„Es geht den Staat auch nichts an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere.“ (Merz laut Tagesspiegel 21.11.20) Natürlich geht es den Staat etwas an, wie Merz feiert; gerade dafür gibt es ja das Seuchenschutzgesetz. Merz weiß das auch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2020 um 10.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44753

Mir scheint, daß fast alle Kommentatoren die Rationalität von Trumps Verhalten verkennen. Natürlich weiß er, daß er die Wahl nicht mehr gewinnen kann. Die aussichtslosen Gerichtsverfahren muß er bis zum letzten Augenblick anstrengen, um seinen Plan zu verwirklichen, die Regierung Biden unter den Dauerverdacht des Betrugs und der Illegitimität zu stellen. Jedes Eingeständnis, daß die Sache für diesmal verloren ist, würde sofort die Luft rauslassen. Aber die Familie Trump denkt schon an 2024.
Diesen Plan könnte nur die Republikanische Partei durchkreuzen, aber warum sollte sie?

Ich würde also nicht von einem "Staatsstreich von oben" sprechen, sondern eher von "Wahlkampf 2024".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.11.2020 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44628

Einen Kanzler "Kanzlerdarsteller" zu nennen war vielleicht mal mäßig witzig, konnte aber eigentlich nicht wiederholt werden. Natürlich wurde es unendlich oft wiederholt. Merkel ist nun gar eine "Kanzlerindarstellerin". Das wirkt ohnmächtig und lächerlich. (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43150) Außerdem prallt es an der Wirklichkeit ab.

Von ähnlicher Ohnmacht zeugt es, einen Politiker "unpolitisch" zu nennen. Trifft immer und daher nie.

"Unpolitisch" ist Trump, das sagt er ja selbst. Das Regieren an den Institutionen vorbei, in vermeintlich direktem Kontakt zwischen Führer und Geführten, ist unpolitisch, jedenfalls im herkömmlichen Sinn.

Aber man könnte ja mal einem Amerikaner (oder einem Chinesen) zu erklären versuchen, daß Merkel eine im Grunde unpolitische Kanzlerdarstellerin ist. Bei den Amerikanern, die wir kennen, würde ich es nicht versuchen, mir liegt zuviel an der Bekanntschaft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.10.2020 um 05.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44608

Am Ende eines Interviews mit der SZ äußert Streeck seinen Herzenswunsch, daß das Thema Corona nicht mehr so im Vordergrund stehen möge. Ruhe soll einkehren. (31.10.20)

Zur Beruhigung trägt seine wiederholte Versicherung bei, das Virus werde nicht verschwinden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.10.2020 um 03.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44600

„Im Straßenverkehr sterben auch Menschen.“ Wenn wieder mal ein Messermann („Allahu akbar!“) jemanden umgebracht hat, hört man das eher selten.

Ich muß jetzt wieder öfter an das Gemetzel im Alten Testament denken. Als Kind fand ich das gottgewollte Tun der Israeliten durchaus berechtigt und war bei der „Landnahme“ ganz auf ihrer Seite; das muß ich leider gestehen. Die Fremdvölker waren so wenig Mitmenschen wie die Indianer in der Fantasie vom Wilden Westen. „Annexion“ war mir natürlich unbekannt, wurde aber auch später vom Religionslehrer nicht gebraucht.
Andererseits hat die Lektüre mich nicht für immer verdorben, wie man sieht. Ich habe mich sogar recht bald zu einem selbständigen Urteil bekehrt, ohne Fremdeinfluß, soviel ich weiß.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.10.2020 um 03.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44598

Auch bei der Rechtschreibreform haben Verbandsfunktionäre behauptet, die (zustimmende) Meinung von Millionen Mitgliedern zu vertreten, obwohl die gar nicht befragt worden waren: Lehrer, Eltern, Schüler... Die Reformer haben sich darum von vornherein an diese Funktionäre gehalten. Zum Teil waren sie bereits als "Verbändeallianz" der Schulbuchverlage organisiert. Das lief wie geschmiert.

Jetzt wehren sich Ärzte gegen die Vereinnahmung durch ein Grüppchen Außenseiter um den Virologen Streeck, die ihr Positionspapier "Gemeinsame Position von Ärzteschaft und Wissenschaft" betitelt haben – ein starkes Stück, das an einen alten Trick erinnert: Die Minderheit nennt sich Mehrheit und hat die Revolution in der Tasche.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.10.2020 um 13.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44548

Von Tellkamp bis Kaube stellen sich die Intellektuellen schützend vor Monika Maron, sehen die Meinungsfreiheit usw. in Gefahr – nur weil Maron ihr 20. Buch nicht auch noch bei Fischer herausbringen kann.

Auf andere Weise lächerlich ist ein Skandälchen, von dem die Süddeutsche Zeitung zur Zeit zehrt, nachdem sie es selbst erzeugt hat. Sie ließ ihren Musikkritiker den Pianisten Igor Levit schmähen, weil der zwar nicht besonders gut Beethoven spiele, dafür aber politische Statements formuliere oder so. Erst kamen Leserbriefe zuhauf, dann ein Artikel von Carolin Emcke, und ein Ende ist nicht abzusehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.10.2020 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44540

Dushan Wegner twittert:

Dass so ein moralischer Abgrund wie die Clintons oder Bidens auch nur in die Nähe der Macht gelangen kann, spricht nicht für die USA. Wenn sie hochgenommen würden, wäre es eine Chance, rechtsstaatliche Stärke zu zeigen. Die Hoffnung fällt etwas schwer, dieser Morast ist tief.

Das gaunersprachliche hochnehmen kontrastiert mit dem staatstragenden Ton. Meiner Erinnerung nach war es auch bei den Nazis beliebt und bezeichnete das halblegale Festnehmenlassen von Oppositionellen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2020 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44531

Auch Medien, die zugeben, daß Monika Maron "pegidafiziert" (Hilmar Klute) ist, machen dem Verlag S. Fischer Vorwürfe, weil er keinen neuen Vertrag mit ihr schließen will. Das soll "tragisch" sein (SZ ebenfalls heute)? Maron, die inzwischen ja auch anderswo veröffentlicht, wird schon auf die Füße fallen. Es fällt auf, wie stereotyp das sonst so sensible Feuilleton reagiert. Die schreibende Zunft hält zusammen, man hätschelt einander und leckt auch eingebildete Wunden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2020 um 05.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44530

Trevor Noah hat Trumps eigentümlichen Singsang recht lustig erfaßt:
https://www.youtube.com/watch?v=w4U3jw0jx88 (ab 15. Minute)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.10.2020 um 11.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44495

„Mercieca hat Trumps Rhetorik und Sprachgebrauch seit dem Tag untersucht, an dem er 2015 seine Kandidatur erklärte. Sie weiß, dass der Präsident gezielt sprachliche Muster einsetzt, die schon die griechischen und römischen Redner beschrieben und genutzt haben.“

Ob gezielt oder nicht – Rhetorikprofessoren freuen sich immer, wenn sie in Reden die Figuren wiederfinden, die sie gelernt haben und (in Deutschland mit Lausbergs Handbuch der Rhetorik) benennen können. Sie neigen dann dazu, solche Reden gut zu finden. Ganz Schlaue haben herausgefunden, daß niemand den Mund aufmachen kann, ohne daß gleich einige rhetorische Figuren herauspurzeln, notfalls ein Asyndeton. Das nennt man dann die „Ubiquität der Rhetorik“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2020 um 05.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44420

Das Sprechregister, die Gebrauchsprosa unter Gesprächspartnern mit gleichem Rederecht scheint uns der Nullpunkt der Sprache zu sein, die Poesie ein luxurierender Überbau. Ich habe schon mehrmals meine Sympathie für Theorien geäußert, die es gerade anders herum sehen, gestützt auf ethnologische Evidenz.

Meiner Ansicht nach ist die Prosa erst spät entstanden, und zwar im argumentierenden Dialog, dessen Gesetz die Logik ist. Logische Deduktionen können nicht "gesungen" werden (womit ich jede Form gebundener Rede meine). Diese Art von Dialog findet man in der Beratungs- und Gerichtsrede. Dazu muß es gesellschaftlich erst einmal kommen.
Man hat Parallelen zur griechischen Gerichtsrede in den Dialogen der Tragödie gesehen, was ja im Ödipus und der Antigone naheliegt. Freilich sind die Dialoge wie der Rest in gebundener Rede, nicht in Prosa. Aber das ist kein Widerspruch. Der Stoff war ja den Zuschauern bekannt, es fehlt die Offenheit des echten Dialogs. Die Dichtung simuliert in kunstvoller Form, was "in Wirklichkeit" formlos ablaufen würde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2020 um 04.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44417

Zum Atomknopf (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37435)

Beruhigend zu lesen, daß sich neben dem hospitalisierten Trump stets ein Soldat mit dem "Atomkoffer" befindet. So berichten es die Medien.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.10.2020 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44409

Zu der Spekulation http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36879

Zur Ritualisierung in der Biologie hat Zahavi seine eigene Auffassung: Das Verhalten wird standardisiert, damit kleinste Abweichungen leichter erkennbar werden. Ob das zutrifft, sei dahingestellt; die Standardisierung könnte auch die technisch einfachste Lösung sein und die bessere Erkennbarkeit kleiner Abweichungen nur ein Nebeneffekt.

Das erinnert an eine wohlbekannte Erfahrung aus der alltäglichen Kommunikation: Man unterscheidet Hunderte oder Tausende von Personen an der Stimme, aber fast nur, wenn sie im normalen Sprechregister Wörter der Standardsprache artikulieren. Unter erschwerten Bedingungen wie am Telefon wird das noch deutlicher. Wer sich mit "Ja?" meldet, will, daß der Anrufende sich zuerst vorstellt. Auch hier ein nützlicher Nebeneffekt, den wir geschickt ausbeuten.
Singstimmen bestimmten Personen zuzuordnen ist schwierig und gelingt nur musikalisch Geübten, mit großer Unsicherheit. Die "Signatur" einer Stimme ist im Sonagramm erkennbar, aber nicht beim Hören eines beliebigen Tons.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2020 um 05.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44395

Den anderen ausreden zu lassen ist so elementar wie Töpfchenerziehung. Insofern war das "Duell" Trump gegen Biden nicht jugendfrei.

Ich kann so etwas körperlich nicht ertragen und habe nach der Hälfte abgeschaltet.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 28.09.2020 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44385

Der Spiegel berichtet gerade: "Donald Trump, der sich den Wählern als … selbst gemachter Milliardär verkauft …“.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 28.09.2020 um 09.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44384

Donald Trump ist gewiß kein besonnener Politiker nach deutschem Geschmack. Sowohl seine Politik als auch sein Stil und seine Sprache bieten viele Angriffsflächen. Wahr ist aber auch, daß die Art und Weise, wie deutsche Medien über seine Äußerungen berichten, journalistischen Standards oft nicht genügen. Damit meine ich nicht nur reißerische Überschriften, die einen anderen Eindruck vermitteln als dann die eigentliche Meldung, sondern vor allem auch grottenschlechte Übersetzungen seiner Äußerungen. Tagtäglich liest man Sätze wie diese: »Leute sagen, er sei auf leistungssteigernden Medikamenten gewesen. Eine Menge Leute sagten das.« Irgendein Volontär bei dpa schreibt so was auf, und dann steht es in allen Zeitungen. »People say he was on performance-enhancing drugs. A lot of people have said that« klingt vielleicht nicht besonders vornehm, ist aber im Englischen zunächst unauffällig. Dagegen läßt die stümperhafte deutsche Übersetzung den Sprecher dümmlich erscheinen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Effekt gewollt ist, zumindest aber gern in Kauf genommen wird. Jedenfalls macht sich niemand die Mühe, die Texte zu redigieren, bevor sie auf die Öffentlichkeit losgelassen werden.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.09.2020 um 09.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44368

Es paßt perfekt auf die verzückte Gläubigkeit – in säkularisierter Form natürlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2020 um 09.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44366

Weder noch. Wer würde denn so etwas sagen? Das paßt ja nun gar nicht zu den lobenswerten Eigenschaften.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.09.2020 um 09.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44365

Eine charismatische Heilsgestalt also.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2020 um 13.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44362

Christian Drosten bekommt den Bundesverdienstorden. Da wird eine gewisse Meute aber toben.

Drosten ist ein Glücksfall. Wir haben im Familienkreis oft darüber gesprochen, wieviel davon abhängt, daß ein einzelner Mensch plötzlich von so vielen gehört wird und eine entsprechend große Verantwortung hat (Anthony Fauci ist ein anderer, sogar weltweit bekannter Fall.). Drosten ist dieser Aufgabe vollkommen gewachsen. Viele Menschen können sich nicht vorstellen, wie schwer es ist, wissenschaftliche Dinge in spontaner Rede allgemeinverständlich darzustellen. Zugleich wirkt er stets bescheiden und menschlich. Wir haben sämtliche Podcasts gehört. (Ich habe mich danach immer eine Weile darüber amüsiert, daß meine Frau unbewußt gewisse Lieblingswendungen in ihre eigene Redeweise übernommen hat, z. B. den Hauptinhalt in einen daß-Satz zu packen, dem ein "es ist ja so" vorangestellt ist. Bitte verraten Sie ihr nichts, sonst verliert sie ihre Unbefangenheit.)

Rem tene, verba sequentur. Wenn es nur so einfach wäre! Obwohl Drosten nie sein Ziel aus den Augen verliert, trifft er mit größter Geistesgegenwart alle Vorkehrungen, um das Verständnis zu sichern. Die Journalistinnen, die das Gespräch führen, muß man auch loben, obwohl sie – wie ihre Anstalt – gendern...
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 14.09.2020 um 20.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44338

Langweiligkeit ist eben ansteckend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2020 um 18.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44337

Wie es der Zufall will, gilt der Leitartikel der heutigen SZ dem "Typus Merkel" – in Weberschen Begriffen ("Politik als Beruf"). Man glaubt es schon hundertmal gelesen zu haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2020 um 05.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44333

Sie haben recht, um Herrschaft ging es mir eigentlich nicht, die kann sich bloß anschließen. Das geschieht, wenn ein Star aus dem Unterhaltungsgeschäft "in die Politik geht".
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.09.2020 um 19.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44332

Es war von charismatischer Herrschaft die Rede, nicht bloß von Charisma.

Natürlich ist die Langweilerin Angela Merkel, mit der wohl niemand ein politisches Programm oder nennenswerte Errungenschaften zu verbinden weiß, so wenig charismatisch wie rhetorisch brillant. Das heißt aber nicht im Umkehrschluß, daß jeder Politiker, der noch so etwas wie eine Anhängerschaft hat, deshalb gleich ein charismatischer Herrscher ist.

Da Hitler hingegen offenkundig einer war, ist es schwer geworden, den Begriff heute noch in nicht denunziatorischer Weise zu verwenden, aber das war hier ja auch, wie so oft, nicht die Absicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2020 um 13.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44330

Ich hätte auch Psychologie oder Gruppendynamik oder "Persönlichkeit" sagen können. Entscheidend ist die selbstverstärkende Konzentration der gesamten Politik auf die Person des starken Mannes, der nichts weiter zu tun braucht, als sich täglich in den Medien als den Größten zu präsentieren. Damit übt er einen Zauber aus, verhext seine Anhänger.
John Kampfner stellt übrigens Charismatiker wie Boris Johnson der anti-charismatischen Kanzlerin Merkel gegenüber (ich beziehe mich auf sekundäre Quellen, habe das neue Buch über die Deutschen noch nicht zur Hand).

Ich habe übrigens, wie angedeutet (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1510#20542), von einer ganz anderen Ecke her angefangen, mich mit Charisma zu beschäftigen. Mir ist durchaus bekannt, daß der Begriff hierzulande vor allem in den letzten Jahren hauptsächlich im Zusammenhang mit Weber behandelt worden ist, aber ganz so durchschlagend ist diese Monopolisierung denn doch nicht. Gerade in den vielen (amerikanischen) Äußerungen zum Forschungsgegenstand meiner Frau, also Elvis Presley, kommt der Begriff immer wieder vor (mit Betonung auf der zweiten Silbe), gewiß ohne jede Kenntnis Webers. Ich bin so frei, ihn mit Rhetorik zusammenzubringen und mal nicht mit Weber.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.09.2020 um 09.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44329

Die Definition steht bei Weber und hat sich seitdem nicht gewandelt. Kaum ein Begriff ist so sehr mit seinem Urheber verbunden wie der der charismatischen Herrschaft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2020 um 05.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44328

Definitionsfragen ("Rhetorik", "Erfolg")...

Mir geht es nicht um Weber-Exegese, sondern um die Gründe der Zustimmung.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.09.2020 um 18.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44327

Charismatische Herrschaft beruht gerade nicht auf Rhetorik – schon der junge Max Weber machte sich nichts aus Cicero. Sie ist im übrigen auch nicht als erfolglos zu denken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.09.2020 um 14.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44325

Trump überzeugt nicht durch Erfolge seiner Regierungsarbeit. Was die Anhänger bei der Stange hält, ist ein rhetorischer Faktor. Man kann ihn als charismatischen Herrscher einordnen. Seine Fehler werden zu Stärken, nach dem Handicap-Prinzip: Wer sich alles erlauben kann, muß stark sein. Er hat das selbst gesagt: Er könnte sich auf die Fifth Avenue stellen und Menschen erschießen – es würde ihn keine Stimmen kosten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.09.2020 um 07.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44279

"Merkels Pipeline" ist ein Kommentar der SZ überschrieben, nicht "Schröders Pipeline", obwohl die feierliche Unterzeichnung durch die beiden Kumpel noch nicht vergessen ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.09.2020 um 04.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44265

WELT-Forum (hundertfach): Nawalny hat Rußland kerngesund, wenn auch im Koma, verlassen. In der Charité wurde dann Gift in seinem Körper festgestellt, also wohl erst dort appliziert. Und wer könnte ein Interesse daran haben, die guten Beziehungen zu Rußand (Nordstream) zu stören? Eben! Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2020 um 12.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44254

Spahn verwaltet im Namen und Auftrag des Merkel-Systems die Corona-Krise. (Dushan Wegner)

= Spahn ist Gesundheitsminister.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.08.2020 um 04.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44193

Noch einmal zum Wahlrecht (mehrere Einträge), das mich lange Zeit beschäftigt hat, als Wahlhelfer, Kandidaten und auch sonst:

Man spottet jetzt über das zaghafte Reförmchen, zu dem sich die Koalitionspartner in Berlin durchgerungen haben, aber das finde ich ungerecht. Das deutsche Wahlrecht ist allerdings sehr kompliziert, so daß kaum jemand die Rechnerei mit den Überhangs- und Ausgleichsmandaten versteht und jeder nur auf die gigantische Zahl der Sitze starrt. Man sollte aber anerkennen, daß das Wahlrecht einem geradezu schrankenlosen Willen zur Gerechtigkeit entstammt. Bei den Landtagswahlen in Bayern kommt noch das Panaschieren und Häufeln hinzu, was bettlakengroße Wahlzettel mit sich bringt.

Wer sich an diesen Angelegenheiten beteiligt, wird mit einem gewissen Respekt beobachten, welchen Aufwand der Staat treibt, um den Wählerwillen feststellen zu lassen. Daran muß ich jetzt oft denken, wenn ich die Diskussion in den USA vergleiche, wo die Regierung zwar die angeblichen Mängel des Wahlverfahrens beklagt, aber nichts tut, um sie abzustellen, sondern im Gegenteil der Post die Ressourcen streicht. Uns Wahlhelfern dagegen werden zur Halbzeit des Auszählens noch schmackhafte Häppchen gereicht, damit wir bei Kräften bleiben... Das ist Demokratie. Und deshalb fühle ich mich auf der Bank der Spötter nicht wohl.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.08.2020 um 08.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44188

Wahlparteitag der Republikaner:

Den Amerikanern geht es von Tag zu Tag besser und besser.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.08.2020 um 04.02 Uhr  
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Trump befreit die Amerikaner von ökologischen Bedenken und Einschränkungen. Dieses Verdienst ist, obwohl wahlrelevant, bei uns weniger bekannt, deshalb hier ein neuerer Text:

While speaking at a Whirlpool factory in Clyde, Ohio, President Trump said he favors incandescent bulbs over newer, energy-efficient light bulbs because “I don’t look so orange.”
Video Transcript
DONALD TRUMP: And one other thing I did– remember the old light bulb? The old light bulb was so great, and they put it out of business. It was much cheaper, and it had much better light. And you’re all good looking people, but you look better under the old light bulb than that horrible new light bulb, right?
Cost you a fraction of the cost. Didn’t last as long, but that’s OK. But it cost you a fraction.
I reinstituted and opened it up so they can sell both. They can sell the new one if you want it. And they can sell the old one. The old one’s doing unb– amazing business, amazing business.
And you know, the new one is considered hazardous waste. When you lose it, you’re supposed to take it down to a dump, a specified dump. How many people are gonna do that with a light bulb?
Hey, you know, we lost this light bulb. Let’s travel 28 miles outside of the city to get rid of it. It’s hazardous waste.
So I put the old bulb back in. And you can use the new one. You can use anything. I guess it’s competition.
But I particularly like it because I don’t look so orange. So it’s very nice.
[APPLAUSE]
Very nice. I don’t want to look– I don’t like that look. Never liked it.

(yahoo 6.8.20)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2020 um 05.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44055

Nachdem der Hofstaat sich einen ganzen Tag lang bemüht hat, die Bombenthese des Präsidenten zu entschärfen, ohne ihm direkt zu widersprechen, hat der große Mann selbst einen Rückzieher gemacht: es könne auch ein Unfall gewesen sein. Damit ist auch dieser Fall erledigt. Auf zum nächsten Gefecht!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2020 um 07.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44044

Zur Explosion im Libanon (4.8.20):

President Donald Trump said Tuesday that US generals had told him that the powerful explosions which rocked Beirut appeared to have been caused by a "bomb of some kind."
"It looks like a terrible attack," Trump told reporters at the White House.
"It would seem like it, based on the explosion. I met with some of our great generals and they just seemed to feel that it was," he said.
"This was not some kind of a manufacturing explosion type of event. It seems to be, according to them – they would know better than I would – but they seem to think it was an attack.
"It was a bomb of some kind, yes."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2020 um 11.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44040

Noch einmal zu Trumps Gestikulieren (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43417)

Im neuesten Interview (https://www.youtube.com/watch?v=zaaTZkqsaxY) behält er über eine halbe Stunde fast ausschließlich diese eigentümlichen symmetrischen Bewegungen beider Hände bei, als ob ein Gummiband zwischen seinen Unterarmen gespannt wäre, das er abwechselnd anzieht und nachläßt. Ich habe noch nicht herausgefunden, ob und wie es zu seiner Rede paßt.

Hier kommt noch hinzu, daß er einem einzelnen Interviewer gegenübersitzt. Es ist schon sonderbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2020 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44020

“I never even thought of changing the date of the election, why would I do that? November 3rd. It’s a good number,” Trump said on April 27 at the White House. “I look forward to that election.”

Wieso ist es eine „gute Zahl“? Dieser Satz ist ein Beispiel für den Leerlauf in seinen gedankenflüchtigen Auftritten. Sobald er sein Skript verläßt, kommt es zu assoziativen Ketten dieser Art, das ist sehr eigenartig. Ich halte es für möglich, daß er ehrlich ist, daß er also in einem bestimmten Augenblick nicht weiß, warum er eine Verschiebung der Wahl ins Auge fassen sollte, und im nächsten Augenblick genau dies tut.

Jetzt will er die Plattform TikTok verbieten, die ihm den Auftritt in Tulsa vermasselt haben könnte. Natürlich dient wieder die nationale Sicherheit als Vorwand, genau wie bei den Strafzöllen gegen Europa, den Pressionen wg. Nordstream usw. Mal sehen, wie lange die Entourage die Sprachregelungen noch mitmacht, es scheint ja schon zu bröckeln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.07.2020 um 07.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44010

Must know Election results on the night of the Election, not days, months, or even years later!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) July 30, 2020

Wie gesagt, auch das Ergebnis der Briefwahl kann in der Wahlnacht ermittelt werden, das ist nur eine Frage der Logistik. Als Wahlhelfer bei der Auszählung von Briefwählern ist man sogar geschützter als die Leute an den Urnen usw., so daß auch die besonders in den USA gewohnten Senioren unbesorgt ihres Amtes walten können.

Trump weiß schon im voraus, daß die USA, die zu Mond und Mars fliegen und die ganze Welt mit dem Internet versorgen, nicht imstande sind, eine Präsidentenwahl zu organisieren. Das wäre doch mal eine Gelegenheit, Amerika wieder groß zu machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.07.2020 um 06.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44009

Auch die Süddeutsche Zeitung stimmt naturgemäß der Herabsetzung des Wahlalters zu, damit die Jugend ihrer „Wut“ eine Stimme geben kann. So reden sie daher.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.07.2020 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#44007

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41212

Pünktlich im Sommerloch fordern SPD und Grüne wieder die Herabsetzung des Wahlalters. Ein Professor vom Otto-Suhr-Institut sekundiert im Auftrag der Brenner-Stiftung. (Im Tagesspiegel; der Beitrag ist brav mit Sternchen gegendert, wenn auch fehlerhaft.) Die Motive sind so durchsichtig wie je. Der Widerspruch bleibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.07.2020 um 08.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43977

Trumps "Reue" wegen einiger vorschneller Tweets könnte sich als der geschickteste Schachzug seiner Karriere erweisen. Man merkt schon den neuen Wahlkampfberater.

Der Politikwissenschaftler Norpoth sagt Trump eine gute Chance voraus, die Wahl zu gewinnen. Im Interview äußert er abschließend, was wir uns auch immer schon gedacht haben:

Für mich wurzelt Trumps Erfolg hauptsächlich in seiner Rolle als Gastgeber der Reality-TV-Show "The Apprentice". Das hat ihn ins Amt gebracht, nicht der Immobilienunternehmer oder der Geschäftsmann Trump. Er ist ein Unterhalter. Entertainer werden nicht danach bewertet, ob sie ehrlich sind. Sie müssen unterhalten. Das ist ein wesentlicher Grund, warum Trump bei vielen Leuten hier gut ankommt. Er liefert eine gute Show, ist ein Bauernfänger.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.07.2020 um 16.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43949

Heribert Prantl (SZ) spricht sich wieder einmal für eine allgemeine Dienstpflicht aus. Der erzieherische Nutzen sei mehr wert als die 20 Mrd. Euro, die er kosten würde usw.

Schon vor zwei Jahren hatte er das Sommerloch um folgendes Glanzstück bereichert:

Es sei "menschenrechtswidrig", so kann man bei den Kritikern eines sozialen Pflichtjahres lesen, junge Menschen zwischen Schul- und Berufsausbildung zu einem sozialen Dienst zu verpflichten. Das ist grotesk: Es soll menschenrechtswidrig sein, sich fürsorglich um Menschen zu kümmern?

Die logischen Bocksprünge sollte man bei einem juristisch geschulten Mann nicht erwarten, aber so ist er eben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.06.2020 um 12.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43794

Zur Körpersprache noch dies: Trump verschränkt oft die Arme vor der Brust. Während unserer Lehrerausbildung wurde uns eingeschärft, das niemals zu tun, wenn wir vor der Klasse stehen. Die Deutung als "Barriere" war zwar etwas naiv, aber ich muß sagen, daß es wirklich nicht gut aussieht, wie ein fest verschnürtes Paket.

Rhetorikforscher beschäftigen sich bestimmt schon mit Trump, von dem es ja keinen Auftritt gibt, der nicht gefilmt wäre. Sie werden auch herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen Verschnürung und Mitteilung gibt.

Übrigens gestikuliert Bernie Sanders auch sehr stark, aber es paßt meiner Ansicht nach zum Rhythmus seiner Rede, die ja im Vergleich auch immer sehr "präsent" wirkt. Ich habe ihn noch nie unkonzentriert erlebt. Er kann auch Menschen interviewen und läßt sie ausreden, beides bei Trump schwer vorstellbar.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.05.2020 um 18.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43608

Englisch sprechen schadet der Gesundheit – wegen des th.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2020 um 04.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43600

So what exact crime is Trump accusing Obama of committing?
The president himself does not seem to know. “‘Obamagate’,” he ruminated in the White House rose garden on Monday. “It’s been going on for a long time. It’s been going on from before I even got elected. And it’s a disgrace that it happened.”
Asked by a Washington Post reporter for the second time to name Obama’s exact offence, Trump replied cryptically: “You know what the crime is. The crime is very obvious to everybody. All you have to do is read the newspapers, except yours.”
(The Guardian 12.5.20)

“Look, he wants to play all sides of the equation,” Trump said (über Fauci, der vor einer übereilten Öffnung warnt)

Seither rätselt die Öffentlichkeit, was er damit gemeint haben könnte. Vielleicht daß Fauci eigentlich hinwerfen müßte und mit seinen öffentlichen Stellungnahmen auf einem schmalen Grat wandert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2020 um 05.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43591

Trumps Abfertigung einer chinesischstämmigen amerikanischen Journalistin ist gestern im US-Fernsehen oft abgespielt und kommentiert worden. Sehenswert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2020 um 12.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43586

Trump verordnet dem Weißen Haus Masken, trägt aber selbst keine. Das zeigt, wie gut er sein Fach versteht.

Wie schon zu seinen Lügen bemerkt, beweist es Stärke, wenn man sich alles erlauben kann. (Zahavis Handicap-Prinzip auch hier)

Über die Ilias hatte ich schon die Erkenntnis zitiert, daß die "Könige" nicht an der Seuche starben wie ihre einfachen Soldaten. Das verstand sich für den Dichter von selbst. Der allmächtige Präsident wird nicht krank.

Trumps Gesicht mag auf viele ungünstig wirken, aber es wirkt. Es ist sein Markenzeichen. Mit Maske fiele der Wiederkennungsfaktor, den er schon als TV-Prominenter erworben hat, weg und würde nur seine Wortbotschaften übrig lassen – unvorstellbar!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.04.2020 um 04.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43527

Augenzeugen berichten, daß Trump unter vier Augen oder im kleinen Kreis recht vernünftig wirke, können sich aber nicht erklären, welcher Teufel ihn reite, sobald er vor Kamera und Mikrofon stehe. Viel haben schon gesagt, daß die Zuhörer ihn "inspirieren".

Man denkt an die "allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" (Kleist). Ich bin alles andere als ein großer Redner, aber ich kenne den Kitzel auch.

Noch zum Gestikulieren: Vor ein paar Tagen habe ich mir Bill Gates angesehen, der zu Hause saß und sich aus der Ferne interviewen ließ. Er gestikuliert sehr stark mit beiden Händen, aber es paßt so gut zu den Worten, daß es kaum auffällt (außer wenn man aus einem Kulturkreis kommt, der das Gestikulieren verpönt – oder wenn man den Ton abschaltet). Fast braucht man keinen Gebärdendolmetscher...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.04.2020 um 08.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43458

Die Befürworter der Schutzmaßnahmen gegen Corona sind in einer mißlichen Lage: Wenn die Maßnahmen nicht wirken, waren sie überflüssig. Wenn sie wirken, waren sie auch überflüssig, weil "alles nicht so schlimm" gekommen ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.04.2020 um 04.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43455

Die Auftritte mancher Politiker lassen sich mit Zahavis Handicap-Theorie erklären:

Zahavi suggests that peacocks, for instance, evolve their absurdly burdensome fans with their ridiculously conspicuous (to predators) colours, precisely because they are burdensome and dangerous, and therefore impressive to females. The peacock is, in effect, saying: ‘Look how fit and strong I must be, since I can afford to carry around this preposterous tail.’

Sehr her, was ich mir erlauben und euch zumuten kann und wie stark ich folglich sein muß!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2020 um 16.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43441

Zu Trumps Gestikulieren auch sein neuester Auftritt:
https://www.youtube.com/watch?v=UxvBa2lUtMM

Über Twitter sagt er:

LIBERATE VIRGINIA, and save your great 2nd Amendment. It is under siege!
Donald J. Trump (@realDonaldTrump) April 17, 2020


Der Zusammenhang steckt im "and", nicht gesagt, wohl aber unterstellt, und darüber kann man denn doch ein bißchen erschrocken sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2020 um 07.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43417

Über Trumps Gestikulieren ist schon viel gesagt worden. Vgl.
https://www.bbc.com/news/av/election-us-2016-37088990/what-trump-s-hand-gestures-say-about-him
https://www.gq-magazine.co.uk/article/donald-trump-hand-gestures-politics

Besonders auffällig scheint mir zu sein, daß er die meiste Zeit mit symmetrischen Bewegungen beider Hände arbeitet. Einzelbewegungen sind meistens Zeigen (mit nacktem Finger auf angezogene Leute, wie wir als Kinder sagten).
Das symmetrische Zusammenführen beider Hände ist eigentlich frühkindlich. Aber bei Trump ist die Deutung schwierig, außer wenn er dem Publikum beide Handflächen entgegenstreckt; da sieht man noch, wovon die Stilisierung ausgeht. Aber sonst ist dieses Zusammenführen und Auseinanderbewegen, wie bei einer Ziehharmonika, ziemlich eigenartig. Die Beziehung zu den Worten ist oft nicht erkennbar.

Jedenfalls braucht man nur drei Sekunden lang die Hände zu sehen, um zu wissen, daß es Trump ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2020 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43358

Das Gelbwesten-Dilemma:

Wenn ihr uns kein Geld gebt, werden bei uns die Rechten stärker.
Wenn wir euch Geld geben, werden bei uns die Rechten stärker.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.04.2020 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43349

Verfassungsrichter a. D. Papier, dem wir auch das Rechtschreiburteil verdanken, sieht die Grundrechte bedroht, wenn die Corona-Einschränkungen länger dauern. Auch sonst melden sich Juristen und tragen Bedenken vor. Sie werden naturgemäß eher gehört als die anderen. Juristen können alles und das Gegenteil begründen, das sieht man nun wieder. Noch öder sind nur die Ethikräte.

Besonders originell wieder Christian Lindner:

„Wir wollen keine 100 Tage Kontaktsperre erleben.“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.03.2020 um 04.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43306

Zum vorigen: Ein anderer Leser rückt den Unsinn zurecht, immerhin.

Ebenfalls zum Thema:

Ich bin stinksauer, das muss man auch mal sagen! Für die ist das Gesetz nicht gemacht!“, erklärte Heil mit Blick auf Adidas. „Ich bin kein Jurist, aber das wird im Zweifelsfall die Gerichte auch beschäftigen“, mutmaßte der Minister.

Nein, das muß man nicht sagen, und als Minister sollte man es auch nicht sagen. Und wozu die "Wutrede" (ebd.), wenn man zugleich die Gerichte damit beschäftigen will? Sollen die etwa auch Wut vorspielen?
In Talkshows können Politiker nur verlieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2020 um 04.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43260

Bei der "Achse des Guten" springt ein Michael W. Albers (Pseudonym?) dem Opfer des Trump-Bashings bei, und die Leser danken es ihm.

Auch anderswo wird der tatkräftige Patriot Trump den untätigen, gleichwohl gefährlichen Landesverrätern, die uns regieren, gegenübergestellt.

Immerhin: Sollte Trump scheitern, wäre Corona schuld, und an Corona sind die Chinesen schuld. (Wie Trump China ausspricht, ist sehens- und hörenswert.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.03.2020 um 04.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43228

Soweit ich es erkennen kann, schreibt die AfD auf ihrer Website reformiert, während der "Flügel" bei der klassischen Rechtschreibung bleibt. Das ist für uns natürlich nicht so angenehm.

Kann der "Flügel" sich eigentlich "auflösen"? Es scheint sich nicht um einen Verein oder so etwas zu handeln, es gibt keine Satzung und keine Beitrittsformalitäten. Die Umbenennung des "Flügels" in "AfD" ändert nichts.

Meine Vermutung, daß Corona für die AfD ungünstig ist, könnte durch die neuesten Umfragewerte bestätigt werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.03.2020 um 03.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43221

Das Verb ausschwitzen ist nicht sehr häufig, und die Mahnung, politische Gegner auszuschwitzen, klingt ungewöhnlich. Wie wahrscheinlich ist es, daß damit kein Wortspiel beabsichtigt war? Oder könnte es ohne Absicht geschehen sein, weil der Sprecher sich innerlich ständig mit Hitler beschäftigt, an dem bekanntlich "nicht alles schlecht" war (zum Beispiel nicht der Rechtsscheitel)?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.03.2020 um 05.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43150

Diese Coronakrise, Frau Merkel, können Sie nicht einfach aussitzen! (Jörg Meuthen)

In Deutschland wird bekanntlich nichts gegen Corona unternommen – dank Merkel, die ihre ebenso untätigen wie zerstörerischen Hände "zur Raute faltet". Dagegen Trump, der tut was für sein Volk! (So im Leserforum der WELT über die "Kanzlerdarstellerin".)

Prof. Dr. Jörg Meuthen
@Joerg_Meuthen
Guten Morgen! Jetzt kommt #Merkels Wirtschaftskrise, und sie wird brutal. Alle ihre Fehler der letzten Jahre rächen sich jetzt: Zerstörung der Autoindustrie, idiotische #Energiewende, #Digitalisierungs-Desaster etc. - und jetzt kommt #Corona.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.03.2020 um 04.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43108

Dietmar Dath hat in der FAZ das Sterbehilfe-Urteil als schändlichen Fall von Richterrecht angeprangert, das sich über die Legislative hinwegsetze usw.
Einige Leserbriefschreiber waschen ihm den Kopf. Das Bundesverfassungsgericht hat ja gerade die Aufgabe, die Verfassungsgemäßheit der Gesetze zu prüfen. Der Eifer der Lebensschützer vernebelt den Sinn für das Offensichtliche.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.03.2020 um 05.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43089

Ich habe mir viele Stunden amerikanische Vorwahl-Veranstaltungen angesehen. Wohlmeinenden Warnungen zum Trotz hat der als Sturkopf bekannte Sanders den Begriff "Sozialismus" nicht aufgegeben und sich damit um seine Chancen gebracht. Er glaubt naiverweise, wenn er erklärt, was er darunter versteht, müsse jedermann ihm recht geben. Aber so läuft das nicht. Die Menschen reagieren auf Schlagworte, und "Sozialismus" ist (noch) nicht geeignet, die Sympathie der Amerikaner zu gewinnen. Goebbels wußte das besser. (Nicht daß Sanders ein glänzendes Programm zu bieten hätte, aber gegen eine solche Konkurrenz hätte es allemal gereicht. Nur die Verpackung stimmt nicht.)

Professor Richard D. Wolff, einer der bekanntesten Marxisten in den USA, legt in einem frei gehaltenen Vortrag (Youtube) die Grundzüge der marxistischen Wirtschaftstheorie dar, für viele Amerikaner sicher eine Offenbarung, während wir sie im kleinen Finger haben. Eine rhetorisch-didaktische Glanzleistung, die aber am Ende arg abfällt, weil Wolff sich schwertut, überzeugende Beispiele sozialistischen Wirtschaftens aufzutun. Genossenschaften – na ja, das haben wir doch schon. Sanders nennt gern Dänemark, auch nicht gerade ein kommunistisches Land.

Insgesamt wirken die Abschaffer des Kapitalismus weniger überzeugend als die Bändiger. Das sollte man dann aber auch deutlich sagen, statt abschreckende Fahnenwörter zu verbreiten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.03.2020 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43082

Für die USA soll nun „der längste Krieg“ enden (und für uns die Sicherheit, die bekanntlich am Hindukusch verteidigt wurde). So liest man es überall. Aber war es überhaupt ein Krieg? Hat es zwischen den USA und anderen Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg eine Kriegserklärung gegeben? Manche Amerikaner zählen für diesen Zeitraum rund 80 militärische „Interventionen“ ihres Landes (alle erfolglos), aber Kriege? Die scheinen ziemlich aus der Mode gekommen zu sein. Wie auch Herr Achenbach hier schon gesagt hat, verliert der Begriff seine Konturen.
Der eigentliche Krieg in Afghanistan, ein Bürgerkrieg, endet ja auch nicht. (Wie er wirklich enden wird, ist leider abzusehen. Wenn die Taliban ihr religiös unterfüttertes Regime wiederherstellen, womit jeder rechnet, werden die USA trotz allen Drohungen nicht zurückkehren; das könnte die Regierung innenpolitisch nicht durchsetzen und will es auch gar nicht. Das wissen natürlich auch die Taliban.)
Die Bundeswehr ist auch an verschiedenen solcher Nichtkriege beteiligt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.02.2020 um 05.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43036

Ein schönes Beispiel für die engen Grenzen vernünftiger Diskussion ist die Sterbehilfe. Zum neuesten Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es nun die voraussagbaren Stellungnahmen, die FAZ zum Beispiel feuert aus allen Rohren (u. a. Daniel Deckers, ein katholischer Theologe, sonst auch kirchenkritisch), wie sie es schon immer getan hat. Vom christlich-humanistischen Abendland (man denke an die antike Tradition) ist nur das Christliche geblieben, in einer spezifisch kirchlichen Fassung: "Es ist das Ende." (Deckers)

Es hat gar keinen Sinn, sich da einzuschalten, ich nutze die Gelegenheit nur, um auf die Tatsachen der menschlichen Kommunikation hinzuweisen.

Wie Saussure von der Sprache, so könnte man vom Zeitgeist sagen: Er ändert sich ständig, aber niemand kann ihn ändern.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.02.2020 um 23.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43021

Eine typische Schwejkiade: Anweisung: "Es ist verboten, in einem Umkreis von 30m um das Munitionslager zu rauchen." Also rauchte Schejk weniger als 30m entfernt vom Lager, und das Lager explodierte.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 25.02.2020 um 19.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43017

Die Juristenzunft hat ein professionelles Interesse an der Auslegungsfähigkeit der Gesetze und Urteile. Das und nicht so sehr die Wortwahl des Gesetzgebers oder die Unzulänglichkeit der Sprache schlechthin treibt die Deutungsmühlen an.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.02.2020 um 13.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43016

Ich bin ja kein Jurist, schreibe nur, was ich als Bürger für richtig halte. Also, daß es auf den Wortlaut eines Gesetzes nicht ankommt, das kann ja wohl nicht sein. Im Gegenteil, da wo etwas klar und eindeutig formuliert ist, gilt immer jeder Buchstabe und jedes Wort. Soviel Sorgfalt muß man dann schon bei der Formulierung der Gesetze aufbringen.

Aber nicht immer können Gesetze wörtlich jeden einzelnen praktischen Fall abbilden. Das Leben ist zu vielfältig, es entstehen ständig neue Situationen. Nur dann können Richter das Gesetz nach seinem Sinn, seiner Intention durchforsten und entsprechend interpretieren.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.02.2020 um 13.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43014

Daß der Wortlaut dem Geist eines Gesetzes widersprechen kann, hat Jaroslav Hasek mit der Figur des Schwejk Josef bewiesen, welcher durch wörtliche Befolgung berühmt geworden ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2020 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43010

In der juristischen Auslegungslehre wird mit Recht betont, daß es nicht auf den Wortlaut, sondern auf den Geist eines Gesetzes ankommt, man sagt auch „Intention des Gesetzgebers“. Hier gilt u. U. wirklich, daß der Buchstabe tötet: Man kann einen Staat zugrunde richten, indem man die Verfassung wörtlich befolgt, aber dem Sinn nach auf den Kopf stellt. Das Ganze unter der Behauptung, man sei der eigentliche Hüter des Rechtsstaates.

Man lernt daraus, daß gerade dort, wo es um das pralle Leben geht, keine sprachliche Formulierung so mathematisch präzise sein kann, daß sie nicht alle möglichen Interpretationen zuließe.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.02.2020 um 04.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#43002

Was dem einen sein Vogelschiß, ist halt dem andern sein Hundehäufchen, oder etwas vornehmer Hinterlassenschaft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2020 um 10.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42999

Als hätten sie sich abgesprochen, verwenden mehrere Redakteure der FAZ den Begriff "Ära Merkel", vor allem im Zusammenhang mit deren "Hinterlassenschaften". Dazu gehören alle unangenehmen Dinge der gegenwärtigen Politik, voran die AfD. Man könnte auch gleich sagen, an der AfD sei die Merkel schuld, aber so grob ist man nicht.
In gewisser Weise ist alles, was geschieht, eine Hinterlassenschaft dessen, was vorher geschah. Man hat damit nichts gesagt – aber doch genug für die Eingeweihten.
Ich muß bei "Hinterlassenschaft" immer an Hundehäufchen denken (so auch der Duden), und anderen geht es genau so, wie eine Blitzumfrage mir zeigt. So ist es denn wohl auch gemeint.

Manche beklagen ja auch das Ende der fetten Jahre. Die fetten Jahre waren also die Ära Merkel? Aber daß sie nun zu Ende gehen, gehört zu Merkels Hinterlassenschaften.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.01.2020 um 15.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42830

Zu den Lügen des Alltags, die man kaum noch bemerkt, gehören die Verlautbarungen der Funktionäre, die im Namen irgendwelcher Kollektive zu sprechen behaupten. Ein Beispiel: Renate Hendricks, die Vorsitzende des Bundeselternrats, fester Bestand der „Verbändeallianz“ der Schulbuchverleger, richtete am 13.8.2000 einen offenen Brief an den KMK-Präsidenten Willi Lemke, in dem sie ihn um unnachgiebige Durchsetzung der Reform bat:
(...)
Die Eltern in der Bundesrepublik haben sich ehedem für ein baldiges Ende des Streits um die Rechtschreibung ausgesprochen und sehen auch jetzt keinerlei Veranlassung, sich mit dem eher peripheren Thema „Rechtschreibung“ erneut auseinander zu setzen. Die jetzige Diskussion wird von den meisten Eltern kaum verstanden, da ihre Kinder seit nunmehr fünf Jahren ohne Probleme und mit gutem Erfolg die neue Rechtschreibung in den Schulen lernen.

Natürlich wußte sie nicht, was "die Eltern in der Bundesrepublik" oder auch nur "die meisten Eltern" dachten, oder vielmehr: sie dürfte gewußt haben, daß sie genau das Gegenteil dachten, aber als gewählte Vertreterin konnte sie in deren Namen alles Beliebige behaupten. In diesem Fall war es die Meinung der Schulbuchverlage, deren Vorgaben sie teils wörtlich wiedergab.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.01.2020 um 07.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42815

Zum Fall Sarrazin/SPD melden sich im Leserforum der WELT natürlich Hunderte von Menschen, die vorgeben, sich um die SPD Sorgen zu machen. Auch die Meinungsfreiheit steht, wie bei der AfD überhaupt, im Mittelpunkt der Polemik. Aber jede Partei hat das Recht, die Meinungsäußerungen ihrer Mitglieder zu "zensieren". Darum heißen sie "Parteien". Seine Meinung kann jedermann weiterhin ungestört äußern, auch innerhalb der AfD – soweit sie es zuläßt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.12.2019 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42638

Der Westen 21.12.19:

Duisburg: Über zwei Jahre vermisst – Marvin (15) taucht bei mutmaßlichem Pädophilen auf: SO reagierte seine Mutter.

Das sind wir aber gespannt! Und wie reagierte sie nun?

„Die Mutter war erleichtert“, sagte ein Polizeisprecher gegenüber DER WESTEN.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.11.2019 um 05.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42498

Nach Ansicht der Konrad-Adenauer-Stiftung ist eine allgemeine Dienstpflicht mit dem Grundgsetz vereinbar, wenn man das Grundgesetz entsprechend ändert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.11.2019 um 05.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42497

"Allgemeine Dienstpflicht! du erhabener großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, – welches ist der deiner würdige Ursprung, und wo findet man die Wurzel deiner edlen Abkunft?"
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2019 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42449

Mit halbem Ohr höre ich im Küchenradio eine Parteitagsrede. Warum schreit die Frau so? Es gibt doch Mikrofone und Lautsprecher.
Früher wußte man noch (Sievers: Schallanalyse), daß man in bestimmten Tonlagen nur bestimmte Inhalte vorbringen kann und umgekehrt. Argumente und logisches Schließen kann man nicht schreien, es ist physiologisch unmöglich.
Wenn man einander gegenübersäße, würde man einander doch nicht Parolen ins Gesicht schreien.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.10.2019 um 09.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42319

Staatspräsident Morales hilft persönlich beim Löschen der Waldbrände.
Ministerpräsident Ramelow hilft persönlich bei der Kartoffelernte (Schlips und Gummistiefel, Korb Kartoffeln).
Schröder seinerzeit als Überschwemmungshelfer.
Weniger durchdacht das todschicke Ehepaar Trump in Katastrophengebieten.

Das bleibt ein fester Posten der PR-Planer.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2019 um 06.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42303

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41978

Kramp-Karrenbauer bleibt ihrem Stil treu:

Kramp-Karrenbauer fordert internationale Sicherheitszone in Nordsyrien (welt.de 22.10.19)
Konkretes weiß sie noch nicht, aber: "Mir war wichtig, dass die Debatte überhaupt in Gang kommt", sagte sie bei einem Truppenbesuch in Erfurt. (SPN 24.10.19)

Das klingt seltsam, weil ja alle Welt über das Problem debattiert.
Mal sehen, wie sie ihren Vorwurf der "Annexion" von Teilen Syriens durch die Türkei relativieren wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.10.2019 um 09.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42298

Die verkürzte Ausdrucksweise der Presse, besonders in Titelzeilen, kann irreführen:

Bruch mit US-Flugaufsicht FAA
Europäer geben Boeing 737 Max selbst frei

(ntv 23.10.19)

In Wirklichkeit wollen die Europäer das Flugzeug unabhängig von den Amerikanern prüfen (und dann freigeben oder auch nicht).

Deutsche Bundesbank will das Rentenalter anheben (t-online 22.10.19)

Die Bundesbank kann das Rentenalter nicht anheben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2019 um 07.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42251

Dazu paßt der Brief, den Trump am 9. Okober an Erdogan geschrieben hat. Wann hat es so etwas schon mal gegeben? Ob Trump sich mit irgendwem im Außenministerium berät? Es sieht nicht so aus. Der Stil ist immer noch "Apprentice"-Show.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2019 um 06.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42250

Peter A. Coclanis regt an, die Bullshit-Produktion Donald Trumps nicht als „Lügen“ aufzufassen (deren man unzwischen 12.000 gezählt hat), sondern als Unterhaltungskunst. Wahrheit sei überhaupt keine Kategorie, die dem Künstler dabei in den Sinn kommt. (https://www.counterpunch.org/2019/10/16/donald-trump-as-artist/)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2019 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42206

Unsere Geschichtspolitiker wärmen ein altes Thema wieder auf. Es könnte wegen der semantischen Pirouetten hier interessieren:

Die Ministerpräsidenten Schwesig und Ramelow finden nicht, dass man den Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR verwenden sollte. Diese sei zwar eine Diktatur gewesen, „Unrechtsstaat“ werde aber von vielen Ex-DDR-Bürgern als herabsetzend empfunden.
„Die DDR war eine Diktatur. Es fehlte alles, was eine Demokratie ausmacht: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit, freie Wahlen, das Recht auf Opposition“, sagte die Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag).
Der Begriff „Unrechtsstaat“ werde aber von vielen Menschen, die in der DDR gelebt hätten, als herabsetzend empfunden.
„Er wirkt so, als sei das ganze Leben Unrecht gewesen. Wir brauchen aber mehr Respekt vor ostdeutschen Lebensleistungen. Das ist wichtig auch für das Zusammenwachsen von Ost und West“, sagte die SPD-Politikerin.
Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte den Zeitungen: „Die DDR war eindeutig kein Rechtsstaat. Der Begriff ,Unrechtsstaat‘ aber ist für mich persönlich unmittelbar und ausschließlich mit der Zeit der Nazi-Herrschaft und dem mutigen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und seiner Verwendung des Rechtsbegriffs ,Unrechtsstaat‘ in den Auschwitz-Prozessen verbunden.“


Wir dachten immer, alle Ostdeutschen seien Verbrecher gewesen, und nun sollen wir sie respektieren?

Aber mal im Ernst: Verdient die Lebensleistung nicht um so mehr Respekt, wenn sie einem Unrechtsstaat abgetrotzt wurde? Darunter verstand man bisher einen Staat, der seinen Bürgern das Recht, besonders die Grundrechte, vorenthält. Soll das Dritte Reich auch darauf ein Monopol haben?

Das Ganze dient sicher dem Stimmenfang, aber wie viele verliert man auf der anderen Seite? Und kann das überhaupt ein Maßstab der Geschichtsschreibung sein?
 
 

Kommentar von NPC, verfaßt am 24.09.2019 um 19.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42146

War Trump etwa nicht schuld? Oder wenigstens Putin? Whatever.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2019 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42144

Hat Iran die arabischen Ölanlagen angegriffen, oder ist Iran für den Angriff verantwortlich? Wer immer Arabien angegriffen hat, Iran ist auf jeden Fall dafür verantwortlich.

Auf die Ermordung Khashoggis könnte man das auch anwenden, aber dagegen spricht die Staatsräson.

Es gibt eine äsopische Fabel dazu.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.09.2019 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42076

Letztlich ist Greta Thunberg eine tragische Figur. Sie hat – finde ich – völlig Recht mit ihrem politischen Ziel. Es ist tatsächlich so, dass sich die globale Klimapolitik radikal wandeln muss.
Aber wie sie für dieses Ziel kämpft, ist erschreckend undemokratisch. Sie sagt: Ich will, dass ihr in Panik geratet! Politische Ziele erreichen, indem Menschen in Angst und Panik versetzt werden? Damit haben wir eine Jahrtausende lange schlimme Tradition in der Politik.
Herrschen durch Angst – das machen absolutistische Herrscher und totalitäre Ideologien. Das Christentum hat über Jahrhunderte den Gehorsam der Menschen erzwungen, indem es ihnen Angst vor der ewigen Verdammnis in der Hölle gemacht hat. In Demokratien hat das nichts zu suchen. Wir können spätestens seit der Aufklärung sachlich und vernünftig miteinander umgehen und gute Lösungen für politische Probleme finden.

(Prof. Volker Boehme-Neßler: https://web.de/magazine/panorama/greta-thunberg/greta-thunberg-spaltet-gesellschaft-experte-symptom-kraenkelnde-demokratie-33997132)

Will Greta durch Angst herrschen? Sie will doch bloß sagen, daß die Folgen des Klimawandels uns Angst machen sollten, daß wir, einfach gesagt, den Klimawandel endlich so ernst nehmen, wie er ihrer Meinung nach ist. – Auch Wolfgang Thierse hat ihre Worte schon so gewendet, nicht zu seinem Ruhm.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.09.2019 um 14.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42057

Na ja, wenn es keine Rassen mehr gibt, werden die Karten eben neu verteilt, die Bedeutungen also neu zugewiesen. Früher wurde "Rasse" ja sowieso großzügiger vergeben, nicht nur im Deutschen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.09.2019 um 11.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42056

Man kann zur Zeit gut beobachten, wie das Wort rassistisch nach und nach seine frühere Bedeutung verliert. Es nimmt immer mehr die Bedeutung von nationalistisch an.
Ich bin gespannt, ob jemand, der die Nationalhymne mitsingt oder die schwarz-rot-goldene Fahne schwenkt oder ein Tor gegen eine ausländische Fußballmannschaft schießt, auch bald Rassist genannt wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.09.2019 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42053

In einem hessischen Dorf ist ein NPD-Mitglied zum Ortsvorsteher gewählt worden, einstimmig, "von allen Parteien". Große Empörung.

Das erinnert mich an das hessische Dorf, in dem ich 1972 bis 1975 wohnte. Der ehrenamtliche Bürgermeister war ein gebildeter und intelligenter Landwirt, bei dem wir auch jeden Abend die Milch holten (wie hier erwähnt: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1363#17120). Manchmal saß ich noch ein Weilchen an seinem Küchentisch, wo er auch seine Dienstgeschäfte erledigte, und plauderte mit ihm über Politik.
Das war die Zeit, als "Parteien" eine Rolle zu spielen begannen, sehr zu seinem Mißfallen. Wie man sich denken kann, gibt es zwischen dem, was auf einem Dorf ansteht, und den Parteiprogrammen kaum eine Beziehung. Nun kamen plötzlich Ortsfremde und versuchten dreinzureden.
Die Verhältnisse mögen sich etwas verändert haben, aber eine Dorfpolitik nach NPD oder SPD ist immer noch schwer vorstellbar. In meinem jetzigen Wohndorf gibt es einen Gegensatz zwischen den wenigen alteingesessenen Bauern (und Grundbesitzern) und den Zugewanderten, die mehr als das Zehnfache der urprünglichen Bevölkerung ausmachen und im Grunde Städter sind, die auf dem Dorf schlafen. Auch das läßt sich kaum mit Parteigrenzen zur Deckung bringen, obwohl es Affinitäten gibt.
Ich könnte mir vorstellen (ich kenne den Fall ja nicht), daß die NPD-Mitgliedschaft eines sonst tüchtigen und beliebten Mannes als persönliche Marotte bei den Mitbürgern keine Rolle spielt. Erst die Fremden und die Medien machen daraus eine Staatsaffäre.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.09.2019 um 04.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42045

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40858 Der Grünen-Wähler in seinem SUV ist eine stehende Figur der FAZ:

Wenn die CDU aber weiter an der Schwindsucht litte und die grüne Blase eines Tages doch noch platzte, etwa weil auch gutbürgerliche Habeck-Fans endlich merken, dass dessen Partei ihnen ans Geld und den SUV will, wäre es mit der trauten schwarz-grünen Zweisamkeit vorbei. (Berthold Kohler in FAZ 3.9.19)

Daß er damit auch viele FAZ-Leser außergewöhnlicher Dummheit bezichtigt, kümmert den Herausgeber der schwindsüchtigen Zeitung nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2019 um 05.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#42031

US-Präsident Donald Trump hat wegen des herannahenden Hurrikans "Dorian" seine fürs Wochenende geplante Reise nach Polen abgesagt. (t-online.de 30.8.19)

Am Wochenende gedenkt Polen des Überfalls durch Nazi-Deutschland 1939, auch US-Präsident Trump wollte an der Veranstaltung teilnehmen. Jetzt aber sagte er die Reise ab, wegen einer Hurrikan-Warnung. (SPON 30.8.19)

Eine Begründung ist etwas anderes als ein Grund. Vielleicht hat er keine Lust mehr auf internationale Auftritte, die seine Schwächen offenbaren und ihm wenig Ruhm und gar keine Wählerstimmen bringen?

Trump sagte nun, er wolle durch sein Verbleiben im Land sicherstellen, dass alle Ressourcen seiner Regierung "auf den ankommenden Sturm ausgerichtet" seien.

Ob der Katastrophenschutz wieder besser funktioniert, wenn die Trumps sich zeigen?

Übrigens ist „Nazi-Deutschland“ ein sehr praktisches Wort.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.08.2019 um 06.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41984

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40048

und ähnlichen Themen:

What is a human being? And what sort of life have we been given to live? In the next several chapters we turn our attention to our selves and our natural life cycle.
We begin in this chapter by acknowledging that we have both corporeal and noncorporeal aspects. We are embodied spirits and inspirited bodies, (or, if you will, embodied minds and minded bodies). This alleged duality, easy to assert, is, however, hard to understand. Many are tempted to resolve the difficulty by belittling the significance of one or the other aspect, declaring instead that either our minds (or souls) or our bodies are the seats of our “real” identities.
But does either declaration do justice to everything we are? Are we or are we not “double” creatures? In what does our identity reside? Just what do I mean when I say “me”?
(https://bioethicsarchive.georgetown.edu/pcbe/bookshelf/reader/chapter4.html)

Überhaupt das ganze Unternehmen:
https://bioethicsarchive.georgetown.edu/pcbe/index.html

So seltsam wie die Hervorbringungen unserer Ethikräte usw. – Man kann natürlich über alles reden, aber einige tun es sozusagen mit besonderer Autorität, von außen verliehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.08.2019 um 09.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41978

Kramp-Karrenbauer hat nicht Maaßens Ausschluß aus der CDU gefordert, sondern nur angeregt, darüber nachzudenken, genau wie in allen früheren Fällen.
Manche haben sich noch immer nicht an diesen Kommunikationsstil gewöhnt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.08.2019 um 16.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41940

Meine Rechnung war leider ungenau: Ausländer werden nicht "3mal so oft kriminell verdächtigt wie Deutsche", sondern 3mal so oft, wie es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht.

Wenn 12% der Bevölkerung (Ausländer) für 34% der kriminellen Verdachtsfälle, aber 88% der Bevölkerung (Deutsche) für 66% stehen, dann werden Ausländer (34/12)/(66/88) = 3,8mal, also fast 4mal so oft verdächtigt wie Deutsche. Zusammen mit Migrationshintergründlern kann man dann von mindestens 4- bis 5mal so vielen kriminellen Verdächtigungen von Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund ausgehen wie von Langzeitdeutschen.

Soweit die genannte Studie.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.08.2019 um 15.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41939

Zur Herkunft der Täter wurde anfang dieser Woche in vielen Medien (auch Süddeutsche und DLF) über eine Studie berichtet, ich zitiere den MM vom 5.8.19, S.3:

Studie: AfD schürt mit verzerrten Zahlen Furcht
[...]
Die Wissenschaftler hatten alle 242 Pressemitteilungen der AfD zum Thema Kriminalität in Deutschland von 2018 analysiert und mit der Kriminalitätsstatistik verglichen: „Soweit die AfD bei Tatverdächtigen die Nationalität nennt, sind dies zu 95 Prozent Ausländer, nur zu fünf Prozent Deutsche“, berichtete Hestermann auf Anfrage. Bei den fünf Prozent deutschen Tatverdächtigen in den AfD-Mitteilungen werde stets betont, dass diese einen Migrationshintergrund hätten oder ihr Tatbeitrag gering gewesen sei, so die Forscher. Tatsächlich liegt der Anteil der nicht-deutschen Verdächtigen laut Kriminalitätsstatistik bei weniger als 35 Prozent. Die AfD verzerre das Bild zulasten ausländischer Straftäter.
[...]

Laut der Studie haben ausländische Verdächtige an der Kriminalstatistik einen Anteil von "weniger als 35 Prozent". Wären es viel weniger, hätte man sicher die kleinere Zahl genannt, also kann man wohl von 33% bis 34% ausgehen. Da in Deutschland 2018 etwa 12% Ausländer lebten, wurden Ausländer fast 3mal so oft kriminell verdächtigt wie Deutsche. Das läßt vermuten, daß Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund zusammen wenigstens 3- bis 4mal so oft kriminell verdächtigt werden, wie alteingesessene Deutsche. Damit belegt die Studie, daß die Politik der AfD, Ausländer und Migranten in bezug auf Kriminalität besonders ins Blickfeld zu nehmen und die hohe Migration und den hohen Ausländeranteil zu kritisieren, absolut gerechtfertigt ist.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.08.2019 um 14.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41938

Aber nur die Schlimmen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2019 um 11.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41936

Warum denn nicht? Das sagen doch sehr viele.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.08.2019 um 09.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41935

Schwennicke deutet an, daß er nichts von Frau M. hält. Das darf nicht sein.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 06.08.2019 um 22.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41932

Worin besteht denn die "Andeutung"?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2019 um 20.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41931

Das Schweigen der M.
VON CHRISTOPH SCHWENNICKE am 31. Juli 2019
Nach dem Mord an einem achtjährigen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof unterbricht Innenminister Horst Seehofer seinen Sommerurlaub. Von der Kanzlerin kommt hingegen kein Wort. Das hat Methode.
(Cicero)

Wahrscheinlich billigt sie den Mord. Darum kann man auch den vollen Namen der M. gar nicht mehr aussprechen. Wie beim H.

Schwennicke versteht sich auf die Kunst der Andeutung. Vor drei Jahren schrieb er:

Angela Merkel mag sich noch so sehr dagegen verwahren, aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik des vergangenen Jahres persönlich und politisch für die blutigen Vorfälle mit verantwortlich zu sein: Diese Einschätzung liegt nicht allein in ihrem Ermessen. Sondern im Ermessen jeder einzelnen Wählerin und jedes Wählers. Und: Viele Bürger kommen zu einem anderen Ergebnis als sie.
Wer will, kann das als ungerecht und undifferenziert betrachten.
(https://rp-online.de/politik/deutschland/angela-merkel-die-kanzlerinnendaemmerung_aid-18191129)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2019 um 12.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41929

Der CDU-Politiker Carsten Linnemann fordert ein „Grundschulverbot“ für Migrantenkinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen:

Linnemann hatte in der „Rheinischen Post“ vom Dienstag mit Verweis auf „neue Parallelgesellschaften“ gesagt: „Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen“. Für betroffene Kinder schlug er eine Vorschulpflicht vor. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden. Erwähnt hatte er auch die Vorfälle in Freibädern, die Tat auf dem Frankfurter Bahnsteig und die Schwertattacke in Stuttgart. Das alles wühle die Menschen auf und befeuere die Sorge, dass neue Parallelgesellschaften entstehen könnten.

Das ist natürlich reine Demagogie. Im Forum der WELT findet er naturgemäß viel Beifall (über 1200 Zuschriften in kurzer Zeit).

Die Kinder gehören, wie bisher, in Förderklassen. Durch „Zurückstellen“ wird ihr Deutsch ja auch nicht besser. Und mit den Verbrechen durchgeknallter Ausländer hat das Ganze nichts zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2019 um 12.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41928

Mir kommt Meuthens Erklärung auch plausibel vor.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.08.2019 um 20.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41927

Der Beitrag suggeriert, Verena Hartmann habe sich mit ihrem Fluch auf Twitter bei ihren Parteianhängern beliebt machen wollen, und zwar genau mit diesem Wortlaut. Wenn sie orientiert gewesen wäre, dann hätte sie aber doch nicht einen Tweet formuliert, der sie tagelang im ganzen Land zum Gespött und zum Ziel von massenhaft höhnischen Entgegnungen gemacht hat. Dann hätte sie vielleicht einen ähnlichen Tweet formuliert, aber so, daß er keinen falschen Zusammenhang herstellt. Deshalb kommt mir die Deutung von Jörg Meuthen plausibel vor.

Der Spott über Verena Hartmann kommt mir auch deshalb billig und übertrieben vor, weil sie sich persönlich tausendmal mehr für die Sicherheit ihrer Mitmenschen eingesetzt hat als der Normalmensch oder beispielsweise die hochnäsigen Schreiberlinge bei irgendwelchen Medien. Hartmann war unter anderem Streifenpolizistin, Polizeikommissarin und Sachbearbeiterin für Verbrechensbekämpfung im Bereich häusliche Gewalt. So jemand wird anlässlich einer Tat wie der im Frankfurter Hauptbahnhof viel sensibler und auch empörter reagieren als die routinierten Kommentatoren aus Politik und Medien. Die persönliche Empörung über die gefährlichen Folgen der deutschen Migrationspolitik war für sie ein wesentliches Motiv, sich als Politikerin zu engagieren. Sie trat 2016 in die AfD ein, ein Jahr nach dem Beginn der großen Einwanderungswelle unter Merkel.

Viele Medien wollten der Leserschaft suggerieren, der Mord habe nichts mit der Herkunft des Täters zu tun, denn die Ursache sei dessen psychische Krankheit, die Tat hätte deshalb genauso von einem psychisch Kranken ohne Migrationshintergrund begangen werden können. Ich halte diese Rhetorik für verwerflicher als den spontanen überschießenden Tweet der gelernten Polizistin. Denn die Journalisten sind zumeist kaum oder gar nicht emotional betroffen, und sie hätten nun wirklich genügend Routine darin, in Ruhe zu überlegen, was sie schreiben wollen oder sollten. Zweitens sind Männer mit Migrationshintergrund bei diesem Auf-die-Gleise-Schubsen stark überrepräsentiert, ob nun mit Todesfolge oder nicht. Das könnte man ja schreiben, schreibt man aber nicht. Drittens ist es zwar nicht beweisbar, aber eine naheliegende Möglichkeit, daß der Migrationshintergrund des in der Schweiz lebenden Mannes aus Eritrea und die daraus resultierenden permanenten Identitäts- und Anpassungskonflikte sehr wohl etwas mit dessen psychischer Entgleisung zu tun haben. So etwas liest man aber auch nicht in den politisch korrekten Medien. Stattdessen werden immer nur die angeblichen Deppen von der AfD verhöhnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2019 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41925

Nach der tödlichen Attacke auf einen achtjährigen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof kursieren in sozialen Medien viele Posts, die die deutsche Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre oder sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich für das Verbrechen verantwortlich machen. Vor allem in AfD-nahen Kreisen wird dieser falsche Zusammenhang hergestellt. (dpa Faktencheck)

So auch AfD-Bundestagsabgeordnete Verena Hartmann:

„Frau Merkel, ich verfluche den Tag Ihrer Geburt.“

Ob später gelöscht oder nicht – die Botschaft stand da und kam bei den Gesinnungsgenossen gut an. Sie wissen: Aussprechen darf man es nicht, aber die Frau hat das Herz auf dem rechten Fleck. Daher:

„Dass Menschen da hoch emotional reagieren und vielleicht einmal einen falschen Satz raushauen, dafür habe ich ein bisschen Verständnis.“ (Jörg Meuthen)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2019 um 06.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41922

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29146

Jürgen Kaube hat sich kürzlich über die "Begehungen" von Universitätseinrichtungen lustig gemacht, mit denen die Finanzierungswürdigkeit von Drittmittelprojekten geprüft werden soll. Er erwähnt auch das kostenpflichtige Angebot des Hochschulverbands, die Antragsteller rhetorisch zu schulen, damit sie diese Show durchstehen. Die Begeher wissen natürlich ebenfalls, was die Begangenen zur Vorbereitung getan haben, und demnächst werden sie selbst die Begangenen sein oder waren es schon. Diese aufwendige Komödie ist ungemein bezeichnend für unsere Zeit.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.08.2019 um 18.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41918

Besonders gern wird die »einhellige Verurteilung« von irgendwas oder irgendwem festgestellt, was sich immer sagen läßt, wenn gerade nichts wirklich Juristisches zur Hand ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2019 um 16.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41917

Stimmt wahrscheinlich. Heute ermöglichen ihnen die Umstände, das als "Analyse" rauszuposaunen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.08.2019 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41916

Die meisten Menschen haben zu allem eine Meinung, die meisten Journalisten zu allem eine Einheitsmeinung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2019 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41915

Wenn Journalisten einen gewissen Posten erreicht haben, steigt ihnen das Dauer-Rederecht zu Kopf, und sie urteilen wie Weltenrichter über jeden beliebigen Gegenstand.

Bei t-online z. B. kann man ständig die "Analysen" (!) eines gewissen Jonas Schaible (Jg. 1989) lesen. Das geht so:

Westdeutschland, das war’s endgültig

Nach der Wiedervereinigung stülpte sich das westdeutsche Parteiensystem auch über den Osten.
(usw.)

Wenn ich Fernsehen hätte, würde ich im quasistaatlichen wahrscheinlich noch mehr dieses anmaßlichen Geredes erleben.

Gibt es das im Ausland auch in diesem Umfang, ich meine: diese Unbescheidenheit?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.07.2019 um 07.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41843

Daß jemand sein Mäntelchen nach dem Wind hängt, wird ihm mit Recht angekreidet. Man sollte aber unterscheiden: Der Wechsel der politischen Meinung (oder der Konfession) je nach Wetterlage ist etwas anderes als die Änderung einer Karriereplanung. "Ich nehme doch lieber das Auto statt des Flugzeugs" ist kein vorwerfbarer Opportunismus. So kann jemand heute sagen, er wolle kein Minister werden, und es dann morgen doch werden. Na und?

Zu einer anderen Sache: Meiner Beobachtung nach sind es dieselben Leute, die einerseits von der Leyen höhnisch ihren knappen Wahlsieg vorrechnen, bei ihrem Idol Trump jedoch sagen: Gewählt ist gewählt! Sie stimmen auch seinen rassistischen Ausfällen zu und wünschen sich einen deutschen Bundeskanzler, der ebenso offen ausspricht, was sie ersehnen.

Übrigens liegt die Zuwanderung in die USA nur bei den Indianern so lange zurück, daß man ein Auge zudrücken kann. Alle anderen: raus!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2019 um 16.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41839

Großes Geschrei: Wer selbst "ungedient" sei, könne nicht Bundesverteidigungsminister werden. Aber waren nicht sechs Amtsinhaber ungedient (wenn man Scharping mitzählt, der wegen Sehschwäche bald entlassen wurde)?

Abgesehen davon, daß militärische Fähigkeiten in diesem Amt nicht besonders wichtig sind und die Ableistung des Wehrdienstes dazu auch nicht ausreichen würde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2019 um 11.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41836

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41722

Ein erster Schritt ist getan.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2019 um 06.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41835

Viele haben dafür gearbeitet, daß von der Leyen nicht Kommissionspräsidentin wird, und viele haben ihre Niederlage oder einen sehr knappen Sieg vorausgesagt. Nun hat sie knapp gesiegt, und genau dies wird ihr höhnisch entgegenhalten. Die SPD hatte vorab angekündigt, sie nicht zu wählen, und sie gleichzeitig davor gewarnt, sich von anderen wählen zu lassen. Die meisten EU-Sozialdemokraten haben sie anscheinend gewählt, nur die deutschen wollten eine deutsche Präsidentin verhindern. „Es wäre intellektuell auch nicht ganz aufrichtig, wenn sich jene, die von der Leyen nicht gewählt haben, beklagen sollten, dass von der Leyen von ihnen nicht gewählt worden ist.“ (SPON 17.7.19)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.06.2019 um 06.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41755

Any attack by Iran on anything American will be met with great and overwhelming force. In some areas, overwhelming will mean obliteration. No more John Kerry & Obama!

Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 25.6.19

"anything American" läßt viele Deutungen zu. Amerikanische Drohnen auch über fremdem Staatsgebiet zum Beispiel. Nicht nur die USA, sondern auch "U.S. interests and investment" zu schützen rechtfertig militärische Mittel.
 
 

Kommentar von NPC, verfaßt am 25.06.2019 um 18.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41753

“I think most people think of rape as being sexy – think of the fantasies” (E. Jean Carroll)

Einfach nur geil!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.06.2019 um 14.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41752

Wenn jemand auf den Vorwurf der Vergewaltigung sagt: "Sie ist nicht mein Typ", dann präsupponiert er: "Wenn sie mein Typ wäre..." Der nachgeschobene Satz: "Es ist nicht geschehen" wirkt als Überdetermination, zwischen beidem herrscht eine gewisse Dissonanz.

Andere Politiker haben im gleichen Sinn vom "Beuteschema" gesprochen, das klingt noch vulgärer.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.06.2019 um 05.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41738

Ich bin ja kein großer Militärstratege, meine Laufbahn beschränkte sich auf die Musterung. Aber wenn der Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee einen Angriff auf Iran zehn Minuten vorher abbläst, weil ihm der Gedanke an die vielen Todesopfer kam, dann wirft das doch ein bedenkliches Licht auf die Planungskompetenz der Weltmacht.

Hoffentlich ist alles nur erfunden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2019 um 17.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41736

Nachtrag zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41722

Einen Tag später:

CDU-Chefin kündigt neue Debatte über Zivildienst an.

"Gerade wenn wir heute darüber reden, dass es oft am Miteinander, an Toleranz, Respekt und Verantwortungsbewusstsein fehlt, könnte ein solcher Dienst hilfreich sein", sagte Kramp-Karrenbauer jetzt. "Weil er auch von Ausländern absolviert werden müsste, wäre er ein starker Beitrag zur Integration und für ein neues Gemeinschaftsgefühl."
(t-online.de 21.6.19)

Eine solche erzieherische Zwecksetzung hatte Krings gerade als grundgesetzwidrig nachgewiesen. Aber Kramp-Karrenbauer mit ihrem untrüglichen Gefühl für das Notwendige will ja auch nur eine neue Diskussion in Gang setzen, wie mit allen ihren bisherigen Vorschlägen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2019 um 14.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41734

Es war unklar, ob Trump einfach plötzlich seine Meinung änderte, oder ob die Aktion aus militärischen Gründen abgebrochen wurde. (FAZ)
-
Die dritte Möglichkeit, nämlich daß die ganze Inszenierung zum Bluff gehört, sprechen nur einige Leser aus.

Übrigens:

“... there was no man in it. It was over international waters [...], but we didn’t have a man or woman in the drone, we had nobody in the drone.” (The Real Donald)
 
 

Kommentar von NPC, verfaßt am 21.06.2019 um 12.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41732

Orange Man Bad! Jetzt will er auch noch keinen Krieg.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2019 um 06.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41730

„Der Iran hat einen sehr großen Fehler gemacht.“ (Trump)

Das Abschießen einer Drohne ist an sich kein Fehler; die Bezeichnung als „sehr großer Fehler“ kann sich nur auf die Folgen beziehen. Wenn nun amerikanische „Vergeltung“ ausbleibt, ist die Verlautbarung papiertigerhaft. Man setzt sich unter Zugzwang.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.06.2019 um 05.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41722

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39314

Staatssekretär Günter Krings (CDU) vom Bundesinnenministerium legt in der FAZ dar, warum eine allgemeine Dienstpflicht weder dem Geist und Buchstaben des GG entspricht noch nützlich wäre. Er erwähnt seine Parteifreundin Kramp-Karrenbauer nicht, zitiert sie aber und macht klar, wer gemeint ist.

Der Fall AKK scheint mir für die Unionsparteien viel schwerer lösbar als Nahles für die SPD. Einer der Gründe ist gerade das Informelle der Kanzlerkandidatur. Kanzler kann man abwählen, Kandidaten kann man nur "ermorden".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.06.2019 um 05.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41721

Nachtrag zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40735

Eskaliert der Konflikt? – Pompeo bringt US-Intervention in Venezuela ins Spiel
"Die Option, militärische Gewalt anzuwenden, ist vorhanden, wenn es dies ist, was letztlich erforderlich ist", sagte der US-Außenminister. Er fügte aber hinzu, seine Regierung hoffe, dass eine Militärintervention nicht notwendig werde: "Wir hoffen, dass es eine friedliche Lösung geben kann" und dass der venezolanische Präsident Nicolás Maduro sein Amt ohne Gewalt aufgeben werde.
(t-online 1.5.19)
Also: Regimewechsel – oder wir müssen militärisch einschreiten.

Inzwischen sind wieder fast zwei Monate vergangen, Iran absorbiert alle Aufmerksamkeit. Heute wird gemeldet, daß die Minen an der Wand der beschädigten Tanker "verblüffend" ähnlich wie ein iranisches Fabrikat aussehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.06.2019 um 15.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41712

Die AfD trägt nach Ansicht der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer eine Mitverantwortung im Fall des getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Kramp-Karrenbauer sagte am Rande einer Preisverleihung in Paris, es lasse sich am Fall Lübcke "ganz deutlich sehen, wie Entgrenzung auch von Sprache, wie Hass und Hetze, wie sie auch von der AfD und von Verantwortlichen der AfD betrieben wird, Hemmschwellen so absenkt, dass sie augenscheinlich in pure Gewalt umschlagen." (ZEIT 19.6.19)

Ich würde auf die Äußerungen von Kramp-Karrenbauer nicht eingehen (da hätte ich viel zu tun!), wenn sie sich diesmal nicht auf die Sprache bezogen hätte. Sie schließt sich der populären politischen Sprachkritik an, auch Wehlingschem Framing, um damit Parteipolitik zu machen. Ich bin natürlich weit davon entfernt, die AfD zu verteidigen, aber deren Sprache unterscheidet sich für das unbewaffnete Auge nicht von der der anderen Parteien. Sie sagt natürlich nicht dasselbe, aber nach dem Fressen von Kreide, so könnte man sagen, spricht sie oft und gern vom Rechtsstaat, der Pressefreiheit usw.
Vor allem aber: Staatsanwaltschaft und Polizei sind dabei, die Hintergründe des Attentats herauszufinden – die CDU-Vorstitzende hat es nicht nötig, auf die Ergebnisse zu warten, sie weiß Bescheid. Das läßt sich „ganz deutlich sehen“, „augenscheinlich“.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 17.06.2019 um 14.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41696

Pardon, Millionen, erst in der Zeile darunter ist von Milliarden die Rede:
https://en.wikipedia.org/wiki/The_New_York_Times_Company
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2019 um 11.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41694

Mrd.?

https://meedia.de/2019/02/07/265-000-neue-onlineabos-in-q4-new-york-times-macht-bald-mehr-geld-digital-als-mit-print/
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/new-york-times-millionenverluste-trotz-trump-a-1192513.html
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 17.06.2019 um 09.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41692

Die NYT hat 2017 mehr als 4 Mrd. Dollar Verlust gemacht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.06.2019 um 09.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41689

Wenn Trump die New York Times erwähnt, setzt er seit Jahren ein failing davor. So auch jetzt wieder:

Do you believe that the Failing New York Times just did a story stating that the United States is substantially increasing Cyber Attacks on Russia. This is a virtual act of Treason by a once great paper so desperate for a story, any story, even if bad for our Country.....
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) June 16, 2019

Darüber macht man sich schon ebenso lange lustig. Soweit ich sehe, hat Trump ganz allgemein den Medien zu einem Aufschwung verholfen, was allerdings eher auf einen gestiegenen Unterhaltungswert als auf politisches Interesse deutet.

Die Krankbeterei durch failing paßt zur Verachtung der Loser – das ist überhaupt der schwerste Vorwurf, den man sich zuziehen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.06.2019 um 04.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41673

Nachtrag zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39428

In Bad Muskau hat Fürst Pückler, der auf minderjährige Mädchen stand, auch die frühverstorbene "Sklavin" Machbuba begraben. Die wurde bis heute nicht in Ruhe gelassen:

Machbubas Grab, auf dem ein gebrochenes Herz liegt, ist auf dem evangelischen Kirchfriedhof in Bad Muskau erhalten geblieben. Am 23. April 2004 besuchte der äthiopische Botschafter in Deutschland Hiruy Amanuel das Grab. Im September 2017 besuchte der äthiopische Prinz Asfa-Wossen Asserate das Machbuba-Grab und enthüllte ein äthiopisches Gedenkkreuz. Die Widmung lautet: „Ad Gloriam Dei et in Memoriam Sinceram Machbubae Compatriotae Asfa-Wossen Asserate Aethiopiae Princeps.“ (Zur Ehre Gottes und in Erinnerung an die wahre Landsmännin Machbuba vom äthiopischen Prinzen Asfa-Wossen Asserate). (Wikipedia Machbuba)

Näheres zu dieser sonderbaren Aktion des Princeps hier:
https://www.lr-online.de/lausitz/weisswasser/machbuba-fasziniert-bis-heute_aid-4836140 (Die falsche Übersetzung entspricht dem Üblichen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2019 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41660

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31368

Wie man liest, setzt Iran den deutschen Außenminister "unter Druck". Paßt immer. Wenn ich Sie zum Essen einlade oder nach etwas frage, setze ich sie unter Druck. Die Journalisten kaschieren ihre Unwissenheit mit einer Handvoll solcher Floskeln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2019 um 04.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41649

Das Interessante ist gerade, daß man sich über Tatsachen gern "eines Besseren belehren" läßt (wie die Redewendung lautet), aber nicht über etwas so Windiges wie die Meinungen, die wir uns in höchst unübersichtlichen Angelegenheiten gebildet haben. Der krasseste Fall ist natürlich die Religion, wo wir denn auch von "Konversion" sprechen. Manche sterben lieber, als ihre diesbezüglichen Meinungen aufzugeben. Für Außenstehende, die das Ganze so oder so für Humbug halten, schwer zu begreifen.
(Der Übertritt in eine andere Religionsgesellschaft aus opportunistischen Gründen – ebenfalls "Konversion" genannt – ist davon natürlich zu unterscheiden.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.06.2019 um 22.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41648

Seine Meinung ändern zu müssen wird als kränkend empfunden, weshalb Meinungsbildungsprozesse sich im allgemeinen nicht in der Öffentlichkeit vollziehen.

(Seine Meinung über die stumpfsinnige Bundeskanzlerin zu ändern würde sich aber ohnehin nicht lohnen, da ihr Abtritt nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2019 um 17.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41647

Wie Thomas Bauer (Islamwissenschaftler, Arabist) kürzlich in einer Dankrede bemerkte, diskutieren die Leute in Talkshows über ihre Meinungen, verlassen die Veranstaltungen aber selbstverständlich mit genau denselben Meinungen, die sie schon zuvor hatten. Das ist geradezu die Definition von „Meinung“. Meinungen sind viel zu unsicher, als daß man sie ändern könnte. Ich habe auch noch nie erlebt, daß jemand seine Meinung während einer Diskussion oder aufgrund irgendwelcher Informationen geändert hätte. Es ist wie mit der Sprache (nach Saussure): die ändert sich ständig, aber niemand kann sie ändern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2019 um 05.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41630

Edo Reents (FAZ 1.6.19) kann es gar nicht fassen, daß die Amerikaner die platten Phrasen von Merkels Ehrendoktoratsrede mit Beifall aufnahmen, während er sich in Grund und Boden schämte. Die schlichten Hauptsätze, der Hermann-Hesse-Kitsch usw. – und das vor der akademischen Elite! Im politischen Teil derselben Ausgabe wird die Rede in den größeren Zusammenhang eingeordnet, und da sieht die Sache plötzlich ganz anders aus. Ein lehrreicher Fall.

Am 4.6. brachte die FAZ dann nicht weniger als neun Leserbriefe dazu, die naturgemäß ebenfalls zwei völlig entgegengesetzten Lagern zuzuordnen waren. Wer etwas von traditioneller Rhetorik zu wissen glaubt und Merkel sowieso nicht leiden kann, sagt ihr einen unglaublich stümperhaften Umgang mit der deutschen Sprache nach. Andere verweisen auf die Analyse der Rede von Majid Sattar in der gleichen Ausgabe. Karl Kaiser (SPD), jetzt selbst in Harvard, fand sie brillant und verweist auf die Begeisterung des amerikanischen und deutschen Auditoriums. Es steht 6 : 3 für Merkel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2019 um 11.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41621

Söder ist mit der Europawahl seinem Ziel einen Schritt näher gekommen. Sein Problem ist, wie schon immer zwischen den Schwesterparteien, daß er nicht CDU-Vorsitzender werden kann, sich als Kanzlerkandidat folglich mit einem solchen arrangieren müßte. Der darf nicht selbst Kanzlerambitionen haben. Ziemlich knifflig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.05.2019 um 10.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41532

Manche "erfinden sich neu" (= verändern oder korrigieren sich), andere werden "zerlegt", vor allem Fußballmannschaften wie unser Nürnberger Club; aber gerade "zerlegt" (= kritisiert) ein Youtuber auch die Regierung Merkel. Journalisten finden solche Redeweisen offenbar unwiderstehlich.

Nachtrag: Die SPD zerlegt zuerst sich selbst und dann die Große Koalition (Handelblatt 3.6.19)

Wer sich zerlegt, erfindet sich anschließend neu und ist dann wieder gut aufgestellt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.05.2019 um 04.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41531

Auch vor der Europawahl 2019 wird wieder der hohe Anteil der Briefwähler kritisiert. Ich bleibe bei meiner Ansicht http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36296.

Manche überhöhen auch den Gang zum Wahllokal, als sei es eine kultische Handlung, von der sich niemand ausschließen dürfe. (Früher mußte man ein Bußgeld zahlen, wenn man sonntags nicht zur Kirche ging. Von Shakespeares Mutter ist es schriftlich belegt.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2019 um 15.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41523

Die USA befürchten, dass Huawei-Technik ein Einfallstor für chinesische Spionage und Sabotage sein könnte. (FOCUS 21.5.19)

Die USA befürchten das nicht, sondern die Regierung der USA behauptet, es zu befürchten. Bei deutschen Autos sieht jeder den Unterschied sofort ein.
Ähnlich verhält es sich mit der Bedrohung der USA durch Iran. Seit dem Sturz des Schahs bedroht Iran die USA, aber damit soll nun Schluß sein. "If Iran wants to fight, that will be the official end of Iran. Never threaten the United States again!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) May 19, 2019"
Die deutsche Presse übersetzt es als "Auslöschung".
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.05.2019 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41456

Natürlich, denn Trump ist bekanntlich Hitler.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2019 um 10.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41454

Die ZEIT glaubt zu wissen, daß John Bolton „selbst Trump unheimlich“ wird. Der FOCUS weiß, „welche Hardliner die Strippen rund um Trump ziehen“. „Widersteht Trump den Falken?“ fragt die FAZ. – Das klingt nach „Wenn das der Führer wüßte!“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2019 um 14.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41450

Früher wurden politische Tatsachen durch Regierungserklärungen, Pressemitteilungen, diplomatische Noten u. ä. geschaffen; alles irgendwie dokumentarisch und amtlich.
Heute mußt man täglich und stündlich unzählige spontane Einfälle der Politiker zur Kenntnis nehmen, schnell mal in die Tasten getippt und mit niemandem abgesprochen, geschweige denn bedacht. Manches muß dann zwar zurückgenommen werden, aber es kann immer etwas Wichtiges dabei sein.

Anführer ist natürlich Trump:

Your all time favorite President got tired of waiting for China to help out and start buying from our FARMERS, the greatest anywhere in the World!
Donald J. Trump (@realDonaldTrump) May 10, 2019


Und das ist Weltpolitik! Hat man je etwas so Seltsames erlebt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.05.2019 um 05.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41402

Wenn einem etwas nicht gefällt, schreibt man in die Blogs: „Wo bleibt der Aufschrei?“ Dann klickt man sich gemütlich weiter durch die Themen des Tages.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.04.2019 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41239

Nach der Festnahme des WikiLeaks-Gründers Julian Assange hat US-Präsident Donald Trump erklärt, dass er mit der Enthüllungsplattform nicht vertraut sei. "Ich weiß nichts über WikiLeaks", sagte Trump im Weißen Haus auf Fragen von Journalisten und fügte hinzu: "Das ist nicht meine Angelegenheit."
Er habe gehört, was mit Assange passiert sei, und es sei nun an US-Justizminister William Barr, eine Festlegung zu treffen. Auf Nachfragen erklärte Trump, er habe zu dem Fall keine Meinung. Während des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 hatte der Republikaner WikiLeaks gelobt und erklärt, er liebe die Organisation. Laut der "Washington Post" habe er die Enthüllungsplattform allein im letzten Monat des Wahlkampfs mehr als 100 Mal erwähnt.
(SPON 12.4.19)

Kein anderer amerikanischer Politiker von Rang hat Wikileaks so überschwänglich gerühmt wie der heutige Präsident. (FAZ 12.4.19)

Früher: „I love Wikileaks“, heute: „I know nothing about Wikileaks“. Das kann sogar zutreffen. Ein Mann, der seine eigenen Bücher weder geschrieben noch gelesen hat, kennt vielleicht auch den Gegenstand nicht, den er zu lieben erklärt. Der Begriff „Lüge“ scheint in solchen Fällen nicht mehr recht zu greifen, es ist irgendwie transzendent.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.04.2019 um 21.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41224

René König berichtet in seiner Autobiographie ("Leben im Widerspruch"), wie er zum erstenmal Goebbels hörte (der auf ein Auto gestiegen war). Er bescheinigt ihm große rhetorische Vollkommenheit. Bis zur Sportpalastrede war es noch eine Weile. Auch nach den Maßstäben der edlen Griechen und Römer war Goebbels ein ganz Großer...
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.04.2019 um 12.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41213

Was sollte jemand tun, der nicht bereit ist, die Folgen einer Wahl zu tragen? Ob er nun dazu bereit ist oder nicht, ob er mitgewählt hat oder nicht, da kann er auf und ab und im Zickzack springen, die Folgen muß er immer mittragen. Könnte höchstens sein, daß er es im nachhinein bedauert.

Wer wählt, sollte nur die nötigen Kenntnisse über das Gemeinwesen haben. Man könnte auf jedem Wahlschein drei allgemeine, jeweils unterschiedliche (aus einem großen Fragentopf zufällig ausgewählte) Kontrollfragen stellen (nicht allzz schwierig, aber auch nicht ganz billig), und nur, wer mindestens zwei davon richtig beantwortet, dessen Stimme wird gezählt. Dann sollten ruhig alle, die wollen (u. a. auch Kinder, Alte, Demente, Behinderte) wählen gehen. Das Wahlergebnis wäre weniger vom Zufall abhängig, bestimmt repräsentativer als jetzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.04.2019 um 09.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41212

Ich höre mir die Argumente zugunsten einer Herabsetzung des Wahlalters an. Sie klingen immer so, als seien Wahlen eine Fortsetzung des Sozialkundeunterrichts: pädagogisch wertvoll. Dabei ist sonnenklar: Wählen sollte nur dürfen, wer die Folgen seiner Entscheidung uneingeschränkt zu tragen bereit ist. Das sind Minderjährige nicht. Außerdem wird gesagt: Auch Erwachsene sind oft nicht reif genug – aber das ist wieder das fatale „Wahrheit statt Mehrheit“ und das Ende der Demokratie, in der die Stimmen gezählt und nicht gewogen werden. Trotzdem wird es wohl geschehen, weil sich einige Parteien einen Gewinn erhoffen; sie dürften sich verrechnen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2019 um 05.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41201

Seit ich weiß, daß Markus Söder Bundeskanzler wird, bewundere ich seine Strategie noch mehr. Den ÖDP-Gesetzentwurf zur Erhaltung der Artenvielfalt einfach zu übernehmen, statt die Bürger mit einem Volksentscheid ungewissen Ausgangs zu quälen, macht ihn auch für jüngere und grünere Menschen wählbar. Wenn einige Landwirte (denen aber Geld versprochen wird), zu den Freien Wählern abwandern, ist das nicht weiter schlimm, denn sie bleiben ja im gleichen Stall.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.03.2019 um 05.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#41017

Komischerweise nennen sich heute die ärgsten Dogmatiker "Skeptiker". Den Begriff der Zurückhaltung (Epoché) des Urteils kennen sie gar nicht mehr.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2019 um 04.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40866

Wenn man einen Typ, etwa den Finanzjuden oder heute eben den Müsli mit Vollkornsocken und Porsche Cayenne oder den bärtigen Muslim mit seinem Messer, oft genug darstellt, glaubt jeder ihn zu kennen. Diese Meinungen werden sowohl durch positive Beispiele als auch durch „Ausnahmen“ immer nur bestätigt. Ich erlebe oft, daß dann auch bei intelligenten Menschen jede Besonnenheit aussetzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2019 um 04.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40865

Wohl wahr, aber beides kann zusammenfallen, wie hier.

Winand von Petersdorff berichtet jetzt ja eigentlich aus den USA, aber seine Polemik gegen alles "Grüne" reicht weiter zurück:

Doch leider verbinden gerade deutsche Umweltschützer ihren Hass gegen die Kernenergie mit einer fast religiösen Liebe für Windräder und Solarzellen. (...) Für die meisten Umweltschützer der Welt, allen voran für die deutschen, ist die Katastrophe von Fukushima der letzte Beweis, dass die Energieproduktion aus Kernkraft beendet werden muss. Die Haltung ist der Obsession geschuldet, sich dramatischen Großereignissen mit höchst geringer Eintrittswahrscheinlichkeit zu widmen (...) (FAZ 12.3.16)

Zur Erinnerung: Die FAZ hatte sich ganz besonders für den Schnellen Brüter und die Wiederaufarbeitung in Wackersdorf stark gemacht und war sehr enttäuscht, als ihre vermeintlich engsten Verbündeten, die Energieunternehmen selbst, das Projekt fallenließen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 17.02.2019 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40862

Der Glaube an die Kräfte der »sich selbst regulierenden Geschäftswelt« ist Liberalismus, nicht Konservativismus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.02.2019 um 06.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40859

In der FAZ vom 15.2.19 schreibt der einschlägig bekannte Herausgeber Holger Steltzner über „Klimareligion und Ablasshandel“ – da weiß man gleich Bescheid. Los geht es: „Die Rettung des Weltklimas hat für große Teile der deutschen Gesellschaft mittlerweile den Rang einer Ersatzreligion.“ Usw. – Schon am 1.2.19 hatte Steltzner über die vermeintliche „Klimaschutzreligion“ geschrieben und alle Klischees angehäuft, auf die man ohne Sachkenntnis stößt.
Woher weiß er, was „große Teile der deutschen Gesellschaft“ denken? Es ist das Wahnsystem der extremen Konservativen, die am liebsten alles beim alten lassen würden, der schönen sich selbst regulierenden Geschäftswelt. Die tägliche rhetorische Pflichtübung gehört dazu. Ein Leser kritisiert diese unsachliche Polemik (16.2.19). Steltzner, der auch die Umstellung der FAZ auf Reformschreibung betrieben hatte (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=734), drückt mit seinen Ressentiments aufs Niveau der Zeitung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.02.2019 um 06.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40858

Zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“ fahren die Grünen im Porsche Cayenne vor, unterschreiben und brausen wieder davon. Hahaha!

die wackeren Schulschwänzer, die nach den Freitagsdemonstrationen zur Rettung des Weltklimas zurück in Mamas SUV steigen (Winand von Petersdorff, FAS 17.2.19) Hahaha!

Und die sauberen Kernkraftwerke lehnen sie auch ab, der Strom kommt ja aus der Steckdose. Hahaha!
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 16.02.2019 um 10.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40853

Obama hat sechs Jahre lang nahezu ausschließlich per Ukas regiert. Die von den Demokraten instrumentalisierten Altmedien fanden das toll, verfassungsrechtliche Bedenken hatten nur rechte Spaßverderber. – Mehr als die Hälfte der republikanischen Abgeordneten und Senatoren verachtet Trump noch mehr als die eigene Wählerschaft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2019 um 06.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40851

Die FAZ erläutert in einem Kasten die Notstandsgesetzgebung der USA, und im Wirtschaftsteil wird daran erinnert, daß Obama mit seinen Dekreten die "Büchse der Pandora" geöffnet habe. Kritisch wird außerdem vermerkt, daß die republikanischen Abgeordneten ihre eigene weitere Entmachtung offenbar unterstützen wollen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2019 um 03.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40848

Tatsächlich? Dann bedeutet der Begriff eher so etwas wie bei uns der Katastrophenfall, der den Einsatz der Bundeswehr im Innern rechtfertigt?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.02.2019 um 18.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40847

Zum Vergleich: Obama hat den nationalen Notstand ausgerufen, weil das Wasser in einer Stadt in Michigan verseucht war.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2019 um 18.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40846

Im "Krieg gegen der Terror" herrscht Kriegsrecht. Eine "Invasion" ist erst recht der Verteidigungsfall.

Man kann Opfer seiner eigenen Metaphern werden – man muß es aber auch wollen.

Kann ein nationaler Notstand allein zum Zweck der Finanzierung eines Bauvorhabens ausgerufen werden? Was gehört noch dazu? (Ich kenne die amerikanische Verfassung zu wenig.) Wie steht es mit der Pressefreiheit und anderen Bürgerrechten? In Indien habe ich über ein Jahr unter den Notstandsbedingungen der Regierung Indira Gandhi gelebt. Dazu gehörte z. B. Militär auf dem Universitätscampus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2019 um 06.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40826

Zwei Beobachtungen zur rhetorischen Situation:

„Gabriel zeige bei allem Talent mal wieder seine Defizite.“ (web.de 13.2.19)

So ähnlich glaubt jeder sich ausdrücken zu müssen. Die Fabel von Gabriels politischer Begabung wird unermüdlich wiederholt, aber man erfährt nie, wo sich dieses Talent oder gar „Supertalent“ (SZ) einmal gezeigt hat. FOCUS titelt gar: Warum Gabriel jetzt der richtige Kandidat sein könnte.
Die Legende vom Supertalent Martin Schulz hat nur einige Wochen gehalten; bei Christian Lindner hat es etwas länger gedauert.
Die nächste Generation von politischen Begabungen wird schon nach vorn geschoben: Kühnert, Ziemiak... Nach bisherigen Leistungen fragt niemand.

-

Wie wirkt es eigentlich auf die Wähler von Union und SPD, wenn beide Parteien verkünden, sie hätten ihre Lektion gelernt und ihre bisherige Politik, derentwegen sie immerhin gewählt wurden, in wesentlichen Teilen als Fehler erkannt?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.02.2019 um 19.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40773

Der Erfolg hat sich eingestellt, wenn die wesentlichen Staatsorgane in den Händen der neuen Herrscher sind. Das ist z. B. in der Ukraine der Fall, nicht aber in Venezuela.

Die Geschehnisse des 20. Juli 1944 werden häufig bloß (stark verkürzt) als Attentat auf Hitler bezeichnet, nicht als Staatsstreich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.02.2019 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40770

Interessante Frage, die ich mal unter dem Stichwort "de conatu" angeschnitten habe. Ist das Substantiv vom Typ Mord oder vom Typ Reise?
Wenn Staatsstreich ein "success word" wäre, könnte man nicht von einem gescheiterten Staatsstreich sprechen (Tausende von Belegen), oder nur so schief wie von versuchtem Mord (statt Mordversuch). Eine abgebrochene Reise ist immer noch eine Reise.
Eine andere Frage wäre, ab wann ein Staatsstreich als gelungen anzusehen ist. Wer muß die neue Regierung anerkannt haben? Alle anderen Regierungen? Müssen sich alle Organe, auch die gesamte Armee, der neuen Regierung fügen? Oder hängt das Gelingen davon ab, daß es überhaupt keinen Widerstand im Lande mehr gibt?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.02.2019 um 16.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40769

Siehe unten. Ein Staatsstreich liegt erst vor, wenn er gelingt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.02.2019 um 16.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40768

Tut sie das? Ich hatte es eigentlich von mir aus getan. Manche Staatsstreiche finde ich gut, andere hätte ich mir gewünscht.

Staatsstreich
In der Geschichte ist es schon häufig vorgekommen, dass eine Gruppe von Menschen, manchmal waren das Offiziere oder Minister, schnell und meist gewaltsam die herrschende Regierung abgesetzt, also „gestürzt“, hat. Das konnte verschiedene Gründe haben. Manchmal wollten diese Menschen selber die Macht im Staat haben, manchmal glaubten sie, dass die Regierung ihre Arbeit so schlecht machen würde, dass man sie vertreiben müsse. Eine solche gewaltsame Absetzung der Regierung, die die geltenden Gesetze des Landes nicht beachtet, nennt man "Staatsstreich". Wenn das Militär die Regierung des eigenen Landes stürzt, nennt man das nicht "Staatsstreich", sondern "Militärputsch".

Quelle: Gerd Schneider / Christiane Toyka-Seid: Das junge Politik-Lexikon von www.hanisauland.de, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2019.
(http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politik-lexikon/161646/staatsstreich)

Das trifft auf Venezuela zu, womit ich keine Wertung verbinde. Mißlich ist meiner Ansicht nach die Belastung der künftigen Regierung durch die amerikanische Beteiligung, und zwar mit der erklärten Absicht, Zugriff auf das Öl zu behalten. Aber das habe ich ja schon gesagt.

Wer will, kann natürlich weiter von einem "Konflikt" reden. Das ändert ja nichts an den Tatsachen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 04.02.2019 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40767

Wenn zu Maduro nur die Linke von einem „lupenreinen Staatsstreich“ redet, so hat offenbar die Linke auch nach drei Jahrzehnten immer noch einen Staatsstreich nicht verwunden: den gegen die SED.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.02.2019 um 22.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40760

Das hängt damit zusammen, daß der englische Begriff self-proclaimed interim president, der hier übersetzt wird, etwas neutraler ist. Eine genauere Entsprechung des deutschen selbsternannt ist self-professed, z. B. in self-professed expert.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.02.2019 um 21.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40758

Mag sein, aber wie auch immer, ich habe nicht den Eindruck, daß die Medien dieses selbsternannt irgendwie abschätzig meinen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.02.2019 um 14.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40756

Bisher kann allenfalls vom Versuch eines Staatsstreichs die Rede sein. Auch der Begriff Putsch setzt gewöhnlich das Gelingen voraus.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.02.2019 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40755

Das Wort selbsternannt ist fast immer negativ konnotiert. Aber in "der selbsternannte Interimspräsident Guaidó" gerät es sogar zum Euphemismus, die Medien vermeiden damit das Wort Putsch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.02.2019 um 06.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40735

Es fällt auf, daß fast nur die Linke den lupenreinen Staatsstreich in Venezuela als Staatsstreich bezeichnet. Die anderen eiern herum, auch die meisten Zeitungen („Konflikt“ usw.).

Das Regime Maduros mag korrupt und illegitim sein, das geht andere Staaten zunächst nichts an. (Vgl. https://www.counterpunch.org/2019/01/28/venezuela-none-of-our-business/)

Der Staatsstreich wurde, wie auch die FAZ („Anruf aus Washington“ https://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/washington-trump-regierung-solidarisch-mit-juan-guaido-16011320.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0) darlegt, von den USA eingefädelt und mit ihnen abgestimmt. Angestrebt ist wieder einmal ein Regimewechsel. Der ist den USA selten gelungen, und selbst das Gelingen wie im Iran war nicht immer ein dauerhafter Erfolg. (https://en.wikipedia.org/wiki/United_States_involvement_in_regime_change) Diese Umstände werden jede künftige Regierung Venezuelas belasten. Sie wird eine Regierung von Gnaden der USA sein.

Wie Vizepräsident Pence bestätigt, geht es in Venezuela nicht nur allgemein um die Monroe-Doktrin, sondern ganz konkret um die Erdölvorräte, die „größten der Welt“. Aus dem bevorstehenden Bürgerkrieg werden die USA sich nicht heraushalten können, andererseits kann auch Rußland seinen Schützling nicht fallenlassen. Einen großen Krieg werden diese Mächte nicht riskieren, eher einen langen, zermürbenden wie in Syrien. China wird wohl abwarten und erst später die Früchte ernten: Wiederaufbau, mit Öl bezahlt.

Die USA unterstützen auch Guaidós Berufung auf die venezolanische Verfassung, derzufolge bei Vakanz des Präsidentenpostens der Parlamentspräsident dessen Funktion kommissarisch ausübt (oder so ähnlich). Aber die Stelle ist gar nicht vakant. Nur die Wahl war anfechtbar, aber das gilt für viele Staaten der Erde. Womit ich nicht sagen will, daß ich den Staatsstreich für unberechtigt halte; nur eben die Rhetorik ist wenig überzeugend.

Dazu kommt diese Schmierenkomödie: Sicherheitsberater John Bolton läßt bei einer Pressekonferenz scheinbar zufällig einen Notizblock sehen, auf dem handschriftlich steht: „5000 troops to Colombia“. Die Pressefotografen verbreiten es wie gewünscht in alle Welt.

Siehe auch:
https://www.counterpunch.org/2019/01/30/trumps-coup-in-venezuela-the-full-story/
https://www.counterpunch.org/2019/01/30/trumps-crusade-in-latin-america/
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2019 um 06.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40606

Bayerisches Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ – Das ist nicht so geschickt, weil es erklärtermaßen um die Artenvielfalt ganz allgemein geht und weil viele sagen werden: den Bienen geht es doch gut (was Imker bestätigen). Mit Recht wird auch der Regenwurm als eigentlicher „König der Tiere“ bezeichnet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.01.2019 um 03.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40520

Alle Medien berichten, daß Afghanistan einen abgeschobenen Verbrecher zurückgeschickt, nach Deutschland oder nach Hessen zurückgeschickt habe o. ä. Nur die BILD titelt zurück zu uns.

Auch die Ausrufezeichen in vielen BILD-Überschriften entsprechen dem "canned laughter" in Sitcoms oder dem Tusch in Karnevalssitzungen (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1337#37363). Das Signal bedeutet: Jetzt empören!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.01.2019 um 07.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40475

Gestern machte sich die FAZ wieder mal Gedanken über den Zusammenhang von rhetorischer Begabung und politischem Erfolg, natürlich ohne Ergebnis.
Man kann darüber nicht reden, wenn man die möglicherweise erfolgreichsten, aber nicht sehr sympathischen Redner ausklammert.
Im Grund haben die Rhetorikforscher zu Adenauer, Kohl, Merkel nichts zu sagen, am wenigsten die traditionell an Figurenrede und Körpersprache orientierten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.12.2018 um 15.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40394

Merkel-Hasser Reinhard Müller fragt: Wo war denn der Bundestag, als die Regierung ihre Politik der offenen Tür durchzog? (FAZ 19.12.18)
Den Ausdruck „Politik der offenen Tür“ (historisch eigentlich anders besetzt) hat Müller in den letzten drei Jahren sehr oft gebraucht, wann immer er auf Merkels vermeintliche „Grenzöffnung“ kam. Mit dem „Durchziehen“ suggeriert er ebenfalls etwas Gewaltsames, verfassungsrechtlich Zweifelhaftes, wie die Leute, mit denen er sympathisiert. Es ist komisch, wenn der beschränkte Formelschatz der Leute so offen zutage liegt, wie es ohne das elektronische Medium nicht möglich gewesen wäre. Der erhabene Eindruck des Expertentums schrumpft ins Wurmhafte. (Das habe ich schön gesagt, mit den vier u, muß ich wiederverwenden.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.12.2018 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40369

Eine Zeitlang haben deutsche Wissenschaftler einen abgekürzten zweiten Vornamen hervorgekramt, wenn sie mal in den USA gelebt hatten.

Ich selbst habe umgekehrt gleich nach dem Abitur meinen doppelten Vornamen vereinfacht, mir einen Schnurrbart wachsen lassen und meine Kirchenmitgliedschaft gekündigt: born again.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.12.2018 um 10.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40367

Seltsam, manche Namen laden anscheinend geradezu dazu ein, abgekürzt zu werden. Jeder kennt J.R. (Ewing), aber ich mußte jetzt erstmal nachsehen, daß er ausgeschrieben John Ross heißt.
Ein Kollege von mir heißt Hans-Georg O., aber anders als HGO nennt ihn kaum jemand. Allerdings macht es noch einen Unterschied, ob man ihn direkt anspricht oder über ihn spricht.
Auch George W. Bush oder Johannes R. Becher fallen mir ein. Ich könnte nicht sagen, was die Buchstaben bedeuten, die Abkürzungen haben sich als Namen verselbständigt. Woran liegt es, daß das nur ganz bestimmte Namen betrifft? Na ja, manche Abkürzungen sind natürlich einfach besetzt, so wie die von Hans-Jürgen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.12.2018 um 07.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40365

Forsthoff selbst sagte, er sei wie viele zuerst dem „Zauber Hitlers erlegen“.

Das liest sich so einfach und gewohnt, aber für mich bleibt ein Rest. Wir haben die Texte, die frühen Filme und Tonaufnahmen. Welcher Zauber? Wie kann man das erklären? Die Tübinger Schule der Rhetorik hat von Anfang an kapituliert.

Parallelen in der Gegenwart brauche ich nicht zu erwähnen. Immerhin ist zu bedenken, daß der junge Forsthoff nicht zum ungebildeten Pack gehörte, sondern zur geistigen Elite.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.12.2018 um 07.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40364

Der geniale Sprachspieler Meuthen hat ja AKK als "Afrika kann kommen" aufgelöst. Damit ist der Saarländerin (!) die Maske vom Gesicht gerissen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.12.2018 um 17.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40285

Wenn Frau Kramp-Karrenbauer mit Vornamen Petra oder Paula hieße, würde sie dann mit "PKK" abgekürzt werden?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2018 um 13.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40279

Ein- oder zweimal geht alles, aber wenn es jahrelang gedankenlos nachgeplappert wird...

Gedankenlos auch in dem Sinne, daß man schon glaubt, wunder was geleistet zu haben, wenn man die dürftigen Einfälle anderer Leute zu Tode reitet.

Besagte Riesenannonce wirkt wieder einmal wie von einer Agentur ausgedacht und dann von den Autraggebern nicht hinreichend geprüft. Soweit ich die "Initiative" (zu der auch Merz als Förderer gehört) kenne, kann sie doch vom "Vater der Einheit", der auch Vater des Euro war, nicht allzu begeistert gewesen sein.

Der Soli gehört freilich längst abgeschafft, aber die Gegenargumente von damals ("Gegenfinanzierung", Umwidmung...) sind seither nicht verschwunden, und so zahle ich immer weiter. Übrigens war es immer die SPD, die sich gegen die Abschaffung des Soli gewandt hat und ihn zuletzt in einen "Integrations-Soli" umwandeln wollte. Für die Sozis gilt am ehesten, daß der Staat Einnahmequellen, die er einmal hat, nie wieder hergibt; Ausgabemöglichkeiten finden sich immer.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 07.12.2018 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40278

Das Angie- und Muttigeschwätz war schwer erträglich. Unangenehm finde ich auch „AKK“. Klingt spannend (!) wie ein Schnellfeuergewehr, dabei hat man die Pomeranze vor Augen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.12.2018 um 10.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40277

Das mit der »Angie« hat sich die CDU selbst zuzuschreiben (Rolling Stones). Auch »Mutti« kam wohl zuerst in ihren eigenen Kreisen auf.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2018 um 07.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40276

In der Anzeige wird der schlimmen Mutti der gütige "Vater der Einheit" gegenübergestellt, der den Soli (um den geht es) 1999 habe abschaffen wollen. Aber hätte er es auch getan? Zunächst einmal hat er ihn ja eingeführt, wg. blühender Landschaften. Zunächst für ein Jahr, dann verlängert, immer noch unter Kohl. Nicht alle haben es vergessen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2018 um 07.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40275

Die Merkelhasser von der AfD nennen die Bundeskanzlerin gern „Angela“ oder „Angie“. Die Vernachlässigung guter Manieren schadet allerdings der Geschmähten nicht.
Bei der WELT bestehen diese Leser auch meistens darauf, daß Trump etwas für sein Land erreicht, im Gegensatz zu „Angie“. Das kann morgen schon wieder anders aussehen.
Auch die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" ist sich nicht zu schade, die Bundeskanzlerin in ganzseitigen Anzeigen als "Mutti der Nation" (im Gegensatz zum "Vater der Einheit"!) herabzusetzen. (7.12.18)
Das Niveau ist kindisch und kann unsere Politikverdrossenheit nicht aufweichen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.12.2018 um 04.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40263

Auch Speisesalz hat die Fähigkeit, negative Energien in sich aufzusaugen. Streuen Sie es in die vier Ecken all Ihrer Wohnräume und lassen Sie es über Nacht dort liegen. Anschließend können Sie es entweder einsaugen oder wegwerfen. Tipp: Schlafen Sie nicht im selben Raum, in dem das Salz gerade arbeitet, sondern planen Sie für diese Art der Reinigung besser mehrere Tage ein, an denen die Räume nacheinander bestreut werden. (https://www.liebenswert-magazin.de/wie-sie-ihr-zuhause-von-negativer-energie-befreien-1017.html)

Engel-Aura-Essenz ENERGETISCHE REINIGUNG
Reinigung von Aura, Chakren und morphogenetischem Feld – Transformation belastender Energien – Unterstützung und Transformation von erdgebundenen Seelen – energetische Reinigung von Häusern, Kleidung, Kristallen etc. Inhaltsstoffe: Wasser, Alkohol und naturreine ätherische Öle. 100 ml Flaschen

(€ 25.80 plus Versandkosten)

In einem Staat, der falsche historische Aussagen unter Strafe stellt, könnte man auch das Heilmittelgesetz schärfer fassen. Die geistesverwandten Verschwörungstheorien kann man allerdings nicht verbieten. Bleibt noch die Aufklärung im Schulunterricht, aber dort ist all das wohl kein Thema.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2018 um 14.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40261

Etwas Ungreifbares wie der Zeitgeist verändert sich, und nach einiger Zeit merken wir es.

"Ich rauche gern!" (Reemtsma) wie in den achtziger Jahren wäre heute nicht denkbar.

Auch Ex und hopp nicht.

In den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Krieg gab es praktisch kein Umweltbewußtsein. Mülldeponien waren kein Grund zur Sorge. Eine Wende gabe es mit Herbert Gruhls Buch und einigen anderen Stimmen, z. T. aus den USA. Treibhausgas und Ozonloch ließen aber noch auf sich warten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.11.2018 um 15.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40228

Ehrlich gesagt hat etwas Entwaffnendes. Es ist ja etwas ganz Persönliches. Ähnlich wirkt Margot Käßmanns ich finde. Die eine findet etwas, die andere ist bloß ehrlich – wer mag da widersprechen? Politiker sollten allerdings etwas anders reden als Seelsorger.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 30.11.2018 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40226

Unter jungen Leuten ist die häufige Einfügung eines völlig sinnfreien keine Ahnung verbreitet. Etwas anderes, ebenfalls Lästiges ist das in allen Generationen grassierende Ersetzen von letztlich, schließlich, am Ende durch am Ende des Tages.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.11.2018 um 09.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40224

Die Zeitung macht sich über Kramp-Karrenbauer lustig, die in einem einzigen Vortrag mindestens zehnmal Aussagesätze mit ehrlich gesagt einleitete. Ich will die Betrachtungen des Journalisten hier nicht wiederholen.

Ich kenne mehrere Personen, die in jeden zweiten Satz im Endeffekt einfügen.

Dergleichen geschieht nicht gerade unbewußt (Sprechen ist nicht unbewußt), aber doch in einem bestimmten Sinn unwillkürlich. Der Sprecher merkt es nicht, aber die Zuhörer merken es. Es würde die Rede wesentlich verbessern, wenn der Sprecher es unterließe – aber wer sagt es ihm? Das ist gerade unter Freunden nicht so einfach. Ich hatte mir als Kind (wohl unter dem Einfluß der Familie) angewöhnt, oft ein ne (mit Schwa) einzufügen, bis mich ein Schulfreund mal nachahmte; damit war es dann sofort vorbei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.11.2018 um 07.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40208

Eine Journalistin der WELT spottet:

Wenn ich meine Wohnung verlasse, um ins Büro zu gehen, werde ich ein sensibles Wesen und darf nur 40 Mikrogramm Stickoxide einatmen. Alles, was drüber ist, bringt mich um. Nur Fahrverbote retten mich.

Nein, es bringt uns nicht um, niemand hat das behauptet, und das ist der ganze Unterschied. Niemand hat die Rechtschreibreform für den Untergang des Abendlandes erklärt. Niemand hat behauptet, daß aus Syrien 500.000 Fachärzte und Ingenieure kommen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 28.11.2018 um 19.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40203

Ähnlich wie bei Freud und praktisch zeitgleich das Vokabular Rudolf Steiners: Geisteswissenschaft, Geistesforschung, anthroposophische Forschungsarbeit usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2018 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40188

Ein Überraschungskandidat kann, wie wir gesehen haben, mit 100 Prozent Zustimmung durchgesetzt werden. Läßt man Monate über ihn diskutieren, wird er zwangsläufig auf Menschenmaß und weniger gestutzt, und wenn die Zeit reicht, ist er erledigt. Ebenso Projekte: Zuerst Begeisterung und glatte Zustimmung, aber wenn viel Zeit verstreicht, häufen sich berechtigte und noch viel mehr unberechtigte Einwände an, und am Ende ruft schon die bloße Erwähnung des Projekts Hohn und Spott hervor.
Dieser Gruppendynamik kann sich nichts und niemand entziehen. Aber niemand scheint daraus zu lernen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.11.2018 um 04.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40126

Freud: Die psychoanalytische Arbeit hat uns gelehrt, daß ... = Ich meine, daß ...

Crews und andere Freud-Kritiker haben auf die Häufigkeit und Bedeutung dieser rhetorischen Floskel hingewiesen. Auch die „klinische Erfahrung“ wird oft in diesem Sinn beschworen.

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hält solche Prosa bekanntlich für ein Muster an Wissenschaftlichkeit. Mir wird sie ihren Sigmund-Freud-Preis nicht verleihen, ich würde ihn aber auch nicht annehmen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.11.2018 um 06.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40103

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer will die doppelte Staatsbürgerschaft kippen, wenn sie Parteichefin wird.

Lars Klingbeil von der SPD will ein steuerfinanziertes Sabbatjahr für jedermann.

Nahles will Hartz IV in "Bürgergeld" umbenennen.

Usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2018 um 11.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40063

Michael Wolfssohns Beitrag in der heutigen FAZ (über die Einbeziehung der deutschen Muslime in ein neues "Wir" usw.) wird wohl Diskussionen auslösen, aber die Erinnerung an historische Gemeinsamkeiten im Guten wie im Bösen ist sinnvoll, weil man davon tatsächlich fast nie etwas hört.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2018 um 05.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#40048

In Erlangen hatte man schon mehrmals besonderen Grund zu fragen: Soll und darf man den Körper einer hirntoten oder im Wachkoma liegenden Schwangeren am Leben erhalten, bis man ihr Kind holen kann?
Solche Entscheidungen tritt man heute gern an Ethikkommissionen ab, denen in der Regel auch Theologen angehören, denen man aus irgendwelchen Gründen eine besondere Kompetenz zutraut. Hier kommt es aber nicht auf die Kompetenz an (Moral läßt sich nicht expertisieren, sie ist jedermanns Sache), sondern auf das Abtreten: Man möchte die Entscheidung los sein. Da kommt jeder recht, der sich anbietet, sie einem abzunehmen.
Darum werden diese Ethikkommissionen allerseits mit mehr Respekt behandelt, als ihnen zusteht. Sähe man genauer hin, würde man erkennen, daß es Menschen wie du und ich sind, ohne besondere Qualifikation (worin könnte die auch bestehen?). Aber das tut man eben nicht, sonst bricht die schöne Illusion zusammen. Die rechtliche "Grauzone" ist in Wirklichkeit nicht ausgeleuchtet, sondern nur hinter einem Vorhang verschwunden.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 14.10.2018 um 15.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39824

Es dürfte sich by proxy eher um eine Verteidigung der totalitären Maßnahmen handeln, die F. D. Roosevelt (ein Verehrer Mussolinis und Stalins) während des Krieges ergriff.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.10.2018 um 12.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39823

John F. Kennedy hatte in seinem Buch „Why England Slept“ geschrieben:

The nation failed to realize that if it hoped to compete successfully with a dictatorship on an equal plane, it would have to renounce temporarily its democratic privileges. All of its energies would have to be molded in one direction, just as all the energies of Germany had been molded since 1933. It meant voluntary totalitarianism because, after all, the essence of a totalitarian state is that the national purpose will not permit group interests to interfere with its fulfillment.
This is the earliest formulation of „Ask not what your country can do for you, but what you can do for your country.“
(Garry Wills: The Kennedy Imprisonment, N. Y. 1981)

Der Zusammenhang – über 20 Jahre hinweg – ist schon früher bemerkt worden:
https://www.nytimes.com/1973/01/21/archives/the-kennedy-promise-the-politics-of-expectation-by-henry-fairlie.html
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2018 um 07.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39790

Auch Nobelpreise können unseren laienhaften Eindruck nicht zerstören, daß es mit der Wissenschaftlichkeit der Wirtschaftswissenschaften nicht allzu weit her ist. Waltraud Schelkle rechnet mit Hans-Werner Sinn ab, bezeichnenderweise im Feuilleton der FAZ (10.10.18). Vgl. schon https://www.europenowjournal.org/2017/11/01/political-economy-on-target/. Die FAZ hat Sinn und Paul Krugman immer viel Platz eingeräumt, gerade zur TARGET-Diskussion allerdings auch Gegner zu Wort kommen lassen. Wie Schelkle in ihrem ironisch formulierten neuen Text zeigt, geht es Sinn (wie den anderen) nicht zuletzt darum, die „Deutungshoheit“ zu behalten. Die Wirtschaftswissenschaftler wurden von den Krisen der letzten Jahre ebenso überrascht wie wir alle, aber natürlich finden sich nachträglich immer einige – unter den Ökonomen wie unter uns allen –, die es vorher gewußt haben. Das ist mehr eine Sache der Statistik als eine solche der Wissenschaftstheorie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2018 um 15.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39770

Ich bin mal der Vermutung nachgegangen, daß ultra eher im Sinne von "jenseits" verwendet wird als in der bei Duden angegebenen zweiten Variante "stärker, intensiver".
Ultrarechts sitzen die Abgeordneten noch weiter draußen als die Rechten. Ultraviolett ist jenseits von violett und nicht besonders violett usw.
Es stimmt aber nicht ganz.
Immerhin ist hypersensitiv viel gebräuchlicher als ultrasensitiv (wenn man richtig sucht). infra ist eindeutiger "unterhalb".
Ulbrichts Bonner Ultras sind heute nur noch eine Erinnerung der Älteren.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.10.2018 um 08.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39765

Wie zu lesen ist, hat in Brasilien ein »ultrarechter« Kandidat gewonnen. Hier werden augenscheinlich die Präfixe knapp. Was kommt als nächstes, ein »hyperrechter« Politiker?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2018 um 18.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39761

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39288

Kramp-Karrenbauer droht mit neuer Debatte über doppelte Staatsangehörigkeit für Deutschtürken.

Im Gespräch bleiben und AfD-Wähler zurückgewinnen, auch mit folgenlosen Gedankenspielen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 04.10.2018 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39732

Keine Sorge, ich werde mich mit Links zu meinem Blog wieder zurückhalten. Dies nur, weil ich gerade erst selbst etwas zum Gutmenschen notiert habe:

https://virchblog.wordpress.com/2018/09/21/gesinnungskitsch/
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2018 um 04.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39728

Ein Gutmensch ist jemand, der seine moralische Überlegenheit demonstriert, indem er ohne eigene Leistung Moral predigt und über andere urteilt. Bei der Unwortwahl wurde behauptet, daß das Wort zur Diffamierung von Menschen gebraucht werde, die „sich politisch engagieren“ o. ä. Das ist jedoch nicht richtig, weil es das Moment des Heuchlerischen und Scheinheiligen übergeht. Einen wirklichen Freiheitskämpfer oder selbstlosen Katastrophenhelfer usw. würde niemand einen „Gutmenschen“ nennen. Wenn die wirkliche Leistung, wie bei einem Albert Schweitzer, eindrucksvoll genug ist, bleibt einem der Verdacht, das alles sei nur eitles Getue gewesen, im Halse stecken.
Darum ist auch das gelegentlich gegenübergestellte „Schlechtmensch“ nicht wirklich in Gebrauch, denn niemand läßt seine Schlechtigkeit heraushängen, um sich ein Ansehen zu geben.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.10.2018 um 15.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39711

Wenn die "Gutmenschen" etwas Schlechtes sind, ist dann das Gegenteil, die "Schlechtmenschen" etwas Gutes? Klingt irgendwie nach Orwell.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2018 um 13.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39702

Heute ging ich an einem Wahlplakat der AfD vorbei:

Diesel ist super! Autoindustrie schützen!

Ob das ironisch gemeint ist? Ich bin mir nicht sicher.
Die Dieselfahrer, die ich kenne, wünschen eher ihren eigenen Schutz – auf Rechnung der verwünschten Autoindustrie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2018 um 17.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39700

Bayer-Vorstandschef Werner Baumann hat das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat verteidigt. Solche Mittel würden gebraucht, um die Menschheit ernähren zu können, sagte er der Zeitung „Bild am Sonntag“ laut Vorabmeldung. „Dank Glyphosat werden die Menschen satt.“ (...) Er fügte hinzu, es sei „einfach nicht wahr“, dass Bio-Landbau pauschal die nachhaltigere Anbaumethode sei. (Handelsblatt 30.9.18)

Man beachte „solche“ und „pauschal“. Beides führt zur Immunisierung der Aussage, gleichzeitig aber zu ihrer Entleerung.

Übrigens kann man jetzt die abgeernteten, makellos unkrautfreien Maisfelder sehen, und die Biogasanlagen arbeiten auf Hochtouren, aber nicht für die Ernährung.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.09.2018 um 12.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39634

Vielleicht reut es ihn ja auch nur, sein überschüssiges Geld in mickrig verzinste Staatsanleihen gesteckt zu haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2018 um 11.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39632

Was er übrigens selbst sagt:

Manche Gewinne kann man nur einstreichen, wenn man sich auf Risiken einlässt. Die einzige Ironie daran ist, dass ich das als Beamter sage.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.09.2018 um 10.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39631

Diese Sekurität ist das Kernversprechen der unhinterfragten Bürokratie und der immerwährenden großen Koalitionen. Münklers eigene Pension ist sicher.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2018 um 04.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39628

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39570

Herfried Münkler in der ZEIT: Es geht uns gut, und wir schaffen es. Nichts Neues für ihn, aber daß die ZEIT es gerade jetzt bringt, gehört zum geschilderten Trend.

Jacob Burckhardt sagte in seinem berühmten "Über Glück und Unglück in der Weltgeschichte":

Schon bei den obigen Fällen, zumal bei der Kultur, spielt stellenweise das Urteil nach der Sekurität hinein. Dasselbe verlangt als Vorbedingung jeglichen Glückes die Unterordnung der Willkür unter polizeilich beschütztes Recht, die Behandlung aller Eigentumsfragen nach einem objektiv feststehenden Gesetz, die Sicherung des Erwerbs und Verkehrs im größten Maßstab. Unsere ganze jetzige Moral ist auf diese Sekurität wesentlich orientiert, d. h. es sind dem Individuum die stärksten Entschlüsse der Verteidigung von Haus und Herd erspart, wenigstens in der Regel. Und was der Staat nicht leisten kann, das leistet die Assekuranz, d.h. der Abkauf bestimmter Arten des Unglücks durch bestimmte jährliche Opfer. Sobald die Existenz oder deren Rente wertvoll genug geworden ist, ruht auf dem Unterlassen der Assekuranz sogar ein sittlicher Vorwurf. An dieser Sekurität fehlte es nun in bedenklichem Grade in mehreren Zeitaltern, welche sonst einen ewigen Glanz um sich verbreiten und in der Geschichte der Menschheit bis aufs Ende der Tage eine hohe Stelle einnehmen werden.
Nicht nur in der Zeit, welche Homer schildert, sondern auch offenbar in derjenigen, in welcher er lebte, versteht sich der Raubüberfall von selbst, und Unbekannte werden ganz höflich und harmlos darüber befragt. Die Welt wimmelt von freiwilligen und unfreiwilligen Mördern, welche bei den Königen Gastfreundschaft genießen, und selbst Odysseus in einem seiner ersonnenen Lebensläufe dichtet sich eine Mordtat an.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.09.2018 um 03.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39602

Die CSU kommt an die Haustüren, verteilt große schwarze Plastikbeutel, vermutlich aus China, mit Werbematerial. Viele Farbfotos von Söder, an dessen Gesicht sich die Fotografen vergeblich abarbeiten; und was sollen Großaufnahmen davon überhaupt bewirken? Von zehn Punkten gelten der erste und der letzte der Abwehr von Ausländern. Sie sollen obligatorischen „Werteunterricht“ bekommen usw. Söder insistiert auf seinem Kreuz-Erlaß; das Kreuz wird als Zeichen bayerischer Identität gepriesen. Nach all den Diskussionen ein taktischer Fehler, aber man wird ja sehen.
Der Kugelschreiber ist von der bekannten schäbigen Art, man sieht sofort, daß die Mine nicht gefüllt ist.

Welches Menschenbild haben eigentlich die Werbeagenturen, deren Professionalität sich so aufdringlich zwischen Wähler und Kandidaten schiebt?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.09.2018 um 23.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39600

Was sich vor allem lohnt, ist, viel zu wissen und mit dem Sprengstoff geschickt umgehen zu können.

Gab es nach dem besagten BILD-Interview, das alles ins Rollen brachte, irgendeine öffentliche Äußerung Maaßens zu den Vorwürfen, irgendein Interview, Presseerklärung, Kommentar (außer der von der Regierung angeforderten schriftlichen Stellungnahme, die auch nur auszugsweise und indirekt veröffentlicht wurde)? Mir ist nichts bekannt. Warum sagt er öffentlich nichts?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.09.2018 um 16.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39597

MERKEL-KRITIK LOHT (sic) SICH: Der unglaubliche Karrieresprung von Maaßen (welt.de)

Na, so ein toller Karrieresprung ist das nicht, es sind schon ganz andere Leute plötzlich Staatssekretäre geworden.

Aber um die Person braucht man sich keine Gedanken zu machen, die ist ja ziemlich uninteressant. Der weiterreichende Erfolg der Rochade besteht darin, daß die SPD mit ihrer Spitze hadert und gleichzeitig die AfD um eine Märtyrergestalt gebracht worden ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.09.2018 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39588

Aber warum gerade jetzt? Ich habe mir eher gedacht, daß viele ständig abwägen, was überhaupt in Frage kommt. Meine Frau und ich sprechen oft darüber, wen man in Bayern überhaupt noch wählen kann. Die Grünen haben anderswo ihre Regierungsfähigkeit bewiesen (womit ich über die Qualität nichts gesagt haben will) und scheinen weniger auf ein Thema fixiert und fanatisch zu sein als früher, gewissermaßen verbürgerlicht.

Seehofer und erst recht Söder sind keine überragenden Sympathieträger. Daß es Bayern gut geht, wird nicht ihnen zugeschrieben. Da glaubt sich sogar der vorsichtige bayerische Wähler einen Schuß Grün erlauben zu können. So ungefähr dürfte die vorherrschende "Stimmung" sein. Die Verstädterung und die Zuwanderung von Nichtbayern tun ein Übriges.

Während die SPD in den Großstädten gut ankommt, macht sie sich auf Landesebene unsichtbar; das ist mir ein Rätsel, seit ich vor 40 Jahren nach Bayern gezogen bin.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.09.2018 um 19.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39583

Man liest und hört täglich große und kleine Nachrichten und hat das Gefühl, daß beispielsweise in Bayern die Grünen ordentlich zulegen und daß man auch selbst eigentlich diesmal nichts anderes wählen kann.

Könnte daran liegen, daß etwa die Hälfte der deutschen Journalisten den Grünen nahesteht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2018 um 17.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39581

Kippt jetzt der Mann, der uns vor Terror schützt? (BILD)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2018 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39570

Es ist seltsam, wie sich Tausende von Erfahrungen und Eindrücken zu einer „Intuition“ bündeln, z. B., wie schon erwähnt, einem kaum begründbaren Wissen, daß ein Wort x häufiger gebraucht wird als ein Wort y, und das Googeln ergibt tatsächlich ein Verhältnis von 80.000 zu 30.000.
So auch bei politischen Trends und Stimmungen. Man liest und hört täglich große und kleine Nachrichten und hat das Gefühl, daß beispielsweise in Bayern die Grünen ordentlich zulegen und daß man auch selbst eigentlich diesmal nichts anderes wählen kann.
Wenn die Unternehmer gut drauf sind, investieren sie und stellen Leute ein, und die Wirtschaft floriert. Die Stimmung ist besser als die Lage? Die Stimmung ist die Lage! Zu beobachten in Trumps Amerika.
Neuerdings wird im Gefolge von Pinker und Rosling ein neues Thema geschaffen: wie gut es uns vergleichsweise geht und daß fast alles immer besser wird und die Schwarzmalerei, die den Extremen Auftrieb gab, stark übertrieben war. Der statistische Analphabetismus führt zusammen mit der Bevorzugung von schlechten Nachrichten zu einer schweren Verzerrung der Wirklichkeit. Der Wohlstand ist ja wirklich gestiegen, die Kriminalität gesunken, „wir schaffen das“ war kein leeres Versprechen usw. – Der Journalist Walter Wüllenweber vom „Stern“ schließt sich an, es könnte die neue Mode werden. Bald wird der SPIEGEL einen optimistischen Titel bringen. Dann wird fast alles gut. Es ist zum Lachen, aber einverstanden, es wird uns gut tun!
Vor vielen Jahren habe ich die abschätzige Rede von der „Stimmungsdemokratie“ (Oberreuter u. a.) kritisiert, wegen der Tautologie („Zur Semantik des politischen Schlagworts“, Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 65, 1990:11-26).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.09.2018 um 03.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39562

Zufällig in der Bahn mitgehört: Gespräch zweier Staatsanwälte, auch über "Köthen". Kopfschütteln über den Nicht-Vorfall eines Tötungsdelikts, von dem vor Gericht nichts übrigbleiben werde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.09.2018 um 04.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39550

Die FAS (16.9.18) hat Gertrude Lübbe-Wolffs Rezension zu Hans-Georg Maaßens Doktorarbeit von 1997 ausfindig gemacht. Ziemlich erhellend, nach den Maßstäben des Fachs "eigentlich ein Verriß" (wie anderswo bemerkt wurde).

Lübbe-Wolff hat in der Zeitschrift für Ausländerrecht (ZAR), in deren Beirat Maaßen sitzt, einen einschlägigen Aufsatz „Homogenes Volk – Über Homogenitätspostulate und Integration“ veröffentlicht: https://www.zar.nomos.de/fileadmin/zar/doc/Aufsatz_zar_07_04.pdf
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.09.2018 um 12.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39535

Die PvdA lag bei den letzten Wahlen bei unter 6% – für die SPD bleibt da noch viel zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2018 um 09.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39534

"Empfindlichkeit" gibt es auf allen Seiten, und gespielt wirkt sie immer. Was soll’s?

Nachtrag: Daß Martin Schulz, den ich vor dem letzten Wahlkampf gar nicht recht wahrgenommen hatte, ein begnadeter Redner sein sollte, hat mich erstaunt, nachdem ich einige seiner Äußerungen gehört, gesehen und gelesen hatte. Er ist zwar nicht nur deshalb auf die Nase gefallen, aber viele waren dann doch etwas enttäuscht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.09.2018 um 09.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39533

zur Richtigstellung:
Die genannte Unterschlagung der Wahrheit ist nicht vom MM, sondern aus der FAZ, die der MM heute auf S. 2 unter "Pressestimmen" zitiert.
Der MM stellt danach den Eklat richtig dar.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.09.2018 um 09.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39531

Die SPD hetzt und die Medien lügen, vertuschen und verharmlosen, daß sich die Balken biegen.

"Hass macht hässlich" habe der SPD-Abgeordnete Kahrs in ebendieser Bundestagssitzung gesagt, und daraufhin habe die AfD-Fraktion gestern geschlossen den Saal verlassen. So z.B. der MM heute, als ob die AfD halt ein bißchen empfindlich wäre, und auch die meisten Nachrichtensendungen von ARD und ZDF erwecken diesen Eindruck.

In Wirklichkeit hat die AfD-Fraktion das üble Gegeifer von Kahrs noch eine ganze Weile ertragen. Geschlossen rausgegangen ist die AfD-Fraktion erst, als Kahrs, zur AfD gewandt, sagte:
"Schauen Sie in den Spiegel, dann sehen Sie, was diese Republik in den 20ern und 30ern ins Elend geführt hat!"
Daß Kahrs daraufhin zur Ordnung gerufen wurde, erst danach kamen die AfD-Abgeordneten zurück, geht auch in den meisten Berichten unter.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2018 um 08.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39530

„Auf einen groben Klotz muss man auch mal einen groben Keil setzen.“

(Martin Schulz zur Rechtfertigung seiner Ausfälligkeit gegen die AfD.)

Elementarer Irrtum schlechter Redner. Schon sich dafür rechtfertigen zu müssen ist zum Fremdschämen.

Es ist ganz lehrreich, sich Reden bei abgeschaltetem Ton anzusehen. Christian Lindner mit rotem Kopf mimt Leidenschaft, während nicht nur die Grünen feixen.

Erinnert mich an einen Text, der kürzlich in der ZEIT stand:

Begabung ohne Ziel
So gut kann Christian Lindner reden, dass man fast überhört, was er eigentlich sagt. Dem deutschen Liberalismus sind die Inhalte abhandengekommen – und der FDP-Parteichef versucht auf zweifelhafte Weise, die Lücken zu füllen.
(ZEIT 5.9.18)

Hinzu kommt, daß beide Politiker Gescheiterte sind, was ihre "starken" Auftritte noch lächerlicher macht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.09.2018 um 06.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39526

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38491

Jetzt wird auch erwogen, deutsche Tornados zur "Vergeltung" gegen Syrien und damit auch gegen Rußland fliegen zu lassen. Meiner Ansicht nach wäre "Bestrafung" angemessener. (Die Straftat wird sich finden lassen.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.09.2018 um 10.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39520

Das muß man sich einmal vorstellen: Der Verfassungsschutzpräsident äußert Zweifel an einem Video der absolut glaubwürdigen Organisation "Antifa Zeckenbiss". Ja, ist der Mann noch zu retten?

Und das, so z. B. die ARD-Nachrichten vor 2 Tagen, wo die Ermittlungen noch nicht einmal abgeschlossen sind?

(Waren sie eigentlich abgeschlossen, als sämtliche Leitmedien davor schon die Aufnahme von "Antifa Zeckenbiss" gezeigt und nach Intention der Autoren interpretiert hatten?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.09.2018 um 04.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39488

Laut Seehofer ist die Migration die „Mutter aller Probleme“. Das könnte man einen Arabismus oder Orientalismus nennen (nach umm al-maʿârik, Saddam Hussein 1990).
Gauland greift noch weiter zurück: Er will eine „friedliche Revolution gegen das System“, auch „Parteiensystem“ und „System Merkel“ genannt. Das System als gemeinsamer Nenner aller Unzufriedenen. Alles muß weg! Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/System_(Nationalsozialismus). Auch Berthold Kohler, kein Merkel-Freund, sieht es kritisch: FAZ 6.9.18, arbeitet die Verfassungsfeindlichkeit heraus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.09.2018 um 04.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39487

Na ja, ich habe zwar das Wort verdient gebraucht, aber an Fähigkeiten gedacht, die man jemandem zutraut, auch und gerade bei Wahlämtern.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 05.09.2018 um 22.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39485

Demokratische Wahlämter werden errungen, nicht nach Verdienst erworben. Der zitierte Leser hat das verstanden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.09.2018 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39481

Zur Besprechung des neuen Buches von Bob Woodward über Trump schreibt ein Leser der ZEIT:
„A priori ist es eine unplausible Annahme, [daß] jemand dummes und unfähiges es schafft, zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt zu werden. Dafür ist das Amt zu begehrt, und es gibt zu viele Mitbewerber.“
So denken viele. Manche ergänzen, daß jemand ohne gewisse Fähigkeiten es auch nicht zu Reichtum bringen würde.
Darüber sollte man nachdenken. Wer es zum Führer schafft, hat es apriori verdient? Und sind die Fähigkeiten, die ihm die Führerschaft verschafft haben, dieselben, die er zur Führerschaft braucht?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 03.09.2018 um 10.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39472

"Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich drauf!" (Katrin Göring-Eckardt 2015) Zu früh gefreut.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.09.2018 um 04.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39460

Es geschieht viel Unrecht, aber "Herrschaft des Unrechts"? Mit dieser Parole hat Seehofer ein gefährliches Stichwort geliefert. Wenn das Unrecht herrscht, ist es das Recht und geradezu die Pflicht jedes aufrechten Bürgers, das Recht – wie er es versteht – selbst in die Hand zu nehmen.

Es könnte schwer werden, diesen Geist wieder in die Flasche zurückzuholen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2018 um 08.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39451

„Tatsache“ wird nur noch in Anführungszeichen bzw. mit süffisantem Grinsen gebraucht. Das gehört zur rhetorischen Strategie, die hauptsächlich mit Übertreibungen arbeitet. Statistik? Ja, aber nur wenn sie die eigene Meinung bestätigt, sonst ist sie gefälscht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2018 um 06.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39449

Allerdings galten in der Antike für die Poetik, die Dichtkunst, und erst recht für die Rhetorik, die Redekunst, strenge Vorgaben. Nahezu jede Wendung und Formulierung hatte ihre bestimmte Stilfigur, an die sich die Redner strikt zu halten hatten. Es muss sich recht schematisch angehört haben, Demosthenes oder Cicero zu folgen. Solche Vorgaben hat man später abgeschafft, sonst hätte ein staatenloser Gefreiter mit seinem Gebrüll nicht die ganze Welt in Schutt und Asche reden können. (Schmachthagen 29.8.18)

O je, da wäre manches zu sagen.

Schmachthagen setzt die Gewohnheit der Tübinger Schule fort, die edle antike Rhetorik der vulgären Nichtrhetorik der Nazis gegenüberzustellen. Das ist verfehlt, aber ich will es nicht noch einmal darlegen. Auch Göttert hat es richtiggestellt. (Die Logik des "sonst hätte nicht..." ist mir auch nicht klar.)

Mit "staatenlos" und "Gefreiter" scheint Schmachthagen den ungenannten You-know-who herabsetzen zu wollen, auch ganz aufschlußreich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2018 um 19.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39445

„Wer einen Text verstehen will“, schrieb Hans-Georg Gadamer, „ist bereit, sich etwas von ihm sagen zu lassen.“ Verständnis in diesem tieferen Sinn bedeutet, den Texten zuzuhören, einzudringen in die Tiefe der Wissenschaft, der Theorie, der Erzählung. (FAZ 29.8.18)

Gadamer drückt sich zwar oft verschwommen aus, aber so banal ist es nicht gemeint. Vielmehr will er, daß der Leser sich einem „Geltungsanspruch“ des Textes aussetzt, musterhaft des offenbarten Texte, dann auch der Quasi-Religion der Kunst. Wer Texte nicht in diesem normativ-dogmatischen Sinn versteht, versteht sie gar nicht, versündigt sich sogar gewissermaßen gegen sie (bei religiösen Texten sowieso).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2018 um 08.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39442

Deutschland hatte im Jahr 2004 das Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet, das die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten betrifft. Danach gilt für die Streitkräfte eigentlich ein Mindestalter von 18 Jahren. Die Bundeswehr macht allerdings wie einige andere Vertragsstaaten von der Ausnahmeregelung Gebrauch, auch schon 17-jährige Freiwillige zu Ausbildungszwecken zu rekrutieren – wenn die Eltern zustimmen.

Soweit ich weiß, schickt die Bundeswehr keine 17jährigen in bewaffnete Konflikte. Die Empörung über deutsche "Kindersoldaten" ist daher unverständlich oder vielmehr ein Fall von absichtsvollem Aneinandervorbeireden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2018 um 14.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39434

Gegen eine Stärkung des Gemeinsinns lässt sich schlecht etwas sagen. Und es spricht viel dafür, dass Flüchtlinge, wenn man sie ins Land und lange bleiben lässt, ohne über ihren Statuts zu entscheiden und ohne Entscheidungen auch durchzusetzen, nicht zur Untätigkeit verdammt sein sollten. Ein verpflichtender Dienst ist auch hier heikel. Aber ganz sicher gelingt Integration durch Arbeit besser als durch Aktenzeichen. Und wenn der Zusammenhalt durch Dienst „an der Gesellschaft und am Vaterland“gestärkt werden soll, so löst das zwar noch kein Rentenproblem. Aber ohne ein einigendes Band zwischen allen Bürgern, neu, jung oder alt und solchen, die es werden wollen, lässt sich kein Staat machen. (Reinhard Müller FAZ 27.8.18)

Reinhard Müller schreibt zwar immer dasselbe, findet aber immer wieder andere Begriffe, um die ganze Gesellschaft auf irgendwelche außerrechtlichen Werte zu verpflichten. Freilich läßt sich gegen eine „Stärkung des Gemeinsinns“ kaum etwas sagen, und das ist ja gerade der rhetorische Trick. Auch „einigendes Band“ klingt verführerisch – wenn man nur wüßte, worin es besteht und was alles darunter begriffen werden soll. Der Geist der Gemeinschaft ist ein süßes Gift.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2018 um 07.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39430

Unsere angeblich so geschichtsbewußten Mitmenschen vergessen gern, daß Kulturen, was immer man darunter versteht, sich fortwährend mischen, einander überlagern und ablösen. Unsere Vorfahren vor 2000 Jahren hätten sich fragen können, ob das Christentum "zu Germanien gehört". Liest man im AT, ist man in die Welt des vorderen Orients versetzt und könnte sich fragen, was uns das angeht. Es hätte leicht sein können, daß der Mithraskult sich durchsetzte, dann hätten wir heute überall Mithräen (wie sie auf germanischem Boden gefunden wurden) und würden Stiere opfern, und auch Theologen wären zur Stelle, die uns die spirituelle Bedeutung dieses Opfers erklärten.

Und dabei ist noch gar nicht von "der" Völkerwanderung die Rede.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2018 um 06.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39428

Wegen des Stichworts "Untergang der Kultur" habe ich gerade mal nach den Sorben gesucht, und zwar an meinem Geburtsort Krauschwitz (sorbisch "Birnendorf"); getauft bin ich in Bad Muskau (sorbisch "Männerstadt"). Die Slawen könnten ja auch den Untergang ihrer Kultur beklagen.

Schreck in der Morgenstunde: Unter den Persönlichkeiten, die aus Krauschwitz stammen, steht auch mein Name! Das ist in jeder Hinsicht völlig uninteressant.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2018 um 06.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39427

Rhetorik ist ein heikles Thema, weil es nie nur um die Sprache, sondern immer auch um die Sache geht – sonst könnte man ja das Rhetorische gar nicht herauspräparieren. Aber wenn es nur noch um die Sache geht, hier also die Politik, dann ist eine gewisse Bitterkeit nicht zu vermeiden, und darum schlage ich vor, die Diskussion hier nicht weiterzuführen. Mir selbst sind die Fragen und These ohnehin eine Nummer zu groß. Darum habe ich auch nie darüber diskutieren mögen, ob Deutschland sich abschafft o. ä., und bei "Leitkultur" war es auch so, daß ich schon im Vorfeld, bei der bloßen Definition, die Waffen gestreckt habe. Mein Slogan "Niedriger hängen!" ist eigentlich überhaupt mein Wahlspruch auch auf anderen Gebieten als dem des Neurowahns.

Ich hoffe ja auch, daß mein eigener politischer Standpunkt aus meinen bisherigen Einträgen nicht zu erkennen ist (ich habe gar keinen, es wäre also in jedem Fall ein falscher Eindruck).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.08.2018 um 10.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39420

Oder die Auseinandersetzung um B oder C wird gleichzeitig geführt, aber jedenfalls ohne deswegen auf das Ziel A zu verzichten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.08.2018 um 10.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39419

Ich möchte es mal so formulieren, nicht, daß es bestimmte Mißstände gibt, sondern ganz neutral, angenommen, es gäbe irgendwelche Mißstände, deren ein demokratisches Land nicht würdig ist.

Dann gibt es natürlich immer auch Leute, wir hoffen, sie bilden die übergroße Mehrzahl, die konstruktive Kritik üben und die dafür kämpfen, diese Mißstände abzuschaffen. Aber es wird leider immer auch ein paar Menschen geben, die aufgrund geringerer Bildung, charakterlicher Schwächen usw. die wahren Zusammenhänge nicht durchschauen, die zwar auch das Kritikwürdige der aktuellen Situation erkennen, aber mit unflätigen Sprüchen, undemokratischen Handlungen usw. die falschen Ursachen bekämpfen.

Sollen wir jetzt sagen, wir erkennen zwar die mißlichen Umstände, können aber nichts dagegen tun, nur weil es ein paar Idioten gibt, die zwar der gleichen Meinung wie wir sind, mit denen wir aber nichts zu tun haben wollen?

Ich bin der Ansicht, man muß diese Leute ertragen, man kann sie nicht verbieten. Solange ich die Ziele A und B habe und jemand anders die Ziele A und C, solange kämpfe ich eben für A, auch wenn ich dabei Unterstützung von Leuten bekomme, die nicht für B, sondern für C sind. Die Auseinandersetzung um B oder C kommt danach.

Oder auf das konkrete Beispiel bezogen:
Wenn es ein Märchen vom Fachkräftemangel gibt, dann muß ich das eben bekämfen, auch wenn es Leute gibt, die Ausländer als Abschaum bezeichnen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.08.2018 um 07.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39418

Ich kann dazu nichts sagen, muß mich ja auch nicht zum Arbeitsmarkt äußern. Mir scheint, daß viele aneinander vorbeireden. Etwa so, daß der einen von Fachkräftemangel spricht, der andere einen flächendeckenden Mangel bestreitet. Natürlich verhindert der NC die Ausbildung von mehr Ärzten, das ist aber ein anderes Problem. Andererseits passen Angebot und Nachfrage anscheinend oft nicht zusammen, so daß Ingenieure gesucht werden und gleichzeitig Ingenieure keine Stelle finden.
Ein junger Mann aus meiner Bekanntschaft hat seinen Techniker gemacht, sich gut gezielt bei einem Marktführer beworben und schon vor dem Abschlußexamen eine eigentlich gar nicht ausgeschriebene Stelle in der Tasche gehabt.

Und es gibt natürlich viele, die von Lüge oder Märchen sprechen, nur um folgendes (unter Ihren Youtube-Film) setzen zu können:

"Spitzenkräfte sollen kommen"!!! Und was überfällt unser Land?? Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder. Der Abschaum der Welt soll den "Fachkräftemangel" beheben???? Und wenn sich wirklich gut ausgebildete und sogar Akademiker bei uns bewerben, berauben wir sie in dessen Heimatländern. Denn dort fehlen sie dann wirklich. Was für ein infames, verbrecherisches Dreckssystem in dem wir leben. Und zeitgleich wandern bei uns Ärzte,Ingenieure und Spezialisten aus, weil das Leben hier für sie immer unerträglicher wird. Wen wundert das,bei diesem Verbrecherregime ???
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.08.2018 um 00.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39416

Ich beziehe mich vor allem auf solche Beiträge, diesen vom Ersten fand ich mit am informativsten:
https://youtu.be/ELN19UaLKy0
(20 min, die sich m.E. lohnen)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.08.2018 um 04.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39411

Wozu fordern, was bereits geltendes Recht ist? S. "Arbeitsmarktprüfung" der BA.
Der syrische Oberarzt, den ich kürzlich kennenlernte, verdient bestimmt nicht die Hälfte seines deutschen Kollegen.
Die Diskussion um die Entsenderichtlinie wird ja auch heiß geführt, und was die Saisonarbeiter betrifft, so hatten die Landwirte schon Zweifel, ob sie Erdbeeren, Spargel und Gurken dieses Jahr überhaupt noch von den Feldern kriegen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.08.2018 um 21.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39410

Wofür wäre das eine Lösung?
Wir haben genügend Fachkräfte und es nicht nötig, sie armen Ländern abzujagen.
Wir haben aber das Problem, daß ausländische Fachkräfte billiger sind als einheimische.
Vielleicht könnte man Firmen verpflichten, vor jeder Einstellung eines Ausländers nachzuweisen, daß entsprechende Bewerbungen von Deutschen nicht vorliegen? Oder an Ausländer gleiche Löhne wie an Deutsche zu zahlen?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.08.2018 um 18.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39409

Eine Lösung wäre es, wenn nicht mehr jeder das studieren oder lernen dürfte, was er mag, sondern es ihm vorgeschrieben wird. Beispiele gab es im Arbeiter- und Bauernstaat.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.08.2018 um 17.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39408

Deutschland hat genug Fachkräfte, aber die sind den deutschen Firmen zu teuer. Ausländische Fachkräfte kosten nur die Hälfte bis ein Drittel, deshalb die ständige Klage über angeblich zu wenige Fachkräfte.

Und wenn es wirklich zu wenige wären, dann wäre es auch keine Lösung, für eine halbe Million Fachkräfte zwei Millionen Menschen zu importieren, sondern dann stimmt etwas mit der Ausbildung in Deutschland nicht.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.08.2018 um 12.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39406

Deutschland braucht Fachkräfte, aber es kommen Menschen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.08.2018 um 10.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39402

Asyl ist nicht Einbürgerung.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 23.08.2018 um 22.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39397

Artikel 16 a Absatz (1) Grundgesetz: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht."
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.08.2018 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39394

Ich meinte die steinmeiersche Rhetorik, in der es darum geht, mithilfe einer Scheinproblematik das eigentliche Problem zu vertuschen.

Man frage AfD-Wähler, ob eingebürgerte Deutsche die gleichen Rechte haben wie alteingesessene Deutsche. Manche werden möglicherweise antworten, sie fänden es zwar nicht ganz gerecht, aber es sei nun mal so, und die meisten werden sagen, eingebürgert ist eingebürgert, also gleiche Rechte.

Fragt man aber, ob zuviele Ausländer geduldet und eingebürgert werden, da wird man von AfD-Seite hören, ja, natürlich, viel zu viele.

Und das ist Steinmeiers Trick, er vermischt diese Fragen, er tut so, als sei die ablehnende Haltung in der zweiten Frage gleichzusetzen mit allgemeiner Ablehnung gegen eingebürgerte Ausländer, letztlich mit Ausländerhaß allgemein.

Sicher, auch ich habe rhetorische Mittel angewandt, "die halbe Welt" usw. ist eine für jeden erkennbare stilistische Übertreibung, mit der "untragbar viele, viel zu viele" gemeint ist, also ein korrekter Ausdruck für das, was einen großen Teil des deutschen Volkes bewegt. Ich verstecke damit nichts. Steinmeiers Rhetorik dient hingegen der Verschleierung und der Diskreditierung Andersdenkender.

Pegida und AfD möchten eigentlich gar nicht erst in die Verlegenheit kommen, viele neue muslimische Gotteshäuser bauen zu müssen, und deshalb richten sie sich gegen die Zunahme vor allem des muslimischen Migrationshintergrundes. Darum geht es in der täglichen Auseinandersetzung. Daraus kann man aber nicht ableiten, daß Pegida und AfD etwa gegen Religionsfreiheit seien. Das sind auch wieder zwei Seiten, die gern vermischt werden, um diese Vereinigungen in schlechtes Licht zu rücken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.08.2018 um 13.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39392

Die Rechenkünstler unter den Migrationskritikern (etwa Leserbriefschreiber bei welt.de) merken sich die Zahl der Zuwanderer, nehmen aber die Abwanderung nicht zur Kenntnis. Der Wanderungssaldo würde sie ja auch nur in ihrer genußreichen Schwarzmalerei stören.
(https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Wanderungen/Wanderungen.html)

Berichte der BA über Erfolge bei der Ausländerbeschäftigung glauben sie sowieso nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.08.2018 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39391

Eigentlich beschäftigen wir uns hier mit der Rhetorik der Leute, nicht mit ihren und unseren politischen Wünschen. Da haben Sie nun, lieber Herr Riemer, selbst ein schönes Stückchen Übertreibungsrhetorik geliefert ("halb Afrika" usw.). Dazu habe ich mich schon allgemein geäußert.

Was die Türken betrifft, so gab es ja mal, wenn Sie auch persönlich nicht so viel davon mitbekommen haben, die massenhafte Anwerbung von "Gastarbeitern". Die "Pflicht" Deutschlands war das gewiß nicht, und ob es notwendig war, wie die Wirtschaft meinte, sei dahingestellt.

Schön, wenn auch Pegida und AfD den eingebürgerten Muslimen die gleichen Rechte zugestehen, also auch das Recht zum Bau von Moscheen usw. (wenn auch sicherlich nicht die traditionellen Privilegien der Kirchen, das will ja praktisch niemand).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.08.2018 um 11.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39390

Steinmeier, 22.8.2018:
"Es gibt keine halben oder ganzen, keine Bio- oder Paßdeutschen. Es gibt keine Bürger erster oder zweiter Klasse."

Natürlich ist es so, wer bezweifelt das? Es ist unredlich von Steinmeier, ein Scheinproblem aufzubauen und dem politischen Gegner zu unterstellen, daran schuld zu sein. Es gibt einzelne, die Eingebürgerten ihre Rechte mißgönnen, aber das ist doch nicht das Thema, weswegen Pegida-Anhänger, AfD-Wähler und viele andere aufbegehren. Wer einmal eingebürgert ist, hat die gleichen Rechte wie jeder Deutsche, das weiß jeder, auch von Pegida und AfD, selbstverständlich.

Was Steinmeier aber absichtlich verschweigt, um was er sich mit solchen Reden immer wieder herummogelt: Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit, keine Pflicht für Deutschland, die halbe Türkei, den halben Nahen Osten und Halbafrika hierherzuholen und sie irgendwann einzubürgern. Die Masseneinwanderung fremder Kulturen, vor allem des Islam, die zügellose Einbürgerung fremder Nationalitäten muß aufhören. Genau das ist es doch, was Deutschland heute spaltet, was den Menschen Sorgen macht, was die etablierten Parteien ständig mehr Wähler kostet. Darüber hätte er reden sollen.

Nicht über irgendwelche Selbstverständlichkeiten, die er den meisten Protestierern nur andichtet um sie wieder einmal zu diskreditieren.

Und daß viele der Eingebürgerten ihren alten Paß als Hintertürchen behalten dürfen, macht tatsächlich eher die "Biodeutschen" zu Bürgern zweiter Klasse, nicht umgekehrt, wie Steinmeier es meint.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2018 um 06.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39388

Abgesehen von anderen Versäumnissen (Domain-Sicherung) hat der gedankliche Minimalismus die CSU auf einen recht riskanten Wahlslogan gebracht: Söder macht’s. Er enthält eine Leerstelle mit pronominalem Dummy, die bei Bedarf zuungunsten des Beworbenen gefüllt werden kann. Die SPD hat die Gelegenheit dankbar ergriffen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2018 um 06.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39386

Das „Rechtsempfinden der Bevölkerung“ wird nur deshalb ausdrücklich aus der Rechtsprechung ferngehalten, weil es an das „gesunde Volksempfinden“ der nationalsozialistischen Willkürherrschaft erinnert. In Wirklichkeit ist die Rechtsprechung durch den Wortlaut der Gesetze nicht hinreichend bestimmt, sondern greift immer wieder auf zwei Gruppenleistungen zurück: die „herrschende Meinung/herrschende Lehre“ der Berufsgenossen und allgemeine „Billigkeits“-Vorstellungen des Volks.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.08.2018 um 11.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39353

"Seit dem Einsatzstart der bayerischen Grenzpolizei wurde an die Bundespolizei ein unerlaubt Eingereister übergeben", teilte die Sprecherin der Bundespolizei dem stern mit.  (stern.de 17.8.18)

Dafür hat sich der Einsatz von Söders 500 Mann schon gelohnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2018 um 06.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39329

Man hat errechnet, daß der Pflichtdienst 13 Mrd. kosten würde, falls die Dienstpflichtigen den Mindestlohn bekommen. Letzteres ist aber nicht zwingend, weil die Dienstpflicht kein Arbeitsverhältnis begründet, das vielmehr Freiwilligkeit voraussetzt. Die Alternative wäre also ein Taschengeld, auszuzahlen an eine Generation junger Menschen, die auf etwas ganz anderes brennen, aber für ein Jahr ausgebremst werden, um ein Gespür für das zu gewinnen, was die Gesellschaft zusammenhält.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2018 um 05.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39326

"Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird letztlich davon bestimmt werden, ob die Armee langsam dahinschwindet oder erhalten bleibt."

Das scheint mir nicht zu sicher, obwohl es rational wäre – zu rational. Politiker entscheiden aber vieles nach ganz anderen Gesichtspunkten (Gender mainstreaming, Rechtschreibreform, Fernsehgebühren...).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.08.2018 um 22.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39321

Ja, über Gemeinschaft und Zusammenhalt läßt sich sicher trefflich diskutieren, über Für und Wider der moralischen Seite der Wehrpflicht, dabei auch etwas über Geschlechtergerechtigkeit, und hochqualifizierte Profis sind natürlich wünschenswerter als ständig wechselnde Kurzdienende. Aber all das funktioniert doch nur, solange genug geeignete Freiwillige da sind. Wo will man denn die Profis hernehmen, wenn den Job keiner machen will? Da bleibt zum Schluß nichts anderes übrig als die Wehrpflicht.

Mit einer Armee von 100 Profis (ein bißchen überspitzt gesagt) läßt sich auch kein Krieg gewinnen.
Und umgekehrt, falls doch genug Freiwillige kommen, also genug hochqualifizierte Berufssoldaten, ist die Diskussion über Wehrpflicht genauso überflüssig, dann ist sie natürlich unnötig.

Dieser Teil der Diskussion ist deswegen der kleinere, weil es, wie ich schon sagte, darüber eigentlich gar nichts zu diskutieren gibt. Die Hauptdiskussion über Gemeinschaft und Zusammenhalt der Gesellschaft usw. ist dagegen eine Scheindebatte, weil sie gar nichts entscheidet. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird letztlich davon bestimmt werden, ob die Armee langsam dahinschwindet oder erhalten bleibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2018 um 19.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39319

Die traditionell SED-freundliche ZEIT wirbt jetzt für eine Koalition der CDU mit der Linken, die kaum noch etwas mit der SED gemein habe (Katharina Schuler, Jahrgang 1971). Die FAZ sähe gern eine Koalition mit der AfD (v. Altenbockum). Zwar wirft man Merkel Prinzipienreiterei vor, aber wenn sie eine der beiden Möglichkeiten anginge, wäre sofort der Vorwurf da, für den Machterhalt sei sie aber wirklich zu allem bereit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2018 um 19.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39318

Das ist aber nur ein Teil, und zwar der kleinere. Da hat man geltend gemacht, daß eine Armee heute eher hochqualifizierte Profis als ständig wechselnde kurzdienende Wehrpflichtige braucht. Darüber wird aber mit Recht nicht viel diskutiert. Ich habe in meinen letzten Beiträgen die andere Seite hervorgehoben, die Ideologie der Gemeinschaft und des "Zusammenhalts", womit sich die meisten Kommentare befassen. Da scheiden sich in meinen Augen die Schafe von den Böcken.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.08.2018 um 17.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39317

Soll die Wehrpflicht wieder eingeführt werden?
Ich frage mich, was es da zu diskutieren gibt. Es geht doch nicht darum, ob wir die Wehrpflicht gut oder schlecht finden, es ist keine Geschmacksfrage, sondern einzig und allein eine Frage der Notwendigkeit.

Unstrittig ist ja wohl, daß wir Soldaten zur Landesverteidigung brauchen. Wenn nun die letzten Jahre ohne Wehrpflicht zeigen, daß es genügend geeignete Freiwillige gibt, dann beweist das, daß wir keine Wehrpflicht brauchen. Wenn es aber nicht genug gut genug qualifizierte Freiwillige gibt, beweist das das Gegenteil. Wenn man es noch nicht genau sagen kann, mag der letzte Status noch eine Weile beibehalten werden, bis man es besser weiß. Aber was in aller Welt gibt es zu diskutieren? Es geht einzig und allein um Fakten und um eine Regierung, die nicht schwätzt, sondern handelt, wenn es notwendig ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2018 um 15.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39316

Das schöne Gemeinschaftserlebnis besteht für viele darin, Tag und Nacht mit anderen zusammenleben zu müssen, deren Redeweisen, Gesprächsthemen, Musikgeschmack, Medienkonsum usw. ihnen fremd und oft zuwider sind. Auch das verstärkt auf seine Weise das Gespür dafür, was die Gesellschaft in Wirklichkeit zusammenhält.

In der Parole „Vom Ich zum Wir“ (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22948 ff.) treffen sich die Kollektivisten von rechts und links. Im politischen Teil der FAZ und anderer Zeitungen hegt man viel Sympathie, während der Wirtschaftsteil (in der FAS eher noch deutlicher) strikt die Gegenposition vertritt, also den Liberalismus. In der ZEIT schreibt ein Ferdinand Otto: „Gegen das Zerfasern: Soll die Wehrpflicht wieder eingeführt werden? Oder ein verpflichtendes soziales Jahr? Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wäre beides sicher gut.“
Dieser angeblich gefährdete „gesellschaftliche Zusammenhalt“, das drohende „Zerfasern“, wird in vielen Variationen unendlich oft beschworen. Manche schützen auch Besorgnis vor, weil junge Erwachsene nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2018 um 05.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39314

Als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, verschwand einer der letzten verbliebenen Orte, an denen sich ein – überwiegend männlicher – Querschnitt der Gesellschaft traf. Arbeiterkind und Professorensohn, Gymnasiast und Hauptschüler, sie alle rückten in die Kaserne ein. Das hat das Gespür dafür, was eine Gesellschaft zusammenhält, verstärkt. (FAZ 13.8.18)

Der Verfasserin fehlt ein Gespür dafür, daß solche Sätze erstens präzisiert und zweitens bewiesen werden müßten. Im Wirtschaftsteil der FAS gestern wurde übrigens die Sinnlosigkeit eines „Bundesarbeitsdienstes“ dargelegt, mit naheliegendem Spott über das Gerede vom „gesellschaftlichen Zusammenhalt“, dessen Erosion auch immer nur (und seit Beginn der Menschheit) behauptet und nicht bewiesen werde.

Warum sollte ich, wenn ich zwangsweise mit Menschen zusammengesperrt bin, die ich mir nicht ausgesucht habe und unter denen ich nur zufällig ein paar mir sympathische finde, ein Gespür für gesellschaftlichen Zusammenhalt entwickeln? Da gibt es doch viele weit bessere Möglichkeiten. Auch dürfte es seinen Grund haben, daß dieses geheimnisvolle "Gespür" nie genauer bestimmt wird, ebenso wie "das, was den Zusammenhalt ausmacht". Was macht ihn denn aus?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.08.2018 um 03.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39297

Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, warb im Spiegel erneut für ein Pflichtjahr: "In einer Gesellschaft, in der es immer mehr um das Ich geht, kann es auch ein Jahr lang mehr als bisher um das Wir gehen". (zeit.de 11.8.18)

Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#22948 ff.

Das bleibt sich immer gleich, und eine Mehrheit findet es gut. Ab und zu spricht jemand den Nebengedanken aus, daß dann auch alle jungen Migranten diskriminierungsfrei herangezogen werden könnten.

Aus der Dienstpflicht wird wohl nichts werden, aber aus den falschen Gründen (Finanzierung).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2018 um 11.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39288

Das Sommerlochthema Dienstpflicht soll kein Sommerlochthema sein, sondern eine überfällige Diskussion anstoßen. So wird es aber nicht kommen. Nicht einmal Kramp-Karrenbauer glaubt daran.

Es gibt viele Menschen, die ihre Mitbürger mit außerrechtlichen Begriffen auf Übereinstimmung festlegen wollen, auf eine Leitkultur, ein permanentes Bekenntnis zur Gemeinschaft, „Identifikation mit diesem Land“, jüdisch-christlich-humanistische Werte usw. – kurzum, dem Staat als Rechtsgemeinschaft eine Gesellschaft als Gesinnungsgemeinschaft entgegen- oder zur Seite zu stellen. Es soll nicht genügen, daß jeder sich an die Gesetze hält und im übrigen mehr oder weniger unauffällig seinem „Streben nach Glück“ folgt.

Reinhard Müller (FAZ 8.8.18) bleibt bemerkenswert vage: „Gut, dass danach gefragt wird, was dieses Land ausmacht und was jeder dafür zu tun bereit ist.“ – Die Meinungen darüber, was dieses Land „ausmacht“, dürften so zahlreich sein wie die Menschen. (Wann macht etwas etwas aus?)

Das Grundgesetz sieht Dienstverpflichtungen nur für den Verteidigungsfall und Katastrophen vor: Bundeswehr, Feuerwehr.
„Die Republik, die öffentliche Sache, gewährt dem Bürger einen Raum der Freiheit und des Rechts. Diesen Raum muss jeder Einzelne aber auch selbst sichern. Er muss sich engagieren, gerade für ein freiheitliches Gemeinwesen, das nicht durch Gewalt zusammengehalten wird.“ (Dann wird Scharnhorst zitiert; fehlt nur noch das Militär als Schule der Nation.)
Woher der Gedanke, daß jeder Bürger sich die Bürgerrechte noch besonders verdienen muß? Es trägt nichts bei, daß Müller den eigentlich schon viel genauer definierten Begriff „Republik“ etymologisierend als „öffentliche Sache“ verfremdet. In Deutschland ist die Angst vor der „schrankenlosen Freiheit“ besonders ausgeprägt: Wo kommen wir hin, wenn jeder tut (und glaubt...), was er will? Nur bei uns kann man mit „Freiheit nicht nur von... sondern auch zu...“ Eindruck machen.

Müller erwähnt andere, ohne weiteres hingenommene Freiheitsbeschränkungen: der Staat kenne „immerhin – anders als andere – eine allgemeine Schulpflicht“. (Welche anderen Staaten haben keine Unterrichtspflicht?) Das übergeht den wesentlichen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen. Mit dem Erreichen der Mündigkeit sollte definitionsgemäß die Erziehungbedürftigkeit enden. Und will man wirklich das durch G8 gewonnene Jahr dafür nutzen, junge Leute zu einem Zwangsdienst heranzuziehen?
Man lobt dessen Beitrag zur „Persönlichkeitsentwicklung“. Müller gibt zu, daß viele junge Männer beim Bund „Gammeldienst“ erfahren hätten, viele berichteten aber auch über „positive Gemeinschaftserlebnisse“. Dafür gibt es allerdings Pfadfinder, Sportvereine und viele andere Einrichtungen und Gelegenheiten.
In Erlangen berichtet die Zeitung: Umgehört in Erlangen: „Disziplin und Ordnung schadet nicht“. Auch hier also der Erziehungsgedanke, nicht irgendwelche dringlichen Gemeinschaftsaufgaben.
Mit einigem Abstand wird der Pflegedienst erwähnt, der tatsächlich unter Personalmangel leidet, allerdings vor allem wegen der schlechten Bezahlung. Die Wohlfahrtsverbände winken denn auch ab: Sie wollen keine Dienstverpflichteten beschäftigen, sondern motivierte Fachkräfte. Und warum sollte Pflege nicht ein ordentlich bezahlter Beruf wie andere sein? Es haftet immer noch etwas von Nächstenliebe, Siechenhaus, Gemeindeschwester daran.

Interessant sind die unausgesprochenen Prämissen:

Wer seinem Beruf nachgeht, Steuern zahlt, seine Familie versorgt usw., dient nicht dem „Gemeinwohl“. Aber haben Adam Smith, Mandeville und andere uns nicht gezeigt, daß der Bäcker, der seiner gewinnorientierten Erwerbstätigkeit nachgeht, sehr wohl dem Gemeinwohl dient?

Junge Erwachsene haben ein Sinndefizit. Der Staat muß ihnen etwas bieten (früher tat das die Kirche).

Am Schluß seines Leitartikels wird Müller frivol, wenn er über den sonst von der FAZ so geliebten Christian Lindner sagt: „Und der FDP-Vorsitzende mag sich trösten: Wenn man sie denn für systemrelevant hält, könnte man dem Gemeinwohl auch bei notleidenden politischen Parteien, Automobilkonzernen oder Banken dienen.“ Das pathetische Geschwätz scheint also nicht so ernst gemeint gewesen zu sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2018 um 17.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39280

Wolfssohns Versuch, Wagenknecht aus dem Wort "Bewegung" einen Strick zu drehen und ihre Anhänger vorsorglich als "Mit- und Nachläufer" verächtlich zu machen, wirkt auf mich als neutralen Beobachter ziemlich kläglich. – Wen juckt es heute noch, daß die Nazis gern von ihrer "Bewegung" sprachen? Was soll man von den vielen "Bürgerbewegungen" halten?

Wenn die Linke sich ärgert – um so besser für die neue "Sammlungsbewegung", die sicher DDR-Ballast abwerfen muß, um auch im Westen zur Volkspartei zu werden. Aber die SPD hat noch mehr Grund zur Sorge, programmatisch und personell ausgeblichen, wie sie nun mal ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2018 um 03.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39274

Wagenknechts linke Sammlung kam mir sofort als geniale Erfindung vor. Die FAZ (!) hat fast gleichzeitig zwei ganzseitige Artikel veröffentlicht, die so etwas ähnliches forderten und begründeten.

Neben der endgültigen Befreiung vom SED-Mief enthält das vage Programm manche geschickte Formulierung.

Wagenknecht kleidet die Forderung nach einer Begrenzung der Migration („grenzenlose Willkommenskultur“) in die Formel, die Migranten brächten als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt die sozial Schwachen in Bedrängnis. So wird die Ausländerabwehr mit einer ideologisch unverdächtigen Begründung versehen und für viele akzeptabel, die nicht AfD wählen wollen. Das alarmiert auch die Konservativen.

Bei Wagenknecht klingt das dann so: ”‘Aufstehen’ ist eine Bewegung für ein gerechtes Land.” Eine “Bewegung”, hinter der die Politikerin eine Mehrheit versammeln will. 
Bei Historiker Michael Wolffsohn klingeln da “alle Alarmglocken”. Er sagt der “Bild”: “Die Nazis legten seinerzeit auch Wert darauf, keine herkömmliche Partei zu sein, sondern "Bewegung". Wissen das Wagenknecht und ihre Mit- plus Nachläufer nicht?”
(Huffpost)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2018 um 12.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39271

Der hier schon mehrmals erwähnte Kreol-Forscher John McWhorter über Trumps Redeweise und ihren Wandel:

https://www.nytimes.com/interactive/2018/02/06/opinion/trump-speech-mental-capacity.html

s. a. http://www.slate.com/articles/podcasts/lexicon_valley.html?via=gdpr-consent
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2018 um 09.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39270

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38928

Wagenknechts linke Sammlung ruft bei der SPD Unruhe hervor.

Der Chef der SPD in Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, schrieb auf Twitter: "Die linke Sammlungsbewegung in Deutschland ist seit 1863 die #SPD. Wer mitmachen möchte, kann eintreten." (n-tv)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2018 um 06.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39214

Der seit Marx vielgeschmähte "Kleinbürger" und das "Kleinbürgerliche" sind oft besprochen worden, auch sprachkritisch. Es sind nach wie vor außerordentlich beliebte Schimpfwörter, im soziologisch-analytischen Mäntelchen natürlich. Aber was ist das eigentlich? Kleinbürger sind immer die anderen, das ist schon mal verdächtig. Mir ist jedenfalls niemand bekannt, der sich selbst als Kleinbürger bezeichnet hätte. Der Kleinbürger hat Hitler an die Macht gebracht, und er ist überhaupt in aller Unschuld (Opfer und Täter, Sie wissen schon) ein mieser Typ.
Texte, die sich über den Kleinbürger erheben, lese ich meistens nicht weiter. Das Ressentiment pflegt sich auszubreiten, beim Kleinbürger bleibt es nicht; die Arroganz des Durchblickers liegt wie ein Grauschleier drüber.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.07.2018 um 04.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39188

"Deutschland wird Deutschland bleiben, mit allem was uns lieb und teuer ist." (Merkel)

Die Formel, unter der sich jeder etwas anderes vorstellen kann und soll, wird gern von Unheilspropheten verwendet. Sie beschwören den Untergang von allem, was uns lieb und teuer ist, z. B. in der Migrantenflut.

Über Sieferle schreibt Nachlaßverwalter Kolb im Nachwort zu "Finis Germania":

Vermutlich hat er sich unter dem Eindruck der international von langer Hand geplanten und im Herbst 2015 von der deutschen Kanzlerin putschartig ausgelösten akuten Migrationskrise dem Text erneut zugewandt, auch wenn keine Eingriffe mehr erfolgten. Aus der intensiven Korrespondenz und den Gesprächen mit ihm geht wohlbegründet und klar hervor, daß wir nach seiner Überzeugung den Folgen einer demographischen Überwältigung der ethnisch-deutschen Bevölkerung zugunsten einer Multikulti-Gesellschaft und dem infantil-utopischen Finalkonstrukt einer »weltbürgerlichen Kollektivität« (K. O. Hondrich) entgegensehen und alles, was uns heute noch lieb und teuer ist, in absehbarer Zeit verschwunden sein wird.

Lustvolles Gruseln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.07.2018 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39130

I have an old friend from the Bronx who is a professional actor. I see him at very long intervals—10 years on the average. Invariably I come away confused. I don’t know if he’s really a nice guy or is just acting like a nice guy. (I’m not sure whether he knows either.) Having a conversation with a professional actor is like sparring with a professional boxer; they’re in absolute control. (Howard Rachlin, JEAB 87/2007:146)

Ähnlich ging es mir mit dem einzigen Schauspieler, den ich näher kennenlernte, Jaspar von Oertzen. (Dabei war an seinem politischen Engagement nicht zu zweifeln.) Das Professionelle als zweite (?) Natur, weit über die Artikulation hinaus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.07.2018 um 16.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#39034

„New York Times“-Journalist fordert Rücktritt von Angela Merkel (WELT 9.7.18)

Ach Gottchen, warum muß uns die WELT so erschrecken!

"In addition to his neoconservative foreign policy opinions, Stephens is known for being part of the right-wing opposition to Donald Trump, and for his contrarian views on climate change." (Wikipedia über Bret Stephens)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2018 um 04.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38928

Sahra Wagenknecht möchte den Zuzug von Migranten einschränken, weil dies zu Lasten der sozial Schwachen gehe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2018 um 10.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38908

Warum soll es "unverantwortlich" oder auch nur vorwerfbar sein, wenn Amazon Retouren und neuwertige Produkte vernichtet? Die Kunden werfen millionenmal so viele Gegenstände weg, die durchaus noch brauchbar sind, niemand wirft es ihnen vor.

Die Lebensmittelvernichtung habe ich schon erwähnt. In Kliniken zum Beispiel ist streng vorgeschrieben: Was einmal im Patientenzimmer war, darf nicht mehr verbraucht werden. Das gilt auch für geschlossene Fruchtjoghurtbecher und Dosen aller Art.

Selektive Aufgeregtheiten wie diese erinnern an die überbordende Tierliebe in Einzelfällen bei gleichzeitiger Massenschlachtung anderswo.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2018 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38899

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36137

Reinhard Müller ringt sich eine widerwillige Anerkennung Merkels ab, kann aber seine "Teflon"-Metapher wieder nicht unterdrücken. (FAZ 7.6.18) Er rechnet wohl nicht mit unserem Elefantengedächtnis.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2018 um 05.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38837

Nach einem bekannten Theorem (Forsthoff) sind gerade die allgemeinsten Interessen am schwersten organisierbar und leiden daher an Durchsetzungsschwäche (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=783#31108; http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1040#25139). Manche Probleme (Klimawandel, Biodiversität, Überalterung ...) sind so überwältigend und zugleich so wenig faßbar, daß die Journalisten sich oft in eine Witzelei retten, gleichsam ein irres Lachen am Rande des Abgrunds.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2018 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38814

Seine Armee tötete Hunderte US-Soldaten – Amerika-Feind gewinnt Irak-Wahl (BILD 20.5.18)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2018 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38811

Auf der Weltbühne sucht die Kanzlerin ihre letzte Rolle (Welt 20.5.18)

Das kann nur Robin Alexander sein, und er ist es denn auch. Die Leser stimmen ihm fast immer ausnahmslos zu, das macht seinem Herzen aber nicht bang. Sehr amüsant.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2018 um 05.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38802

Daß Demagogen (heute sagt man Populisten) einen Staat zugrunde richten, kommt immer wieder vor. Es ist nicht die Macht des Wortes allein, sondern dazu gehört ein entsprechend vorbereiteter Boden: "Die Juden sind unser Unglück" und ähnliche Visionen, also gewissermaßen an die Wand geschmierte Zeichen. Beliebt sind Übertreibungen, Extrapolationen wirklicher Probleme zu Weltuntergangsphantasien. Sie sind auch besonders gefährlich, weil sie meist einen wahren Kern haben. Besonnene Menschen machen sich an die Lösung des Problems, aber allzu viele ziehen es vor, erst mal alles (das ganze "System") kurz und klein zu schlagen.
Hierher gehören die Überfremdungs-Hochrechnungen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.05.2018 um 18.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38777

Natürlich ist es wirtschaftsschädigend, kein Geld beim Friseur auszugeben.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 16.05.2018 um 18.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38776

Inzwischen ist die Weidel-Aussage auch auf FAZ.net zu sehen – diesmal mit einem neuen Falschzitat garniert: "Burkas, Kopftuchmädchen und sonstige Taugenichtse". Eben auch Qualitätspresse.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2018 um 18.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38774

Ich hatte mir seit Sarrazin auch schon überlegt, wie Kopftuchmädchen zu beurteilen ist. Eigentlich harmlos, aber natürlich von gewissen Leuten in herabsetzender Absicht gebraucht (wie auch die anderen Ausdrücke in solchem Munde). Deren Ressentiments sind aber ohnehin klar, und sie sollen sie ruhig artikulieren. Gerade wer das Recht aufs Kopftuch fordert, sollte sich hier nicht aufregen.

Ich kenne etliche kopftuchtragende Mädchen und Frauen (Studentinnen aus muslimischen Ländern). Nach der Schule sieht man Kopftuchmädchen neben vielen anderen dunkelhaarigen Köpfen mit ihren eher fränkisch aussehenden Schulkameraden einherziehen, alle fröhlich plaudernd, so daß man sich nennenswerte Konflikte nicht vorstellen kann. In der Cafeteria sitzen jeden Tag Studentinnen beisammen, einige mit Kopftuch, das spielt in diesem Teil der Bevölkerung überhaupt keine Rolle.

Könnte Kopftuchmädchen den Weg von Neger gehen? Wenn es ständig als Ausdruck der Verachtung gebraucht wird? Das Verächtliche liegt ja u. a. darin, daß ein Mensch nach einem äußeren Merkmal klassifiziert wird, als sei sonst nichts Wesentliches von ihm zu sagen. Wir vermeiden auch Greis.

Jene Schüler sind offensichtlich bestens integriert, und dann kommt jemand und nennt sie Kopftuchmädchen, und ein anderer will sie aus ihrer Klasse herausnehmen und ihnen "Werteunterricht" verabreichen, als wären sie gerade von den Bäumen herabgestiegen. Die kopftuchtragenden Studentinnen sind nicht "aufgeklärt"? Da täuscht man sich aber gewaltig. Die blitzgescheite Iranerin, die Elektrotechnik studiert, kann darüber nur lachen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 16.05.2018 um 18.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38773

Inzwischen habe ich auf der Internetseite von FOCUS die Aussage von Frau Weidel und den Ordnungsruf im Video gesehen. Daraus geht klar hervor, dieser auf einem Falschzitat beruht. FOCUS wiederholt auch noch dieses Falschzitat. Qualitätspresse eben.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 16.05.2018 um 17.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38772

FAZ.net berichtet heute (16.05.2018) über die Haushaltsdebatte im Bundestag:

„Unterdessen rief Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel zur Ordnung. Weidel gebrauchte in ihrer Rede vor dem Bundestag die Formulierung „Kopftuchmädchen und sonstige Taugenichtse“, was Schäuble monierte. „Damit diskriminieren Sie alle Frauen, die ein Kopftuch tragen, dafür rufe ich Sie zur Ordnung“, fügte Schäuble unter Applaus des Plenums hinzu.“

Träfe dieser Bericht zu, so würde der Ordnungsruf Schäubles auf einem Fehlzitat, zumindest aber auf einer Überinterpretation beruhen, denn schon im nächsten Absatz wird zitiert, was Frau Weidel tatsächlich gesagt haben soll:

„Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern“.

Ob sich „sonstige Nichtsnutze“ auch auf „Kopftuchmädchen“ bezieht, läßt sich daraus aber nicht ableiten, zumal es sich keinesfalls auf „Burkas“ beziehen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2018 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38757

In einer Rezension der FAZ wird das neueste Buch von Michel Onfray verrissen. Onfray ist auch als Freud-Kritiker bekannt (es wird erwähnt), aber ich fand sein Buch "Anti Freud. Die Psychoanalyse wird entzaubert" damals schon uninteressant, weil es bloß die längst vorliegenden Befunde referiert und kommentiert, ohne auf der Höhe der Forschung zu sein.
Sein neues Buch paßt zu einem Gespräch, dessen unfreiwilliger Zeuge ich gestern im Wartezimmer wurde. Ein ältere Frau schlichten Gemüts redete auf einen noch älteren Mann ein, der sich mir später als Bauernsohn aus dem Nachbardorf vorstellte. Sie hielt eine apokalyptische Predigt über die Zuwanderung, die Übervölkerung der Erde, die Umweltzerstörung, das Ende der Arbeit wg. Digitalisierung usw. - der Weltuntergang in zehn Minuten. Was mich am meisten beeindruckte, war die ungeheure Beredsamkeit, keine Sekunde ums Wort verlegen; das hätte sich kein Dramatiker besser ausdenken können. Der Zuhörer beschränkte sich auf gutmütiges Nicken und einzelne Murmellaute.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2018 um 12.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38697

Eine Konfrontation mit Iran wegen dessen Militärpräsenz in Syrien sollte nach Ansicht des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu "besser jetzt als später" erfolgen. Netanjahu sagte am Sonntag zu Beginn der Kabinettssitzung in Jerusalem: "Wir sind fest entschlossen, die iranische Aggression noch in den Anfängen zu stoppen, auch wenn dies mit einem Kampf verbunden ist." Israel wolle keine Eskalation, sei aber auf jedes Szenario vorbereitet. (7.5.18)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2018 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38694

Korrigiert ist ein offensichtlicher Tippfehler; ich hätte es nicht erwähnen müssen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.05.2018 um 11.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38693

Was ist hier korrigiert? Statt that sollte es wohl what heißen.

Hat Platon überhaupt eine Bezeichnung für seine Schriften? Es fehlen die nötigen Paratexte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2018 um 09.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38692

Auch ganz interessant:

Dialogos is never used by Plato as a name for his genre. There is no passage in his corpus where dialogos or dialegesthai needs to mean anything more formal or technical than conversation among friends.

The dialogues emerged at a time of unprecedented expansion in writing prose, that is, a time when new forms of un-poetic speech were thought worth preserving. This shift began in the fifth century and is illustrated by contrasting Herodotus’ presentation of his history as an apodeixis, a long oral performance, with Thucydides’ pointed rejection of “display pieces designed to win competitions” (1.22) in favor of the “possession for all time” that he had “written” (1.1). It is well to recall that Thucydides could have been writing not much earlier than our first Socratics.

Writing the defense speech for the most unexpected loser in court history has something in common with Gorgias’ defense of Helen or Palamedes. (Andrew Ford https://www.princeton.edu/~pswpc/pdfs/ford/090604.pdf; korrigiert)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2018 um 08.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38642

Vielen imponiert Trump als "Macher". Mag er auch etwas Falsches machen, er macht es wenigstens. Das scheint etwas Gutes zu sein. Umgekehrt machen manche nicht mit, sondern "stehen abseits", das ist schlecht.

Kann man Trump "konsequent" nennen, wenn er möglicherweise gar nicht weiß, was seine Maßnahmen bedeuten?

„Schutz der heimischen Wirtschaft“ – viele Menschen glauben daran und gehen für die Interessen der Unternehmer und gegen ihre eigenen als Verbraucher und Steuerzahler auf die Straße. Das ist auch bemerkenswert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2018 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38637

Mit Trump und Merkel treffen zwei Welten aufeinander. Die eine tut bescheiden, ihre Politik aber brachte Antisemitismus ins Land, Terror, Messergewalt, Vergewaltigungen und Mord bis hin zur Enthauptung. Der andere lebt in Saus, Braus und goldenem Kitsch, kämpft aber für die Sicherheit des Volkes, hat die Arbeitslosigkeit gesenkt, besonders unter Schwarzen (einer unter Obama vernachlässigten Gruppe), was sogar seine politischen Gegner wie z.B. CNN anerkennen. Er hat positive Bewegung in die Korea-Spannungen gebracht, und er kämpft gegen unvorstellbare Widerstände darum, sein Land nach Süden hin abzusichern. (Dushan Wegner, Achse des Guten 30.4.18)

Usw. – Bei „Achse des Guten“, „Tichys Einblick“ usw. bleibt man weitgehend unter sich, daher das Exzessive solcher Tiraden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.04.2018 um 05.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38616

Warum sollte Jens Spahn einen Monat lang wie ein Hartz-IV-Empfänger leben? Dieses Ansinnen zeugt von einem primitiven Verständnis von Politik, um es milde auszudrücken. Aber mediengerecht wie die Aufbereitung von Einzelfällen von Anzuschiebenden usw.

Man wundert sich ja auch, wie schnell und leicht Grundsätze und Regeln über Bord gehen, wo es menschelt und frömmelt. Bei der Verteidigung des Rechtsstaates kann man sich aufs Volk nicht unbedingt verlassen. Die Lektüre von Leserzuschriften stimmt einen besonders schwermütig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.04.2018 um 04.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38573

Kim befreit sich aus der Isolation

Das kann man auch andersherum sehen. Schon vor Jahren haben Einsichtige verlangt, Kim nicht zu dämonisieren, sondern ihm Sicherheitsgarantien anzubieten – für sein Land und für sein Regime. Anders könne man den Unruheherd nicht entschärfen. Wenn sich nun so etwas anbahnt, könnte man die Regierung Trump loben, auch wenn sie vielleicht aus anderen Gründen zum selben Ergebnis kommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2018 um 18.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38534

Trump hat vor dem Raketenangriff dargelegt, daß er nur spielen und keinesfalls die Russen ärgern wolle, die er damit als eigentliche Schutzmacht Syriens anerkennt. Er wollte sich ja auch so schnell ganz aus Syrien zurückziehen, daß nur seine Generäle ihn mühsam von fluchtartigem Abzug abhalten konnten. Die „anderen“, die es machen sollen, freuen sich natürlich sehr darüber. – Auch im Handel rund um den Pazifik überläßt er „anderen“ das Feld, also China, wo ja auch der Begriff des Papiertigers erfunden wurde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2018 um 05.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38491

Zur verworrenen Lage paßt die Sprache:

Die Angriffe seien eine Vergeltung für den Einsatz chemischer Waffen durch die syrische Regierung unter Baschar al-Assad gegen das eigene Volk, erklärte US-Präsident Donald Trump am Freitagabend im Weißen Haus. (tagesschau.de 14.4.18)

Ist „Vergeltung“ eigentlich der richtige Ausdruck? Hat das syrische Volk die USA um Hilfe gebeten? Befinden sich die USA, Großbritannien, Frankreich im Krieg gegen Syrien? Allgemein wird von „Angriff auf Syrien“ gesprochen, obwohl es sich um ein Eingreifen in einen Bürgerkrieg handelt. Jedenfalls kämpft das Gute gegen das Böse:

"Was für eine Nation will mit dem Massenmord an unschuldigen Männern, Frauen und Kindern in Verbindung gebracht werden?", so Trump. (...)

"Dies sind nicht die Taten eines Menschen", sagte Trump. "Es sind die Verbrechen eines Monsters."


Darum ist auch wieder von amerikanischen "Präzisionsschlägen" die Rede wie seinerzeit in der eingebetteten Berichterstattung zum Irakkrieg.

Allerdings wird das Monster weiterregieren, daran zweifelt auch in Amerika niemand.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.04.2018 um 07.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38483

Get ready, Russia (Trump)

Warum kneift Deutschland mal wieder? (Welt 11.4.18)

Der Einsatz von Chemiewaffen ist ein Zivilisationsbruch. (Badische Zeitung 11.4.18)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.03.2018 um 07.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38368

Man muß nicht "prorussisch" sein – wie es Verheugen nachgesagt wird –, um die Beweislage im Fall Skripals zu kritisieren. Es gibt ein Mißverhältnis zu den schwerwiegenden Vergeltungsmaßnahmen. Die Presse verhält sich erstaunlich eingebettet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.03.2018 um 04.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38361

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33227

„Deutsches Steuergeld fließt an ein amerikanisches Autounternehmen, das Luxuswagen herstellt. Das ist der neuste Hinweis darauf, dass die Kaufprämie für Elektroautos ein Flop ist. Die Elektroautoprämie ist ein Förderwerkzeug für Reiche.“ (FAZ 29.3.18)

(Tesla hat jetzt wieder sein „Topmodell“ für unter 60.000 Euro, so daß die Kaufprämie gewährt wird. Nur die schwache deutsche Nachfrage verhindert, daß 600 Mill. ausgegeben werden, wie seinerzeit von Gabriel geplant. Im Flop liegt die Hoffnung.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2018 um 09.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38354

Für die russische Urheberschaft am Giftgasanschlag scheint es keinen Beweis zu geben. Ich habe mehrmals gelesen: "Wer soll es denn sonst gewesen sein?"
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2018 um 11.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38322

Heimat ist ja was Schönes, wenn man eine hat, aber was geht es die Politik an? Dann liest man, es geht u.a. um die Breitbandverkabelung des ländlichen Raumes. Ach so!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.03.2018 um 04.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38257

Zugrunde liegt dieser Überhöhung der Sprache die Überzeugung ihre Wirkmächtigkeit. Bevor man die indische Weisheit als exotisch abtut, sollte man sich erinnern, daß unser vielberufenes "christlich-jüdisches Abendland" eine sehr ähnliche Wort-Verherrlichung kennt, am Anfang des AT und des Johannes-Evangeliums und dann durch die gesamte christliche Lehre und Liturgie hindurch. Das sollte uns also vertraut sein.

In Indien kommt die Trennung von sakraler und weltlicher Sprache hinzu. Patanjali sagt gleich zu Beginn seines Panini-Kommentars ausdrücklich, daß die Grammatik für beide Sprachformen gelte. Aber die o. g. Wirksamkeit ist von Anfang an die Macht der Sprache im Opferritual. Sie bezwingt sogar die Götter, sozusagen in einer Super-Konsekration. (Auch die Kasuslehre Paninis bezieht sich stillschweigend auf die Rollenverteilung im vedischen Opfer, wie bereits referiert.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.03.2018 um 03.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38256

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38232

Die indische Überhöhung der Sprache faßt M. Deshpande gut zusammen:

From being a created but divine entity, the speech rises to the heights of being a divinity in her own right and eventually to becoming the substratum of the existence of the whole universe. The deification of speech is seen in hymn 10.125 of the Ṛgveda where the Goddess of Speech sings her own glory. In this hymn, one no longer hears of the creation of the speech, but one begins to see the speech as a primordial divinity that creates and controls other gods, sages, and the human beings.
(https://plato.stanford.edu/entries/language-india/)

Die Vergöttlichung der (sakralen) Sprache bedeutet natürlich zugleich eine unermeßliche Erhöhung des Priesterstandes, der sie verwaltet. Das steckt auch in der Bezeichnung der "Brahmanen". Näheres a.a.O.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.03.2018 um 10.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38233

Geert Keil hat die Grundfrage schon recht gut formuliert:

„Wie läßt sich eigentlich das Phänomen der Sprache, das über die Natur hinauszuragen scheint, in einer naturalistischen Philosophie unterbringen?“

(Er meint natürlich die Sprache und nicht deren "Phänomen".)

Aber er ist nicht der Mannn sie zu beantworten, weil er seine mentalistischen Grundbegriffe schon so anlegt, daß er tatsächlich nur zu einer "Kritik des Naturalismus" kommen kann. Die vielen richtigen Beobachtungen lohnen aber die Lektüre seiner Schriften.

Kritik des Naturalismus. Berlin, New York 1993.
Handeln und Verursachen. Frankfurt 2000 (schwächer).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.03.2018 um 09.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38232

Die Sprache selbst ist von verschiedenen Menschen zu verschiedenen Zeiten als so mächtig empfunden worden, daß sie sie geradezu vergöttlicht haben. Über den griechischen Logos ist ja mehr als genug geschrieben worden. Aber auch in Indien ist seit vedischer Zeit die Vâk (Stimme, Sprache...) verherrlicht und zur Göttin erhoben worden. Dieser Hochschätzung, die natürlich mit der Heiligkeit des Veda zusammenhängt, verdanken wir die einzigartige Leistung der indischen Nationalgrammatik und Sprachphilosophie.
Weltlicher, aber immer noch begeistert dann die Rhetorik, deren Mitbegründer Gorgias die Macht des Wortes feiert (und vorführt: Verteidigung der Helena).

Sogar die Konzentration der modernen Philosophie auf die Sprache (linguistic turn) zeigt noch, daß die Menschen mit dem "Wunder der Sprache" nicht fertig geworden sind. Die "Philosophie des Geistes" ist im Grunde eine Philosophie der Sprache, und die Frage nach dem Ursprung der Sprache beschäftigt mehr Wissenschaftler als je zuvor.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.03.2018 um 05.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38228

Das GG ist – wie das Gesetzeskorpus überhaupt – ein nüchterner Text, es kennt nicht einmal Kirchen. Viele versuchen aber, mit außerrechtlichen Begriffen wie Leitkultur, Werte, werdendes Leben usw. zusätzlich die Freiheitsrechte inoffiziell einzuschränken zugunsten einer homogenen Gesellschaft. Das rhetorische Gewicht ist beträchtlich, schon weil die notwendige Abstraktheit des Rechtsstaates für viele nichts Anziehendes hat.

Er ist ja auch etwas Neues in der Menschheitsgeschichte. Für die meisten Menschen ist es immer nur darauf angekommen, sich mit dem Sippenoberhaupt, dem Gutsherrn, dem Parteisekretär usw., also dem nächsthöheren Inhaber der Macht, gut zu stellen. So liest man es in der Literatur aller Völker und Zeiten, und so wurde es als gut und richtig empfunden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.03.2018 um 06.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38172

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37573

Eine weitere Leerformel ist:

Ein Neuaufguß des Alten genügt nicht.

Man kann nur zustimmen, ganz gleich, worauf es sich bezieht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.03.2018 um 06.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38171

In der heutigen FAZ zeigt Paul Kirchhof, wie der Mitgliederentscheid der SPD die parlamentarische Demokratie untergräbt: Sonderstimmrecht für einen zweifelhaft zusammengesetzten Kreis von teilweise nicht einmal wahlberechtigten Parteimitgliedern.
Diesmal muß ich Kirchhof recht geben.
Auch die SPD-Abgeordneten sind vom Volk gewählt und können ihre daraus erwachsende Pflicht nicht delegieren. Die Wähler haben die SPD so gewählt, wie sie sich zur Wahl gestellt hat. Nachträgliche Änderungen durch einen Mitgliederentscheid bedeuten, daß sie die Katze im Sack gekauft haben. Der Mitgliederentscheid macht die bereits gewählten Abgeordneten vom imperativen Mandat einer kleinen Gruppe abhängig. Das ist verfassungswidrig. Das Ganze wird zu Unrecht als besonders demokratisch gefeiert. Zum Glück ist es noch mal gutgegangen, wenn man so will. Es hätte aber auch anders kommen können, alles nur wegen dieser unbesonnenen und feigen Aktion.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.03.2018 um 08.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38155

Als harmloser, politisch naiver Beobachter glaube ich gerade eine bedeutende Veränderung festzustellen: Spahn und Seehofer sprechen, jeder auf seine Weise, Selbstverständlichkeiten aus, die man bisher aus Gründen der PC nicht aussprechen durfte, ohne gleich zurücktreten zu müssen. Die beiden werden aber nicht zurücktreten.
Das ist schlecht für die AfD. Viele verlorene Schafe könnten in den Stall der Union zurückkehren.
Dieser Effekt könnte die Unterrepräsentiertheit der Union im Kabinett aufwiegen.

Nur so eine Idee.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 09.03.2018 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38102

Der „Krieg gegen das eigene Volk“ gehört zu den rhetorischen Floskeln aktueller Empörungsrituale. So soll die Bundeskanzlerin im Zusammenhang mit der Bombardierung der östlichen Ghouta von einem „Feldzug gegen das eigene Volk“ gesprochen haben.

Schon Gaddafi war ja seinerzeit vorgeworfen worden, „das eigene Volk zu bombardieren“. Kurz darauf haben unsere Verbündeten das libysche Volk bombardiert.

Die Parteien eines Bürgerkrieges bekämpfen sich nun einmal gegenseitig, somit auch das eigene Volk. Im Fall Syrien handelt es sich allerdings kaum noch um einen Bürgerkrieg. Wer dort wen alles bekämpft, ist kaum zu durchschauen.

N.B. Meines Erachtens muß es „die Ghouta“ und nicht „Ghouta“ heißen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.03.2018 um 06.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#38062

Bayern will nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von einer möglichen Klage gegen die sogenannte Ehe für alle abrücken.

Nur ein Beispiel von vielen. Wenn ein Thema vor einigen Jahren, also gefühlt im Mittelalter, erledigt ist und nur noch in randständigen Konventikeln jemanden aufregt, dann sollte man es in der Tat nicht weiter beackern. Überhaupt wundert man sich angesichts wirklicher Probleme, womit die Öffentlichkeit beschäftigt wird: Gendern der Nationalhymne, Reihenfolge der Abfertigung bei privaten Wohltätigkeitsveranstaltungen, Tiefe des Dekolletés von TV-Prominenten usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.03.2018 um 08.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37999

Die Welt kommentiert gewohnt geistreich, Merkel müsse jetzt gegen Trump etwas Ernsthaftes tun: „Tantige Ermahnungen werden nicht reichen.“ Ich nehme an, daß nur aus Gründen der Wortbildung die allseits beliebte Mutti zur Tante geworden ist.
Leser schreiben, ebenfalls auf gewohntem Niveau: „Der einzige wichtige Produzent von Turbinen neben General Elektrik war Siemens. Diese haben dank EEG (Merkel) ihre Arbeitsplätze in die USA verlegt. Ein Beispiel von Vielen! Merkels Politik zerstört systematisch unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand.“ Usw.

Die Merkel hat uns also das EEG eingebrockt. Und Schengen natürlich. (Im Zweifel gibt das Gedächtnis nach, wie schon Nietzsche beobachtet hat.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.02.2018 um 05.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37951

Neues Kabinett: Mutig? Feige? Angela Merkel zeigt von beidem etwas. (SZ 25.2.18)

Noch nie ist mir so aufgefallen wie seit der Bundestagswahl, wie viel leeres Stroh die Journalisten jeden Tag dreschen. Gehört zum Übergewicht der Kommentierer über die Recherchierer.

Es hat seine Entsprechung in den Leserbriefen, seit diese nicht mehr eingetütet, frankiert und zum Briefkasten gebracht werden müssen. Auch ich kenne die Versuchung, morgens die News aufzuklappen und zu allem und jedem ein paar deftige Zeilen abzuschicken. Meinungen sind der größte Feind der Erfahrung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2018 um 10.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37941

Ja, das weiß ich schon, hätte es chronologisch nicht alles zusammenrühren sollen. Aber die Kontinuität ist da.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 25.02.2018 um 09.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37940

»Scheißsystem« ist ein erst nach 1968 aufgekommener Begriff.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2018 um 09.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37939

Mehrere Leute geben vor, das "System Merkel" analysiert zu haben. (Dabei kam Erschreckendes zum Vorschein: Merkel setzt Vertraute auf wichtige Posten!)

Ob der Sinn für diesen Ausdruck verlorengegangen ist – oder ist er nur allzu gegenwärtig? "System" war die Vokabel, mit der die Nazis alles, was ihnen nicht paßte, verächtlich zu machen pflegten; dazu gehörte eine halbwegs gesittete Politik, eben das "Scheißsystem". Auch heute wollen manche ja erst mal alles wegräumen, um dann ihr eigenes System zu errichten. Allerdings ist Zerstörung nicht immer schöpferisch, sogar eher selten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2018 um 09.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37923

Zu den Repräsentationspflichten der Politiker gehört es, Mitgefühl auszudrücken, nicht Mitgefühl zu haben. Andernfalls wäre es ja keine Repräsentation. Ob das auf einem Spickzettel steht oder nicht, ist unwesentlich.
Bei Todesfällen drücken wir ein Beleid aus, das wir in neun von zehn Fällen nicht haben. Jeder Flugzeugabsturz und jeder Amoklauf regt Tausende von Wichtigtuern an, in Leserbriefen ihr tiefes Mitgefühl auszudrücken. Danach fühlen sie sich wieder eine Spur besser.
Bei Merkel kritisieren manche den Mangel an Leidenschaft (was immer sie damit meinen). Leidenschaft kann man vorführen oder auch nicht, das ist Teil des rhetorischen Repertoires. Die Forderung nach Authentizität kam in unserem medienzentrierten Zeitalter auf, wo das Publikum täglich mit Geschichten aus dem Privatleben der Prominenten gefüttert wird, total echt gefaked.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2018 um 05.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37863

Brauchen wir den Import von Sozialhilfeempfängern? (Broder in der „Welt“)
Natürlich nicht. Kein Land kommt zu der Einsicht, daß es zu wenige Sozialhilfeempfänger hat. Politik kann so einfach sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2018 um 04.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37861

Viele Leser nutzen den Bericht über eine Massenschlägerei auf einem australischen Kreuzfahrtschiff, um gegen die deutsche Flüchtlingspolitik und den Familiennachzug zu polemisieren. Das Stichwort „Familie“ oder gar „Großfamilie“ stellt den Bezug her. Diese Leute sind so geladen, daß sie bei weit hergeholten Anlässen explodieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.02.2018 um 04.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37853

Die FAZ (16.2.18) kritisiert, ausgehend von "GroKo", mit Recht die Infantilisierung der Politik, die Dauersatire und das allumfassende Schlechtmachen des "Systems", was nicht nur unendlichen Spaß macht, sondern wirklich gefährlich werden kann, wenn immer mehr Menschen meinen, man sollte das alles erst mal wegfegen, dann werde man weitersehen. Dieser Eindruck wird durch Millionen meinungsstarker und gedankenloser Leserzuschriften bestätigt. Wenn dies die Vox populi wäre, könnte es einen grausen.
Die Medien neigen naturgemäß dazu, den Chor zu verstärken. Sich zu einem Thema gründlich zu informieren ist ziemlich aus der Mode gekommen. Wer liest schon ein paar ganzseitige Analysen oder gar ein Buch, z. B. über die neuere Geschichte des Vorderen Orients? Das Schema ist: Schlagzeile lesen und sofort in die Tasten greifen!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2018 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37815

Obwohl Markus Söder sein Ziel erreicht hat, hält er an der Strategie fest, die er jahrzehntelang befolgt hat: Immer mal wieder mit absurden Forderungen Aufsehen erregen, von denen er selbst genau weiß, daß sie folgenlos bleiben – außer eben was seine Bekanntheit betrifft. Er kennt seine Landsleute wirklich gut. (Diesmal: Islam raus, Kreuze rein.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2018 um 05.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37809

Viele Bewerber gehen in dem Irrglauben heran, jeden Job ihrer Karriere in den Lebenslauf schreiben zu müssen. Doch Karriere-Expertin Liz Ryan sieht das ganz anders: "Euer Lebenslauf ist ein Marketing-Dokument, kein Rechtsdokument. Ihr könnt alle vergangenen Jobs aufschreiben, die ihr wollt, und alle weglassen, die ihr nicht wollt", meint sie in einer Fragerunde des amerikanischen Forbes-Magazins. 
Jobs, die Sie nur für eine sehr kurze Zeit ausgeübt haben – etwa für drei Monate – sollten Sie besser aus Ihrem Lebenslauf streichen. Denn das mache schlicht keinen Sinn, wie die Expertin meint.


Leserbrief dazu:

„Lücken im Lebenslauf machen sich aber auch nicht gut.“

Das ist richtig. Man kann amerikanische Bräuche nicht ohne weiteres übertragen. In Amerika wird ein Scheitern nicht besonders ernst genommen. Deutsche Ratgeber stimmen weitgehend überein, daß Lücken im Lebenslauf den Arbeitgeber mißtrauisch machen und erklärt werden sollten. Das könnte mit einem traditionellen Beamten- und Laufbahndenken zusammenhängen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2018 um 04.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37794

Mit Computerhilfe hat man herausgefunden, daß die Koalitionsvereinbarung zu 70 % mit dem SPD-Wahlprogramm übereinstimmt.

Das könnte zutreffen und folgenden Grund haben: Wenn Gremien beraten, sind sie immer in Versuchung, hier und da noch eine Schippe Menschlichkeit, soziale Gerechtigkeit usw. (jeder kennt das Arsenal) draufzutun. Das ist aber seit je die linke Rhetorik der Umverteilung, des Eintretens für die Mühseligen und Beladenen – keiner möchte kalt und unsolidarisch dastehen, wie es Markt und Recht sind. Die Herkunft der Phraseologie ist im Augenblick nicht gegenwärtig; erst hinterher merken die Beteiligten, was sie angestellt haben. Das ist dieselbe unwiderstehliche Gruppendynamik wie beim Gendern und der Rechtschreibreform.

Daß am Ende nichts so rot gegessen wird, wie es gekocht ist, mag ein kleiner Trost sein.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 09.02.2018 um 09.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37769

Zumindest epochale Unverfrorenheit kann man dem Würstchen nicht absprechen. Hätte es übrigens nicht verbraten gehört?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2018 um 05.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37764

Das ist zum Fremdschämen, wie immer, wenn jemand sich gehen läßt. Mancher nutzt seinen Abgang, um sich nachträglich für die Posten zu disqualifizieren, die er aufgeben mußte. Das ist dann endgültig, verbrannte Erde sozusagen. Andere (wie Özdemir, wenn ich mich recht erinnere) schaffen es würdiger und bleiben im Rennen. Schlichte Lebensweisheit, wie man sie von einem Erwachsenen erwarten darf.
Gabriel lenkt davon ab, daß auch er selbst an der Misere schuld ist. Ein Würstchen wie Schulz zu verheizen war auch sein Werk.
Manche versuchen Gabriel nun als gemeuchelten Riesenstaatsmann darzustellen, aber das hat er ihnen mit seiner moralischen Selbstverzwergung verdorben.
Fußnote dazu: Es verbietet sich, den Konkurrenten wegen seiner Physiognomie lächerlich zu machen. Erstens spottet man niemals über das Aussehen eines Rivalen. Zweitens: Die fünfjährige Tochter wird geradezu mißbraucht – was hängt der verbitterte Vater ihr da an? Das Kind wird ja älter, und dieser Einblick ins Familienleben könnte ihr unangenehm sein. Kindermund tut Wahrheit kund – damit hat er wohl spielen wollen, aber das tut man eben nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.02.2018 um 20.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37762

Gabriel rechnet mit der SPD-Führung ab

Gabriel sagte mit Blick auf seine Zukunft: „Für mich beginnt jetzt eine neue Zeit. Zuhause freuen sich schon mal alle darauf.“ Seine kleine Tochter Marie habe ihm am Donnerstagfrüh gesagt: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.02.2018 um 05.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37750

Die FNP sieht in Seehofer den großen Gewinner. Meiner Ansicht nach schafft Merkel sich einen Gegner vom Hals, indem sie ihn ins Kabinett holt und ausgerechnet mit jener Aufgabe betraut, an der sich sonst niemand die Finger schmutzig machen möchte. Er mag Merkel weiterhin hassen, aber er kann nicht mehr gegen sie sticheln und stänkern. Vielleicht trägt gerade er dazu bei, in den Migranten nicht mehr die Existenzfrage der Nation zu sehen. „Wir schaffen das“ aus seinem Munde wäre möglich; etwas anderes kann er als Innenminister ja eigentlich gar nicht kundtun, ohne sich selbst zu disqualifizieren.

Für Schulz könnte das Außenministerum die Rettung sein. Als Außenminister wird er täglich ins Fernsehen kommen und automatisch beliebter werden, zumal er wenig zu sagen hat und daher kaum etwas falsch machen kann. Seine starken Worte von gestern werden als lustige Anekdote weiterleben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.01.2018 um 05.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37671

Armutsforscher prangert an: „Wohnungen werden wie Waren behandelt!“ (Focus 25.1.18; Butterwegge natürlich)

Das Grundrecht auf Wohnen verbietet es eigentlich, dafür Geld zu verlangen. Der Staat sollte den Wohnraum zuteilen, Plattenbau empfiehlt sich als besonders preisgünstig.

Aus demselben Grund sollte das Brot zugeteilt werden. Brotkarten, manchem noch erinnerlich, wären ein erster Schritt.

Natürlich darf Krankenversorgung nichts kosten, weg mit der Zwei-Klassen-Medizin! Gesundheit ist keine Ware.

"Ein Jüngling liebt ein Mädchen", wie hier schon besprochen. Die Frau ("Mädchen" geht gar nicht!) wird zum Objekt degradiert, zum Akkusativobjekt nämlich. Du sollst nicht nur deines Nächsten Weib nicht begehren, du sollst überhaupt nicht begehren!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2018 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37657

«Wir wollen ermöglichen, dass die Menschen, die jetzt eintreten, auch mit abstimmen dürfen», sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im ZDF-«Morgenmagazin». Der Parteivorstand will heute über einen Stichtag reden, ab dem Neumitglieder nicht mehr stimmberechtigt sind. Ein solcher Stichtag sei aus technischen Gründen nötig, sagte Klingbeil.

Nur aus technischen Gründen? Jeder weiß, daß ein großer Teil der neuen Mitglieder nur beigetreten ist, um gegen den Vorstand zu stimmen. Es ist ja nicht so, daß die Partei wie seinerzeit unter Brandt plötzlich attraktiv geworden wäre.

Eine Partei lebt nicht von den Mitgliedern, sondern von den Wählern. Wie kann man das vergessen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.01.2018 um 07.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37616

Die Juso-Idee (eintreten – abstimmen – austreten) stößt auch bei besonnenen SPD-Funktionären auf Kritik. Sie wollen versuchen, die Trickserei mit einem Stichdatum in Grenzen zu halten. Sie wird der Partei aber noch lange anhängen. Die stürmische Jugend hat keinen Sinn dafür, sie begeistert sich für ihre eigene Schläue.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.01.2018 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37577

Plötzlich ist es unsicher, ob der 100%-Schulz bei der Abstimmung über seine aktuellen Pläne wenigstens noch 50% kriegt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.01.2018 um 07.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37573

Noch einmal zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1103#37065

Es läßt mir keine Ruhe, zumal nach den Sondierungsgesprächen von vielen Seiten das "Weiter so" als Schreckgespenst beschworen wird. Mit Merkel sei "Ein Weiter-so darf es nicht geben" nicht zu machen usw.

Warum klingt eigentlich die Parole „Ein Weiter-so darf es nicht geben!“ so einleuchtend, ganz gleich, worum es im einzelnen geht? Vielleicht weil das Gegenteil stumpfinnig zu sein scheint, veränderungsscheu, fortschrittsfeindlich. Wenn es besser werden soll – und das ist ja für die meisten immer aus irgendwelchen Gründen wünschenswert –, muß sich etwas ändern. Man wird darum schwerlich eine Mehrheit finden für: „Es soll alles beim alten bleiben.“

Die Umfragen bestätigen Tag für Tag, daß solche Assoziationen gefragt sind, fern jeder Rationalität. Das ist für Befrager wie Befragte viel einfacher, als sich etwa mit der Wirtschaft zu beschäftigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2018 um 06.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37544

Es gibt laienhafte Beobachtungen zur Prosodie der Sprechsprache, die erst allmählich von der wissenschaftlichen Phonetik eingeholt werden:

Then she sighed, and putting down her spoon, she began, apropos of nothing at all, and in the high-pitched voice which usually shows that the speaker has been thinking for some time on the subject that they wish to introduce – "Mr. Bell, you remember what we were saying about Frederick last night, don´t you?" (Elizabeth Gaskell: North and South. Kap. 46)

Dagegen der „Brustton der Überzeugung“.

Vgl. auch:

Reform! Der Pater spricht´s mit deutlich hörbaren Gänsefüßchen aus, mit je­nem Unterton, den konservative Kirchenleute anzuschlagen pflegen, wenn sie die seit dem Konzil im Schwang befindliche Öffnung zur Welt kommenti­eren. (SZ 21.12.85)

Unter den neueren Forschern ist vor allem Walter Sendlmeier zu nennen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2018 um 05.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37543

Körpersprachexperte Stefan Verra begutachtet nun auch Trump. Der verschränkt gern die Arme und reckt das Kinn hoch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.01.2018 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37533

Martin Schulz lehnt rote Linien ab, will "mehr rote Politik" durchsetzen. Ob das ein guter Slogan ist? Allerdings ist gerade kein Wahlkampf, aber der kann schneller als gedacht wiederkehren.
Erstens: Wer will rote Politk? Zweitens: Würde ein solcher die SPD wählen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.01.2018 um 14.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37492

Der Westen darf die Demonstranten nicht im Stich lassen (Christian Böhme im Tagesspiegel zu Iran)

Truppen schicken? Aber wenn z. B. China erklärte, man dürfe deutsche Pegida-Demonstranten oder amerikanische Bürgerrechtler oder die Katalanen nicht im Stich lassen?

Solche aufmunternden Sätze machen bestimmt viel Freude, wenn man sie hinschreibt. Die Folgen kann man überall besichtigen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.01.2018 um 18.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37470

Die amerikanischen Wähler haben eben gerade keine Apparatschika (die weibliche Form steht sicher im Duden) gewählt, aus gutem Grund.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.01.2018 um 16.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37467

In 1960, as a graduate student in New Haven, I was discussing Mailer’s Esquire article with another graduate student, a woman. What, I asked her, would happen if Kennedy’s womanizing became even better known? (The reputation was already there, winked at several times by Mailer in his piece.) “That will help him,” she replied. Why? “It will show he knows how to get what he wants.” The liberal world was so bored with avuncular “Ike” that it welcomed a President who had the nerve to wear a rake’s rather dingy halo. (Garry Wills: The Kennedy Imprisonment)

Bleibt immer aktuell.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.01.2018 um 16.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37466

Das ist die Frage. Vielleicht ist der Apparat doch das eigentliche Machtzentrum... Man kann es nur wünschen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.01.2018 um 14.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37465

Die Nebenregierung ist vielmehr der Regierungsapparat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.01.2018 um 04.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37459

Noch mal zum Atomknopf:

Donald Trump sends bizarre message to Kim Jong-un: "My button`s bigger"

usw. - Die Medien geben zu, daß Trump ein Segen für sie ist, und umgekehrt gilt das auch. In solchem Ausmaß hat es wohl noch nie eine "Nebenregierung" gegeben wie jetzt Trumps Getwitter am Regierungsapparat vorbei. Dem Land scheint es nichts auszumachen, weil substantiell nicht viel passiert und die Wirtschaft mit der einzigen Änderung, der Steuerreform, gut leben kann.

Unterhaltsam.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.01.2018 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37439

Sexuelle Übergriffe, Schlägereien, Randale: So verlief Silvester in Deutschland (Huffpost)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.01.2018 um 10.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37435

Kim Jong Un droht in Neujahrsansprache mit Atomwaffen-Knopf

So oder ähnlich schreiben sie alle. Was soll man von einem Schurkenstaat auch anderes erwarten? Aber die Gleichförmigkeit unserer Presse ist schon bemerkenswert, gerade weil sie kaum noch bemerkt wird.

(Die Vorstellung vom Knopf, der den Weltuntergang bedeutet, ist schon Jahrzehnte alt. Der Knopf soll rot sein.)

Noch schwerer einzuschätzen ist, was im anderen Schurkenstaat vorgeht. Soll man den Atomdeal kündigen?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.12.2017 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37409

Ich bin der festen Überzeugung, daß es bei der Abwägung dessen, "welche Leute sie hereinlassen und ökonomisch und sozial integrieren können", nicht nur, wie hier dargestellt, "selten um Rassismus geht", sondern genauso selten um "Feindseligkeit", "Haß" und "Verachtung" gegen Fremde und Arme.

Und inSOfern, das ist allerding richtig, ist die Diskussion über Ausländerfeindlichkeit verlogen!

Der angebliche Haß usw. wird vor allem von denen heraufbeschworen und sogar geschürt, die gegen eine konservative Politik sind und Masseneinwanderung beschönigen. Auch für konservative Politik gibt es gute und vernünftige Gründe abseits von Haß und Feindschaft. Aber diese Gründe sollen auf solch billige Art und Weise diskreditiert und unmöglich gemacht werden.

Wer gegen massive Einwanderung von Fremden und Armen ist, haßt diese Menschen nicht, er sagt einfach, weder Deutschland noch Europa kann seine Kultur, seine Errungenschaften, seine Zivilisation aufs Spiel setzen, indem es die Armut der Welt hierher holt. Wir müssen die Armut dort beseitigen helfen, wo sie herkommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.12.2017 um 09.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37408

In der Tat.

Die verlogene Diskussion über Ausländerfeindlichkeit will fast überall nicht wahrhaben, daß es bei der Feindseligkeit, die bis zum Haß sich steigern kann, selten um Rassismus geht, sondern um eine Verachtung, die der Fremdheit in Verbindung mit einer Armut gilt, die auch noch Ansprüche stellt und sich lästig macht. Ein Ausländer, der seine Rechnungen selbst bezahlen kann, hat auch in Sachsen-Anhalt, in Marseille oder in Südafrika wenig zu befürchten. (18.11.1998)

Es gibt zwei Typen von Einwanderungsländern. Die einen, wie die USA, legen pedantisch fest, welche Leute sie hereinlassen und ökonomisch und sozial integrieren können. Die anderen, für die es bis jetzt nur ein historisches Beispiel gibt, bevorzugen Zuwanderer, mit denen sie nichts anfangen können, aber die sie wenigstens unterstützen wollen. (16.4.99)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 28.12.2017 um 19.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37402

»Umgekehrt wird ein Schuh draus« ist das Motto vieler seiner Beobachtungen. Selbst wenn man sich die heute nicht mehr relevanten politischen Kommentare wegdenkt, bleibt noch genug, um es mit Lichtenberg aufnehmen zu können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.12.2017 um 18.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37401

Irgendwo hat Johannes Gross geschrieben, daß Nietzsches Aphorismen eigentlich gar keine sind. Viel zu rhetorisch, zu viel Sperrdruck, Ausrufezeichen, Gedankenstriche. Gross selbst schrieb in seinem "Notizbuch" wirkliche Aphorismen, wie Lichtenberg.

Der gute Aphorismus ist treffend, aber trifft nie die ganze Wahrheit, will es auch gar nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.12.2017 um 05.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37333

Zur Gruppendynamik:
Die fast einstimmige Wahl Markus Söders zum Kandidaten ist so wenig auf Leistung gegründet wie damals die 100%-Wahl von Martin Schulz. Es ist auch bekannt, daß Söder viele Gegner hat, das Ergebnis kann also nicht die wirkliche Meinung der Delegierten abbilden. Bei der offenen Abstimmung konnte jeder sehen, von wem die vier Gegenstimmen und zwei Enthaltungen kamen. Diese sechs können ihre Karriere vergessen. Sonderbar, daß solche Personalentscheidungen nicht geheim getroffen werden. Das gehört in vielen Gremien zur Geschäftsordnung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2017 um 19.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37218

Schulz will Vereinigte Staaten von Europa bis 2025

Jetzt ist es aus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2017 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37210

Schulz kritisierte scharf die FDP, die aus den Verhandlungen mit Union und Grünen zur Bildung einer Jamaika-Koalition ausgestiegen war. "Die Jamaika-Koalition ist gescheitert wegen der kühlen, kalten Machtstrategie von Christian Lindner", sagte er. Die FDP habe nach dem Motto gehandelt, erst die Partei, dann das Land: "So sind wir nicht." (Spiegel 6.12.17)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2017 um 18.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37185

Vor ein paar Tagen habe ich mal Martin Schulz im Radio gehört. Er beklagte Äußerungen ("wohl von Unionsseite"), wonach die SPD bereit sei, mit der Union zu verhandeln. Wer so etwas sage, "zerstöre Vertrauen". Ich glaubte mich verhört zu haben, aber am nächsten Tag kommentierten die Medien genau diese Äußerung als besonders absurd.

Man hätte nach der Bundestagswahl in den Winterschlaf gehen und erst nach der Vereidigung der neuen Regierung wieder aufwachen sollen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.11.2017 um 09.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#37104

Rainer Hank beklagt (FAS 26.11.17), daß die Parteien sich nach der Wahl nicht mehr um den Wählerwillen scheren. Natürlich nicht! Das ist eben die repräsentative Demokratie. Man kann die Wähler nach der Wahl nicht schon wieder fragen, wie sie es denn eigentlich gemeint haben. Sie haben die Parteien so gewählt, wie die sich selbst dargestellt haben, im Wahlkampf und vorher. Diese langfristige Urteilsbildung wird für nichtig erklärt, wenn man ihr den informell ermittelten Augenblickswillen voranstellt. Wenn die SPD-Wähler meinen, sie hätten die SPD nicht gewählt, damit sie mit der Union koaliert, dann müssen sie warten bis zur nächsten Wahl und können dann die SPD noch weiter reduzieren. Bei einem reinen Mehrheitswahlrecht wäre das noch deutlicher.
Manche Journalisten konstruieren, wenn die Entscheidungen der Politiker ihnen nicht passen, einen Wählerwillen (ihren eigenen) abseits und jenseits der Wahlergebnisse.
Zum falschen Bild der Demokratie trägt auch die tägliche Umfragerei bei, die ja meist von den Medien in Auftrag gegeben wird. Der Wille des Volks scheint den Medienleuten dann eher in Umfragen als in Wahlen zum Ausdruck zu kommen.
Die Verfassung steht vor dem Problem, wie weit sie bei allen Entscheidungen die „volonté générale“ umsetzen oder der Stabilität und Berechenbarkeit der Regierung Vorrang geben soll. Der wirkliche Wille des Volkes ist schwer zu ermitteln. Zu den technischen Schwierigkeiten kommt noch das „sokratische“ Pronlem: Was jemand zu wollen glaubt, ist nicht unbedingt das, was er wirklich will, nämlich bei einigem Nachdenken über das, was ihm wirklich frommt.
Das Mehrheitswahlrecht gibt der Stabilität der Regierung besonderen Rang (ob es diesen Zweck erreicht, steht auf einem anderen Blatt); es ist der Gegenpol zur direkten Demokratie. Eine Regierung der permanenten Abstimmung (täglich Volksversammlung wie im alten Athen) ist in Gefahr, in Stimmungsdemokratie umzuschlagen und leichte Beute von Demagogen zu werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2017 um 13.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36925

Zu den Wahlprogrammen stellten die Hohenheimer fest:

Auffällig ist, dass die SPD in ihrer Wortwahl eher dem Muster der Oppositions- als dem der Regierungsparteien folgt: „müssen“ und „mehr“, zwei eher fordernde Begriffe, tauchen bei ihr ebenso häufig auf wie bei den meisten Oppositionsparteien. (https://www.uni-hohenheim.de/uploads/media/Wahlprogramm-Check_BuWa_2017.pdf)

Das war uns ja intuitiv auch schon aufgefallen, auch außerhalb von Programmen in den Wahlkampfreden usw., und im Grunde setzt es sich nach der Wahl fort, zur Verwirrung mancher Beobachter.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.11.2017 um 17.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36879

McLuhan meinte, „daß die Gebildeten mit ihrem anmaßenden, ebenmäßigen Tonfall die Gleichförmigkeit des Buchdrucks nachahmen.“
Unsere scheinbar ursprüngliche Sprechstimme wäre demnach eigentlich unsere Vorlesestimme. Andernfalls hätten wir eine viel stärkere Modulation, wie Kinder oder schriftlose Völker mit ihrem Singsang(?).

Auch zu bedenken: Man kann die Sprechstimme leichter einer Person zuordnen – ist das vielleicht der eigentliche Ursprung des Sprechregisters?

"Poetry is not a sort of distorted and decorated prose, but rather prose is poetry which has been stripped down and pinned to a Procrustean bed of logic." (Gregory Bateson)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2017 um 05.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36755

Jamaika kostet 100 Milliarden

O Schreck! Bei genauerem Hinsehen erkennt man, daß der größte Batzen durch den Wegfall des "Soli" entstehen würde, Mindereinnahmen von über 40 Mrd. für den Bund. Das wäre für mich ja eigentlich etwas Gutes, wie die gesamte Entlastung der Bürger um besagte 100 Mrd.

Als Frühaufsteher sehe ich die Schlagzeilen in einer besonders rohen Form, auch mit vielen Rechtschreibfehlern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.10.2017 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36540

Gestern berichtete die FAZ (im Wirtschaftsteil), daß im vergangenen Jahr über 660.000 Ausländer Deutschland verlassen haben. Liest man auch selten.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.10.2017 um 06.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36538

Und ich möchte bei dem Unsinn, den die meisten Politiker von sich geben, immer wieder rufen: "Und so was regiert!" Ich halte die Inkompetenz der Politiker für viel schlimmer als die Tatsache, daß normale Bürger, die sowieso keine ernstzunehmende Möglichkeit der Mitbestimmung haben, sich nicht in allen politischen Details auskennen, wenn sie bei einer Wahl ihre Stimme abgeben.

Nehmen wir das Thema Nummer 1, das die Menschen in Deutschland umtreibt: Migration inklusive Integrationsprobleme, Islamisierung, drohende Parallelgesellschaften usw. Hundert Politiker habe ich sagen hören: "Die Menschen kommen einfach, das kann man überhaupt nicht verhindern, weder mit Mauern oder sonstwie." Haarsträubender Schwachsinn. Und so was möchte regieren! Diese Äußerungen, im Tonfall der Belehrung vorgetragen, waren genauso intelligent, wie wenn dieselben Politiker sagen würden: "Haustüren bringen überhaupt nichts, weil Diebe sowieso ins Haus eindringen werden, wenn sie es wollen." Komischerweise haben alle Häuser Türen. Die normalen Menschen bauen sie ein. Sie wissen sehr gut, daß Haustüren nützlich sind. Und daß man das Haus noch besser gegen Eindringlinge sichern kann, wenn es nötig sein sollte.

Einwanderung und Integration kann auch nur in dem Maß funktionieren, wie die aufnehmende Gesellschaft dazu bereit ist. Gerade bei so einem Thema wäre es nicht nur möglich, sondern sehr wichtig, sich nach den Vorstellungen der Bevölkerung zu richten. Zur Bevölkerung gehören idealistische Gutmenschen genauso wie solche, die Merkel in den Leserbriefspalten verhöhnen. Also ganz konkret: Wie hoch soll der "Richtwert" für die Netto-Zuwanderung aus humanitären Gründen sein, den Seehofer mit 200.000 pro Jahr veranschlagt hat – paßt das so, oder soll der Richtwert niedriger oder höher sein? Wieso sollte man nicht den Bürgern diese wichtige Frage stellen, und einen gewissen Mittelwert als Richtschnur ansehen, zumindest als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen? So sähe gute Demokratie aus: die Meinung der Bürger bei jenen wichtigen Themen ernst nehmen, die sie selbst am besten beurteilen können. Stattdessen bastelt da jede Partei an ihrer eigenen Ideologie herum.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2017 um 13.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36520

Daß bei allgemeinem und gleichem Wahlrecht die Stimme des einzelnen nicht viel zählt, ist, wie gesagt, ein triviales arithmetisches Problem, das man für sich selbst lösen mag, indem man sich eben noch anders als durch Wahl beteiligt.

Interessanter ist die Frage, ob es richtig sein kann, daß Kundige wie Unkundige die gleiche Stimme haben. Stichwort: "Wahrheit statt Mehrheit". Wenn ich sehe, was sich in den Leserbriefspalten austobt, möchte ich dauernd rufen: "Und so was lebt!" Sollte man nicht eine Eignungsprüfung vor den Wahlen abhalten, ähnlich dem Einbürgerungstest, aber schwerer? Ich bin nicht dafür, aber ich gebe es zu bedenken.

Eine große Zahl von Menschen weiß fast nichts über den föderalen Aufbau und die Zuständigkeiten. Unter keinem Polizeibericht fehlt das höhnische "Danke, Merkel!" (Schengen hat sie uns auch einbrockt, außerdem zu geringe Löhne für Pfleger festgesetzt usw.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2017 um 08.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36487

Aber den Krieg abschaffen, indem man Waffen abschafft – das wird nicht funktionieren. Der Mensch selbst ist der Samen aller Kriege. Der Mensch, jeder einzelne, muss sich entscheiden, ob er leben möchte oder nicht. Diesen Entschluss kann ihm kein Nobelpreiskomitee abnehmen. (Torsten Krauel, Welt 7.10.17)

Wieso jeder einzelne? Was soll ich denn tun? Alle wollen leben, das steht doch gar nicht zur Entscheidung. Der salbungsvolle Schluß würde jede Predigt zieren, aber als politischer Kommentar ist er dürftig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2017 um 21.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36484

Aber vielleicht erinnert dieser Friedensnobelpreis daran, dass eine Welt ohne atomare Bedrohung möglich ist. Sie war es schließlich schon einmal." (Mittelbayerische Zeitung)

Ja, wir erinnern uns.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2017 um 15.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36483

"Dieser Nobelpreis ist auch eine Ohrfeige für die Bundesregierung", twitterte der Linken-Politiker Jan van Aken. "Die muss das Atomwaffenverbot nun auch unterschreiben!"

Usw., aber das legt sich wieder.

In der "Welt" werden die fünf unwürdigsten Friedensnobelpreisträger aufgezählt, wozu den Lesern und auch mir gleich 15 ebenso unwürdige eingefallen sind.

SPD-Chef Martin Schulz hat die Vergabe des Friedensnobelpreiseses an die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) begrüßt. Die Vergabe sei "ein kraftvolles Signal zur richtigen Zeit". Es mache deutlich, wie dringend mutige Initiativen für globale Abrüstung und eine Welt ohne Atomwaffen gebraucht werde. "Wir brauchen keine neue Aufrüstungsspirale in der Welt, sondern eine Renaissance von vertragsgestützter Abrüstung und Rüstungskontrolle weltweit", so der SPD-Chef. Diese Mahnung des Nobelpreiskomitees müsse allen ein Auftrag sein, Abrüstung und eine mutige Friedenspolitik wieder als echte Priorität auf die Tagesordnung der internationalen Politik zu setzen. Deutschland und Europa müssten dabei vorangehen.

Diesmal erwähnt er Merkel nicht namentlich, aber den Vorwurf der "Aufrüstungsspirale" hat er ihr im Wahlkampf immer wieder gemacht, weil sie den von der SPD (Steinmeier) mitgetragenen Zwei-Prozent-Beschluß bekräftigt hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2017 um 15.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36482

Das ist sicher richtig, aber solche habe ich ja ausdrücklich nicht genannt, sondern nur die "Wirtschaftsflüchtlinge", wie man heute mit einem widersprüchlichen Ausdruck sagt.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.10.2017 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36481

Unter den Auswanderern aus Deutschland gab es tatsächlich auch solche, die vor der deutschen Justiz flohen, nicht nur wegen Straftaten, sondern auch wegen politischer Betätigungen. "Demokrat" war in Deutschland ein Schimpfwort.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2017 um 13.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36480

Man sollte sich an die Definition der Genfer Konvention halten, sonst gerät man ins Uferlose.

Zur Wirtschaftshilfe ist auch niemand verpflichtet, aber sie kann ein Gebot der Klugheit sein (wohlverstandenes Eigeninteresse).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.10.2017 um 10.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36479

auch Wirtschaftsflüchtlinge nicht zum Spaß nach Europa kommen und Flucht aus wirtschaftlichen Gründen sehr wohl einen Fluchtgrund darstellen kann

Damit (bis auf die zirkelhafte Formulierung) hat Ulrich ja völlig recht. Aber, na und? Was will er weiter damit sagen? Weil es kein Spaß ist, ist Europa gezwungen, jeden Wirtschaftsflüchtling aufzunehmen?
Der richtige Weg wäre, den Herkunftsländern echte Wirtschaftshilfe zu leisten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2017 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36476

Ulrich versucht Lindner klarzumachen, dass auch Wirtschaftsflüchtlinge nicht zum Spaß nach Europa kommen und Flucht aus wirtschaftlichen Gründen sehr wohl einen Fluchtgrund darstellen kann. Diese Feststellung will Lindner nicht hören. Stattdessen fällt er dem Journalisten bei jeder Gelegenheit ins Wort und beharrt auf seiner Meinung; ein Zeichen, dass Koalitionsverhandlungen mit ihm sicherlich kein Zuckerschlecken werden. (welt.de 6.10.17)

Auch dies ist ein Trick aus der altbewährten Kiste der Rhetorik: Man deutet unterderhand ein Wort ("Flucht") um, und dann geht es munter weiter im Niemandsland des Außerrechtlichen. Lindner hat recht, sich dagegen zu wehren, aber der hochmoralische Berichterstatter will es nicht gelten lassen.)

(Wer würde die Deutschen, die im 19. Jahrhundert in Amerika ein besseres Auskommen suchten, als "Flüchtlinge" bezeichnen?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2017 um 17.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36459

Es gibt Tausende von Musterreden für alle Gelegenheiten, auch solche zum Tag der deutschen Einheit, wahrscheinlich auch Ruckreden und Schlafreden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2017 um 04.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36437

Ich kenne ja Herrn Schulz nicht und werde mich sowieso nie in psychologischen Ferndiagnosen ergehen. Aber sein letzter Auftritt, mit Hilfe des SPIEGEL inszeniert (nicht als dessen Opfer, wie gelegentlich behauptet), scheint mir eine gewisse literarische Qualität zu haben, so daß vielleicht der Weg vom Buchhändler zum Schriftsteller passender gewesen wäre als der zum Politiker.

Wir haben falsche Ärzte erlebt, die nie eine medizinische Lehrveranstaltung besucht hatten und dennoch jahrelang erfolgreich an Kliniken praktizierten, bevor sie durch einen dummen Zufall aufflogen. Wieviel eher könnte das in der Politik geschehen, wo es gewissermaßen nur Dilettanten gibt!

Kindischerweise habe ich mir manchmal vorzustellen versucht (wie in manchen Albträumen), ich hätte mich erfolgreich auf eine Professur für Posaune beworben: Wie lange könnte ich mich durchmogeln (schlimmer Finger usw.)?

Schulz hat ein Drama von hohem Rang inszeniert, das wirklich nach einer Bühnenbearbeitung schreit. Eine Tragödie wäre es, wenn er sich abschließend umbrächte, was wir ihm natürlich nicht wünschen. Vielleicht wollte er Platons überraschende These ausdeuten, die Politik sei die "eigentlichste Tragödie" (aus den Nomoi frei übersetzt, wie ich zugebe).

Schulz kann kein politisches Amt mehr ausüben, das ist klar. Aber das will er in Wirklichkeit wohl auch gar nicht. Er hat die Maske fallen lassen, die anderen tragen ihre noch und ärgern sich. Gut gemacht!
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 04.10.2017 um 04.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36436

Daß die SPD in dieser Situation nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann, liegt auf der Hand. Auch die CDU-Vorsitzende hätte Grund, sich zu fragen, was sie eventuell falsch gemacht hat. Statt dessen gibt sie genervt zu Protokoll, sie könne nicht erkennen, was sich an ihrer Politik ändern müßte. Das hätte sich Schulz mal erlauben sollen! Man bedenke auch, wie es aufgenommen worden wäre, wenn Schulz am Wahlabend erklärt hätte: »Die Verluste sind nicht schön, aber die große Koalition hat ja noch eine Mehrheit, deshalb stehen wir wieder zur Verfügung.« Zum Schein in Koalitionsverhandlungen einzutreten, um sie scheitern zu lassen und dann dem Verhandlungspartner die Schuld zuzuschieben, ist auch nicht unriskant. Solche Spielchen sind doch genau das, was die Leute so abstößt und die vielbeschworene Politikverdrossenheit mit ausgelöst hat.

Also, die SPD kann nicht einfach so weitermachen wie bisher. Aber was soll sie nun ändern? Der geradezu pöbelhafte Abgang von der Bühne soll davon ablenken, daß sie auf diese Frage keine Antwort hat. Jetzt beschwört Schulz den »dringend notwendigen Neuanfang« der Partei. Wenn damit aber nicht nur der Austausch von ein paar Amtsträgern gemeint sein soll (und Schulz selbst will ja schon mal bleiben), dann muß die SPD endlich über ihr Selbstverständnis nachdenken und eine Diskussion über ihre politische Ausrichtung führen. Der parteiinterne Streit über die Agenda 2010 ist nie ausgefochten worden. Nach der knappen Wahlniederlage 2005 hat man erst mal in der Regierung weitergewurschtelt, und auch danach hatte niemand den Mut oder die Kraft, eine offene Debatte zu erzwingen. Solange sie nicht stattgefunden hat, kann die SPD strampeln, wie sie will, die Wähler werden auf Distanz bleiben.

Wenn die Verhältnisse in Deutschland wirklich so ungerecht sind, dann muß viel mehr geschehen, als die Partei sich bisher vorgenommen hat. Sollten aber die weltanschaulichen Unterschiede zwischen Union und SPD gar nicht so groß sein, wie man sie zuletzt dargestellt hat, dann ist es doch nicht ehrenrührig, sich an der Regierungsarbeit zu beteiligen. Zumal Merkel ihren Koalitionspartnern bekanntlich extrem weit entgegenkommt, um an der Macht bleiben zu können. Das jedenfalls hat Schulz patzig in die Berliner Runde geschleudert, um damit sowohl die Kanzlerin als auch die Grünen und die Liberalen wie prinzipienlose Gesellen aussehen zu lassen. Was er dabei nicht bedacht hat (ein weiterer rhetorischer Schnitzer): Wenn seine Analyse stimmt, dann spricht eigentlich nichts dagegen, sich wieder mit der Union zusammenzutun, denn dann kann die SPD den Großteil ihrer Vorstellungen umsetzen – es sein denn, es ginge gar nicht um das Wohl des Landes, sondern nur darum, daß »der Herr Schulz« nicht Kanzler werden kann.

Nachdem er sich in einem aussichtslosen Kampf für die Partei aufgeopfert hatte, sah Schulz nicht ein, nun auch noch das von allen erwartete Debakel auf seine Kappe zu nehmen und abzutreten. So leicht wollte er es seinen Widersachern nicht machen. Also hat er die SPD-Führung eilig darauf verpflichtet, den Gang der SPD in die Opposition mitzutragen und kompromißlos zu verteidigen. Es war schon auffällig, daß selbst ein so besonnenes Präsidiumsmitglied wie Olaf Scholz in Interviews direkt nach der Wahl eine Beteiligung der SPD an der künftigen Regierung kategorisch ausschloß. Da folgte jemand erkennbar einer präzise abgesprochenen Sprachregelung. Schulz wollte Handlungsfähigkeit demonstrieren, um seinen Führungsanspruch zu untermauern. Hätte er am Wahlabend zögerlich reagiert, wäre die Diskussion um seine Ablösung sofort losgebrochen. So hat er immerhin etwas Zeit gewonnen, was ihm letztlich aber nichts nützen wird. Die SPD wird ihn nicht noch mal ins Rennen schicken. Mit dem Fraktionsvorsitz hat er Nahles‘ gröbsten Appetit fürs erste gestillt, das ist aber noch keine Vorentscheidung für die nächste Kanzlerkandidatur. Vergessen wir auch nicht Sigmar Gabriel, der Schulz in weiser Voraussicht den Vortritt gelassen hat wie einst Merkel Stoiber. Ihn darf man nicht zu früh abschreiben.

Man möchte der SPD wünschen, daß sie es endlich schafft, sich »ehrlich zu machen« und zu klären, welche Rolle im politischen Kräftespiel sie künftig anstrebt. Da hilft am Ende auch nicht die beste Rhetorik.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.10.2017 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36429

"Es kenne mich die Welt, auf daß sie mir verzeihe." - War dies der Hintergedanke, mit dem Martin Schulz seine Entblößung durch den SPIEGEL-Reporter zugelassen hat? Das hätte eine gewisse Größe. Er wäre zwar politisch erledigt, aber nicht er allein.

Ein Hochstapler stapelt hoch; es gibt aber auch die passive Variante: man wird von anderen hochgestapelt. Vorwerfbar ist dann, wenn man sich nicht wehrt. Freilich muß es erhebend sein, mit 100 Prozent erhoben zu werden, auch wenn man ahnt, daß es nicht gutgehen wird. Da zu widerstehen erfordert fast übermenschliche Charakterstärke, und die EU-Parlamentspräsidentschaft ist wohl nicht gerade eine Schule der Selbsterkenntnis.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2017 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36409

Wenn ich recht sehe, kommen immer mehr Kommentatoren zu der Ansicht, die ich teile, daß es ein Fehler der SPD-Führung war, wie ein schmollendes Kind sofort in die Opposition zu gehen, statt einen solchen Schritt auf Sondierungsgespräche folgen zu lassen. Zwei Parteien, die jahrelang zusammen die Regierung gestellt haben, können einander nicht von vornherein als unvereinbar darstellen. Inzwischen melden sich auch viele SPD-Wähler und distanzieren sich von der demonstrativen Verantwortuungslosigkeit eines Teils ihrer Führung. Das wird noch Folgen haben. Die "Jamaika"-Verhandlungen könnten scheitern, und was dann? Die grundlose Verweigerung der SPD würde Neuwahlen erzwingen, von denen sie aber nichts zu erhoffen hat. Es war nach der Aufstellung des falschen Kandidaten der zweite große Fehler.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.10.2017 um 14.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36408

Es ging doch bei Tillich nicht um einen "pauschalen Ruf" nach einem starken Staat, sondern Tillich sagte mit Bezug auf die gegenwärtige Lage, daß sich die Menschen einen starken Staat wünschten, und dies gehe aus dem Wahlergebnis hervor. Die Aussage darüber, was die Menschen wollen, wird zum Beispiel durch ein Interview mit dem Präsidenten des LKA Sachsen im Juni 2017 bestätigt:

"Alle Umfragen [!] sagen, dass die Bedrohung durch Terrorismus ein großes Thema ist und die Menschen mehr vom Staat erwarten [...] Auch Eigentumsdelikte, zum Beispiel Wohnungseinbrüche, beschäftigen uns in großem Ausmaß. Bei Massendelikten wie Fahrraddiebstahl interessiert den Bürger inzwischen vor allem die Regulierung seines Schadens [...] die Fallzahlen sind erheblich gestiegen [...] Sozialleistungsbetrug durch Asylbewerber wird uns sicher in Zukunft stärker beschäftigen [...] Allerdings erwarten die Bürger in erster Linie eine größere Präsenz ihrer Polizei in ihrer Nähe."

http://www.sz-online.de/sachsen/die-polizei-kann-die-kriminalitaet-nicht-abschaffen-3699449.html

Was die Menschen vom Staat erwarten, hat Tillich also in aller Kürze richtig wiedergegeben. Sicher schlägt sich das auch irgendwie im Wahlergebnis nieder, aber das kann man natürlich nicht so direkt aus den Zahlen ableiten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2017 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36397

Einverstanden, außer was unseren bayerischen Innenminister betrifft (fast unser Nachbar hier, ich habe es schon mal erwähnt). Den halte ich nicht für so einen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.09.2017 um 15.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36395

Man muß vorsichtig sein, pauschal nach einem starken Staat zu rufen. Es gibt einige Politiker, z.B. den bayerischen Innenminister Herrman, der deutscher Innenminister werden möchte, welche in Wirklichkeit den weiteren Abbau der Bürgerrechte meinen, weil sie in jedem Bürger einen möglichen Staatsfeind sehen. Ich war bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 11 Jahre alt und habe derartige Bestrebungen seitdem genau beobachtet, z.B. bei Franz Joseph Strauß.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.09.2017 um 10.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36393

PS: Ein Beispiel ist auch Ihr Kommentar zu Tillich, wie ich finde. Sie verspotten ihn, weil er vermutet, daß die Menschen einen starken Staat wünschen. Warum verspotten Sie das? Erstens ist die Übersetzung mit "durchgreifen" im Kontext wahrscheinlich eine Übertreibung, weil Tillich wohl eher den Eindruck der Bürger meinte, der Staat dürfe sich in der Migrationsfrage und bei damit zusammenhängenden Problemen (betreffend etwa Grenzkontrollen, Durchsetzung von Abschiebungen, Härte gegenüber kriminellen Einwanderern) nicht wehrlos präsentieren. Zweitens hat Tillich vermutlich recht: Die Menschen wünschen sich tatsächlich einen starken Staat = einen stärkeren Staat. Drittens: Merkels Einwanderungspolitik ist der hauptsächliche Grund dafür, daß viele Leute sich jetzt einen stärkeren Staat wünschen. Wenn man möchte, daß dieser Wunsch in der Bevölkerung nicht aufkommt, dann muß man Merkels Einwanderungspolitik kritisieren, jedenfalls als Ursache benennen. Tillich ist auch hier realistisch und konsequent.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.09.2017 um 10.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36392

Ich denke schon, daß Ihr Beitrag zu einem Weiterkommen führt, weil Sie deutlicher als sonst sagen, daß Sie mit der rechten Szene nichts zu tun haben wollen, bzw. zu verstehen geben, daß dies Ihr hauptsächliches Anliegen ist, wenn ich es richtig verstehe. Eigentlich versteht sich das von selbst, warum also ist überhaupt ein solcher Hinweis hilfreich? Weil auch bei denen, die mit der rechten Szene nichts zu tun haben wollen, der Effekt eintritt, den Sie ansprechen: Es geht immer um die Auswahl der Tatsachen, um Übertreibungen (bzw. Untertreibungen) usw. Gerade das kann man doch bei den etablierten Parteien sehen: Durch die Bank setzen sie alles auf das Argument "Rechtsaußen geht gar nicht", bis zur Hysterie – und verdrehen davon ausgehend die Tatsachen in einem Maß, daß man von völliger Entfremdung zwischen der etablierten Politik und den angeblich vertretenen Wählern sprechen kann. Weil auch Neonazis gegen Merkels Einwanderungspolitik protestieren, wird sie von den etablierten Parteien wie ein Heiligtum verteidigt. So werden krasse Fehlentscheidungen perpetuiert. Auch eine fundamentale Opposition gegen Rechtsaußen, so richtig sie normalerweise ist, kann dazu führen, daß große Probleme nicht mehr vernünftig gelöst werden können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2017 um 10.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36391

Nachtrag:

Das Wahlergebnis zeige, die Menschen wünschten sich einen starken Staat. (Tillich)

Das fürchte ich auch. Durchgreifen!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2017 um 09.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36390

Da könnte man jetzt jeden Satz kommentieren, aber ich glaube nicht, daß wir einen Schritt weiterkämen. Es geht immer um die Auswahl der Tatsachen, um Übertreibungen usw. Ich bin auch nicht der richtige Adressat, bin zu wenig "Partei". Ich habe mich hier schon für die Rechte der AfD ausgesprochen, gegen die Verklärung der Zuwanderer usw., ganz ausdrücklich auch hier gegen die "Refugees-welcome"-Aktivitäten und das freche "Wir bleiben alle". Ich bin, falls Sie das beruhigt, schon immer für rigorose Abschiebung gewesen. Trotzdem will ich mit der rechten Szene nichts zu tun haben.
Ich halte meinen Standpunkt nicht für widersprüchlich, aber es würde hier wirklich zu weit führen, wenn ich es begründen wollte.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.09.2017 um 09.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36388

PS. Von den guten Gründen derer, die über Merkels Einwanderungspolitik empört sind, möchte ich folgenden betonen: Die Nöte von Milliarden Menschen können nicht dadurch gelöst werden, daß sie nach Deutschland einwandern. Das ist ein arithmetisches Problem, kein politisches, könnte man da sagen.

Was bringt die Aufnahme von einer Million aus humanitären Gründen, wenn die Aufnahme mehrerer Milliarden Menschen im selben Maß geboten wäre? Wo ist der Sinn der Aktion, wenn man auf andere Weise mit demselben finanziellen Aufwand viel mehr Menschen helfen könnte? Nicht einmal dienigen, die es hierher geschafft haben, werden wir glücklich machen können, trotz des gigantischen Aufwands. Wir können ihnen nicht wirklich ein Gefühl der Beheimatung bieten, selbst wenn man die Kernfamilien alle nachreisen ließe, denn sie müssen alle ihr Volk, ihre Sippe, ihre Großfamilie, ihre von klein auf gewohnte kulturelle, sprachliche und religiöse Umwelt zu wesentlichen Teilen hinter sich lassen. Bei den Einwanderern aus der Türkei sieht man, daß viele von ihnen noch in der dritten Generation an Identitätsproblemen leiden. Normale Menschen verstehen diese Tatsachen, von den etablierten Parteien, die sich allesamt hinter der vermeintlichen Retterin Merkel versammelt haben, scheint es keine zu verstehen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.09.2017 um 09.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36387

Lieber Herr Ickler, ich verstehe nicht, wo jetzt da der große Widerspruch zu den von mir vorgebrachten Überlegungen sein soll.

"Die Teilhabe eines einzelnen unter 80 Mill. kann nicht bedeutend sein", schreiben Sie. Das hatte ich auch ja auch gesagt. Es ist ein guter Grund für den einzelnen, sich den Gang zum Wahllokal zu sparen. Und eben deshalb ist es so wichtig, daß die Politiker von sich aus die Bürger ernst nehmen. Darum ging es mir.

"Die Menschen ernst nehmen" bedeute Interessenvertretung, schreiben Sie. Ja genau. Allgemein bekannt ist, daß seit 2015 und bis zur jetzigen Wahl der Themenkomplex Flüchtlinge/Einwanderung, ungeschützte Grenzen, Islamisierung, Terror, Verlust der staatlichen Kontrolle usw. das Thema Nummer 1 war. Mal ganz grob gesagt: Rund die Hälfte der Bevölkerung war der Meinung, daß die von Merkel ausgelöste verantwortungslose Einwanderungspolitik sofort aufhören müsse. Viel weniger Einwanderung von Muslimen oder erst mal gar keine mehr, klare und dauerhafte Begrenzung. Da dieses Problem das Thema Nummer 1 war, hätte ein großer Teil der Bevölkerung gern eine Partei gewählt, die dieses Anliegen offensiv vertritt. Da gab es aber nur noch die AfD zur Auswahl, nachdem die CSU ihren Protest gegen Merkel im Vorfeld der Wahl aufgegeben hatte. Also wurde eben die AfD gewählt, wobei sich viele aufgrund der allgemein üblichen Hetze gegen die AfD wohl nicht getraut haben, so zu wählen, mit anderen Worten: Ohne die andauernde Verteufelung hätten noch viel mehr Leute die AfD gewählt, damit sie ihr Interesse vertritt. Andere, die sich von den herrschenden Parteien nicht ernst genommen fühlten, wählen gar nicht mehr. Insgesamt haben wir hier also ein massenhaftes Problem, das man mit dem Satz "Die Leute fühlen sich von den Politikern nicht ernst genommen" oder "Die Leute vermissen eine Vertretung ihrer Interessen bei nahezu allen Parteien" zusammenfassen kann.

Tatsächlich wird nun der Wahlerfolg der AfD als Warnsignal in dieser Hinsicht verstanden, zumindest von den klügeren der Politiker. Aktuell äußert sich Ministerpräsident Tillich in Sachsen dazu: Das Ergebnis der Abstimmung zeige, dass sich ein Großteil der Bevölkerung nicht verstanden fühle, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir müssen umschalten."

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sachsens-regierungschef-stanislaw-tillich-fordert-kurswechsel-der-union-a-1170754.html

Da hat Tillich recht. Es kann nicht gut gehen, einen großen Teil der eigenen Bevölkerung nicht zu vertreten und diesen großen Teil der Bevölkerung auch noch per AfD-Verteufelung indirekt mitzuverdammen, als verirrt, naiv und krankhaft hinzustellen. Die Leute haben ein natürliches Gefühl und gute Gründe auf ihrer Seite, ganz anders als die Politiker mit ihren hohlen Sprüchen und ihrem Korrektheitswahn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2017 um 04.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36381

Lieber Herr Wrase, ich sehe die Politik ganz anders, weniger rousseauistisch.

Das arithmetische Problem kann man nicht ausklammern, die Teilhabe eines einzelnen unter 80 Mill. kann nicht bedeutend sein, es sei denn, er engagiert sich (darauf hatte ich angespielt). Wenn Sie wirklich etwas erreichen wollen, können sie mit etwas Einsatz in einer Partei aufsteigen und mitregieren sei es auch "nur" im Stadtrat, was durchaus keine Kleinigkeit ist.

Damit bin ich bei den Parteien. Die hat es immer gegeben, auch in der direktesten Demokratie im alten Griechenland; heute sind sie institutionalisiert.

Parteien vertreten Interessengruppen, die als relativ stabil angesehen werden: Unternehmer, Steuerzahler, Sozialversicherte, Rentner, Eltern, Umweltschützer und Lebensreformer ...

Was heißt denn "die Menschen ernst nehmen"? Realistischerweise Interessenvertretung.

Mir kommt die Vorstellung blauäugig vor, daß sich die Menschen von Fall zu Fall versammeln, ihre Meinung zu anstehenden Problemen kundtun und dann mehrheitlich irgendwelche Maßnahmen beschließen. Lieber Herr Wrase, auch Sie würden sich wundern, wie wenig Sie in einer solchen Demokratie zu sagen hätten.

Man muß den Parteien auf die Finger sehen, natürlich. "Der Staat als Beute" (v. Arnim), das muß man verhindern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2017 um 03.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36380

Natürlich folgt jetzt Schulzens Abrechnung mit Gabriel. Schulz hat sich abgerackert, obwohl er bald erkennen mußte, daß er für eine aussichtslose Sache verheizt wird. Aber daß ein längerer Wahlkampf mehr Stimmen gebracht hätte, halte ich für eine Täuschung, letzten Endes Selbsttäuschung, denn Schulz sieht immer noch nicht ein, daß er der falsche Kandidat war und nicht der richtige zur falschen Zeit.

Für den Gang in die Opposition werden verschiedene Gründe angegeben, die einander widersprechen. Der Schnellschuß führt zur "Frühverrentung" einiger Spitzenleute, die das nicht leicht verwinden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 29.09.2017 um 13.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36372

Um das Grundproblem "repräsentativ oder direkt" ging es hier weniger. Mir jedenfalls ging es um ein anderes Grundproblem: Demokratische Strukturen und Institutionen gewährleisten leider nicht, daß tatsächlich der Wille des Volkes die Politik bestimmt. (Bei der direkten Demokratie ist dieses Problem immerhin geringer.) Vielmehr kommt es darauf an, ob die Politiker (aber ebenso die Massenmedien und andere Akteure, die wesentlichen Einfluß auf politische Entscheidungen haben) die Meinung und die Bedürfnisse der Bürger als Maßstab achten.

Ausgangspunkt war hierbei die Tatsache, daß viele Bürger schon lange das Gefühl haben, daß sie von den Politikern nicht ernst genommen werden. Wenn sie überhaupt noch wählen gehen, dann zunehmend als Protestwähler. Das wurde bei der jetzigen Bundestagswahl besonders deutlich. Meine These in diesem Zusammenhang ist, daß sie von den meisten Politikern tatsächlich nicht ernst genommen werden und diese ärgerliche Tatsache immer wieder korrekt wahrnehmen. Vielen Bürgern hängen die rhetorische Abgehobenheit der Politiker sowie die ideologische Verhaftung und der Gruppenegoismus der Parteien dermaßen zum Hals heraus, daß sie vom Verrat am eigenen Volk reden, entweder wörtlich oder sinngemäß. Meine Meinung ist: Das kann man nicht als pathologische Redeweise abtun, sondern an diesem Protest ist etwas dran.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2017 um 04.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36370

Man kann allenfalls Schlimmes verhindern. Wir haben das alles ja selbst durchexerziert mit dem Volksbegehren zur Rechtschreibreform.
In den Parlamenten gehen die Lobbyisten ein und aus, das ist die sichtbarste Form der Beeinflussung. Wir wissen nicht, welche Faktoren bei der geschlossenen Abstimmung aller Fraktionen in SH zugunsten der Rechtschreibreform, also der Vergewaltigung des Volkswillens, eine Rolle gespielt haben. Bertelsmann hat sich eingemischt, das ist klar, aber sicher nicht alles.

Andererseits ist die Gefahr der "Stimmungsdemokratie" nicht von der Hand zu weisen. Ich habe schon daran erinnert, wie wetterwendisch Umfrageergebnisse sind. Anfang 2017 hätten die Deutschen vielleicht Schulz zum Kanzler gewählt, den selbst SPD-Veteranen wie Klaus v. Dohnanyi für eine Flasche halten. Ein paar Wochen später nicht mehr.

Wir werden aber das Grundproblem der Demokratietheorie (direkt oder repräsentativ) hier nicht lösen, so viele Gedanken wir uns auch in den letzten Jahrzehnten darüber gemacht haben.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 28.09.2017 um 19.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36368

Nachdem selbst durch das Wegwerfen von 100000 Stimmzetteln (!) das mißliebige Ergebnis des Volksentscheids zugunsten des Flughafens Berlin-Tegel nicht verhindert werden konnte, wird nun nach anderen Wegen gesucht. Guter Rat kann aus Schleswig-Holstein geholt werden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 28.09.2017 um 17.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36367

Direkte Demokratie kann das minimale Gewicht der einzelnen Stimme zwar nicht erhöhen, aber der große Unterschied bei einem Referendum ist, daß anschließend der mehrheitliche Wille derer umgesetzt wird, die abgestimmt haben. Davon kann bei der in Deutschland üblichen Art der "Demokratie" nicht die Rede sein, wo aus einer Stimmabgabe bei der Wahl zugunsten einer Partei nicht einmal hervorgeht, welche Meinung der Wähler zu bestimmten Sachfragen hat und welche einzelnen Themen ihm wichtig sind. Die Parteien haben so gesehen leichtes Spiel, alles mögliche über den angeblichen Willen der Wähler zu behaupten.

Zur Bestimmung des Wählerwillens müssen die genaueren Absichten der Wähler eruriert werden, durch Wahlanalysen, die auf Umfragen beruhen. Wenn man den Bürger ernst nehmen will, kommt man also um Befragungen sowieso nicht herum, sofern nicht schon alle Spatzen von den Dächern pfeifen, was die Leute mehrheitlich wollen oder ablehnen. Die bloße Wahl kann solche Befragungen nicht ersetzen, die ja auch nicht nur zum Zweck der Analyse von Wahlen durchgeführt werden.

Wenn die Politiker aber auch diese Umfragen und das an anderen Orten abrufbare Meinungsbild (Äußerungen im Internet, Leserbriefe usw.) nicht ernst nehmen, inklusive der Häufigkeit und Heftigkeit, mit der sich die Leute zu bestimmten Themen äußern, bekommt man sehr wenig Demokratie für viel Wahlaufwand – und eine wachsende Zahl enttäuschter oder auch wütender Bürger.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2017 um 17.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36365

Direkte Demokratie kann das Gewicht einer einzelnen Stimme unter 60 Millionen nicht erhöhen, das ist ein arithmetisches Problem, kein politisches.

Ich geniere mich ein bißchen, das Standardargument auszusprechen: Man kann schon etwas tun, aber man muß es auch tun. (Ich meine etwas mehr als Kommentare und Petitionen.)
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 28.09.2017 um 14.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36364

Zu #36363

Auf all diese Fragen gibt es eine einfache Antwort: Es geht gar nicht um den Wählerwillen (Bürgerwillen), sondern Wahlen sind nur dazu da, bei den Leuten den Eindruck zu erwecken, sie könnten mitbestimmen, was natürlich nicht der Fall ist. Tatsächlich sollen nur die Entscheidungen der Großkonzerne oder der "Strippenzieher hinter den Kulissen" den Leuten schmackhaft gemacht/nahegebracht werden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 28.09.2017 um 12.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36363

Beleidigung des Wählers, genau. Darum geht es: Viele Wähler bzw. Bürger fühlen sich von den Politikern, von den Parteien in der Regel nicht ernst genommen, sondern regelrecht beleidigt. Nicht nur wegen hohler Sprüche auf Wahlplakaten. Haben sie etwa das Gefühl, dadurch ernst genommen zu werden, daß sie alle paar Jahre ihre Stimme bei einer Wahl abgeben können? Was bewirkt denn diese einzelne Stimme? Und diese minimale Möglichkeit der Mitbestimmung wird gleich nach der Wahl regelmäßig zunichte gemacht, wenn die Parteien auf schamlose Weise das Wahlergebnis für ihren jeweiligen Vorteil zu interpretieren versuchen.

Viel besser wäre mehr direkte Demokratie: Die Bürger können über konkrete Streitfragen abstimmen. Da fiele es den Parteien dann schon wesentlich schwerer, am Willen des Volkes herumzudeuteln.

Noch besser wäre es aber, wenn Regierungsparteien grundsätzlich auf den Willen der Bürger achten würden. Volksbefragungen würden sich dann im Prinzip erübrigen. Es gibt doch genügend Umfragen zu allen möglichen Themen. Ich hatte in meinem letzten Beitrag nicht gemeint, daß die großen Fragen der Europapolitik auf einem offiziellen Weg der Bevölkerung zur Entscheidung hätten vorgelegt werden sollen. Obwohl es ja beispielsweise in einigen Ländern Referenden über den EU-Beitritt gab, so etwas ist also durchaus möglich, warum nicht öfter? Aber egal, entscheidend ist: Wenn die Bevölkerung eine klare Mehrheitsmeinung hat, die man auch auf einfache Weise hinreichend genau ermitteln kann, warum sollte man die Mehrheitsmeinung in einer Demokratie überhaupt mißachten? Gerade in den großen Fragen, die die Identität und die Selbstbestimmung des Volkes betreffen?

Wenn es um Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen geht, trauen die Politiker sich partout nicht, diese durchzusetzen, nur weil sie den Zorn der Raser fürchten. Obwohl sie wichtige Argumente vorbringen könnten (es geht vor allem um die Zahl der Unfälle, besonders um Todesopfer). Wenn es hingegen um massenhafte Immigration geht, spielt die Kritik und die Wut eines erheblichen Teils der Bevölkerung keine Rolle, obwohl die Kritiker auch eine Menge guter Argumente auf ihrer Seite haben. Da heißt es dann (Stichwort Rhetorik): "Wir müssen die Werte Europas verteidigen" oder "Jetzt nachzugeben wäre nur Populismus". Dieses tägliche Pseudoargument "Populismus", das ist nichts anderes als Verachtung der Bürger, wie ich finde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2017 um 12.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36362

Nahles hätte den Satz mit der Fresse vermeiden können, aber schaden wird er ihr auch nicht. Sie hatte die hemdsärmelige Redeweise, die bei einem SPD-Mitglied wohl auch den obligatorischen Stallgeruch erzeugen soll, deutlich als Scherzkommunikation gekennzeichnet. Die Gegner stellen sich selbst bloß, wenn sie so tun, als hätten sie das nicht mitgekriegt.

Natürlich muß man immer überlegen, wem der Grobianismus steht und wem nicht. Münte oder Schröder konnten auch mal in diese Kiste langen, Merkel kann es eher nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2017 um 11.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36361

Mit nachträglicher Wählerschelte halten sich die Parteien diesmal zurück, das kam nicht gut an, auch nicht in der Verklausulierung, man habe seine Ziele dem Wähler nicht hinreichend deutlich machen können.
Dafür waren die Werbeparolen eine dauernde Beleidigung des Wählers. Ich verstehe, daß die kleine und arme ÖDP auf so revolutionäre Parolen gekommen ist wie Gemeinsam entscheiden wir besser. Aber die Großen, die sich eine Agentur leisten können, waren auch nicht besser. Klar für Gerechtigkeit – das könnte SPD sein, ist aber CSU. Die hat sich nämlich einreden lassen, alle Sprüche mit klar beginnen zu lassen. Das stammt aus den Lehrbüchern der Produktwerbung: Wiedererkennbarkeit. Allerdings braucht man in Bayern nicht zu fürchten, die Existenz der CSU könne vergessen werden. Es hat ja auch nichts genutzt.

Die interessanten Unterschiede zwischen den Parteien glaubte man dem dummen Wahlvolk nicht zumuten zu können. Zum Beispiel hat die Mietbremse versagt, worauf die Erfinder naturgemäß antworten, daß man einfach mehr davon brauche (wie bei der Rechtschreibreform und allen Reformen, die nicht funktionieren). Dabei lernt jeder Schüler, daß verordnete Preisobergrenzen das Angebot nicht erweitern, sondern verknappen, in diesem Fall also die Schlangen demütiger Bewerber bei Besichtigungterminen verlängern. Aber dafür haben die Planwirtschaftler eine Karte im Ärmel: Der Staat soll die Wohnungen bauen und zuteilen. (Preisgünstiger Plattenbau empfiehlt sich, dann hat wenigsten jeder ein Dach überm Kopf.) Usw.

Jetzt verstehen die Bürger kaum, warum sich die Parteien nicht umgehend einigen – sie wollten doch anscheinend ohnehin alle dasselbe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2017 um 07.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36359

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31202

Zu meiner komischen Rolle als Merkel-Verteidiger möchte ich noch nachtragen, daß ich "diese Frau" anfangs unterschätzt habe, daher http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=79
Aber ich bin lernfähig. Die "Narrenkappe der Parteilichkeit" werde ich mir trotzdem nicht überziehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2017 um 07.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36358

Lieber Herr Wrase, zu welchen Entscheidungen der Exekutive die "Bürger befragt" werden müssen, ist im allgemeinen festgelegt, wenn auch in Einzelfällen umstritten. Machen Sie es sich bitte nicht zu leicht.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 26.09.2017 um 17.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36334

Protestwähler sind übrigens auch Wechselwähler, bloß nicht »klassische«.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 26.09.2017 um 10.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36329

Sie bezweifeln, daß es "teilweise auch regelrechte Wut und Verzweiflung in der Bevölkerung" gibt, wie ich schrieb? Man konnte doch viel von dieser Art lesen: "Solches Toben und Wüten, so viel Hass – das habe ich noch nie erlebt"

www.spiegel.de/spiegel/die-stimmung-der-buerger-vor-der-wahl-labil-und-voller-emotionen-a-1165983.html

Ohne Zweifel wurde die Wut deutschlandweit zuletzt vor allem durch Merkels Einwanderungspolitik ausgelöst, der Experte drückt es so aus: "In den Tiefeninterviews kam immer nur: Flüchtlingskrise, Flüchtlingskrise, Flüchtlingskrise." Aber natürlich gibt es eine Vorgeschichte. Die Bürger wurden zum Beispiel bei der Einführung des Euro belogen. Sie wurden nicht gefragt, ob sie mit der Euro-Rettungspolitik einverstanden sind. Sie hatten bei diversen übereilten EU-Erweiterungen nichts zu sagen. Sie erlebten die jeweiligen Äußerungen der meisten Politiker als unehrlich, herablassend und weltfremd. Aus Wut wird irgendwann Verzweiflung, wenn man sich nicht wehren kann und durchweg nicht ernst genommen wird. So war das in den vergangenen Jahren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.09.2017 um 07.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36328

Ich hätte da verschiedene Einwände, aber das ginge jetzt zu weit. "Wut und Verzweiflung" über die Ausländerpolitik - in Ostsachsen?

Eine Prognose? Nun, im Augenblick plustern sich viele auf, um ihren Preis in die Höhe zu treiben, andere lecken ihre Wunden, da muß man erst mal etwas abwarten. Ich nehme an, daß "Jamaika" zustande kommt; eine kleine Möglichkeit gibt es, daß die SPD ihren in jeder Hinsicht unklugen Schnellschuß überdenkt. Warum sollte sich die ganze Partei wegen Schulz-Frust in die Schmollecke verziehen? An die Regeneration in der Opposition muß man erst mal glauben können. Glaubensstark sind die Genossen allerdings ("100%" - du lieber Himmel!).

Ob die CSU weiter mit Seehofer durch dick und dünn geht oder sich mal über seine Fehlkalkulation Gedanken macht? Er wollte ja die AfD überflüssig machen und hat darum nicht gegen sie, sondern gegen Merkel gekämpft, das kostet natürlich. Er könnte jetzt versuchen, sich in den Jamaika-Verhandlungen zu profilieren und damit Boden gutzumachen. Es sei denn, man verdrängt ihn vorher von seinem Posten. Dieses regionale Problem hat nun bundesweite Bedeutung.

Auf mittlere Sicht kommt die SPD wohl an Nahles nicht vorbei (auf die wir vor langer Zeit wegen ihrer Äußerungen zur Rechtschreibreform einen Blick werfen mußten, s. a. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=272#24041), und das führt dann auf die Option Rot-Rot-Grün unter ihrer Kanzlerschaft.

Ich sehe dem Treiben ziemlich neutral zu, Wechselwähler eben. Nur die AfD werde ich nicht verteidigen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 26.09.2017 um 06.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36327

PS: Das Thema ist hier ja die Rhetorik. Wir werden nun allein schon aus der Auseinandersetzung zwischen der AfD und dem Rest der Parteien sowie den Medien massenhaft Stoff dazu bekommen. Dafür könnte man vielleicht zwei neue Stränge eröffnen, damit hier nicht alles aus den Nähten platzt, zum Beispiel "Rhetorik bei der AfD" sowie "Rhetorik gegen die AfD".

Mich selbst bringt momentan vor allem die Verlogenheit und die völlige Überzogenheit der Rhetorik gegen die AfD auf die Palme. Damit meine ich unter anderem, daß die meisten Politiker und Medien überschäumend die AfD verteufeln, obwohl diese im wesentlichen ein Produkt des jeweils eigenen Versagens ist. Also eine Jagd auf die AfD als Sündenbock für den Mist, den man selbst angerichtet hat. Immerhin repräsentiert die AfD nun einen Großteil der verbreiteten Enttäuschung über die Regierungspolitik der letzten Jahre, teilweise auch regelrechte Wut und Verzweiflung in der Bevölkerung.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 26.09.2017 um 06.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36326

Die SPD muß Schulz loswerden? Vielleicht wäre das besser für die SPD, aber das trauen die sich doch nicht. Schulz absägen würde ja bedeuten, daß die SPD zugibt, die ganze Wahl mit der Nominierung von Schulz selber versemmelt zu haben. Seit wann geben Parteien Fehler zu, solange man sich davor drücken kann?

Interessanter ist aus meiner Sicht die Frage, ob es für die CDU/CSU nötig wäre, Angela Merkel loszuwerden. Vielleicht legt es die CSU schon jetzt bei den Koalitionsgesprächen darauf an, daß sie nicht gelingen können. Und unabhängig von dieser Möglichkeit – kann Jamaika im Blick auf alle vier Parteien (CDU, CSU, FDP, Grüne) und auf etliche kritische Themen (Familiennachzug bei der Zuwanderung, Engagement für die EU, Details der Energiewende usw.) überhaupt gelingen? Ich bin da sehr skeptisch, würde eher auf ein Scheitern der Gespräche tippen. (Außerdem wäre ein Scheitern des Projekts auch aufgrund mehrheitlicher Ablehnung durch Parteimitglieder möglich.) Riskieren Sie da auch eine Prognose, lieber Herr Ickler?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.09.2017 um 03.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36321

Was ist eigentlich ein "Ideenstaubsauger"? Saugt er Staub oder Ideen oder den Staub von den Ideen? Jedenfalls etwas Gutes, insofern verstehe ich nicht, warum Schulz sich vorgenommen hatte, Merkel ins Gesicht so zu nennen.

Der letzte Auftritt war wohl nicht so gelungen.

In der Elefantenrunde im öffentlich-rechtlichen TV wurde insbesondere eins deutlich: der Frust des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. (fr.de 25.9.17)

Martin Schulz pöbelt sich durch die Elefantenrunde (RhP 25.9.17)

Sogar die plötzliche Ausfälligkeit wirkte einstudiert, aber nun ist es ja vorbei. Die SPD muß Schulz loswerden und außerdem mit der rüden Absage leben:

Auf die Frage, ob er doch über Koalitionsgespräche mit der SPD nachdenken würde, sollte Angela Merkel ihn heute noch einmal fragen, sagte er, nicht in bester Laune: “Wenn die mich anrufen will, soll sie mich anrufen.” Dann fügte er hinzu: “Aber ich glaube, nach der sogenannten Elefantenrunde gestern weiß sie, dass sie möglicherweise ihre Zeit besser nutzt und andere anruft.“ (welt.de 25.9.17)

Üblicherweise läßt man Koalitionsgespräche scheitern und schiebt dem anderen die Schuld zu. Aber sie gar nicht erst zu beginnen, weil der andere, mit dem man jahrelang zusammengearbeitet hat, gar nicht in Betracht komme, das ist ungewöhnlich und nicht gerade einleuchtend.

Unterdessen fordert die AfD ihre Vorsitzende auf, die Partei zu verlassen... Unterhaltsam ist das alles schon.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.09.2017 um 01.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36320

FOCUS online, 25.09.2017:

So haben die Bundesländer bei der Bundestagswahl 2017 gewählt

...
Nicht nur, dass zwischen Ostsee und Erzgebirge die AfD zweitstärkste Kraft hinter der CDU wurde und in Sachsen sogar die meisten Zweitstimmen auf sich vereinte. Die Linke, die sich lange als Volkspartei des Ostens präsentierte, hat deutlich verloren und ist auf Platz drei gerutscht.
...

AfD im Westen nur auf Platz drei

Im Westen zeigt sich ein anderes Bild. Dort kommt die AfD nur auf Rang drei, ganz knapp vor der FDP.
...

Der FOCUS bedauert also "nicht nur", daß die AfD so gut abgeschnitten hat, sondern auch, daß die Linke so schrecklich viel verloren hat. Tja, die einstige allgemeine Ablehnung der Kommunisten in der DDR ist lange vergessen. Sie machen der Union ja auch keine Probleme.

Man beachte die dicke Zwischenüberschrift für den "nur" dritten Platz im Westen. Der zweite im Osten hat keine bekommen. Außerdem – einen Tag früher war fast die spannendste Frage der Medien, wer den dritten macht. Da ihn die Falschen gewonnen haben, heißt es nun "nur" dritter.

Es geht also mit der Verdummung der Leser erstmal noch so weiter wie bisher.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.09.2017 um 06.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36318

Ich will hier nicht inhaltlich politisieren, sondern habe mich immer nur für die politische Rhetorik (in einem weiten Sinne) interessiert. Mir scheint, daß der Beitrag der SPD in der großen Koalition durchaus breite Zustimmung gefunden hat und daher auch zu einem ordentlichen Wahlergebnis hätte führen können. Das Desaster begann meiner Ansicht nach mit der Ernennung von Martin Schulz, dessen Aufstieg und voraussehbarem Sturz ich darum von Anfang an meine Aufmerksamkeit gewidmet habe, auch weil man diese Entwicklung später vielleicht gar nicht mehr rekonstruieren kann. Gesehen habe ich die Politiker fast nie, weil ich grundsätzlich nicht fernsehe. Aber physiognomisch habe ich mir trotzdem ein Urteil gebildet.
Wir hatten unsere eigenen Wahlprognosen notiert, und während ich der Union etwas mehr zugetraut hatte, lag ich bei den anderen fast genau richtig (weniger als einen Punkt Abweichung). Aber es ist ja klar, daß die Union Federn lassen mußte, die teils zur FDP geflogen sind, teils – aber nur vorübergehend – zur AfD.
Am interessantesten aus rhetorischer Sicht ("kommunikationswissenschaftlich" könnte man auch prahlen) ist und bleibt Schulz. Hat er denn selbst nicht gewußt, daß das alles eine Nummer zu groß für ihn sein würde? Man müßte seine Äußerungen noch einmal unter dem Gesichtspunkt durchsehen, daß sie seine Unsicherheit überspielen sollten. Einigermaßen sicher wirkte er nur, wenn er Anekdoten erzählen oder aus seiner EU-Parlamentszeit berichten konnte. Schuld am Debakel sind aber die, die ihn in den Vordergrund geschoben haben, wo er dann nur noch "verheizt" werden konnte und am Ende sogar Mitleid erregte.
(Die verliebenen SPD-Wähler konnten eigentlich mit nichts anderem rechnen als einer Fortsetzung der Koalition. Wenn nun die Führung aus heiterem Himmel verkündet, die SPD gehe in die Opposition, muß das viele frustrieren. Das ist jetzt die neue Ausgangslage, anders gesagt: "Opposition ist Mist" [Müntefering].)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.09.2017 um 04.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36316

Die AfD kann nicht den Platz der Union einnehmen, weil sie nur einen einzigen Programmpunkt hat, der gerade mal für die "Denkzettel"-Wahl ausreichte. Das haben auch Gaulands und Meuthens Sprüche am Wahlabend gezeigt.
Hier in Bayern werden sich viele fragen, welche Rolle Seehofer gespielt hat. Nicht meine Sorge, zum Glück.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.09.2017 um 00.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36313

Strauß habe gesagt, rechts der Union sei nur die Wand, aber nun gebe es die AfD, und die sei nicht nur rechts der Union, sondern sehr weit rechts. (M. Slomka im ZDF-heute-Journal, 24.9.2017).

Sehen wir uns die Stellung der AfD doch mal an:

"Bevor wir neue Zuwanderung haben, müssen wir erst einmal die Integration der bei uns lebenden ausländischen Kinder verbessern.
Sie haben keine einzige Mark vorgesehen, um das Problem zu beseitigen, daß hier in Berlin-Kreuzberg 40% der ausländischen Kinder und Jugendlichen weder einen Schulabschluß haben noch einen Berufsabschluß, und trotzdem reden Sie über mehr Zuwanderung. Mit uns haben Sie die Alternative, wir werden das ändern, dieses Gesetz wird so nicht in Kraft treten."

Dies war jetzt nicht etwa eine AfD-Rede, das hat Angela Merkel am 13.9.2002 im Bundestag gesagt, kurz vor der damaligen Bundestagswahl am 22.9.2002. Wenn sich das anhört wie die AfD heute, dann ist nicht die AfD extrem rechts, sondern sie nimmt genau den alten Platz der Union ein, während sich die Union immer weiter nach links orientiert.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 24.09.2017 um 21.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36312

Roter Hering.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.09.2017 um 19.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36311

Ja, die Neandertaler haben wohl einen sehr schweren Fehler gemacht, als sie die Jagdkonkurrenten nicht am Einwandern gehindert haben. Daß es möglich ist, haben die Leute bewiesen, die den Ötzi am illegalen Grenzübertritt gehindert haben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.09.2017 um 12.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36309

Richtig, aber es fordert auch keine Partei, die Aussicht hat, in den Bundestag zu kommen, daß wir "ohne dauernde Einwanderung" sein müssen. Jedes Land hat das Recht, die konkreten Regeln dafür zu bestimmen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.09.2017 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36307

Ohne dauernde Einwanderung würden in Europa noch die Neandertaler die einzigen Menschen sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2017 um 09.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36306

Lieber Herr Wrase, wenn ich Sie recht verstehe, beklagen Sie, daß wir nicht den Bedürftigsten helfen, sondern denen, die sich die teuren Schlepper leisten können. Lassen wir das Asylrecht beiseite, wo es um Verfolgung und nicht um Bedürftigkeit geht, so bleibt die Einwanderung. Kein Einwanderungsland lädt die Bedürftigen ein; warum sollten wir das tun? Armutsflüchtlinge wollen wir doch gerade nicht haben!
Die vergleichsweise Wohlhabenden und Gesunden (wie Sie sagen) und doch wohl besser Ausgebildeten werden sich anders als die Bedürftigen hier keineswegs mit der Grundsicherung zufrieden geben. Manche überschätzen die Möglichkeiten, sogleich ordentlich Geld zu verdienen, und gehen zurück; das hat es schon oft gegeben.

Übrigens hat die Zuwanderung hier eine große Menge Arbeitsplätze geschaffen - vielleicht unproduktive, aber wer kann das ohne weiteres sagen? Ist Deutschunterricht unproduktiver als das Betreiben einer Schokoladenfabrik?

Es sagt sich auch leicht, was man mit dem vielen Geld in den Herkunftsländern alles machen könnte. Dabei vergißt man, daß es sich um fremde Staaten handelt und daß es gar nicht leicht ist, dort etwas an den Raffhänden korrupter Regierungen vorbei zu bewirken.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 24.09.2017 um 07.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36304

Zu #36293:
Wie hindert man Menschen am Wandern?

Indem man ihnen beibringt, daß es sich nicht lohnt zu wandern. Dazu gehört, Regeln zur Einwanderung aufzustellen, und wer sich nicht daran hält, wird abgewiesen bzw. abgeschoben. Dafür braucht man nicht einmal Zäune. Wenn zu viele Migranten immer nochmals einreisen, wird die Regel hinzugefügt: Wer illegal einreist, verwirkt dauerhaft sein Recht zum Aufenthalt in Deutschland.

Anders geht es früher oder später sowieso nicht. In Deutschland läuft das so: In den ersten ein, zwei Jahren der Migrationskrise sagen sehr viele Politiker allen Ernstes, es sei sowieso unmöglich, Einwanderer aufzuhalten, Zäune bringen nichts usw. Rationale Politik auf der Grundlage der geltenden Gesetze wird verabscheut, sie könnte ja wie Ausländerfeindlichkeit aussehen. Man läßt erst, inklusive Familiennachzug, einige Millionen Zuwanderer ins Land, bis die Ausgaben ins Astronomische steigen und auch sonstige Probleme sich auftürmen (zum Beispiel immer mehr Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt in den Städten). Dann, wenn fast alle nur noch mit den Händen ringen und die Gesellschaft in haßerfüllten Dauerstreit gestürzt worden ist, kommen die Politiker allmählich auf die Idee, daß es so nun wirklich nicht weitergehen kann. Erst dann werden sie die Zuwanderung wirksam begrenzen. Beziehungsweise die Möglichkeit der Zuwanderung wird hierzulande nur scheibchenweise eingeschränkt statt von vornherein mit Augenmaß begrenzt. Auf diese Weise kostet das Ganze auf Dauer eben ein paar hundert Milliarden Euro mehr. Diese gigantischen Gelder gibt man letztlich nur für politische Korrektheit aus. Dann kann man immerhin die Nachbarn in Europa, die da nicht im selben Maß mitmachen wollen, so schön vom hohen Roß herunter beleidigen, sie verhielten sich "unsolidarisch", sie träten die europäischen "Werte" mit Füßen. Die anderen mit Verachtung und Belehrungen behandeln, das tun deutsche und Brüsseler Politiker mit Vorliebe. Wie die Europäische Union diesen Konflikt überstehen wird, bleibt abzuwarten.

Von all den Armseligen auf der Welt, die gern nach Deutschland einwandern würden, wenn sie könnten, wird man nicht einmal jeden hundertsten aufgenommen haben, bis man sich am Ende doch gezwungen sieht, die Notbremse immer weiter anzuziehen. Man hat dann auch nicht eine Auswahl der Bedürftigsten aufgenommen, sondern gesunde und vergleichsweise wohlhabende Einwanderer, die ihre Schlepper bezahlen konnten. Dennoch werden die meisten von ihnen von den staatlichen Sozialsystemen leben. Eine gute Lösung ist das ganz bestimmt nicht. Vor allem, wie gesagt, weil man sehr viel mehr Menschen in all den Notstandsgebieten hätte helfen können, wenn man dieselben gewaltigen Gelder konsequent in Hilfsprogramme in den betroffenen Regionen investiert hätte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2017 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36302

Merkel soll sich mal verplaudert haben: Walderdbeere sei ihr Lieblingseis. Der "Stern" dazu: Wo bitte gibt es Walderdbeereis? Das serviert man im Elysee-Palast.
Auch bei Lidl. Der Würselner Mann aus dem Volk hätte es ihm sagen können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2017 um 05.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36301

"Martin Schulz überrascht das Publikum mit einer intimen Geste" (Stern 24.9.17) Er holt seine Ehefrau auf die Bühne.

So muß man es machen, steht so ähnlich schon bei Cicero. Warum kommt Merkel nicht darauf, Herrn Sauer zu nutzen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2017 um 04.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36299

In der SPD gibt man zu, Schulz vor seiner hundertprozentigen Ernennung kaum gekannt zu haben, er war „unser Mann mit Bart“ im fernen Straßburg oder Brüssel. Also galt der Jubel einem Phantasma, einer Wunschprojektion. Das war für mich das Interessanteste an diesem Wahlkampf, der ja als langweilig gilt, weil die wählbaren Parteien sich programmatisch kaum unterscheiden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2017 um 04.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36296

Auch Peter Carstens meint in der FAS vom 24.9.17, die Briefwahl solle nur zur Not ausgeübt werden: „Demokratie und Wahlkampf gehören seit je zusammen wie Salz und Suppe. Die fulminante Aufholjagd eines Herausforderers, die überzeugende Begegnung mit einer Wahlkreiskandidatin am Wahlstand auf dem Wochenmarkt, all das spielt für viele Briefwähler keine Rolle, dabei gehört es doch zur Wahlentscheidung dazu.“

Das ist Unsinn. Es steht auch nirgendwo geschrieben, daß der Bürger sich diesem Infotainment aussetzen müsse. Man kann im Gegenteil sagen: Das Unterhaltungsmoment, die Rhetorik des Wahlkampfes interessieren den besonnenen Wähler nicht, weil er sich an die wirkliche Politik hält, die hauptsächlich zwischen den Wahlterminen stattfindet. In zweiter Linie auch für das Parteiprogramm. Alles zusammen das Gegenteil von „fulminant“.
Carstens Argumentation liegt ganz nahe bei jenen, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen für einen unentbehrlichen Teil der Demokratie halten und damit den steuerähnlichen Rundfunkbeitrag für jedermann begründen. Der moderne Mensch sieht fern und setzt sich den Schaukämpfen der Parteikandidaten aus – oder?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.09.2017 um 02.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36295

zu #36293:
Wie hindert man Menschen am Wandern?

Anzunehmen, ein Land könne sich nicht vor unerwünschten Einwanderern schützen, ist etwa so wie zu meinen, man könne sein Haus und Hof nicht vor Einbrechern und Dieben schützen. Für beides gibt es Gesetze, die hat jeder einzuhalten, andernfalls wird er bestraft. Gewalttätige (gegen Personen oder auch nur gegen Sachen) müssen damit rechnen, mit entschiedener Gewalt an ihrem Tun gehindert zu werden. Das ist im Großen (unerlaubtes Betreten eines Landes) genauso wie im Kleinen (Hauseinbruch). Was sollte daran unklar sein?
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 23.09.2017 um 19.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36294

Die Zuwanderer können nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben. Herr Ickler nennt die Medien halblinks, der politische Mainstream dürfte ähnlich zu verorten sein.

Es sind Linke und Linke sind wechselhaft, was die Wahl ihrer liebsten Klientel angeht. Wer hätte in den 70ern, als die Arbeiterklasse noch der Linken liebstes Objekt des Klassenkampfes war, gedacht, daß die Lage der Arbeiter denselben Linken, oben angekommen, reichlich egal ist.

Paul Craig Roberts hat in seinem Aufsatz "The Demise of the Left" die Wendigkeit der Linken beschrieben:
The “left” no longer champions the working class, which the “left” dismisses as “Trump deplorables,” consisting of “racist, misogynist, homophobic, gun nuts.”

Wer weiß, wie der Wind sich dreht? Vielleicht kommen auch Zeiten, in denen die muslimischen Zuwanderer die Wetterwendischkeit der Linken schmerzhaft zu spüren bekommen.

Sie werden ja nicht reingeholt, um ewig bevorzugt zu werden, sondern weil man zum gegeneinander Ausspielen mindestens zwei Gruppen braucht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2017 um 16.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36293

Na ja, "leicht vorstellen" kann man sich vieles. Die einzelnen Schritte sollte man sich aber auch vorstellen, sonst bleibt es Gerede über Wünschbares. Außerdem darf man die Vorgeschichte nicht vergessen: Wie es zur Destabilisierung der Fluchtländer gekommen ist und wer dafür sorgt, daß es nicht besser wird.
Und da es sich um Menschen handelt und nicht um Hochwasser: Wie hindert man sie am Wandern? Da muß man auch schon mal konkret werden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.09.2017 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36292

Ich habe hier zugespitzt geschrieben, weil man die Migrationskrise und die damit zusammenhängenden Probleme nicht in drei Sätzen auf den Punkt bringen kann. Entsprechend sind auch meine Bewertungen zugespitzt. Ich bin jedenfalls der Meinung, daß man sich leicht eine bessere Lösung der Flüchtlingskrise vorstellen kann als diejenige, die in Deutschland seit 2015 umgesetzt worden ist. Ich wüßte da schon etwas zu antworten.

Mein eigener Haupteinwand gegen die massenhafte Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten in Deutschland ist übrigens: Mit demselben Geld, das die Versorgung und Integration eines Einwanderers hierzulande kostet, könnte man vielleicht zwanzig Menschen (oder wie viele?) etwa aus Syrien hinreichend unterstützen (Sicherheit, Ernährung und weitere Grundbedürfnisse), wenn sie in ihrem Heimatgebiet oder in Nachbarstaaten blieben, bis sie zurückkehren können. Da es hier um gewaltige Ausgaben geht (langfristig weit im Hundert-Milliarden-Bereich, siehe Wikpedia: Flüchtlingskrise in Deutschland ab 2015, Abschnitt "Langfristige Kosten"), steht das Geld nicht beliebig oft zur Verfügung, sondern man muß sich entscheiden, wofür man es ausgibt. Was ist besser: einen Menschen luxuriös retten und sich um neunzehn Notleidende nicht kümmern – oder alle zwanzig mit dem Nötigsten unterstützen? Das ist doch überhaupt keine Frage.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2017 um 07.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36290

Lieber Herr Wrase, Ihre Hoffnung, daß die Wahl bald vorbei sein möge, wird sich bestimmt erfüllen; es handelt sich um ein paar Stunden.

In der Sache bin ich ganz anderer Meinung als Sie, aber dazu werde ich hier nichts schreiben. Immerhin frage ich meine Bekannten immer, wie sie sich eine sachgerechte Lösung der Migrationsfrage vorstellen, und das könnte ich hier auch tun.

Wie ich schon mehrmals geschrieben habe, bin ich ein typischer Wechselwähler und nicht leicht zu schockieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2017 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36289

Der Phonetiker Walter Sendlmeier analysiert in einem Extra der FAZ Merkels Sprechweise, auf die er einen Teil ihres Erfolgs zurückführt. Der Aufsatz ist viel besser als manche laienhaften Deutungen von sogenannten Körpersprachforschern und Kommunikationsberatern und recht lesenswert.
Die Beschreibung ist, wie fast immer, besser als die noch wenig fundierte Erklärung, zu der es immer noch an empirisch-vergleichender Forschung fehlt. Interessant wäre ein entsprechender Text über Schulz, den Sendlmeier und seine Mitarbeiter aber sicher nicht 16 Jahre lang beobachtet haben wie Merkel.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.09.2017 um 06.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36288

Die meisten Medien erscheinen mir gerade in der Vorwahlzeit regelrecht verlogen. Es beginnt damit, daß die Wähler allseits beschworen werden, doch ja zur Wahl zu gehen, bei einer niedrigen Wahlbeteiligung nehme die Demokratie Schaden. So ein Unsinn. Die Wahrscheinlichkeit, daß der einzelne Wähler mit seiner Stimme etwas bewirken kann, beträgt exakt null. Die Wahrheit beginnt damit, diese einfache Tatsache nicht ständig zu verleugnen. Und wenn viele Leute aufgrund dieser Erkenntnis nicht zur Wahl gehen, warum sollte die Demokratie deshalb Schaden nehmen? Ob es demokratisch zugeht, hängt von den Regierenden ab, nicht von den Wählern. Bei der Rechtschreibreform haben wir es gesehen: Das Volk war stabil zu rund 80 Prozent gegen die Reform, die Regierenden haben sie trotzdem umgesetzt. Wozu soll man da noch zur Wahl gehen?

Zweitens wurde und wird ständig gegen die AfD polemisiert. Dabei gäbe es die AfD gar nicht, wenn die regierenden Parteien die gewaltigen Probleme im Zusammenhang mit Europa, dann im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sachgerecht und ernsthaft zu lösen versucht hätten. Die Entscheidungen Merkels in der Flüchtlingskrise waren undemokratisch, nicht einmal der Bundestag hatte in dieser nationalen Schicksalsfrage etwas zu entscheiden. Der Protest dagegen, das ist die AfD. Im Sinne der Demokratie wäre es entsprechend, wenn jetzt die Medien Merkel in dieser Frage kritisierten und den Protest der AfD unterstützten, oder zumindest das Anliegen ernst nähmen, daß der heftige Protest gegen Merkels Politik mit der AfD im Bundestag repräsentiert sein sollte. Und wenn es so schlimm ist, daß die AfD Zulauf erhält, dann könnten die Medien vorzugsweise Merkel dafür kritisieren, weil vor allem sie für diesen Zulauf verantwortlich ist. Tun sie aber nicht. Stattdessen verteufeln sie die AfD als Inbegriff des Übels und beispielsweise auch Viktor Orbán, obwohl Orbán jedenfalls in der Migrationskrise durchaus im Einklang mit der Meinung seines Volkes, also demokratisch handelt und nebenbei mit der Sperrung der Balkanroute Deutschland vor einer Überlastung durch noch mehr Masseneinwanderung bewahrt hat. Der Großteil der Medien berichtet über all das nicht ausgewogen, sondern ideologisch verzerrt und manipulativ. Hoffentlich ist die Wahl bald vorbei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2017 um 06.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36287

Gerade kommt die FAZ ins Haus. Im Leitartikel kritisiert Reinhard Müller die Briefwähler. Die Wahl müsse ein persönlicher "Urnengang" bleiben (makabres Wort!), mit dem "gemeinsamen Wissen" dieses Sonntags.
Aus dem genannten Grund kann ich nicht zustimmen. Die Briefwähler - sie nehmen ja immerhin teil und bleiben nicht im gleichen Sinn zu Hause wie die Nichtwähler - haben sich offensichtlich ein Urteil gebildet, aber eben über die Jahre hin und nicht unter dem Beschuß der Wahlkämpfer. Was ist dagegen zu sagen?
(Ich selbst habe noch nie an der Briefwahl teilgenommen, außer eben als Wahlhelfer.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2017 um 06.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36286

In den Jahren, als ich noch Wahlhelfer war, gab es nur wenige Briefwähler, aber es reichte für einen langen Sonntagabend und zuletzt sogar noch den Montag.
Wenn jetzt fast ein Drittel und demnächst wohl die Hälfte briefwählt, bekunden die Leute doch im Grunde, daß ihnen der Wahlkampf ziemlich wurscht ist. Auf den wilden "Endspurt" wollen sie gar nicht erst warten. Das sollten die Parteien und Propheten auch bedenken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2017 um 05.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36285

Die Medien stehen mehrheitlich halblinks, darum verstehen sie in diesen Tagen die Welt nicht mehr. Rührend und etwas komisch das Handelsblatt:

Selten gab es einen Kanzlerkandidaten, der, trotz wachsender Aussichtslosigkeit, sich so abgerackert hat wie Schulz. Auch deswegen begeistert er die Massen – bis zum bitteren Ende.

Also: Das Volk liebt Schulz und wählt Merkel. Aus den Erklärungsversuchen: Merkel heftet sich die großen Leistungen des Koalitionspartners ans eigene Revers.

Viele Journalisten wollen nicht begreifen, daß ihre eigene Wahrnehmung gestört ist: Sie verwechseln ihr unermüdlich herbeigeschriebenes Bild mit der Wirklichkeit. Am Montag beginnt dann die Wählerbeschimpfung.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.09.2017 um 04.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36282

Das erscheint mir nicht logisch. Wenn eine Partei mehrere Programmpunkte für sehr wichtig hält, gibt es doch entsprechend mehr Felder, in denen sich gegensätzlich orientierte Gruppen in dieser Partei bilden könnten. Es sei denn, die Haltung der Partei in allen diesen Programmpunkten ergäbe sich mehr oder weniger schlüssig aus einer gemeinsamen Grundüberzeugung, die das eigentliche Band zwischen den Mitgliedern herstellt.

Die zahlreichen Spaltungen in der Geschichte der SPD ergaben sich nicht aus verschiedenen Programmfeldern, sondern trotz einer gemeinsamen Zielrichtung (soziale Gerechtigkeit) vor allem aus verschiedenen Ansichten über den Weg der Umsetzung: revolutionär/radikal oder Entwicklung durch Reformen usw. Dasselbe von Anfang bis heute bei den Grünen: Fundis gegen Realos.

Bei der AfD liegt die Bedrohung durch Spaltung aber nicht daran, daß sie zusätzlich zu ihrer ursprünglichen Programmatik (Widerstand gegen die Euro-Politik/zuviel EU) nun einen zweiten, aktuelleren Schwerpunkt bekommen hat (Migration, Islamisierung, innere Sicherheit). Die mögliche Spaltung wäre fast genauso wahrscheinlich, wenn die AfD von Anfang an nur dieses zweite Themenfeld im Fokus gehabt hätte, also tatsächlich eine monothematische Partei wäre. Denn dabei geht es um das Hineindrängen von Neonazis und ähnlichen Geistern – schon die thematische Ähnlichkeit zur damaligen Ausländerfeindlichkeit der Nationalsozialisten ist unvermeidlich und hochbrisant. Daraus ergibt sich für die AfD die Notwendigkeit, sich von "Ideologen" und haßerfüllten "Ausländerfeinden" abzugrenzen, auch wegen der politischen Angreifbarkeit; gleichzeitig ist diese Abgrenzung mehr oder weniger unmöglich. Das führt zu andauernden Konflikten innerhalb der Partei. Ich denke, es ist der interne Dauerstreit, der auf eine Lösung durch Abspaltung drängt. Das liegt aber dann nicht an "nur ein Hauptthema", sondern an der Art der Thematik, die besonders in Deutschland vergiftet ist.

Letztlich geht es auch bei der AfD darum: radikal oder bürgerlich? Wie radikal will die AfD selbst sein, wieviel Radikalität will oder kann sie in ihren Reihen dulden? Das ist eigentlich dasselbe wie bei den Flügeln innerhalb der Grünen oder bei der Sozialdemokratie (aktuell gespalten in die Realo-SPD und die fundamentalistischen Linken). Mit der Zahl der Themenfelder, die die jeweilige Partei besetzt, hat das meines Erachtens nicht so viel zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2017 um 18.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36281

Parteien, die im wesentlichen nur einen einzigen Programmpunkt haben, pflegen sich früher oder später aufzuspalten. Ich habe das aus der Geschichte der Grünen in Erinnerung. Die Umwelt- und Naturschutzbewegung hatte schon immer einen linken und einen rechten Flügel. Grünen-Mitgründer Gruhl spaltete dann die ÖDP ab, weil ihm die Grünen zu rot waren, und zur Zeit gibt es schon wieder ähnlichen Streit.

Bei der AfD hat es ja bereits eine große Spaltung und beinahe Neugründung unter demselben Namen gegeben, mit einer krassen Verschiebung des Programm-Schwerpunktes.

In der Tat, warum sollte man, wenn man eine bestimmte Position in der Migrationsfrage vertritt, auch in der Bildungs- oder Rentenpolitik oder beim Euro übereinstimmen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2017 um 06.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36271

Der kleine Fritz (also ich zum Beispiel) denkt sich, die Parteien wollen die Macht, um ihr Programm zu verwirklichen; aber sie machen es umgekehrt. Sogar die ZEIT schreibt:

Schulz und seine Leute beginnen Ende Januar also Themen zu sondieren: Welche Inhalte treiben potenzielle Wähler um? Der Findungsprozess ist in den kommenden Wochen quasi live zu beobachten – zum Nachteil der SPD. (21.9.17)

Schulz zwei Tage vor der Wahl: „Es geht um die gerechte Verteilung von Wohlstand.“

Auch, aber nicht nur und nicht in erster Linie. (Meinung des kleinen Fritz zum Findungsprozeß)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 21.09.2017 um 21.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36266

Respekt dem, der sich das ausgedacht hat!

Friedrich der Große hat sich übrigens tagtäglich mit den Anliegen einzelner Bürger beschäftigt, wie aus seinem Briefjournal hervorgeht, den sogenannten »Minüten«.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 21.09.2017 um 20.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36265

Ein Petitesse in der bald überstandenen aggressiven Ortsbildverschandelung: Sowohl die CDU als auch die Linkspartei bedienen sich des Zauberworts der Schwulen und fordern "Respekt".

CDU und Kommunisten – diese für Wessis damals noch undenkbare Koalition hatte ich 1991 in der Gemeindeverwaltung von Neuenhagen bei Berlin kennengelernt. Die SPD hatte gute unbelastete Leute und war stärkste Partei, aber CDU und damals PDS aus dem demokratischen Block stellten den Bürgermeister und bestimmten, was gemacht wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.09.2017 um 05.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36254

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34483

Auch im "manager magazin" bescheinigt Experte Verra dem Verlierer Schulz noch einmal seine Verlierer-Körpersprache. Musterbeispiel naiver symbolischer Deutung. Alles sehr einleuchtend und wertlos.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.09.2017 um 04.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36233

Viele versuchen sich an der Nummer "Bürgernähe", und es menschelt gar sehr. Natürlich stehen alle vor dem Problem, daß die Behauptung, man kümmere sich um jeden einzelnen Menschen, aus mathematischen und physikalischen Gründen nicht wörtlich verstanden werden kann, Bürgersprechstunde hin oder her. Dazu gehört auch die fernsehwirksame Ankündigung, man werde im konkreten Einzelfall unverzüglich bei der Behörde XY anrufen, um die skandalöse Sache zu bereinigen usw. Das erinnert an Anekdötchen vom Alten Fritz und ähnliches Herrscherlob aus feudalen Zeiten.

Die richtige Politik denkt in Strukturen, nicht Interventionen nach Gutsherrenart.

Lese gerade, daß Schulz eine Revolution im Pflegewesen ankündigt, das nun zur Staatsaufgabe Nr. 1 werden soll, außerdem Hunderte von Milliarden in den öffentlichen Verkehr pumpen will. Noch fünf Tage.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 18.09.2017 um 23.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36232

Martin Schulz regt heute im Ersten in der Sendung "Wahlarena" die Phantasie der Gäste an:

"Mir geht das Schicksal dieser Leute nicht irgendwo vorbei."

Wo könnte es ihm wohl rein theoretisch vorbeigehen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2017 um 18.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36229

Außenminister Sigmar Gabriel gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Mitverantwortung für das Erstarken der AfD. Diese habe es in der Flüchtlingskrise versäumt, sich stärker auch um "die Inländer" zu kümmern, sagte Gabriel dem "Spiegel". Es sei schwierig gewesen, Merkel und der CDU/CSU "klar zu machen, dass wir uns auch um die kümmern müssen, die sonst das Gefühl haben, dass wir sie vergessen". (n-tv 14.9.17)

Also hat die AfD recht? Aber warum hat sich dann die SPD nicht um uns Inländer gekümmert?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2017 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36226

Die „Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ (Alexander Gauland) – das weckt Erinnerungen an meine Jugend; damals waren solche Schlagwörter Alltag: Verbrecherregime und unvergleichliche Tapferkeit der Wehrmacht, mit dieser Gegenüberstellung sind wir aufgewachsen. Spuren davon auf Kriegerdenkmälern.
 
 

Kommentar von Mitleser, verfaßt am 16.09.2017 um 01.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36223

"Seehofer behaart auf Obergrenze"

(Überschrift im Teletext eines Regionalsenders)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.09.2017 um 18.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36222

Wenn man das unzurechnungsfähige Lächeln von Schulz auf den Plakaten sieht, muß man sich unwillkürlich den Slogen »Legalize it!« dazudenken.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.09.2017 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36221

Auf welchem Plakat steht denn "Ausländer entsorgen"?
Auch Gauland hat das Wort nicht in bezug auf Ausländer benutzt.
Es ist nicht ganz fair, die einen Parteien von ihren offiziellen Wahlplakaten zu zitieren und die andern mit irgendwelchen dummen Stammtischsprüchen einfacher Leute. Da käme keine Partei gut dabei weg.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.09.2017 um 04.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36218

Nicht als der Pensionär, der ich bin, sondern als Zeitungsleser und auch sonst neugieriger Zeitgenosse versuche ich nachzuschmecken, welche Idee heute eine nennenswerte Zahl ebensolcher hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Was treibt und beflügelt die Leute? Sicher nicht die Aussicht auf mehr Umverteilung ("soziale Gerechtigkeit"). Riesige Volkswirtschaften legen in aberwitzigem Tempo zu, und wir bauen den Sozialstaat aus? Nichts gegen den Sozialstaat, aber Wachstum ist wichtiger, damit es etwas zu verteilen gibt. So etwa dürfte die Stimmung sein.

Die gute alte ÖDP plakatiert "Mehr Respekt für Tiere", der Würselner will "Mehr Respekt für Ostdeutsche". Dabei wird Deutschland seit 12 Jahren von einer Ossi regiert.

Wunderbar auch: "Umwelt ist nicht alles, aber ohne Umwelt ist alles nichts." Wer möchte ohne Umwelt leben?

Die CSU will "Mehr Sicherheit", die SPD "Mehr Gerechtigkeit", die Linke "Mehr Nähe".

Ausländer entsorgen ist vergleichsweise konkret.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2017 um 07.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36214

Politiker stellen bei Gesprächen mit der Bevölkerung immer wieder fest, daß viele Leute glauben, Preise, Mieten, Löhne würden von der Regierung bzw. vom Parlament festgesetzt – wie Renten, Pensionen, Steuern und Gebühren (der Mindestlohn verführt dazu). Auch sind die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden vielen nicht annähernd klar. Es ist nicht möglich, das jedesmal zu erklären; außerdem wird es nicht geglaubt oder nicht für wichtig gehalten. Darum sind solche Diskussionen so unbefriedigend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2017 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36210

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#27631

Die Fraktionsspitzen aller Bundestagsparteien haben sich für eine Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre ausgesprochen. (September 2017)

Natürlich. Wer drin ist, möchte länger drin bleiben. Wer nicht drin ist, hat nicht mitzureden. Die Selbstermächtigung ist nicht aufzuhalten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2017 um 15.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36208

Die Absage erfolgte wie gewünscht und die gespielte Empörung der SPD wie geplant ("Frau Merkel kneift"). Jetzt wird es wirklich lächerlich, und alle sollten froh sein, daß es bald vorbei ist.

Man kann sich richtig vorstellen, wie das Wahlkampfteam sich den Streich ausgedacht hat, um Merkel "vorzuführen". Nur eins haben sie nicht bedacht: "Nur Verlierer fordern eine Revanche." Dieses Eingeständnis schließt ein, daß Merkel vor einem weiteren Duell natürlich keine Angst zu haben braucht und sicher auch keine hat – warum sollte sie?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2017 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36205

Schulz weiß genau, daß ein zweites Fernsehduell mit Merkel auf die Schnelle nicht möglich ist und außerdem kein anderes Ergebnis zeitigen würde als das erste. Der Zweck dieser Forderung erfüllt sich also in der Mitteilung selbst, daß er die Kanzlerin brieflich dazu aufgefordert habe. Weil sie absagen muß und wird, soll sie als feige dastehen, wie sich auch Oppermann ausrechnet. Aber das ist eine abwegige Spekulation und kann nur aus einer gewissen Verzweiflung erklärt werden. Es ist wirklich eine ziemlich knifflige Situation. Man denkt an Goethes Satz vom falschen Knopf ganz am Anfang; es kann nicht wieder gutgemacht werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2017 um 04.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36201

Vor seinem sternschnuppenhaften Auf- und Abstieg war mir Martin Schulz fast nur durch seine Pläne für Eurobonds bzw. den Schuldentilgungsfonds in Erinnerung. Seltsamerweise wird er darauf nie angesprochen. Noch seltsamer: Ständig rühmen die Medien seine "Nähe zu den Menschen". Das wird wohl mit dem Würselen-Komplex zusammenhängen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.09.2017 um 18.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36186

Schon wieder rückt Schulz die Bildungspolitik und insbesondere die Abschaffung der Kita-Gebühren ganz nach vorn in seinem (handgeschrieben als Anzeige veröffentlichten) Katalog "unverhandelbarer" Forderungen. Logischerweise müßte er zuerst fordern, das Bildungswesen aus der Zuständigkeit der Länder in die des Bundes zu überführen. Dazu scheint ihm der Mut oder die Einsicht zu fehlen.
Wie verschiedene Medien, auch Eltern meinen, ist die Gebührenfreiheit ihnen nicht so wichtig wie eine gute Betreuung. Besserverdienende können zahlen, den Ärmeren wird die Gebühr schon jetzt ermäßigt oder abgenommen. Kita unterliegt nicht der Schulpflicht, mit der man die Gebührenfreiheit der staatlichen Schulen begründen kann. Dieser Programmpunkt der Umverteilung – im Jargon: "Gerechtigkeit" – ist darum auch taktisch nicht geschickt gewählt.
Was Schulz sonst fordert, wollen die anderen ja auch; die Chancen steigen nicht, wenn man "unverhandelbar" hinzufügt.
Merkel die Vizekanzlerschaft anzubieten könnte frech und munter wirken, aber frech ist Schulz eigentlich auch nicht. Auf den letzten Metern sollte man noch einmal zulegen, aber das Gegenteil ist der Fall.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.09.2017 um 04.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36159

Parteizeitungen liest man ja nur selten, wenn man selbst kein Mitglied ist. Mal einen Blick in den "Vorwärts" geworfen: TV-Duell: Klarer Sieg für Martin Schulz (3.9.17) usw., auch sonst Schulz auf unaufhaltsamer Siegestour durch Deutschland – was für eine seltsame Welt!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.09.2017 um 05.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36137

In der gestrigen FAZ wird bemängelt, daß das "Duell" sich zu wenig mit Zukunftsfragen beschäftigt habe. Das lag aber auch an den vorbereiteten Fragen, die oft eine Rechtfertigung für Vergangenes forderten und förderten.

Übrigens ist sich Reinhard Müller in derselben Ausgabe nicht zu schade, von der "Teflon-Kanzlerin" zu sprechen, was ich nun doch ziemlich primitiv finde, nachdem auch der letzte Winkeljournalist den Geistesblitz zu Tode geritten hat.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 05.09.2017 um 10.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36136

Je nach Interessenlage berufen sich CDU und CSU mal auf ihre Eigenständigkeit und mal auf ihre Fraktionsgemeinschaft im Bundestag. Als Schröder nach der Bundestagswahl 2005 die Kanzlerschaft für sich beanspruchte, weil die SPD stärkste Partei geworden war, wurde das vehement zurückgewiesen. Begründung: Die Leute haben die Union gewählt, die mit einem gemeinsamen Wahlprogramm angetreten ist, da kommt es beim Zusammenzählen der Stimmen nicht darauf an, ob jemand CDU oder CSU gewählt hat. Wenn es nun im Wahlkampf darum geht, zusätzliche Sendeminuten einzuheimsen, wird plötzlich wieder die Eigenständigkeit der beiden »Schwesterparteien« hervorgehoben.

Es hat schon etwas Komisches, wenn beim TV-Duell der Unionskandidatin mit dem SPD-Herausforderer die Sekunden gezählt werden, damit ja niemand bevorteilt wird, einen Tag später dann aber dem bayerischen Ableger der Union viele Werbeminuten frei Haus geliefert werden und die SPD dabei leer ausgeht. Da das Ganze nicht wahlentscheidend sein dürfte, braucht man sich nicht weiter damit zu beschäftigen, aber bemerkenswert finde ich es schon. Doch wer weiß, vielleicht erhält die SPD in vier Jahren ja aus eigenem Recht eine Einladung zur Runde der kleinen Parteien.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.09.2017 um 04.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36134

„Es gibt jemanden, der will die Vergangenheit verwalten, der heißt Angela Merkel. Und es gibt jemanden, der will die Zukunft gestalten, und der heißt Martin Schulz.“ (Schulz über das TV-Duell)

Man muß ja wirklich verrückt sein, wenn man die Vergangenheit verwalten will. Dann doch lieber jemanden, der die Zukunft gestalten will.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.09.2017 um 03.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36133

Die CSU gehört eigentlich nicht zu den "kleineren Parteien", denen die Anstalten besondere Sendungen widmen. Vom Zuschnitt her ist sie seit ewigen Zeiten regierende Partei mit einer satten Mehrheit. Ich kenne Leute, die mir ganz offen erklärt haben, daß sie der CSU nur beigetreten seien, weil sie dann in Bayern leichter Karriere machen könnten. Trotz Absetzgeplänkel ist die CSU Teil einer "großen" Partei und benimmt sich auch so.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.09.2017 um 16.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36132

Was über Körpersprache gesagt wird, scheint oft nicht gut gesichert. Die Welt" hat auch eine Expertin befragt, und sie sagt etwas vielleicht ganz Interessantes:

DIE WELT: Und war das Lächeln echt?
Heilmann: Bei Merkel lächelten fast immer die Augen mit. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Emotion in dem Moment tatsächlich echt ist. Und sie hat in diesem TV-Duell für ihre Verhältnisse auffällig viel gelächelt. Bei Schulz dagegen fällt auf, dass er meist nur mit dem Mund lächelt, was dann aufgesetzt wirkt.
DIE WELT: Liegt das möglicherweise an seinem Bart?
Heilmann: Durch den Bart geht natürlich Mimik rund um Mund und Wangen verloren. Aber dafür nutzt er um so intensiver seine Augenbrauen, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen. Auffällig bei Schulz ist, dass er beim Sprechen seine Oberlippe nicht bewegt und den Mund ziemlich geschlossen hält, wodurch seine Stimme immer so gepresst und angespannt, manchmal fast gequält klingt.


War mir so ähnlich schon früher aufgefallen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.09.2017 um 15.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36131

Die traditionelle Rhetorik ist die Kunst der monologischen Rede, nicht unterbrochen von Zwischenfragen und Einwänden. Platon hat den Gegensatz zwischen Rede und Gespräch, also zwischen Rhetorik ud Dialektik, besonders scharf herausgearbeitet. Seiner Ansicht nach will die Rede Eindruck schinden, der Dialog dagegen günstigenfalls die Gesprächspartner verändern, wirkliche Einsicht (wenn auch nur in die eigene Unwissenheit) fördern.

Unsere Politiker lassen sich vor einem öffentlichen Streitgespräch "coachen". Sie üben zu jedem denkbaren Argument die Gegenargumente ein, zu jeder Frage die Antworten. Im Duell Merkel-Schulz hörte man an einigen Stellen die Mechanik des Rhetorik-Lehrbuchs knirschen. Seine Übereinstimmung mit Merkel in der Rentenfrage brachte Schulz so übertrieben strahlend zum Ausdruck (sogar "A la bonne heure!" rief er), daß man merkte, er wird gleich seine Trumpfkarte aus dem Ärmel holen. Das Muster war: Wir sagen zwar dasselbe, aber mir kann man glauben, dir nicht, weil du früher schon einmal gelogen hast! Dann kam die Maut-Geschichte, und alles ging in voraussehbarer Weise weiter (mit viel zu langem Verweilen bei diesem ungeplanten Thema).

Nicht so gekonnt war auch das Zitat eines sonst unbekannten schiitischen Theologen, dessen Namen Schulz einstudiert hatte, weil er ihm, wie man sich denken kann, sicher nicht geläufig gewesen war. Zitate sollten, wenn überhaupt, an geeigneter Stelle aus dem Herzen des Redners selbst zu stammen scheinen und nicht bereits als Zitate angekündigt werden, noch dazu mit der Bemerkung, er habe es sich eigentlich für das Schlußwort aufheben wollen. Das wirkt wenig souverän, schülerhaft in meinen Ohren. Daß Schulz den Rätselspruch nicht näher erläuterte, sondern die anderen Teilnehmer ratlos zurückließ, machte die Sache nicht besser. Wer mag ihm so etwas eingeredet haben?

Schulz versuchte gar nicht erst zu verschleiern, daß er das getragene Schlußwort auswendig gelernt hatte.

Einer der "Moderatoren" fragte die Kandidaten, ob sie am Sonntag in der Kirche gewesen waren. Diese Frage hätte nur Sinn gehabt, wenn es um die Stellung der Politiker zur Religion gegangen wäre. Aber so weit wollten die Journalisten sich gar nicht darauf einlassen, es war kontextfreie Zeitvergeudung und verpuffte einfach.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2017 um 06.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36116

Die Journalisten sind von Berufs wegen daran interessiert, ihre eigenen Inszenierungen, also Interviews, Duelle... für besonders wichtig und folgenreich zu halten. Wie man liest, arbeiten Medienberater daran, die Körpersprache von Martin Schulz zu verbessern, ihm den Pistolenfinger und das Herumfuchteln mit der geballten Faust an unpassenden Stellen abzugewöhnen. Meiner Ansicht nach wird das alles stark überschätzt, nährt aber seinen Mann.

Einen empirischen Beweis für die Wirksamkeit der rhetorischen Mittel (es sind immer noch dieselben wie bei Cicero und Quintilian) wird es nie geben, weil die Simulation im psychologischen Experiment gerade um das Wesentliche verkürzt ist. Hinterher erklären uns die Experten, wieso jemand wegen oder trotz seiner Rhetorik gewonnen oder verloren hat. Das ficht aber die Bekehrten so wenig an wie der beklagenswerte Status von Homöopathie und Astrologie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.09.2017 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36113

Gerade sehe ich, daß Jan Fleischhauer in einem diesmal ziemlich guten Betrag das Richtige trifft:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/martin-schulz-im-unglueck-vor-dem-tv-duell-kolumne-a-1165445.html
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.09.2017 um 06.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36112

Angeblich will ein Fünftel der Wähler seine Wahlentscheidung vom Ausgang des Fernsehduells der beiden Spitzenkandidaten am Sonntag abhängig machen. Ich fände das bedenklich, wenn es stimmte, aber es stimmt nicht.

Man macht sich etwas vor, wenn man glaubt, man könne die zirzensisch angekündigte und aufgemachte Veranstaltung völlig neutral beobachten, als handele es sich um eine politische Talkshow irgendwo in Burundi. Vielmehr sieht jeder schon durch die Brille seiner politischen Einstellung und seiner in vielen Jahren gewachsenen Vorlieben und Abneigungen. Was der eine als Vorteil Merkel einschätzt, ist dem anderen eine Schlappe usw.

Bedenklich wäre es, weil das Urteil über die Zukunft des Landes sicher nicht von solchen Augenblickseindrücken bestimmt sein sollte, auch wenn sie ihren Teil dazu beitragen. Man hat ja besonders an den amerikanischen Fernsehauftritten (Kennedy, Nixon...) solche Beobachtungen angestellt, mit ungewissen Schlußfolgerungen. Kurzum, ich halte die Präferenzen für stabiler, als zum Zwecke der Spannungssteigerung behauptet wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.09.2017 um 06.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36111

Ist Erdogan ein "Feind der Türkei" (Schulz)? Trump, Putin, Kim, Assad, Orban als Feinde ihrer Länder, und die Volksverräterin Merkel ist eine Feindin Deutschlands, genauer gesagt die Rache der DDR an der BRD (so Frauke Petry). Was tun?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.08.2017 um 07.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36104

Kritisch haben Sie sich auch zu den schwindelerregenden Transfersummen im Fußball geäußert. Anlass war der Wechsel von Ousmane Dembélé von Dortmund nach Barcelona. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Schulz: Ich glaube, viele Fans verstehen das nicht mehr, dass für einen 20-jährigen, wenn auch hochtalentierten Spieler solche Summen gezahlt werden. Da droht etwas aus dem Gleichgewicht zu geraten. Ich sehe die Entwicklung mit Sorge.
Was kann Politik da tun?
Schulz: Gesetzgeberisch einzugreifen wäre extrem schwierig. Aber dass sich immer mehr Geld bei wenigen Klubs anhäuft, führt zu schwindendem Interesse in der Breite. Das ist schade. Spannend ist es, wenn möglichst viele Chancen haben.

(Neue Westfälische 29.8.17)

Ist spannender Fußball eine Staatsaufgabe?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2017 um 05.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36094

Nach Jahren wieder mal eine Stunde Fernsehen geguckt (in der Ferienwohnung). Wahlkamof, Armut und Reichtum in Deutschland, ein sogenanntes "Magazin". Ich bin sogar heute morgen noch ganz benommen von der Oberflächlichkeit. Man besucht ein paar arme und reiche Leute und stellt die Verteilung von Einkommen und Vermögen irgendwie anklagend, aber ohne analytische Bemühung, in die Gegend, damit der Zuschauer leicht empört auf die nächste Sendung warten kann.

Zuvor hatte ich einen Beitrag des SPIEGEL über Merkels Pressekonferenz gelesen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-im-wahlkampf-das-grosse-ablenkungsmanoever-a-1165113.html
Der Mann ist offensichtlich überhaupt nichts eingefallen, er brabbelt im gewohnten SPIEGEL-Ton vor sich hin, irgendwie auch kritisch-ironisch. Erschreckendes Niveau des deutschen Journalismus. Kann wegfallen.

Über die FAZ ärgern wir uns zwar auch jeden Tag, aber oberflächlich wie die Genannten ist sie nie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2017 um 17.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36087

Ohne Interpretation sind solche erhabenen Begriffe nichts wert. Man kann zum Beispiel nicht einfach behaupten, daß ein Grundeinkommen der Würde des Menschen entspricht, Hartz IV aber nicht. Von der Würde der Steuerzahler gar nicht zu reden.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 29.08.2017 um 16.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36086

Dabei weiß doch jeder, daß sie antastbar ist. Ob man daraus auch auf ihre Finanzierbarkeit schließen, kann, ist eine andere Frage. Wieviel ist Würde wert?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.08.2017 um 14.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36085

Die Würde des Menschen ist unantastbar
(GG, Artikel 1, Absatz 1),
also auch nicht finanzierbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2017 um 06.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36084

In einem so einem reichen Land wie in Deutschland, verdammt noch mal, muss die Würde im Alter finanzierbar sein. (Schulz)

Wahlkampfreden sind ja Routineveranstaltungen, aber man kann auch „spontane“ Ausbrüche hineinschreiben. Cicero bekannte sich hemmungslos zu solchen Tricks. Das ist also, verdammt noch mal, gute Tradition.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2017 um 04.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36082

Noch am selben Tag ließ Schulz sich zu der Ankündigung hinreißen, als Bundeskanzler werde er die Fußballergehälter und und Ablösesummen begrenzen.
Ist es wirklich ein Zeichen von Tatkraft, zu allem eine Meinung zu äußern – und Absichten, von denen jeder weiß, daß man sie nicht umsetzen kann? Natürlich verführen die Journalisten dazu, aber dem könnte man widerstehen.

Auch Bildungspolitik ist kein gutes Thema für die SPD. Man denkt zuerst an die Länderkonkurrenz: Bremen gegen Bayern zum Beispiel. Außerdem drängt Schulz die mitgewollte Grundgesetzänderung in einen Nebensatz: die Zuständigkeit der Länder müßte weiter aufgeweicht oder aufgegeben werden, aber das ist nicht so einfach. Sachgerecht wäre es, die Grundgesetzänderung zum Ziel zu machen und dann erst die dadurch möglichen Maßnahmen. Dann würde allerdings die Illusion auffliegen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2017 um 04.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36076

Weiter zur rhetorischen Situation:

„Schulz sucht in diesen Wochen nach Themen, mit denen er den Abstand seiner Partei zur Union verringern kann.“ (SPIEGEL 23.8.17)

Das ist treffend formuliert. Eigentlich sollten die Themen sich aus dem Parteiprogramm ergeben und nicht gesucht werden müssen.

"Schulz hat nichts mehr zu verlieren - also setzt er immer mehr auf Attacke (auch wenn einiges dafür spricht, dass dies wegen der sympathischen Beliebigkeit Merkels eher kontraproduktiv ist)." (Spiegel 28.8.17)
Na ja, das ist zumindest sehr verkürzt ausgedrückt, denn warum sollte Beliebigkeit (bisher der Hauptvorwurf, "Teflon" usw.) plötzlich sympathisch sein? Aber sehen wir weiter:

"Es ist zum Verrücktwerden. Jedenfalls aus Sicht von Martin Schulz. Fast jeden Tag setzte der SPD-Kanzlerkandidat vergangene Woche ein neues Thema, seine Wahlkampfveranstaltungen sind bestens besucht, die Stimmung auf den Markplätzen ist gut: Aber in den Umfragen kommt seine SPD trotzdem kaum vom Fleck, der Vorsprung der Unionsparteien bleibt deutlich, auch im direkten Vergleich liegt Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel weit vorn."

Fast jeden Tag ein neues Thema - ist das nicht auch eine Umschreibung von "Beliebigkeit"?

"Doch was sollte Schulz sonst tun? Die Themen-Ballons, die er bisher steigen ließ, verschwanden oft schon nach wenigen Stunden weitgehend unbemerkt am Horizont - von der EU-Quote für Elektroautos bis hin zu seinen Ratschlägen zum richtigen Umgang mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan." (FAZ 28.8.17)

Eben! Die Themen-Ballons haben nichts mit der SPD zu tun und interessieren auch den Kandidaten nicht wirklich, sonst würde er sie ja nicht gleich wieder aufgeben.

Merkel braucht keine Themen zu suchen. Sie regiert ja, da gibt es jeden Tag etwas zu tun. Selbst wenn sie etwas Falsches tut, bleibt dies als eigentlicher Bonus.

Darum ist auch der Vorwurf der "Abgehobenheit" nicht gut plaziert. Man kann nicht im gleichen Atemzug der Regierungschefin vorwerfen, sie habe kein Konzept, sondern lasse sich von den täglichen Wechselfällen treiben – und sie sei "abgehoben".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2017 um 05.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36059

Die Wahlkampfparole Deutschland kann mehr ist auch ganz interessant. Die Erwähnung der Nation rückt den eher in Europa als daheim bekannt gewordenen Bewerber ins rechte Licht.
Der vage Komparativ entspringt der Einsicht, daß es taktisch ungeschickt wäre, Zustände schlecht zu reden, für die man nach langer Regierungsbeteiligung – gerade in den sozialen Ressorts – mitverantwortlich ist. Wenn es uns aber gut geht und nur noch besser gehen soll, bleibt nicht viel Spannung für eine "Wende" übrig, das ist nachteilig. Und wie soll dieses "Mehr" zustande kommen? Durch noch mehr Anstrengung?
Die klamme Lage zeigt sich auch in Schulzens Ankündigung, die Maut abschaffen zu wollen, die seine Partei unter seiner Führung gerade erst mitbeschlossen hat.

Der SPIEGEL drückt den allgemeinen Eindruck zutreffend aus: „Schulz sucht in diesen Wochen nach Themen, mit denen er den Abstand seiner Partei zur Union verringern kann.“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.08.2017 um 05.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36026

Die Opposition wirft Horst Seehofer in der Flüchtlingspolitik vor, nicht eindeutig Position zu beziehen. SPD-Kandidat Schulz sagte, er spiele bei der Obergrenze mit den Menschen. Die Grünen-Chefin gab ihm gleich einen neuen Namen. (Welt 21.8.17)

Obwohl es nicht gesagt wird, gewinnt der Leser den Eindruck, daß die SPD Oppositionspartei ist. So entspricht es den Gewohnheiten des Textaufbaus.

Der "neue Name" ist übrigens Drehhofer, ein Geistesblitz, mit dem Katrin Göring-Eckardt wohl kaum viele Wähler hinzugewinnen wird.

In der Sache selbst, also der Flüchtlingspolitik, ist diese "Opposition" auch nicht besonders eindeutig, und daß Seehofer an der Obergrenze festhält, sie aber nicht zur Koalitionsbedingung macht, finde ich ausnahmsweise mal nicht wetterwendisch. Man sucht krampfhaft nach Streitpunkten, die den Wahlkampf beleben könnten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.08.2017 um 04.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#36000

Deshalb ist der Kurs des „Sie kennen mich“ in diesen Tagen nicht nur falsch, sondern er ist zynisch. Nicht nur kulturell, sondern auch politisch brauchen wir jetzt die Chuck Berrys, die Jimi Hendrixs, die Sex Pistols, Madonnas und andere Innovatoren, und wir sollten uns nicht auf den Brian-Adams- oder den Helene-Fischer-Ansatz verlassen, der zwar nicht wehtut, der auch gefällig klingen mag und uns im Sessel wohlig einschlummern lässt.
Nein, wir müssen den Aufbruch wagen, politisch im 21. Jahrhundert ankommen und unsere Hausaufgaben machen. Das bedeutet, dass wir die Narkotisierung der politischen Debatte endlich beenden müssen. Chuck Schulz und keine Helene Merkel ist das Gebot der Stunde.

Der Autor ist Wahlkampfmanager der SPD


(„Schulz ist der Chuck Berry der deutschen Politik“ - Markus Engels in der WELT im Anschluß an eine taz-Idee)

Frühmorgens kommt mir das alles besonders trostlos vor.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2017 um 13.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35993

Noch ein bißchen Wahlkampf:

Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen ihrer zurückhaltenden Reaktion in der Nordkorea-Krise nicht im Wahlkampf angreifen. "Es gibt Situationen, da muss ein Volk zusammenhalten", sagte Schulz im ZDF-Sommerinterview. Er werde niemals eine Krise, die "dieser verantwortungslose Mann im Weißen Haus" auslöse, als Wahlkampfinstrument nutzen, sagte er zur Politik von US-Präsident Donald Trump. Darauf könne sich jeder Deutsche verlassen.

Auf dieses erlösende Wort hat jeder von uns Deutschen gewartet.

Sigmar Gabriel – deutscher Außenminister – wirft Merkel Unterwürfigkeit gegenüber Trump vor.

Das ist alles sehr komisch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2017 um 17.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35982

Der Rhetoriker Stefan Wachtel analysiert in blumiger Rede den Redestil des Martin Schulz und kommt zwischen den Zeilen zu dem Ergebnis, daß Schulz Rhetoriktraining, genauer gesagt Stefan Wachtel und dessen „Executive modus“ braucht. (http://www.manager-magazin.de/politik/artikel/bundestagswahl-martin-schulz-im-rhetorik-check-a-1162413.html)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2017 um 05.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35977

Die Medien haben es schwer. Um Merkels bevorstehenden Wahlsieg zu kritisieren, müßten sie das Wahlvolk beschimpfen, aber das macht auch keinen guten Eindruck. In der Süddeutschen und ähnlich in der ZEIT habe ich ungefähr folgendes gelesen: Deutschland geht es gut, und Merkel fällt nichts anderes ein als „Weitermachen wie bisher“. - Aber wie kann man das als empörend verkaufen?
In der FAS bespricht Friederike Haupt die Wirkung von Merkels Auftreten, das hartnäckige Beharren auf unmodischer, bewährter Kleidung usw. Fazit: „Wer Merkel verspottet, hebt ihre Stärken hervor.“ Das haben viele nicht begriffen, Jakob Augstein wird genannt.
Schulz meint, man müsse auch mal „Scheiße“ sagen dürfen. Freilich darf man das, aber warum sollten die Deutschen jemanden zum Kanzler wählen, der sich auf diese Weise ans Volk ranschmeißt? Das ist eigentlich klar, aber warum erkennt es eine Journalistin und nicht die Mannschaft hinter den Kandidaten?
Wir Zeitgenossen müssen es festhalten, weil es vielleicht nicht in den Geschichtsbüchern stehen wird, die tiefgründelnd zu verstehen versuchen werden, warum die SPD damals kein Bein auf die Erde kriegte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.08.2017 um 06.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35968

Martin Schulz forderte vorgestern, die Bundesregierung solle Trump zur Ordnung rufen. Gestern verlangte er eine Quote für E-Autos, nach Ansicht aller Fachleute die schlechteste Lösung, auch wahlstrategisch sehr ungeschickt. Was kommt heute? Hat er keine Berater?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.08.2017 um 03.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35966

Amerikanische Freunde haben uns auf einen Beitrag aufmerksam gemacht, der auch nach drei Wochen noch lesenswert erscheint, gerade als Kontrastprogramm zu Trumps Gerede:
http://www.politico.com/magazine/story/2017/07/24/how-to-take-down-kim-jong-un-215411
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.08.2017 um 03.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35954

Leseprobe zum vorigen:

An der Universität Berkeley erforschen wir, wie unterschiedlich Menschen denken, die konservativ beziehungsweise progressiv eingestellt sind. Es ist empirisch belegt, dass konservative Menschen eher direkt-kausal denken, also eine Ursache mit einer direkten Folge verknüpfen. Menschen mit einer progressiven Ideologie dagegen denken systemisch-kausal, oder wenn Sie so wollen, komplexer. Sie sehen mehrere vernetzte Ursachen für ein Problem. Da progressiv eingestellte Menschen potenzielle SPD-Wähler sind, müsste Schulz diese ansprechen.

Was Sprachwissenschaftler alles wissen! Man könnte neidisch werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.08.2017 um 19.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35953

Komisch zu lesen:

http://www.sueddeutsche.de/politik/wahl-watcher-zur-bundestagswahl-schulz-verspielt-eine-trumpfkarte-der-spd-1.3621217

(Die uns schon bekannte "Neurolinguistin" Wehler über Schulz.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.08.2017 um 04.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35942

Trump hat spontan alliterierend angekündigt: They will be met with fire, fury and frankly power the likes of which this world has never seen before.
Das kann nur bedeuten, daß Hiroshima und Nagasaki noch überboten werden sollen. Ein Video zeigt ihn, wie er das vorträgt, äußerst merkwürdig mit eng verschränkten Armen, die gar nicht zum Pathos der Worte passen. Was bedeutet das nun wieder? Die Rhetorik ist im übrigen die Kimsche. Im Fernen Osten kennt man den Begriff "Papiertiger", aber es besteht eine gewisse Gefahr, daß der Papiertiger der Welt beweisen muß, daß er kein Papiertiger ist.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 04.08.2017 um 15.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35898

Höflicher wäre „tha ithela na …“, aber das paßt nicht zur Leichten Wahlkampfsprache.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.08.2017 um 11.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35897

Schulz hat sich das in der Brüsseler Kantine angewöhnt, wo er auf die Speisen zu deuten pflegte und I will that! rief. Manchmal schloß sich Oettinger mit den Worten I too! an.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2017 um 11.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35896

Oder übermäßige Liebe zu den Griechen (thelo na...)?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 04.08.2017 um 09.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35895

"Ich will, daß …" – Leichte Sprache im Wahlkampf.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2017 um 04.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35891

Martin Schulz, der sich gerade für einen aussichtslosen Wahlkampf verheizen läßt, gebraucht auffällig oft die Konstruktion ich will, daß.
Im Gegensatz zu den anderen Modalverben regiert ja wollen auch daß-Sätze, d. h. subjektverschiedene Vollverben:

Eines Tages wird der Verbrennungsmotor Vergangenheit sein und die E-Mobilität Normalität – das wird aber noch dauern. Ich will, dass Deutschland auch dann noch Autoland Nummer 1 ist. (Schulz im SPIEGEL-Interview)

Ich will, dass den vielen Ehrenamtlichen in unserem Land Würde und Respekt für ihre Leistung entgegengebracht wird. (Focus)

Ich will, dass der Staat online geht – und zwar 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. (Augsburger Allgemeine)

Usw. – Die Willensbekundung signalisiert einerseits Tatkraft, aber die Tat selbst wird durch den Objektsatz vom Sprecher weg auf unbestimmte andere verschoben. Es ist auch schwer einzusehen, durch welches eigene Regierungshandeln Schulz die Würde der Ehrenamtlichen fördern könnte. Oft "will" Schulz auch nur das, was die gegenwärtige Regierung, an der ja die SPD beteiligt ist, ohnehin tut oder wenigstens versucht. Diese unglückliche Konstellation trägt zum ungünstigen Bild des Kandidaten bei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2017 um 04.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35881

Bildung darf nichts kosten

Zweischneidig populistisch.

Auf der Zunge liegt einem: Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Wo das Trinkwasser nichts kostet, macht sich mancher nicht die Mühe, den Wasserhahn zuzudrehen. (Selbst erlebt!)

Zweitens: Alles kostet – fragt sich nur, wer letzten Endes bezahlt.

Bildung ist ein Menschenrecht wie Wohnen und Essen, und die Urlaubsreise gehört auch zu einem menschenwürdigen Dasein. All dies muß folglich kostenlos sein.

Es ist sinnvoll, eine steuerfinanzierte Pflichtschulzeit anzubieten, aber darüber hinaus sollte jeder imstande sein, die Kosten der Bildung selbst zu tragen – wenn er das will. Das wäre liberal, während "Bildung darf nichts kosten" in versteckter Form doch wieder nur die Umverteilungsideologie ausspricht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.08.2017 um 14.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35874

Die SPD will jetzt Schulz ganz oft auftreten lassen und viel Geld dafür ausgeben, plakatiert auch sein Konterfei im Riesenformat. Das sieht wie Trotz aus. Zuerst hatte ja Schulz die Partei in die Höhe getrieben, inzwischen zieht er sie unten. Aus irgendeinem Grund verträgt der Mann es nicht, daß man ihn zu oft zeigt, hört, liest; aber das wollen die Strategen nicht einsehen.

Manche vermuten wohl mit Recht, daß nach dem Debakel im Herbst der inzwischen als Außenminister aufgefrischte Gabriel als Retter erscheinen wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2017 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35837

Die ZEIT empfiehlt Martin Schulz ein anderes Wahlkampfthema: Wir müßten mehr für die Afrikaner tun, auch auf Kosten von Wohlstandseinbußen, um dadurch die Armutswanderung zu bewältigen usw.

Zugrunde liegt der linke Populismus: Wirtschaft ist Umverteilung. Den einen geht es gut, weil es den anderen schlecht geht. Folglich muß es uns schlechter gehen, damit es Afrika besser geht. Das paßt allerdings mehr auf Kirchentage als in den Wahlkampf.

(Auch ist die Voraussetzung falsch: Es handelt sich nicht um Armutswanderung.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.07.2017 um 05.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35808

Positive Rückkopplung: Wenn ich jemanden so verehre, muß er ganz toll sein, darum verehre ich ihn um so mehr usw. So wird jemand hochgejubelt. Da kann er ruhig einige Fehler machen, die verzeiht man wie bei einer Geliebten; die Arbeit, die man ins Verzeihen steckt, macht das Objekt nur noch liebenswerter. Muß der Verehrte besondere Eigenschaften haben, oder kann es jeden treffen? Hier setzt die Charisma-Diskussion an.

Dasselbe funktioniert bei heiligen (= überschätzten) Texten.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 26.07.2017 um 10.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35806

Das wäre dann auch ein geeigneter Anlaß zur Gleichstellung der Polygamie.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 26.07.2017 um 09.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35804

Habe gerade entdeckt, wie Martin Schulz doch noch Kanzler werden kann: einfach Macron zum Vorbild nehmen.

www.welt.de/satire/article165451993/Martin-Schulz-heiratet-25-Jahre-aeltere-Frau.html

Witzig finde ich auch die Feststellung am Ende: "Schulz könnte seine Chancen auf einen Einzug ins Bundeskanzleramt beträchtlich steigern, wenn er die 62-jährige Angela Merkel heiraten würde."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.07.2017 um 18.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35786

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will Flüchtlingspolitik zum Wahlkampfthema machen

Bei jedem neuen Thema, also fast täglich, wird Schulz daran erinnert, daß er gegen die Politik der Großen Koalition polemisiert, die auch seine Partei bisher mitgetragen hat. Und:

Es ist ein populäres Thema und SPD-Kanzlerkandidat Schulz will die Flüchtlingspolitik in den Fokus seines Wahlkampfs stellen. Damit ist er auf der Linie des politischen Gegners - von Horst Seehofer aus der CSU.

Das ist natürlich unangenehm.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.07.2017 um 04.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35772

Ich meine eigentlich dasselbe, habe es bloß ein bißchen anders ausgedrückt. Zu "Strohfeuer" s.
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34900
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=783#35079

Rhetorisch-massenpsychologisch unglaublich interessant.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 22.07.2017 um 01.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35771

Wieso einzigartiger Absturz von Martin Schulz? Da ist doch nur das Strohfeuer abgebrannt, das bei seinem Antritt von den Medien angefacht worden war. Jetzt sind Martin Schulz und die SPD da, wo sie ohne das Strohfeuer gewesen wären.

Was könnte viele Deutsche am ehesten an Merkel und der CDU stören? Zu viel Geld und Macht für Europa, zu wenig Barrieren gegen Migranten. Die SPD will eher noch mehr mehr Geld und Macht für Europa und noch weniger Barrieren gegen Flüchtlinge. Entsprechende Äußerungen von Martin Schulz sind kein Mißgriff, sondern SPD-Politik. Also finden die Leute die SPD noch schlechter als die CDU.

Was sollte man jetzt Martin Schulz vorwerfen? Ob er sich in dem einen oder anderen Interview ungeschickt äußert, halte ich für belanglos. Er ist nicht in der Lage, die Politik der SPD zu verkörpern und gleichzeitig die CDU/CSU zu überflügeln. Wer hat etwas anderes erwartet? Ich sehe nicht, welchem SPD-Politiker es hätte besser gelingen können.

Hinzu kommt die Situation, daß die SPD in der Großen Koalition mitregiert, so daß ein feuriger Wahlkampf der Sorte "Merkel und die Union haben Deutschland vor die Wand gefahren, wir werden alles besser machen!" gar nicht möglich ist. Wenn Schulz jetzt ständig mit verheißungsvollen Zukunftsplänen in den Medien ankäme, würde man fragen, wieso der SPD das alles jetzt erst einfällt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2017 um 18.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35767

Die zielstrebige Selbstdemontage des Martin Schulz gibt Rätsel auf; man nutzt dankbar jeden Hinweis, der zur Aufklärung dieses Vorgangs beitragen könnte.

„Deshalb braucht Macron auch nicht warme Worte, sondern konkrete Kooperationen. Und ich glaube, die bekommt er mit mir mehr als mit Angela Merkel.“
Zwischen dem französischen Präsidenten und ihm gebe es eine große Übereinstimmung bei den Vorstellungen von den in Europa nötigen Reformen, betont Schulz. „Die ersten drei Vorschläge, die Herr Macron unterbreitet hat – einen europäischen Finanzminister, ein Euro-Zonen-Budget und ein Investitionspaket für die Euro-Zone – bekam (sic) in Berlin eine dreifache Antwort: ,Nein, nein, nein.‘ Aus dem Finanzministerium“, sagt Schulz.
(welt.de 21.7.17)

Ja, eben. Auch darum wird Schulz nicht Kanzler. Wie kann man mit solchen Äußerungen Wahlkampf machen? Die Leserzuschriften zeigen fast einhellig, wie sehr Schulz den Kontakt zur deutschen Bevölkerung verloren hat. Außerdem war doch schon bekannt, wie Gabriel mit seinem Vorschlag ankam, Deutschland solle noch mehr Geld nach "Europa" überweisen. Und schließlich ist aus früheren Zeiten in Erinnerung, daß es nie gut ankommt, wenn man im Ausland Verbündete gegen die eigene Regierung sucht, zumal wenn man selbst an ihr beteiligt ist. Ich möchte all das festhalten, weil man schon in wenigen Wochen vielleicht nicht mehr versteht, wie es zu dem einzigartigen Absturz kommen konnte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.07.2017 um 12.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35746

„Wo will Schulz noch Reserven hernehmen, wenn er alle, die potenziell SPD wählen wollen, schon hinter sich gebracht hat?“, fragt der Meinungsforscher.

Wie gesagt, ich sehe das nicht so. Manche würden vielleicht die Partei wählen, aber nicht den Mann. Umgekehrt eher nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.07.2017 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35744

Heute morgen dachte ich: Wie wohl die "Präsidentenbibliothek" Trumps aussehen wird? Dann stellte ich fest, daß sich andere auch schon damit beschäftigt haben: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/donald-trump-us-comedian-trevor-noah-eroeffnet-trump-twitter-library-a-1152417.html

Die heutige FAZ versucht im Anschluß an Dieter Thomä die Einzigartigkeit von Trumps Amtsausübung zu kennzeichnen, besonders die tägliche ungefilterte Aussendung persönlicher Einfälle. Völlig neue Aufgaben für Politologen, Historiker usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.07.2017 um 06.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35739

Schulz: Merkel darf zu Türkei nicht länger schweigen
Merkel hatte bestimmt nicht die Absicht zu schweigen und hat das ja auch früher nicht getan, aber für den Wahlkämpfer Schulz kam es darauf an, das, was ohnehin geschehen würde, eine Stunde oder wenigstens einige Minuten vorher mit starken Worten zu fordern. So sollte der Eindruck entstehen, er treibe die Bundeskanzlerin vor sich her. Auch sonst „fordert“ er gern, was ohnehin geschieht.

Mit dem Schlagwort "Gerechtigkeit" war es nichts, nun versucht er es mit "mehr". Das reißt aber auch keinen mit.

Eine Zeitung meint, die Partei ziehe Schulz nach unten, aber ich finde, daß es umgekehrt ist. Die Partei selbst hätte noch lange bei ihren komfortablen 25 Prozent bleiben können, nur die falsche Personalentscheidung wirkt sich mit ablaufender Zeit immer stärker aus.

Auch bei Trump kann man beobachten, was die verfließende Zeit bewirkt.

Dieser Faktor geht nie in die rhetorischen Kalküle ein, was ein großer Fehler ist.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 17.07.2017 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35727

Nationale Bildungsallianz
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2017 um 09.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35726

Zukunftsplan
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.07.2017 um 04.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35697

Auf Fotos mit seinem Freund Trump wirkt Putin immer leicht amüsiert, aber Trump scheint es nicht zu bemerken.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.07.2017 um 12.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35687

G20-Krawalle
Verdächtige von "bewaffnetem Hinterhalt" auf Schanzendach wieder frei
Die Szene gilt als Höhepunkt des Gewaltexzesses beim G20-Gipfel: Randalierer sollen die Polizei von einem Dach im Hamburger Schanzenviertel mit Molotowcocktails beworfen haben. Nun sind alle Verdächtigen wieder frei.
(SPIEGEL ONLINE)

Ist das nicht schön? Jetzt können sie ihren Sieg erst richtig feiern. Sie lernen jedesmal neu, daß ihnen in Deutschland nichts passiert. Sie sind im Recht, sie sind frei. Der Staat ist ein zahn- und krallenloser alter Tiger. Da kann man nächstesmal ruhig noch einen drauf setzen. G20-Gipfel nicht mehr in einer deutschen Großstadt? Macht doch nichts, es gibt ja immer neue Gelegenheiten. Jedes Jahr hat schließlich zumindest einen 1. Mai.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.07.2017 um 04.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35679

Wir haben es spontan so verstanden, daß Gabriel der Kanzlerin den Erfolg neidet (und damit zugesteht). Aber das Ganze ist sowieso nur Wahlkampfgetöse, und jeder ist bereit, den Akteuren Narrenfreiheit zuzuschreiben. Manches ist einfach unklug, auch im wohlverstandenen Eigeninteresse.

Die SPD befindet sich natürlich in einer schwierigen Lage, weil sie gegen eine Regierung polemisieren muß, an der sie selbst durchaus maßgebend beteiligt ist.

Auch politisch nannte er [Gabriel] den Gipfel einen „totalen Fehlschlag“. (RhP 12.7.17)

Wie wirkt es auf die anderen Teilnehmer, wenn der Veranstalter das Ergebnis so zusammenfaßt?

Aber wie finden Sie das: "Links und Gewaltanwendung schließt sich gegenseitig aus." (Schulz) Das verdient doch wohl die Tagesprämie, wie wir als Schüler zu rufen pflegten, wenn jemand einen unfreiwilligen Witz gemacht hatte.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 11.07.2017 um 21.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35678

(Daß Geburts- und Heimatort nicht dasselbe bedeuten, kommt noch hinzu.)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 11.07.2017 um 21.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35677

Da kann ich jetzt nicht ganz folgen. Natürlich hat die Kanzlerin eine möglichst attraktive Kulisse gewählt, um schöne Bilder für den Wahlkampf zu bekommen. Die Hamburger Elbphilharmonie eignet sich dafür sicher besser als die häßlichste Kirche Deutschlands (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1319#34135). Wenn Gabriel ihr nun vorhält, daß sie den Veranstaltungsort vor allem nach diesem Kriterium ausgewählt hat, dann attestiert er ihr doch nicht, daß sie in Hamburg eine gute Figur gemacht HAT, sondern er unterstellt ihr allenfalls, daß sie sich VORHER von Hamburg bessere Pressefotos versprochen hat als von einem anderen Ort (Merkel selbst sieht ja immer gleich aus). Auch aus der Tatsache, daß »die ganze Welt« nach Hamburg gekommen ist, spricht keine Anerkennung für Merkel. Denn die Damen und Herren sind ja nicht etwa widerstrebend dorthin gereist, nur um ihr einen Gefallen zu tun. Hätte Merkel es geschafft, ihre Gesprächspartner in oder vor jene Kirche in Erlangen zu locken, könnte man vielleicht von unfreiwilliger Anerkennung sprechen, aber so?

Warum Gabriel sich nun so geäußert hat und ob es klug war, dies zu tun, steht auf einem anderen Blatt. Die SPD fühlt sich mal wieder zu Unrecht an den Pranger gestellt. Dort empfindet man die Entlastung von Scholz durch einen der engsten Vertrauten der Kanzlerin womöglich als perfide, wenn gleichzeitig die Hamburger CDU Scholz‘ Rücktritt fordert. Statt sich darauf zu beschränken, diese (vermeintliche) Uneinigkeit innerhalb der CDU aufzuspießen, hat Gabriel der Versuchung nicht widerstehen können, der Kanzlerin einen Vorwurf zu machen, der aus seinem Mund nicht sehr überzeugend wirkt. Nicht nur daß Gabriel und seine Genossen als Politprofis ebenfalls stets auf gute Bilder bedacht sind, man fragt sich auch unwillkürlich, warum es den Sozialdemokraten nicht gelungen ist, Hamburg als Veranstaltungsort zu verhindern, wenn sie denn wirklich so große Bedenken gehabt haben sollten. Es ist immer das gleiche Schema: Wenn der Regierung etwas gelingt, dann ist es der SPD zu verdanken, wenn etwas schiefgeht, dann weil die Union ein besseres Ergebnis verhindert hat. Selbst wenn dies stimmen sollte, müßte den Strategen in der Kampa doch klar sein, daß man damit beim Wahlvolk keinen Blumentopf gewinnen kann.

Heimatstadt Hamburg: Merkel ist in Hamburg geboren, aber das wissen viele nicht, und auf Anhieb würde wohl kaum jemand die beiden Namen miteinander in Verbindung bringen. Auch das zeigt übrigens, wie weit hergeholt Gabriels Vorwurf ist.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 11.07.2017 um 21.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35676

Heimatstadt Hamburg?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2017 um 18.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35675

Das eine sagt man, das andere impliziert man. Als wir ungefähr folgendes im Radio hörten, sahen wir uns unwillkürlich an und mußten lachen:

Merkel trage die Verantwortung für die Wahl des Gipfelorts. Gabriel warf der Kanzlerin vor, damit das „heimliche Ziel“ der Selbstinszenierung kurz vor der Bundestagswahl verfolgt zu haben.
„Die Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte im Wahljahr 2017 in ihrer Heimatstadt Hamburg den G-20-Gipfel nutzen, um mit attraktiven Bildern ihr Image aufzupolieren.“


Also hat Merkel in Hamburg eine gute Figur gemacht? Und das auch schon vorher gewußt? Und ließ die ganze Welt antanzen, um ein paar Fotos zu bekommen? Soviel unfreiwillige Anerkennung!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2017 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35670

Wenn die Polizei die Ausschreitungen nicht provoziert hat, obwohl "vieles darauf hinzudeuten scheint", dann ist vielleicht Merkel schuld? Das versucht eine gewisse Anna Reimann vom SPIEGEL zu beweisen, aber die Leser machen nicht mit.
Die Verdachtskultur würde sich erledigen, wenn man die programmatischen Erklärungen der Linksradikalen zur Kenntnis nähme. Schließlich kann man die Randale nicht als Erfolg verbuchen und gleichzeitig anderen die Initiative zuschreiben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2017 um 04.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35668

Jedenfalls muß man das System so provozieren, daß es sein faschistisches Gesicht zeigt. Wenn es stillhält, ist das besonders tückisch ("repressive Toleranz", Marcuse).
Mitläufer und faszinierte Akademiker gibt es immer, aber das Gerede von einer Solidarisierung der Bevölkerung ist dieselbe Illusion wie vor 50 Jahren.

Die Parole "Gewalt ist nicht links" und der naive Vergleich mit den Neonazis sind besonders bezeichnend. Eigentlich liegt es näher, Maßstab und zu Messendes umgekehrt zu verteilen, aber das entspräche nicht dem Geist der Zeit. Links ist ja im Grunde gut, schlägt nur manchmal über die Stränge.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 10.07.2017 um 18.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35666

Sonntag 09. Juli 2017

G20 Hamburg: gezielt vorprogrammiertes Totalchaos?

www.kla.tv/10791

"Vom 7. bis 8. Juli 2017 fand in Hamburg das zwölfte Gipfeltreffen (G20) statt. Für Schlagzeilen sorgten nicht die politischen Inhalte des Gipfels, sondern die gewalttätigen Ausschreitungen sowie das Vorgehen der Polizei. Vieles scheint darauf hinzudeuten, dass das „Totalchaos“ rund um den G20-Gipfel gezielt „heraufbeschworen“ wurde. Doch wozu?"
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.07.2017 um 18.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35665

De Maizière vergleicht Hamburger Gewalttäter mit Neonazis
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.07.2017 um 17.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35664

Vor der Konferenz hieß es: "Schulz und Gabriel unterstützen friedliche Proteste gegen G20" usw., sie sind nämlich gegen den "Wildwest-Kapitalismus". Man könnte meinen, die SPD sei gar nicht an der Bundesregierung beteiligt und damit gewissermaßen Mitveranstalter der G20-Konferenz. Die Regierung kann ihre Argumente doch während der Konferenz artikulieren statt auf der Straße.

Schulz ist einer von uns, darum drückt er sich allgemeinverständlich aus: Joachim Herrmann geht ihm auf den Keks usw. Zu dumm, daß ich jetzt immer an den Keks denken muß, wenn ich Schulz sehe.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.07.2017 um 16.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35663

Sicher ist es ihm bewußt, das sagt er doch mit Absicht. Er hat auch schon einer linksextremen Band für ein Konzert gedankt, die wegen ihrer Texte vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Nun freut er sich offenbar mit den Randalierern und erklärt ihr Ziel für erreicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.07.2017 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35661

„In einer deutschen Großstadt wird nie wieder so ein Gipfel stattfinden“, sagte Maas der „Bild“-Zeitung. (RP 10.7.17)

Ob ihm bewußt ist, was er da sagt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.07.2017 um 14.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35657

Martin Schulz spricht den Hamburger Gewalttätern ab, links zu sein, während Heiko Maas "Rock gegen links" fordert – aber wozu, wenn die Gefahr doch gar nicht von links kommt? Andere haben geradezu definiert, daß Gewalt eo ipso rechts ist. Aber der programmatische Text, den ich verlinkt habe, ist doch in geradezu klassischer Weise sehr links? Von dort aus gesehen, ist unsere Linke rechts, hat aber auch die "marodierenden Polizisten" für die Eskalation verantwortlich gemacht.
Allerdings ist auch "Eskalation" bzw. das "Aus-dem-Ruder-Laufen" nicht ganz richtig, denn die Aktionen waren ja geplant und sind nach Wunsch verlaufen. Die mitgebrachte Vermummung wäre für einen harmlosen Sommerspaziergang nicht sehr günstig.

(Der Text beginnt so:
Presseerklärung des Bündnisses „Welcome to Hell“, Samstag 8.7.2017

Ziel des Protestes gegen den G20 war es, seine planmäßige Durchführung zu be- oder sogar zu verhindern, ihn empfindlich in seinem Ablauf zu stören oder wenigstens die Glitzershow mit ihren scheinheiligen „Familienfotos“ zu beschmutzen und den Teilnehmer*innen die ideologische Soße eines politisch substanziellen Kaffeeklatschs zu versalzen. Diese Ziel haben wir erreicht.
Der Kapitalismus ist ein gesellschaftliches Herrschafts- und Gewaltverhältnis, das eine Schneise der Verwüstung hinter sich herzieht: ökologisch, ökonomisch, gesellschaftlich. Eine Schneise der Verwüstung, die Menschen, besonders, aber nicht nur jenseits der Metropolen, allerorten die Lebensgrundlage entzieht. Der ausgerufene Siegeszug des Kapitalismus ist für viele Menschen nicht weniger als die Hölle auf Erden. Wenn wir unser Bündnis „Welcome to Hell“ genannt haben, dann meinten wir genau das: Den Herrschenden ihr G20-Treffen in Hamburg ansatzweise zu der Hölle zu machen, die sie zu verantworten haben und für die sie stehen.
)
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 09.07.2017 um 20.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35652

In den goldenen Zwanzigern hießen sie Rotfront und wollten eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild. Heute wissen sie wohl selber nicht so recht, was sie wollen. In der Frage der Grenzen sind sie sich mit Soros und Merkel einig. Freies Fluten in die open society und Illegale zu Legalen machen. Nur in der Frage der Geldverteilung gibt es deutliche Unterschiede. Allen Alles wird jedenfalls von der Obrigkeit nicht akzeptiert.

Das kriegerische Rotfront scheint mir ehrlicher gewesen zu sein als das heuchlerische Antifa. (Da denke ich, beeinflußt vom Werbefernsehen, eher an Abneigung gegen Seife.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 09.07.2017 um 11.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35647

Merkwürdig, daß Krawall und Karneval gewöhnlich nicht in einen etymologischen Zusammenhang gebracht werden.
https://books.google.de/books?id=fOUIAAAAIAAJ&pg=PA302
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.07.2017 um 10.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35646

Gaffer bei Unfällen auf der Autobahn und Fahrer, die keine Rettungsgasse bilden, sollen härter bestraft werden.

Wieso redet niemand über höhere Strafen für Vermummte und für angeblich friedliche Demonstranten, die Vermummten hinterherlaufen und ihnen Deckung und "friedliche" Unterstützung geben?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 09.07.2017 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35645

Jakob Augstein durfte im Chor der Polizeibeschuldiger natürlich nicht fehlen. Im Facebook schreibt er: "Die Hamburger Polizeiführung hat mit voller Absicht wegen ein paar Vermummter den zentralen Zug nach wenigen Minute stoppt und ist mit Gewalt in die Menge gegangen. Das war der Startschuss der Gewalt. Denn wenn die Polizei auf Eskalation setzt, wird sie Eskalation bekommen.“ Gegen den Genitiv sperrt sich „ein paar“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.07.2017 um 07.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35641

Der verlinkte Text zeigt, daß die Berufsrevolutionäre sich immer noch einbilden, viel Zustimmung in der Bevölkerung zu finden, deren wahre Interessen sie zu vertreten behaupten. Diese Lebenslüge erinnert mich ebenfalls an frühere Zeiten. Erstaunlich dauerhafte Mischung aus Lenin und Marcuse.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.07.2017 um 05.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35639

Ja, das ist entsetzlich, und man hat dem Treiben zu lange zugesehen, aktuell in Hamburg und schon vorher ganz allgemein. Trotzdem würde ich nicht ganz so weit gehen. Man muß auch die Schwierigkeiten sehen, zumal angesichts des jahrelangen "Deeskalierens". Die ewigen Fürsprecher der Gewalt (gegen das "System") sind fast noch widerwärtiger als die vermummten Feiglinge selbst. Zu hoffen ist, daß die Wähler richtig entscheiden.

Im Familienkreis sind wir uns nicht einig, ob es falsch war, eine solche Veranstaltung in eine Großstadt zu legen. Andererseits wird auch im Ausland gesagt, es müsse doch möglich sein, sich in einer Stadt zu treffen und nicht nur in Elmau oder sonstwo in der Provinz, wo man eine ganze Landschaft abriegeln kann. Wir wollen in Wohnvierteln keine No-go-Areas zulassen, dann muß der Staat auch bei Veranstaltungen Gesicht zeigen. (Pardon wegen der Phrasen...) In diesem Sinne hat sich, glaube ich, auch der New Yorker Bürgermeister geäußert.

Unbedingt lesen:

https://g20tohell.blackblogs.org/

Der Text ist im geübten Jargon der linken Blättchen abgefaßt, die seit 50 Jahren nahezu unverändert an der Universität ausliegen. Sie pflegen eine ständige Notwehrmentalität: Das "System" tut uns solches Unrecht an, daß jedes Mittel der Gegenwehr erlaubt ist.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.07.2017 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35637

Ein demokratischer Rechtsstaat würde gesetzlose Ausschreitungen wie zur Zeit in Hamburg nicht zulassen und seine Bürger davor schützen.
Das macht mich alles sprachlos und sehr traurig. Dies ist nicht mehr das Land, auf das ich früher so stolz war. Dieses Land ist schon so besoffen von seiner Demokratie, daß es wehrlos ist. Wehrlos nach innen wie nach außen.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 06.07.2017 um 08.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35601

»Polizei setzt Wasserwerfer gegen G20-Kritiker ein«

Das ist nicht falsch, aber richtig ist es auch nicht. Die Überschrift suggeriert in nicht justiziabler Form, daß man das G20-Treffen nicht kritisieren kann, ohne mit dem Wasserwerfer rechnen zu müssen.


Vor allem suggeriert das, daß diejenigen, gegen die der Wasserwerfer eingesetzt wird, zivilisierte Kritiker sind. Diese Meinung dürfte unter den Journalisten verbreiteter sein als unter den Lesern (und unter den Ladenbesitzern in der Nähe des G20-Treffens).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.07.2017 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35599

Vielleicht sollten SPIEGEL-Redakteure eine Bewegung gründen: „Alternative für die Welt“. Das Problem ist nur, daß die Redaktion schon das Thema für die nächste Ausgabe plant, und dann muß die Aufmerksamkeit schnellstmöglich vom Aufreger der laufenden Woche weggezogen werden.

Ich hatte ja mal das Vergnügen, einer Montags-Redaktionssitzung beizuwohnen. Aber auch jeder andere Leser weiß, daß sich die Journalisten nicht im mindesten für die "Probleme der Menschheit" interessieren. Sonst hätten sie ihren Beruf verfehlt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.07.2017 um 06.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35598

Es ist radikales Umdenken nötig, um die Probleme der Menschheit zu lösen. (Spiegel 6.7.17)

Wird gemacht. Der Spiegel-Titel („Traut euch!“) ist schon mal ein Anfang.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.07.2017 um 16.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35595

Polizei setzt Wasserwerfer gegen G20-Kritiker ein

Das ist nicht falsch, aber richtig ist es auch nicht. Die Überschrift suggeriert in nicht justiziabler Form, daß man das G20-Treffen nicht kritisieren kann, ohne mit dem Wasserwerfer rechnen zu müssen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.07.2017 um 18.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35573

Gibt es eigentlich schon eine Umfrage: "Wie wichtig finden Sie Wahlprogramme?" Das Ergebnis könnte ernüchternd sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.07.2017 um 18.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35571

Vielleicht ein Rest von Totemismus? Viele Völker halten sich ja für Nachkommen bestimmter Tiere, darunter Reptilien und anderer, stammesgeschichtlich weit entfernter.

Ich habe noch einmal nachgelesen, was die Bibel zu Homosexualität sagt. Nicht allzu viel, aber im AT ist der Geschlechtsverkehr zwischen Männern als "Gräuel" (Zusammenfassung bei Wikipedia) mit der Todesstrafe belegt. Heutige Theologen bemühen sich, die Stellen durch Interpretation annehmbar zu machen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 03.07.2017 um 13.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35569

Zur Ehe zwischen Mensch und Alligator (#35515) siehe auch http://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/mexikanischer-buergermeister-heiratet–seine-krokodilprinzessin–7520924.html

Ich wußte gar nicht, daß es das schon gibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.07.2017 um 04.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35567

Wozu braucht die Union überhaupt ein Programm? Schließlich haben CDU und CSU eine Dauerkanzlerin als Aushängeschild. Schon die Kampagne zur Bundestagswahl 2013 setzte auf Angela-Merkel-Personenkult ("Sie kennen mich"), auch dieses Mal steht sie bislang im Mittelpunkt. (SPIEGEL 3.7.17)

Das ist aber ein sehr bescheidener Begriff von Personenkult. Was soll man erst von der SPD sagen, die zu 100 Prozent einem Kandidaten zujubelte, den sie kaum kannte?

Ich glaube, es war zu Adenauers Zeiten, als man den Begriff "Kanzlerwahlverein" prägte, der die Sache etwas besser trifft, aber auch ziemlich abgegriffen wirkt. Alle Parteien wissen, daß sich die Wähler mehr für Personen interessieren als für Parteiprogramme, die ja auch eine ziemlich unschmackhafte Textsorte zu sein pflegen, selbst in Leichter Sprache. In den Personen verkörpert sich allerdings eine gewisse Tendenz, die man mit den bisherigen Erfahrungen verknüpft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.07.2017 um 10.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35561

In der "Welt" feiert kürzlich ein "Rhetorik-Coach" die "Renaissance der Rhetorik", die lange verpönt gewesen sei usw. – die uralte Apologetik.
Als glänzende Redner wurden Politiker der zweiten und dritten Reihe gefeiert. Wodurch aber kam Trump an die Macht, wodurch hält sich Merkel an der Spitze? Ihre Rhetorik fällt aus verschiedenen Gründen durch, was die ganze Sache schon sehr dubios macht. (Bösartige Leser erinnerten an "erfolgreiche" Demagogen der Vergangenheit.) Dieselben Sophismen wie aus der Tübinger Schule gewohnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.07.2017 um 06.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35559

Die heute möglich gewordene Öffnung der Ehe verdanken wir Martin Schulz. (SPD)

Die SPD hat 30mal gegen den Antrag der Grünen (Künast) verhindert, daß sich Rechtsausschuß und Bundestag in dieser Legislaturperiode mit dem Gegenstand befassen.

Rhetorik hat schon immer darauf vertraut, daß niemand sich an das "Geschwätz von gestern" erinnert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2017 um 07.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35553

Nachtrag zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35551

Im SPIEGEL schreibt jemand:

Weil sie die Angelegenheit zuvor zu einer Gewissensentscheidung für die Mitglieder der Unionsbundestagsfraktion erklärt hatte, hätte die Abgeordnete Merkel auch mit Ja votieren können.

Das stellt die Dinge auf den Kopf.

Mit einem etwas abgedroschenen Begriffspaar könnte man sagen: Sie hat gesinnungsethisch gegen die Ehe für alle votiert, während sie gleichzeitig verantwortungsethisch den Weg dorthin freimachte. Das ist der Sinn der Aufhebung des Fraktionszwangs.

Nehmen wir gutmütig an, alle Abgeordneten seien ihrem Gewissen gefolgt. Sicher sein kann man aber nur bei denen, die gegen die Fraktionsführung gestimmt haben.

Mir fällt dazu die Bundestagsdebatte über die Rechtschreibreform ein, die ich auf der Tribüne verfolgte. Der Grünen-Abgeordnete Gerald Häfner durfte nicht sprechen, weil die Fraktionsführung die Rechtschreibreform ungestört befürworten wollte. Auf Antrag der FDP (!) sprach er dennoch und hielt die beste Rede des Tages.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2017 um 06.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35552

Haßkommentare gibt es auch in der FAZ, aber der monströse Gastbeitrag am Freitag hat doch viele erstaunt. Der Autorname der "fremden Feder", Johannes Gabriel war nicht als das Pseudonym gekennzeichnet, das er ist, und die biographischen Angaben waren ebenfalls erfunden.
Zur Diskussion vgl. http://www.huffingtonpost.de/2017/06/30/ehe-fur-alle-frankfurter-allgemeine-zeitung-kommentar_n_17339560.html oder auch welt.de.

Die Autorschaft David Bergers kommt mir am wahrscheinlichsten vor. Was sich Redakteur Reinhard Müller dabei gedacht hat, ist schwer zu sagen. Vielleicht kommt noch etwas nach.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2017 um 04.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35551

Wahrscheinlich geht es vielen so wie mir: Gefühlsmäßig hänge ich an Vater-Mutter-Kind, aber mit dem Verstand, der meine politische Meinung (hoffentlich) bestimmt, sage ich mir, daß die völlige Gleichstellung nicht aufzuhalten und auch nicht zu verurteilen ist. Merkel-Hasser Altenbockum konstruiert daraus in der FAZ einen Widerspruch, gar das "Dilemma des Konservativen". Ich sehe das nicht so. Zum Beispiel lasse ich mit dem Verstand alle Arten von Musik gelten, und wenn ich irgendwo zu bestimmen hätte, würde ich auch die Popmusik fördern, aber freiwillig hören würde ich sie nie.
Gerade nach der Aufhebung des Fraktionszwangs konnte Merkel ihre persönliche Einstellung zur Ehe kundtun, wohl wissend, daß die Mehrheit über sie hinweggehen und letzten Endes die unvermeidliche Säkularisierung vorantreiben würde. Der Hohn, daß die "gesellschaftspolitische Entwicklung" über jemanden hinweggegangen ist, trifft uns alle jeden Tag. Solche Brüche wie gerade erlebt sind notwendige Zwischenstufen. Hat nicht der Papst gerade den Chef der Inquisitionsbehörde entlassen, weil mit ihm eine Modernisierung der Kirche nicht möglich schien?
Deutschland wird also, wie andere Länder, die Ehe für alle haben. Es ist nicht einzusehen, warum Konservativsein sich auf den offiziellen katholischen Standpunkt kaprizieren und damit in ein "Dilemma" geraten sollte. Auch in der Union und unter konservativen Bürgern wird mancher froh sein, daß Merkel (unter Wahrung ihres konservativen Bildes) gewissermaßen die Kastanien aus dem Feuer geholt hat, so daß man sich nun anderen Dingen zuwenden kann, statt immer wieder in die unaufgeräumte Ecke des Eherechts gestellt zu werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 21.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35549

Die FAZ kritisiert den Bruch der Koalitionsvereinbarung: "Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen."

Wir haben die Problematik einer solchen Vereinbarung – damals mit Bezug auf die Union und FDP – hier diskutiert:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1331#16603
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 19.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35547

Das ist bestimmt richtig, jedenfalls war das ein willkommener Nebeneffekt.

Lassen wir ein paar Tage vergehen, dann werden auch die Letzten erkannt haben, wie das Spiel in Wirklichkeit gelaufen ist und wer es gewonnen hat.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 30.06.2017 um 18.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35546

Das eigentlich Bemerkenswerte ist doch, daß das Thema Homo-Ehe vorgeschoben wurde, um die Schlagzeilen zu besetzen und um Modernität, Weltoffenheit usw. zu demonstrieren, im Hintergrund jedoch das verfassungs- und menschenrechtswidrige Netzwerkdurchsetzungsgesetz durchgewunken wurde.
Da wir durch das Rechtschreibreformurteil des Verfassungsgerichts gebrannte Kinder sind, bleibt auch kaum Hoffnung, daß der Voßkuhle-Senat dem Spuk ein Ende macht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 17.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35545

Inzwischen sind die Namenslisten veröffentlicht. Ein Viertel der CDU/CSU stimmte mit Ja, von der SPD, den Grünen und der Linken jeweils 100 Prozent. Was lehrt uns das?

Anders gefragt: Ist es wahrscheinlich, daß in der ganzen großen SPD-Fraktion kein einziger sitzt, der die Schwulenehe ablehnt? Daß das "Gewissen" aller Abgeordneten rein zufällig auch in dieser weltanschaulichen Frage mit der Direktive der Führung übereinstimmt? Oder ist es wahrscheinlicher, daß bei namentlicher Abstimmung, wie von Merkel wohl vorausgesehen, die Aufhebung des Fraktionszwangs ohne Bedeutung ist, weil unter den Augen der Fraktionsführung ohnehin kein einziger seine wirkliche Meinung kundzutun wagt?

Ich frage ja nur.

Die "100-Prozent"-Partei des Martin Schulz hätte vielleicht anstandshalber ein paar Nein-Stimmen abgeben sollen. Nun steht die Union als einzige Partei da, in der auch Abweichler geduldet werden. Man bedenke: 75 Abgeordnete, die ganz offen anders votieren als die Vorsitzende!

(Von Grünen und Linken rede ich nicht, da hatte ich ohnehin nichts anderes erwartet.)

Übrigens hatte ich den Ausgang vorausgesagt:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35503
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 30.06.2017 um 16.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35544

Ich finde auch: nicht so eng sehen! Wenn es um Hochzeiten geht, liegen Torten doch nahe, und sie wurden schließlich nicht im Parlament angeschnitten – da gabs nur ein bißchen Konfetti. Warum so streng? Joschka Fischers Turnschuhe haben die Demokratie auch nicht beschädigt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 15.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35542

Wir hatten den Sekt aus Pappbechern nach dem Rechtschreiburteil des Bundesverfassungsgerichts. Aber das war im kleinen Kreis der vermeintlichen Gewinner. Bald darauf waren sie pleite. Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=24

Was mag Schulz wirklich gedacht und gefühlt haben beim Anschneiden der regenbogenbunten Torte? Ich möchte doch annehmen, daß er aufgrund seiner früheren Tätigkeit ungefähr weiß, was sich gehört. Wie kommen die Bilder beim Volk an? (Die Grünen sind hier weniger interessant, man erwartet nichts anderes.)

Übrigens wollte ich noch etwas sagen, aber mehrere Einträge hat die Technik zurückgewiesen, ich weiß nicht, warum.

„Ich will nicht, dass Herr Erdogan, der in der Türkei Oppositionelle und Journalisten ins Gefängnis steckt, in Deutschland Großveranstaltungen abhält“, sagte Schulz der „Bild“-Zeitung. (welt.de 29.6.17)

Hier geht es mir nicht um Schulz, sondern darum, daß sich meinem Eindruck nach der Stil dieser Aussage erst in den letzten Jahren verbreitet hat: Ich will/Ich will nicht... Man hört es sogar von Leuten, die auf dem betreffenden Gebiet weder zuständig noch mächtig genug sind, etwas zu wollen, höchstens zu wünschen.

Ich mußte an die Psychologen denken, die heute geschult werden, nicht andere zu beurteilen, sondern den Eindruck zu beschreiben, den sie selbst vom anderen haben ("Was macht das mit mir?").

Es hat was, nun ja, "Narzißtisches"...
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.06.2017 um 14.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35541

PS: Ich hätte den Beitrag nicht geschrieben, wenn ich zuvor gesehen hätte, daß Professor Ickler bereits selber antwortet.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.06.2017 um 14.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35540

Nee, niveaumäßig unten sind die Politiker, wenn sie die Entscheidung im Kindergeburtstagsstil feiern. Das Volk erwartet, daß sie die Sache im Bundestag durchweg ernsthaft behandeln. So verstehe ich die Anmerkung.

Ich selbst sehe es nicht so eng. Die Homosexuellen werden auch viele Partys inklusive Konfettiregen feiern. Und im Bundestag hat ja nicht jeder Ja-Stimmer eine Konfettibombe gezündet. Vielleicht muß man sich übertreibend hunderte von Konfettizündungen im Bundestag vorstellen, um zu der Bewertung zu kommen, daß ein solcher Ausdruck von Feierlaune im Bundestag etwas deplaziert wirkt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 14.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35539

Nein, da haben Sie mich mißverstanden. Ich finde ja den ganzen Vorstoß richtig und überfällig. Unten ist der schlechte Geschmack. Love Parade ist auch okay, aber man sollte das nicht vermischen.
Aus ähnlichen Gründen hatte ich die Armenier-Demo auf der Bundestagstribüne kritisiert.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 30.06.2017 um 13.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35538

Da unten sind dann wohl die Homosexuellen. Ich habe die ernsthaften Argumente wie stets gern gelesen, die unverhohlene Häme nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 12.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35537

Der Artikel ist hier zu lesen:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/was-sagt-das-grundgesetz-ueber-die-ehe-fuer-alle-15083544.html
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 12.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35536

Ich kann nicht den ganzen Inhalt des genannten Artikels referieren. In der Sache scheint nur noch das gemeinsame Adoptionsrecht zu fehlen, was aber auch schon unterlaufen wird durch konsekutives Adoptieren eines Kindes durch beide Partner beim selben Termin.

Apropos "Sahnehäubchen": Ich sehe gerade Schulz und Oppermann beim Anschneiden einer bunten Torte zur Feier des Tages. Konfetti soll es auch geregnet haben.

Man kann sich auch nach unten vom Volk entfernen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.06.2017 um 11.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35535

Welcher ist der letzte Schritt? Auch im vorigen Beitrag von Herrn Ickler ist es mir wieder unklar. Der Text liegt mir nicht vor. Ich nehme an, die Verfasser meinten: der letzte Schritt = völlige rechtliche Gleichstellung. Dann gäbe es aber noch einen allerletzten Schritt: die Gleichbenennung.

Die Gleichbenennung als Ehe ("Ehe für alle") ist nach meinem Verständnis das i-Tüpfelchen oder das Sahnehäubchen auf der Hauptsache, der juristischen Gleichbehandlung. Anders gesagt: Gleichbenennung ist Gleichstellung nicht in juristischer Hinsicht, sondern (zusätzlich) in sprachlicher Hinsicht. So verstehe ich es.

Der Widerstand der Konservativen entzündet sich allerdings gerade an diesem allerletzten, zusätzlichen Schritt der Gleichbenennung. Ihr Hauptargument ist ein sprachliches: "Die Ehe ist eine Verbindung zwischen Mann und Frau." Das würde bedeuten: Das Sahnehäubchen, das man aus meiner Sicht auch später, jedenfalls in einem separaten Schritt hätte aufsetzen können, ist aus konservativer Sicht die Hauptsache und nicht nur eine Zierde zur sprachlichen Abrundung des Projekts Gleichstellung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 09.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35532

Die beiden Verfasser legen dar, wie geringfügig der letzte Schritt ist, nachdem das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren schrittweise die "Verpartnerung" der Ehe gleichgestellt hat, ohne sich je mit Art. 6 zu befassen, alles mit Berufung auf Art. 3. Die jetzigen Scheingefechte sind absurd.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 08.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35530

Eine ausgewogene Darstellung der verfassungsrechtlichen Lage (von den Juristen Alexander Haneke und Helene Bubrowski) findet sich auf S. 2 der FAZ (30.6.17).
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 30.06.2017 um 08.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35529

Noch zu #35521:

Parteien schreiben ja keine Gesetzentwürfe, das machen, kurz gesagt, Fraktionen oder Ministerien (bzw. Lobbyisten). Der Gesetzentwurf, über den heute im Bundestag abgestimmt werden soll, stammt vom November 2015 und wurde vom Bundesrat beschlossen: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/066/1806665.pdf Einen fast gleichlautenden Gesetzentwurf hatte der Bundesrat offenbar schon 2013 verabschiedet, er wurde aber damals vom Bundestag vor den Wahlen nicht mehr beraten.

Die SPD versucht seit Jahren über die von ihr (mit)gestellten Landesregierungen, die »Ehe für alle« durchzusetzen. In der Koalition auf Bundesebene hatte sie bisher stillgehalten. Dort wartet sie seit langem auf das Einverständnis der Union, die Abstimmung »freizugeben«. (Übrigens sollten sich diejenigen, die das Grundgesetz jetzt so hochhalten, auch mal Gedanken darüber machen, ob nicht auch der Fraktionszwang verfassungswidrig ist. Darüber spricht im Moment aber niemand.) Nun hat die Bundeskanzlerin ein entsprechendes Zeichen gegeben. Sie hat natürlich nicht als Privatperson gesprochen, soviel Naivität sollte man ihr wirklich nicht unterstellen. Ich vermute, daß sie gehofft hatte, damit SPD, Grünen und Linken ein Wahlkampfthema wegzunehmen, ihm jedenfalls die Schlagkraft zu nehmen, nach dem Motto: »Was wollt ihr eigentlich? Ich hab doch jetzt schon gesagt, daß wir das als Gewissensentscheidung behandeln werden.« Allerdings hatte sie wohl nicht mit der Entschlossenheit der SPD gerechnet, die Sache jetzt, noch vor der Bundestagswahl, durchzuziehen. Die ist offenbar zu dem Schluß gekommen, daß sie eh nichts zu verlieren hat und überhaupt nur noch dann eine Chance auf ein respektables Wahlergebnis hat, wenn sie zum Ende der Legislaturperiode mal so richtig auf die Pauke haut. Das hat Merkel sicher unterschätzt.

Darüber, welcher der beiden Seiten das taktische Manöver der SPD bzw. die Aktion der Kanzlerin am Ende mehr nützen wird, streiten nun die Beobachter. Unter rhetorischen Aspekten ist für mich am interessantesten, wie auch in dieser Debatte wieder streng formale Argumente, pragmatische Überlegungen und moralische Kategorien abwechselnd bemüht werden, je nachdem, was dem Redner gerade opportun erscheint.

Wer sich über die Sache selbst näher informieren will, findet auf den Seiten des Bundesrates und des Bundestages umfassendes Material. Einen Einblick in den Stand der Diskussion in den Fraktionen vor anderthalb Jahren bietet beispielsweise dieser Beitrag hier: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw07-de-gleichgeschlechtliche-ehe/405868
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 07.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35528

Sprache ist im wesentlichen eine Gruppenleistung vom Typ des Bestimmens (im Sinne Hofstätters). (Es gibt auch Anteile von Suchleistung sowie nicht-gruppenhafte Züge, aber davon will ich hier absehen.)

Das gilt auch für die Wortsemantik, im vorliegenden Fall also für die Bedeutung von Ehe. Im GG und BGB ist keine Definition gegeben, weil das seinerzeit nicht notwendig schien. Das Bundesverfassungsgericht hat vor 15 Jahren gemeint, ein "Wesensmerkmal" der Ehe erfassen zu können, nämlich die Verschiedengeschlechtigkeit der Partner. Bei der Berufung auf ein "Wesen" muß man aufmerken. Es handelt sich so gut wie immer um eine Bestätigung der herrschenden Konvention, also der Bestimmungsleistungen der Gruppe (des Volkes oder der Richter bzw. Juristen: h. L./h. M.).
Nichts ändert sich so schnell wie das Wesen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2017 um 04.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35527

Wenn ich als Nichtjurist ins GG schaue, denke ich in meinem unverbildeten Verstand, daß Art. 6 ganz und gar auf den Nachwuchs zielt. Damals hat man sicher gewußt, daß manche Ehe kinderlos bleibt, aber man hat bestimmt nicht daran gedacht, homosexuelle Lebensgemeinschaften einzubeziehen, zumal diese unter Männern strafbar waren. Wohl aber wurde die Ehe nicht nur als privatrechtlich geregelte Wirtschaftseinheit betrachtet, sonst wäre der Wortlaut und Kontext ein anderer gewesen. Der Ehe-Begriff ist noch von der alten christlichen "sakralen" Auffassung geprägt, das Christentum war ja noch unbestritten Volksreligion, die Position der Kirchen nie stärker als nach 1945.
Wir haben es also typischerweise mit einem Artikel zu tun, der mehr als die meisten anderen mit neuem Geist gefüllt werden muß, weil die Zeiten sich enorm geändert haben.
Die Juristen müssen mit dem Wörtchen "besonders" zurechtkommen. Schließt es Benachteiligung anderer Lebensformen ein? Allgemeinsprachlich kommt man daran kaum vorbei. Aber wozu ist man Jurist? Der Staat könnte eine Schwulenehe ebenfalls anerkennen und "schützen", nur eben nicht besonders, und sich dann wieder den Kindern zuwenden, um die es ja eigentlich geht (s.o.).
Nebenbei möchte ich anführen, daß die oft kritisierte Privilegierung der Ehe (Ehegattensplitting z. B.) auch Vorteile für den Staat bringt, denn die Beistands- und Unterhaltspflichten der Partner entlasten den Steuerzahler.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 29.06.2017 um 15.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35524

"Eigentlich kein Kalauer". Na ja, war vielleicht ein bißchen hoch gegriffen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2017 um 14.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35522

Gibt es ein solches SPD-Papier überhaupt? Schließlich ist es eine Idee der Grünen, und die SPD hat sich im letzten Augenblick drangehängt, um die Union reinzulegen. Daher auch die hastig angefertigte neue Eingangsseite:

Ehe für alle - jetzt!
Wir wollen die Ehe für alle – und zwar jetzt, nicht erst „irgendwann“. Wer sich verspricht, „in Guten wie in schlechten Zeiten füreinander da zu sein“, der soll heiraten dürfen. Das muss endlich auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten. 83 Prozent sehen das in Deutschland auch so. Seit Jahren verweigert sich die Union den SPD-Initiativen zur Öffnung der Ehe. Angela Merkel spielt nun plötzlich taktische Spielchen mit den Menschen, die sich lieben. Schluss damit! Wir wollen die Ehe für alle – jetzt!

(https://www.spd.de/)

Den Rechtschreibfehler hätte man bei mehr Gelassenheit wohl bemerkt. Aber so furchtbar eilig war es der SPD bisher gar nicht, und der Bundestag hätte sich normalerweise durchaus auch Zeit genommen.

Ziemlich leicht durchschaubar auch der Gefühlsappell: Merkel spiele taktische Spielchen mit Menschen, die sich lieben...

Als neutraler Beobachter (ich habe sie nicht gewählt und werde sie nicht wählen) stelle ich fest, daß Merkel nichts weiter getan hat, als für eine solche, in der Tat ins Weltanschauliche gehende Entscheidung die Aufhebung des Fraktionszwangs vorzuschlagen. Das muß eigentlich jeder richtig finden, tut es wohl auch.

(Wir sind jetzt wieder bei Verfahrensfragen und Rhetorik, das ist mir nur recht.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.06.2017 um 13.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35521

Noch eine Variante der "Ehe für alle": Warum sollten schon Verheiratete keine Zweitehe eingehen dürfen? Also z. B. eine Ehe {A, B} und eine Ehe {A, C, D}.

"Ehe für alle" ist ja nur ein Schlagwort, das einem in den letzten Tagen um die Ohren fliegt. Ist denn wirklich an eine Neudefinition des Wortes Ehe gedacht, oder geht es vielleicht doch "nur" um gleiche Rechte für Lebenspartnerschaften?

Wahrscheinlich steht irgendwo der Gesetzentwurf, über den jetzt abgestimmt werden soll, aber ich konnte ihn mit der Sucheingabe "Gesetzentwurf SPD Ehe für alle" nicht finden.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 29.06.2017 um 13.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35520

Eigentlich kein Kalauer, es sei denn, der Begriff wäre in jüngster Zeit gesetzlich neu gefaßt worden.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 29.06.2017 um 12.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35519

"Auch die Ehe mit Plüschtieren sollte endlich gesetzlich geregelt werden." Der Kalauer ist natürlich weit davon entfernt, Homosexuelle mit Plüschtieren gleichzusetzen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 29.06.2017 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35517

Auch die Ehe mit Plüschtieren sollte endlich gesetzlich geregelt werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2017 um 08.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35516

Ehe unter Geschwistern kommt noch früher, es wird ja schon dran gearbeitet.

Wenn man schon etwas älter, na ja, also wenn man schon ziemlich alt ist, erinnert man sich an den schier unglaublichen Wandel des Zeitgeistes, gerade im Bereich der Sexualmoral.

Der säkulare Staat darf seine Bürger nicht im Namen der Sondermoral einer Religionsgesellschaft bevormunden. Das hängt auch nicht von deren Bevölkerungsanteil ab. Allerdings macht der Schwund der Kirchenmitgliedschaft es leichter, jene Wahrheit einzusehen. Wir werden es nicht mehr erleben, aber irgendwann werden die archaischen Reste dieser Bevormundung beseitigt werden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 29.06.2017 um 07.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35515

Übrigens, bevor die Ehe für Tiere geöffnet wird, wären doch erst mal die Polyamoren an der Reihe. Wer sagt eigentlich, daß die Werte einer Ehe nur in einem Zweierbündnis gelebt werden können? Dafür gibt es wenig Anhaltspunkte. Beispielsweise das Heranziehen von Kindern könnte viel besser gelingen, wenn sich noch mehr Eltern im Haus tummeln, die sich bei der Arbeit abwechseln können. Immer wäre einer für die Kinder da. Gut für das Kindeswohl.

Polygamie: Der Islam beweist, daß es geht. Die Beschränkung auf bis zu vier Frauen ist auch willkürlich. Nächster Schritt: beliebig viele Ehefrauen. Beziehungsweise in unserem Kulturkreis natürlich: beliebig viele Ehepartner. Das würde nebenbei die kulturelle Verständigung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Europa erleichtern. Also, warum nicht?

Der Schritt zur Ehe zwischen Mensch und Alligator fällt dann auch leichter, sobald die alten Vorstellungen weiter aufgeweicht worden sind. Wenn zuvor schon die Polygamie eingeführt worden ist, kann ein Mensch auch gleich mehrere Tiere heiraten. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum eine Frau, die ihre vier Katzen gleichermaßen liebt, nur eine der Katzen heiraten darf.

Klingt vielleicht sarkastisch, ist aber nicht so von mir gemeint. Ich habe das Thema einfach nur gedanklich weitergesponnen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2017 um 06.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35514

Übrigens war ich mir bewußt, daß der Hinweis auf Sex mit Tieren unvermeidlicherweise einen alten Streit wiederbelebt. Empfindliche und nicht sehr logisch denkende Gemüter haben sich empört, weil der Vergleich Homosexuelle und Zoophile "gleichsetze", so wie man sich ja auch gegen die Gleichsetzung mit Päderasten wehrt. Da kann man noch so sehr darauf beharren, daß Vergleichen nicht Gleichsetzen ist.

Bei der Zoophilie hatten wir gesehen, daß der Wunsch, die gesellschaftliche Mißbilligung nicht aufgeben zu müssen, zu der ziemlich sonderbaren Folge führt, nun den Tierschutz zu bemühen, der ja immer mehr zum höchsten Staatsziel aufrückt.

Übrigens sind Tiere manchen Menschen auch ohne Sex so lieb und teuer, daß sie sich im Zweifel für das Tier und gegen den Ehepartner entscheiden (in meinem Umfeld erlebt). Man traut sich kaum noch, Tiere zu quälen, auch wenn es keine Wirbeltiere sind.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 29.06.2017 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35512

Es geht hier nicht um die Sache selbst, also um eine juristische Gleichstellung, sondern auch um eine sprachliche Frage und ihre Konsequenzen. Die Formulierung ob durch staatliches Handeln der Begriff der Ehe so definiert werden kann, daß er auch Lebenspartnerschaften Gleichgeschlechtiger umfaßt suggeriert wiederum, die juristische Gleichstellung könne nur umgesetzt werden, wenn die Bezeichnung Ehe zugleich auch auf gleichgeschlechtliche Paare angewendet wird. Neutraler wäre in dieser Hinsicht zum Beispiel: ob durch staatliches Handeln Lebenspartnerschaften und Ehen (Ehen im traditionellen Sinn) rechtlich gleichgestellt werden können.

Natürlich: Spätestens sobald die völlige Gleichstellung einmal erreicht ist, stellt sich die Frage, ob man die Bezeichnungen heiraten sowie Ehe und Ehepaar auch auf Mann/Mann und Frau/Frau anwenden soll oder sogar muß. Sachlich betrachtet wäre das eine leichte Übung. Aber so tickt der normale Mensch nicht. Viele denken: "Meinetwegen sollen sie gern genau dieselben Rechte haben, aber wieso müssen wir das auch gleich Ehe nennen? Das sehe ich nicht ein." Es gibt nun mal Millionen Menschen, denen ein solcher Sprachwandel widerstrebt, vor allem wenn er wesentlich vom Gesetzgeber vorangetrieben wird.

Ich halte das für keine Kleinigkeit. Das Wort Ehe bezeichnet seit Urzeiten in unserem Kulturkreis eine Verbindung zwischen Mann und Frau. Die Zustimmung konservativer Abgeordneter zur Gleichstellung fiele ihnen wesentlich leichter, wenn er nicht mit der sofortigen Neufassung des Ehe-Begriffs einherginge. Sie würden sich dann weniger in einer Zwickmühle fühlen. Ihre Zustimmung, sofern sie sie geben wollen, wäre damit auch ehrlicher, wertvoller. Es käme insgesamt eine breitere Zustimmung zustande. Und wenn ein konservativer Abgeordneter am Freitag gegen die Gleichstellung stimmen wird, liegt das am Ende vielleicht nur an der damit unnötigerweise verbundenen Neudefinition des Ehe-Begriffs. Ähnlich sieht es in der Bevölkerung aus.

Ich hätte deshalb die Aufteilung der jetzt angestrebten Änderung in zwei Schritte besser gefunden. Man hätte viel Unmut vermeiden können, der wesentlich an dem Aspekt des verordneten Bedeutungswandels liegt. Viele Menschen ordnen dem Begriff der Ehe im traditionellen Verständnis nun mal eine sehr hohe Bedeutung zu, manche auch eine heilige Bedeutung, auch wenn sie wissen, daß die Realität viel dürftiger und auch bunter aussieht.

Ich finde, der Ausblick auf die Ehe mit Tieren verdeutlicht das Problem. Ja, warum eigentlich nicht, wenn jemand seinen Hund, seine Katze oder sein Pferd über alles liebt? Da würden doch auch viele sagen: "Meinetwegen soll er seine Liebe zu einem Tier in einer Zeremonie bekennen und sich zu ihm verhalten wie zu einem Ehepartner. Aber verlangt bitte nicht von mir, daß ich so etwas Ehe nenne. Wenn das am Ende alle so nennen, wird die Institution der Ehe ins Lächerliche gezogen – und damit auch die herkömmlichen Ehen zwischen Menschen. Das kann es nicht sein."

PS: Beim Schreiben dieses Beitrags hatte ich den Beitrag von Herrn Ickler von heute morgen noch nicht gesehen, der vor allem im letzten Absatz auch auf die hier besprochene Frage eingeht ("Kampf um Worte"). Ich hatte auf seinen vorigen Beitrag geantwortet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2017 um 05.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35511

Das Bundesinnenministerium hält eine Grundgesetzänderung für nötig, damit der Begriff der Ehe nach GG Art. 6 neu definiert werden kann. Entscheidendes Argument ist, daß die gesamte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts usw. bisher vom traditionellen Ehebegriff ausging.

Das ist interessant und wichtig, weil auch sonst die Begriffe jeweils in ein Geflecht von Texten eingebettet sind, das mitzubedenken ist, wenn man punktuell etwas verändern möchte. Bei Rechtsbegriffen eben vornehmlich die bisherige Rechtsprechung mit ihren Auslegungen des dürren Gesetzestextes.

Man kann es natürlich auch rührend oder kindisch finden, daß die Interessenvertreter der Homosexuellen sich nicht mit der rechtlichen Gleichstellung zufrieden geben, sondern ihre Lebenspartnerschaften als "Ehe" bezeichnet wissen wollen. Andernfalls wäre es leichter, den letzten Rest von Nichtgleichstellung auch noch zu beseitigen. "Kampf um Worte" auch hier, Sprachfetischismus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.06.2017 um 18.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35508

Wenn es also nun doch um die Sache selbst gehen soll: Es kommt wohl nicht darauf an, welcher der vielen Meinungen wir uns anschließen, sondern ob durch staatliches Handeln der Begriff der Ehe so definiert werden kann, daß er auch Lebenspartnerschaften Gleichgeschlechtiger umfaßt. Das ist meiner Ansicht nach ohne weiteres zu erwarten. Begünstigt wird es durch den Umstand, daß Ehe ohnehin ein Rechtswort ist, das im Alltag eine geringe Rolle spielt.
Der Sache nach geht es nur um eine geringfügige Erweiterung der bereits eingeführten eingetragenen Gemeinschaft. Für die meisten Menschen ist auch bei kirchlicher Trauung die "sakramentale" Bedeutung der Ehe nicht mehr gegeben. Im Grunde eine Rückkehr zum alten zivilrechtlichen Verhältnis mit "Kauf" oder "Tausch" der Frauen und vermögensrechtlichen Verträgen. Sehr viele leben vorübergehend oder dauernd unverheiratet zusammen, was der romantischen Idee der Liebe vielleicht näher kommt als die vertragliche Bindung. Man bedenke auch den ungeheuren und selbstverständlich begrüßenswerten Wandel der Anschauungen über Homosexualität - so etwas hat es ja über Jahrtausende nicht gegeben. In dieser bunten Welt mit entsprechender Verunsicherung scheint es mir ganz leicht, die Wörter mit neuem Inhalt zu füllen.

Der nächste Schritt wird wohl sein (das meine ich ernst), auch die Ehe mit Tieren zu verlangen. Wir haben hier schon mit Tierrechtlern diskutiert, denen das vielleicht entgegenkommt. Womöglich werden uns die USA vorangehen. Sind dort Haustiere nicht schon erbberechtigt?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 28.06.2017 um 18.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35507

Bekommt ein Wort eine neue Bedeutung, wenn sie sich lediglich erweitert? Und liegt hier wirklich eine Erweiterung vor? Ein Emir kann die Ehe mit vielen Frauen schließen, Konzerne können Ehen eingehen, die Schwulen-Ehe ist längst geläufig, und an die Zeugung von Kindern erinnern allenfalls noch „Ehegatten“. Man könnte die Wahl der Bezeichnung im Augenblick getrost der allgemeinen Auffassung überlassen, allerdings ist das gesunde Volksempfinden nicht immer gesund.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.06.2017 um 17.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35506

Ich sehe das genau wie Herr Wrase. Man sollte gesetzlich für gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft schaffen und festlegen, daß diese der Ehe in allen rechtlichen Belangen gleichgestellt ist. Ob das irgendwann von der Mehrheit auch mit dem Wort Ehe bezeichnet wird oder nicht, wird sich von selbst ergeben. Ich sehe jedenfalls trotz gleicher Rechte einen wesentlichen Unterschied, der in der formalen Möglichkeit der Zeugung biologisch gemeinsamer Kinder besteht. Meiner Ansicht nach sollte man dies sprachlich unterscheiden können und die traditionellen Bezeichnungen beibehalten. Zum Beispiel finde ich, daß die Wörter Braut und Bräutigam auch nur für eine traditionelle Eheschließung anwendbar sind.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 28.06.2017 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35504

Mich irritiert an dem Vorgang, daß Verschiedenes in ein Ziel gepackt wird, wobei unklar bleibt, worum es eigentlich geht. Gleichgeschlechtliche feste Paare sind derzeit noch nicht als völlig gleichberechtigt anerkannt: einerseits rechtlich, andererseits in der Psychologie der Bevölkerung. Per Gesetz ändern kann man sowieso nur die juristische Situation. Aber worum geht es da? Ist nicht die Hauptsache bei der jetzigen Auseinandersetzung die Frage der juristischen Gleichstellung, also die formale Anerkennung durch den Gesetzgeber? Das ist doch nicht gleichbedeutend damit, daß man gleichgeschlechtliche Verbindungen ebenfalls als "Ehe" bezeichnet. Aus meiner Sicht ist dies ein zweiter, weitergehender Wunsch vieler gleichgeschlechtlicher Paare.

Eine natürliche Entwicklung wäre: zuerst genau die gleichen Rechte zuerkennen, aber noch mit einer differenzierten Bezeichnung: Ehe bzw. Lebenspartnerschaft. Dann abwarten, ob die allgemeine Auffassung dahin geht: "Dann kann man auch Mann und Mann oder Frau und Frau als ein Ehepaar bezeichnen. Wenn die sich das wünschen, soll es so sein." Sobald sich das abzeichnet, kann der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Haltung in der Bevölkerung diesen zweiten Schritt ebenfalls gehen.

Wenn es momentan heißt: "Die Mehrheit in der Bevölkerung befürwortet die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare", weiß man nicht, zu welchem Anteil dies der Wunsch nach einer juristischen Gleichstellung ist und zu welchem Anteil die Forderung, dem alten Ehe-Begriff eine neue Bedeutung zuzuordnen. Oder inwieweit diese vermischten Ziele auf einem allgemeinen, eher diffusen Wunsch nach Toleranz und Rücksichtnahme auf Minderheiten beruhen.

Wenn man hingegen erst die juristische Gleichstellung beschlösse und anschließend fragte: "Sind Sie für die offizielle Anwendung der Bezeichnung Ehe auch auf gleichgeschlechtliche Paare?", dann bekäme man ein aussagekräftiges Ergebnis speziell zu dieser Fragestellung. Man könnte auch jeweils fragen, für wie wichtig die einzelnen Ziele gehalten werden. Ich mutmaße, daß der völligen juristischen Gleichstellung eine größere Bedeutung zugemessen wird als der Frage, ob in diesem Zusammenhang ein altes Wort mit einer neuen Bedeutung ausgestattet wird. Viele werden denken: "Auf die Bezeichnung kommt es nicht an – Hauptsache, man achtet auf die Gleichberechtigung und schafft Diskriminierung ab."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.06.2017 um 12.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35503

Die Sache selbst interessiert mich nicht im geringsten, um so mehr die rhetorische Situation. Sie hat den Reiz einer Schachpartie. Ich versuche eine Analyse.

Oppermann verrät unbedachterweise, daß es der SPD gar nicht um die Ehe für alle geht, sondern darum, der Union im Wahlkampf ein "Riesenproblem" einzubrocken. Bisher war ja die Schwulen-Ehe kein zentrales Anliegen der SPD, und die Koalition hatte sich für diese Legislaturperiode arrangiert. Nur die Panik der letzten Zeit konnte die SPD dazu bringen, ein Lieblingsthema der Grünen aufzugreifen, weil sie da eine Möglichkeit sah, der Union ein Stöckchen hinzuhalten, über das die zu entlarvenden Ewiggestrigen nicht springen würden. Solche Zögerer wird es auch in der SPD geben, aber sie dürften springen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt als Geschlossenheit („100 Prozent“), erst recht unter den strengen Augen des Fraktionsvorsitzenden; die namentliche Abstimmung läßt ihnen kein Schlupfloch. Bei der Union dürften Gegner der Homo-Ehe nicht als gar so schlimme Reaktionäre dastehen – man kennt sie ja ohnehin –, sondern vielleicht sogar als diejenigen, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen. Hat Oppermann das bedacht?

Die SPD will nach der Haltungsänderung Merkels bei der Ehe für alle Fakten schaffen und die Uneinigkeit in der Union öffentlich werden lassen. (tagesschau.de 28.6.17)

Aber warum sollte das nötig sein – wo doch Merkels Vorschlag schon von der Voraussetzung ausgeht, daß es in ihrer Fraktion (wie in allen anderen) hier verschiedene persönliche, sicher auch religiös begründete Meinungen gibt und gerade deshalb kein Fall der Fraktionsdisziplin gegeben ist.
Von Merkel ist bisher auch nur ihre persönliche Meinung zum Ehebegriff bekannt und kein besonderes Engagement in der konservativ-christlichen Richtung. (War nicht gerade ihre Lauheit ein Kritikpunkt des konservativen Flügels?) Daher kann ich keine Haltungsänderung erkennen.

Papst Benedikt hatte dem Bundestag ins Gesicht gesagt, daß er ihn wegen des liberalen Sexualstrafrechts für eine Räuberbande halte (unter dem Beifall der Grünen!). Ob auch Franziskus mal im Bundestag sprechen darf?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.06.2017 um 07.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35502

SPD will Nein-Sager der Union mit namentlicher Abstimmung bloßstellen
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann fordert bei der Entscheidung über die Öffnung der Ehe für Homosexuelle eine namentliche Abstimmung im Bundestag.
"Ich will das gerne namentlich abstimmen lassen, damit die Wählerinnen und Wähler auch wissen, wer hinter der Ehe für alle steht", sagte Oppermann am Dienstagabend dem ZDF-"heute-journal". "Für die Union ist das ein Riesenproblem." Er rechne mit vielen Gegenstimmen aus der CDU/CSU-Fraktion.
(Focus 28.6.17)

So leicht kann man sich verplaudern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.06.2017 um 15.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35499

„Angela Merkel räumt die Unionsposition zur Ehe für alle. Die Kanzlerin spricht plötzlich von einer Gewissensentscheidung - dabei ist ihre Wende kurz vor der Wahl ein rein taktisches Manöver.“ (Spiegel)

Das stimmt, aber die Eile der SPD ist auch ein taktisches Manöver: es muß noch in dieser Woche sein, weil sonst die Gefahr besteht, daß die Union ebenfalls dafür ist – und was dann?
Außerdem ist es ja nicht Merkels „Gewissensentscheidung“, sondern sie hat nur angeregt, in dieser Frage keinen Fraktionszwang gelten, sondern die Abgeordneten nach ihrem Gewissen stimmen zu lassen. Durch Weglassen des Bezugs wird der Satz zur halben Lüge.

(Gestern hat der SPIEGEL Schulz einen Pluspunkt gutgeschrieben, weil er die Kanzlerin mit dem Vorwurf "Anschlag auf die Demokratie" getroffen habe. Wenige Stunden später wußte jeder, daß dies ein schwerer Mißgriff gewesen war.)

Der SPIEGEL ist auch nicht mehr, was er mal war, zu viel Meinung, zu wenig Recherche.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.06.2017 um 18.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35479

Früher mußte der Redner Arenen, Hallen mit seiner Stimme füllen. Manchem war das körperlich versagt, er konnte allenfalls noch Reden schreiben, sie aber nicht selbst vortragen (Isokrates ist der berühmteste Fall).

Heute wäre das eigentlich nicht mehr nötig. Man könnte sich vors Mikrofon stellen und sachlich wie ein Rundfunksprecher vortragen, was man zu sagen hat.

Der Gedanke kam mir, als ich heute ein paar Sekunden vom SPD-Parteitag in Dortmund hörte. Eine Frau schrie gerade, ihre Stimme überschlug sich, ich glaube, es war Frau Schwesig.

Ich habe ältere Damen gekannt, die einfach nicht glauben wollten, daß das Telefon keine besondere Lautstärke verlangt; die Entfernung München – Berlin ist für die Technik nicht schwerer als ein Ortsgespräch. Die Westfalenhalle kenne ich zufällig auch.

Aber natürlich ist das nur die halbe Wahrheit. Es gibt Texte, die kann man gar nicht mit ruhiger Sprechstimme vortragen, ohne schamrot zu werden; man muß schreien. Umgekehrt kann man die meisten Gedichte nicht schreien, nicht einmal der bewundernswerte Klaus Kinski hatte viel Glück damit.

Die Sprechstimme ist ein Wunder, größte "Errungenschaft" der Menschheit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.06.2017 um 06.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35476

Arroganz der Macht ist der neueste Slogan aus der Schlagwortfabrik, beinahe tautologisch und daher nicht besonders zielgenau. Eigentlich geht es wohl darum, daß Merkel nicht gegen Schulz gekämpft, sondern die vermeintliche Herausforderung einfach ignoriert hat. Überhaupt nicht beachtet zu werden muß für jemanden, der sowieso außerhalb des Betriebs steht, sehr aufreizend sein.
Dabei meinen Wirtschaftfachleute, das SPD-Programm sei gar nicht schlecht. Wenn es nur nicht unter dem defensiven Titel "Gerechtigkeit" verkauft würde...

Gestern wurde bekannt, daß auch die FDP die "Ehe für alle" zur Koalitionsbedingung macht, genau wie die Grünen – wer hätte gedacht, daß die beiden so schnell miteinander ins Bett gehen? (In Jamaika oder auch anderswo.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.06.2017 um 06.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35466

Trump sagt sinngemäß, er wolle keine armen Leute in seinem Kabinett, weil man bei Milliardären sicher sein könne, daß sie nicht um des Geldes willen in die Politik gingen.

Mit ähnlichen Argumenten hat man schon immer eine hohe Entlohnung von Politikern gerechtfertigt, damit sie nicht in Versuchung geführt würden.

Das ist aber weltfremd und oft bloß eine Irreführung.

Erstens kann man nie genug Geld haben.

Zweitens muß man dafür sorgen, daß nichts anbrennt. Das kann die Kaste der Reichen am besten, wenn sie selbst die Gesetze macht.

In Athen mit seiner exzessiven Selbstregierung brachten die ständigen ganztägigen Volksversammlungen und Pflichtämter vielen Bürgern tatsächlich Nachteile. Zum Ausgleich erfand man Tagegelder ("Diäten"). Der gute Herrscher muß zum Herrschen gezwungen werden, das war die Meinung. Anschließend zurück auf den Acker. Unsere Politiker stellen ihr Tun zwar auch gern als Opfergang dar ("Verantwortung übernehmen", wie die komische Formel heißt), aber das sind nur Redensarten, die niemand ernst nimmt.

Unsere Bundeskanzler sind, wie mir gerade auffällt, über den Verdacht der Bereicherung im Amt ziemlich erhaben gewesen (falls ich nichts übersehen habe). Sie werden anständig bezahlt, aber nicht üppig; ein besserer Fußballer würde dafür kaum ein Bein rühren. Geradezu altrömisch tugendhaft, dafür ein bißchen glanzlos und hausbacken, aber okay.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.06.2017 um 23.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35463

Ich muß zugeben, ich hatte meine Analyse aus einem Gesamteindruck und aus der Erinnerung abgeleitet. Das war nicht gut, ich hätte stattdessen konkrete Beispiele noch einmal genau anhören müssen. Das habe ich jetzt getan, unter anderem: https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-270573.html

Es gelingt mir nicht, genau zu ermitteln, was mich an der Redeweise stört. Insgesamt ergibt sich der Eindruck eines unpräzisen, unverbindlichen Singsangs. Es fehlt an Prägnanz. Einzelne Laute und Silben, auf die es nicht ankommt, werden von Schulz mit artikulatorischer Hingabe ausgekostet, während wichtigere Teile der Sätze verhuscht bleiben, unter anderem die genannten Satzenden. Bei 3:29 und 3:32 im oben verlinkten Video vernachlässigt Schulz den Abschluß des Satzes sogar derart, daß er jeweils die letzte Silbe stimmlos spricht (kann bzw. ...land).
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 23.06.2017 um 22.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35462

Schauspieler sagen: "Auf den Punkt sprechen!"
Das ist es wohl, was Sie, Herr Wrase, meinen, und was Martin Schulz oft nicht beherrscht.
Ich empfinde das übrigens auch so.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 23.06.2017 um 22.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35461

Siehe auch "Demosthenes" (alter Grieche).
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.06.2017 um 22.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35460

"Klingt halb wie eine Frage" war möglicherweise übertrieben, vielleicht auch einiges an der Interpretation. Als treffendere Darstellung ist mir eingefallen: Wenn man die Aussprache von Martin Schulz in dieser Hinsicht verschriftlichen sollte, stünde am Ende vieler Aussagesätze kein Punkt, sondern ein Gedankenstrich. Ich habe mir zum Vergleich eine Rede von Adenauer und ein Interview mit ihm angehört. Bei Adenauer wurde ja auch "rheinischer Singsang" angemerkt, aber er hört sich anders an. Bei ihm haben die Sätze einen ordentlichen Abschluß. Bei Martin Schulz bleiben sie oft in der Schwebe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2017 um 18.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35457

Ich muß gestehen, daß ich ihn noch nie gehört habe, oder vielleicht nur sekundenlang im Hörfunk. Das muß ich nachholen, denn Ihre Analyse kommt mir interessant vor; ich kenne ähnliche Fälle.
Die alten Römer haben viel mehr auf so etwas geachtet, wir unrhetorischen Menschen kommen uns fast ein bißchen gemein vor, wenn wir Persönlichkeitsmerkmale ins Auge fassen.
Unklug kommt es mir grundsätzlich vor, wenn jemand glaubt, durch (wiederholtes) Berichten eigener Sünden und Schwächen als "einer wie wir" oder "einer von uns" dazustehen. Das ist ja nicht das, was die Leute wählen wollen – warum sollten sie?

Solange jemand aufzusteigen scheint, gereicht ihm alles zum weiteren Anschub; da kann er sich leisten, was er will. Denken die Leute, es gehe bergab mit ihm, kann er noch so strampeln, es verstärkt nur den Schaden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.06.2017 um 16.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35456

Apropos Handicap bei Martin Schulz. Ich weiß nicht, ob ich da überempfindlich bin, aber ich halte die Aussprache von Martin Schulz für weit nachteiliger als sein Aussehen. Genauer: die Intonation.

Man findet bei Google sehr viele Ergebnisse zu "Martin Schulz Singsang". Speziell bei Martin Schulz: Bei einem großen Teil seiner Aussagesätze klingt die Intonation ziemlich weich und gleichförmig, und besonders fatal: Sie klingt am Ende der Sätze halb nach Aussage, halb nach Frage. Ist das noch der allgemein übliche "rheinische Singsang"? Diese Intonation von Aussagesätzen vermittelt mir regelmäßig das Gefühl, der Mann sei unsicher bei dem, was er sage, denn er versehe die meisten seiner Aussagen selbst mit einem Fragezeichen. Als lasse er absichtlich die Aussage im Ungefähren, zum Beispiel weil er nur etwas zur Diskusion stellen wolle oder weil er abwarten wolle, ob die Hörer zustimmen werden. Unmöglich bei einem Politiker! Ich möchte Martin Schulz einfach nicht reden hören.

Vielleicht finden andere Menschen diese Intonation nicht so abstoßend wie ich; aber ich könnte mir vorstellen, daß auch bei vielen von ihnen ein Gefühl aufkommt, daß der Mann "nicht weiß, was er will". So jemanden wählt man nicht, man wählt ihn jedenfalls nicht zum Bundeskanzler. Die Menschen wollen jemanden an der Spitze der Politik, der einen Eindruck von Sicherheit und Autorität vermittelt. Es würde mich interessieren, ob Sie das auch so wahrnehmen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.06.2017 um 05.44 Uhr  
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Manchmal werden Politiker gestürzt, weil die Leute sich an ihnen übersatt gesehen haben. Das ist natürlich ungerecht. Schon die Athener haben manchmal per Ostrakismos jemanden weggeschickt, nur weil sie sein Gesicht nicht mehr sehen wollten.
Merkel könnte es auch passieren; zur Zeit sprechen aber noch viel mehr Gründe dafür, es nicht dazu kommen zu lassen. Martin Schulz hat es schwerer. Meinem Eindruck nach haben sich viele schon nach wenigen Wochen Kandidatur sattgesehen, was natürlich alle weiteren Pläne über den Haufen wirft. Dazu trägt – "seien wir ehrlich" (Bolz) – auch ein gewisses physiognomisches Handicap bei. (Das war jetzt paradoxerweise unter der Gürtellinie, aber es mußte mal angesprochen werden; Rhetorik schließt auch das ein.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2017 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35423

Nur als Zeitgenosse hat man ein "Gefühl" für die rhetorische Gesamtsituation, Ergebnis Tausender von "Informationen", die nicht nur empfangen, sondern auch gewichtet werden. Historiker werden sich vergeblich bemühen, es aus den Quellen zu rekonstruieren: Warum kam X an die Macht, warum der rasche Aufstieg und Niedergang des Y?
Nicht einmal die Lektüre amerikanischer Zeitungen usw. kann das Leben im Lande selbst ersetzen. Also unter Vorbehalt: Mir scheint, daß die Trump-Gegner vergeblich darauf hoffen, irgendwelche Rußland-Affären in grauer Vorzeit könnten den Mann zu Fall bringen. Das interessiert viel zu wenig. Ähnlich versickern ja bei uns Vorwürfe in sog. Untersuchungsausschüssen, mit oder ohne Abschlußbericht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2017 um 11.35 Uhr  
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Ich weiß nicht recht. Ich selbst habe schon früh angefangen, Gerichtsurteile zu vergleichen, leider ohne systematisch Buch zu führen (was könnte man nicht alles dokumentieren!) Der Fall Wiesheu war lange mein Maßstab, auch weil Verkehrsdelikte bekanntermaßen sehr milde gesehen werden; dazu passen einige neue Fälle. Innerstädtische Autorennen mit Todesfolge werden fast gar nicht bestraft.

Kürzlich mußte ein Betrüger für mehrere Jahre hinter Gitter, weil er Sanierungsaufträge abgerechnet, aber nicht ausgeführt hatte. Der Gesamtschaden betrug etwas über 400.000 Euro.

Gewaltverbrecher hatten eine schwere Kindheit, Betrüger eher nicht.

Interessant auch der Unterschied zwischen Riesenbetrügern (Steuern!) und Pornographiebesitzern.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.06.2017 um 22.27 Uhr  
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Es ist Ergebnis sozialdemokratischer Klientelpolitik, daß kleine Vermögensdelikte u. U. schwerer bestraft werden als Gewaltverbrechen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.06.2017 um 21.05 Uhr   Mail an
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Vielleicht bin ich voreingenommen, aber ich finde auch den Buchtitel Was mir wichtig ist nicht besonders geschickt. Zu persönlich, in Anbetracht der nicht sehr bedeutenden Person. Eine politische Analyse, darauf beruhend ein Programm – das wäre ein Text, dessentwegen man sich auch nach der zu erwartenden Niederlage nicht zu genieren brauchte, an den sogar andere mit mehr Glück anknüpfen könnten.

Und wer wird ein Buch kaufen, in dem laut Titel genau das steht, was der Verfasser ohnehin jeden Tag mitteilt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.06.2017 um 10.44 Uhr  
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Man versucht ja immer zu verstehen, wie Schlagworte wirken, auch die eigenen Gefühle dabei zu artikulieren. Wenn man "Gerechtigkeit" in den Mittelpunkt stellt, geht es hauptsächlich um das Verteilen und Zuteilen von Gütern, nicht um deren Erwirtschaftung. (Vgl. diese Stichworte unter Wikipedia "Gerechtigkeit"!) Zwar wird versucht, über "Chancengleichheit" auch etwas Zukunft in die Sache zu schleusen, aber der Gedanke an Bescheidung mit dem Vorhandenen, an ein Nullsummenspiel überwiegt. So fühle ich es jedenfalls. Dabei reagiere ich auf Ungerechtigkeit sehr empfindlich. Zum Beispiel daß kleine Vermögensdelikte viel schwerer bestraft werden als Gewaltverbrechen, das macht mich ganz krank. Aber "Gerechtigkeit" als Regierungsprogramm? Wer mich damit nicht hinterm Ofen hervorlocken kann, wird es auch mit anderen Hunden nicht schaffen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2017 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35337

In der Zeit der Therapie danach hat Schulz begonnen, jeden Abend seine Erlebnisse und Gedanken des Tages aufzuschreiben. Der SPD-Kanzlerkandidat hat dieses Ritual bis heute beibehalten - und auch schon eine Idee, was er am Abend des 24. September, dem Tag der Bundestagswahl, in sein Tagebuch schreiben will: "Es ist vollbracht!" (http://www.tagesschau.de/inland/schulz-brigitte-talk-101.html)

Bibelfest scheint er nicht zu sein. Oder etwa doch? Dann wäre ihm die Rolle des Opferlamms schon jetzt klar. Oder wollte er eigentlich sagen Geschafft! und wäre ihm dies zu nahe an Merkel gewesen?
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 12.06.2017 um 11.59 Uhr  
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... und ein kompletter Neuanfang ist natürlich viel einschneidender als nur ein Neuanfang, genauso wie etwas komplett Neues neuer ist als ein nur Neues und ein komplett leeres Glas leerer als ein nur leeres und ein komplett volles noch voller als ein volles.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2017 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35320

Der deutsche Autobauer Opel steht vor einem kompletten Neuanfang! (BILD 10.6.17)

Kann man von einem Unternehmen, das seit fast 90 Jahren GM gehört, immer noch sagen, es sei deutsch? Wie wir an Trump sehen, ist das nicht gleichgültig.

Für die Deutschheit spricht, daß Opel im Dritten Reich entjudet wurde.

Nun "krallen" sich die Franzosen unser schönes deutsches Opel (BILD, wie bereits zitiert).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2017 um 04.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35242

Das Vorrecht des Kanzelredners, keinen Widerspruch der Zuhörer fürchten zu müssen, ist eine große Versuchung. Man genießt Narrenfreiheit.
Eine Gemeinde, die vorab durch gewisse Glaubensbekenntnisse geeint ist, wird der kritischen Diskussion nur beschränkt Raum lassen. Man fragt den Prediger nicht einmal, woher er das alles weiß, was er da in getragener Rede vorträgt. Die Ausdrucksweise ist so, daß man nicht recht weiß, wie man einen Einwand formulieren könnte.
Sokrates wollte das Monologisieren nicht hinnehmen. Er nötigte die Leute, „Rechenschaft zu geben“ (logon didonai). Das wurde schon damals als revolutionär erkannt. Die griechische Dialogkultur war die entscheidende Wende von der Weisheit zur Wissenschaft. Seither herrscht Begründungs- und Beweispflicht. Aber die archaische Denkweise ist natürlich immer noch allgegenwärtig, daher auch die verkündende statt begründende Redeweise.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.06.2017 um 18.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35238

Die Logik der Huffington Post ist auch nicht besser als die der Grünen.

Wenn ich gegen die Pest kämpfe und schaffe es nicht, sie auszurotten, dann bin ich anschließend für die nachfolgenden Toten mitverantwortlich?
Nur wer gar nichts dagegen getan hat, ist unschuldig?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.06.2017 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35237

Huffington Post 1.6.17:

Wir sind verdammt nochmal für diesen Krieg mitverantwortlich

Manche in Deutschland tun so, als ginge sie der Krieg in Afghanistan nichts an. Das ist, vorsichtig ausgedrückt, ziemlich verantwortungslos.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Sie wurde nicht von einer Kanzlerin oder von kriegslüsternen Generälen in den Kampf geschickt, sondern vom deutschen Bundestag. Jeder, der seit 1998 die Union, die FDP, die SPD oder die Grünen gewählt hat, war mit seiner Stimme mitverantwortlich für alles, was deutsche Truppen unter dem Isaf-Banner an guten und schlechten Dingen in Afghanistan geleistet haben.
Und das sind fast alle Deutschen, die seitdem wählen gegangen sind.
Tatsächlich haben deutsche Soldaten wichtige Hilfe geleistet: Sie haben Bildungsprojekte ermöglicht, Brücken gebaut und afghanische Sicherheitskräfte ausgebildet.
Aber genauso gut sind wir alle auch für das Schlechte mitverantwortlich, was nach dem womöglich voreiligen Abzug der Truppen entstanden ist. Wir können als Deutsche nicht die Amerikaner für den Aufstieg des IS verantwortlich machen, aber gleichzeitig unsere Verantwortung für das Chaos in Afghanistan klein reden.
Wir haben eine moralische Verpflichtung, den Kriegsopfern aus Afghanistan zu helfen. Das sollte sich vor allem einmal unser Innenminister klar machen.

-

„Fast alle Deutschen“ sind also mitschuldig, nur die nicht, die die Linke oder keine der seit 1998 im Bundestag vertretenen Parteien gewählt haben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.06.2017 um 15.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35236

Man kann aber immer freiweg die Sprengmeister aus diesem Land nach Deutschland einreisen lassen, auf daß zukünftige Anschlagsziele dann in Deutschland liegen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.06.2017 um 13.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35234

Der Grünen-Politiker Volker Beck sagte der dpa: „In ein Land, wo sogar die deutsche Botschaft Anschlagsziel ist und ihre Mitarbeiter dabei verletzt werden, kann man keine Menschen zurückführen.“
(FAZ 1.6.17)

Ich verstehe die Logik nicht. Was bedeutet hier sogar?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2017 um 08.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35209

Weiteres zum Konjunktiv II (Irrealis):

Steinbrück über die Niederlage seiner Partei im Saarland: „Das hätte ich der SPD vorher sagen können.“

Fahrradkette...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.05.2017 um 17.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35201

Was da bei Schulz über Twitter, Facebook und Instagram ankommt, ist nicht nur schön, wie der 61 Jahre alte Würselner erzählt. „Tolle Ratschläge. Kauf’ Dir endlich mal Maßanzüge und nicht immer die von der Stange. Kauf’ Dir ’ne andere Brille. Der Bart... in Deutschland ist noch nie einer mit Bart Kanzler geworden“, witzelt Schulz über Schulz.
Dann ist Schluss mit lustig. Ihm werde der Charme eines Sparkassen-Angestellten angedichtet. „Neulich hab ich irgendwo gelesen, sieht aus wie ein Eisenbahn-Schaffner.“ Was sei das für eine oberflächliche Haltung, ereifert sich Schulz: „Die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Lande (...) kauft die Anzüge von der Stange oder hat vielleicht auch nur ein Kassengestell bei der Brille. Aber genau das sind die Leute, die dieses Land am Laufen halten.“
(FAZ 27.5.17)

Das ist eine sehr riskante Rhetorik. Schulz kokettiert damit, daß er wenigstens aussieht wie jene "hart arbeitende" Bevölkerung, wenn er schon nicht selbst zu den Armutsgefährdeten gehört. Den "Eisenbahnschaffner" hat er schon mehrmals verwendet. Es wirkt nicht souverän. Frau Merkel kann sich zurücklehnen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 26.05.2017 um 17.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35194

Wer bad mit böse übersetzt, wird den Rest der Aussage wohl auch nicht verstanden haben.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 26.05.2017 um 11.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35190

Wie die SPIEGEL-Redaktion inzwischen klargestellt hat, sagte Trump "bad, very bad", und er bezog sich dabei nicht auf die Handels- oder Zahlungsbilanzüberschüsse (er weiß ohnehin nicht, wovon er redet), sondern auf "the Germans".

Von der Welthandelsorganisation und deren Regeln scheinen weder Trump noch seine unerfahrenen Berater auch noch nie gehört zu haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2017 um 06.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35189

Sind die Deutschen laut Trump „böse, sehr böse“, oder sind die deutschen Handelsüberschüsse „schlecht, sehr schlecht“? Beides wird berichtet. Da die amerikanischen Medien sich auf den deutschen SPIEGEL berufen, ist nicht sicher, ob er wirklich „bad, very bad“ gesagt und worauf er es bezogen hat. Er kann versuchen, seine Landsleute am Kauf deutscher Autos zu hindern, aber ob sie es ihm danken werden?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.05.2017 um 07.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35184

Viele haben schon den neuen Slogan der SPD kommentiert, der auch auf dem Deckblatt und auf einem Transparent bei der Verkündung des (halben) Wahlkampfprogramms zu lesen war: Mehr Zeit für Gerechtigkeit. Manche haben sich redlich bemüht, einen tieferen Sinn zu finden. Inzwischen hat aber die Generalsekretärin erklärt, es sei im Eifer des Gefechts (Zeitmangel!) nur ein Fehler unterlaufen, und demnächst werde das mehr wieder an der richtigen Stelle stehen.

Man sieht daran, wie wenig sich selbst die Urheber bei ihren Schlagworten denken.

Daß Fahnenwörter auch in beliebigen und eigentlich sinnlosen Kombinationen noch eine gewisse Wirkung haben, beschreibt Skinner im 6. Kapitel von "Verbal Behavior" am Beispiel der Dichtung. Die sinnvolle syntaktische Verbindung "schöner Wörter" ist sozusagen ein Zugeständnis an den Leser, damit er weiterliest.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.05.2017 um 16.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35179

Auch andere haben schon kommentiert, wie man aus Trumps Wortwahl loser auf sein Denken in Begriffen der Geschäftswelt schließen kann. Übrigens kann ich nicht finden, daß der Attentäter ein Verlierer ist. Immerhin ist er geradewegs ins Paradies gelangt, und seine Hintermänner scheinen auch nicht unzufrieden.

Aber nun wurde kritisiert, daß Trump mit seinem Eintrag ins Gästebuch von Yad Vashem die Gedenkstätte fantastisch gefunden habe. Nur wenige erinnern daran, daß er amazing geschrieben hat und daß das vielleicht nicht genau dasselbe wie fantastisch sei. Womit ich gar nicht bestreiten will, daß er sich etwas Gediegeneres hätte einfallen lassen können.

Wir Philologen sind amazed, daß so viele Leute sich mit dem Räsonieren über ihre eigenen (Fehl-)Übersetzungen zufrieden geben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.05.2017 um 12.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35163

Trump zu dem Anschlag von Manchester:

So viele junge Menschen sind von bösartigen Verlierern ermordet worden. Ich werde sie nicht „Monster“ nennen, denn das würden sie mögen, diesen Namen würden sie mögen. Ich werde sie von jetzt an „Verlierer“ nennen, denn das ist es, was sie sind.

Für einen Mann, der in "Deals" denkt und auch gerade mit Saudi-Arabien tolle Deals abgeschlossen hat, ist es in der Tat der größtmögliche Makel, ein "Loser" zu sein.

Anfang des Jahres konnte man schmunzeln, als Trump beklagte, daß in New York Mercedesse vor den Häusern (na ja, nicht vor allen) stehen, in Deutschland aber kein Chevrolet. Vielleicht weiß er inzwischen, daß das nicht an Handelshemmnissen oder Dumpingpreisen liegt. Er wußte wohl auch nicht, daß Ford und GM (Opel) in Deutschland 15% Marktanteil haben, deutsche Autos in den USA aber nur 7%. Andere Ausländer kommen in Deutschland gefühlt auf 50%.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 16.05.2017 um 21.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35120

Zukunftsglaube ist säkularisierter Messianismus – mit dem Unterschied, daß man sich sicher sein kann, daß die Zukunft auch wirklich kommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2017 um 21.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#35119

Schulz kündigt "Zukunftsplan für Deutschland" an

Hinreißender Titel. Ich mache auch gern Pläne für die Zukunft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2017 um 10.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34994

Ein Macher im Weißen Haus – so und ähnlich titelten die Medien zunächst. Das war wahrscheinlich ein Versuch, die angekündigten deals auf deutsch auszudrücken. Davon ist nun naturgemäß nicht mehr so viel die Rede.

Unser Martin Schulz hatte dagegen das Pech, daß die Luft rausging, schon bevor er ins Amt kam. Aber eigentlich kein Pech, sondern ein Fehler im Timing, voraussehbar und auch vorausgesehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2017 um 04.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34900

Täusche ich mich, oder ist es still geworden um Martin Schulz? Es gibt schon mehrere Biografien, weitere erscheinen in den nächsten Tagen (April 2017). Eine heißt „Der Kandidat“, wie seinerzeit bei Steinbrück und ebenso tödlich.
Anders als Trump kann Schulz keine großen Versprechungen machen; er kann auch eine Regierung nicht grundsätzlich kritisieren – schon gar nicht mit dem Gerechtigkeitsargument –, an der seine Partei maßgeblich beteiligt ist und deren Sozialpolitik sie bestimmt. So doof sind die Wähler auch wieder nicht (man sieht es an den Lesermails).
Unter diesen Umständen war schon bald zu vermuten, daß das Strohfeuer nicht lange genug anhalten würde. Es gibt ein selbstverstärkendes Hoch- und Runterreden, dabei kommt es sehr aufs Timing an. Trump wäre vielleicht ein paar Wochen später nicht mehr gewählt worden. Schulz kam sogar Monate zu früh. (Auf einer Glatze kann man keine Locke drehen, das sieht jeder irgendwann ein.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2017 um 16.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34835

"Die Zeiten einer Kostenloskultur sind (...) wahrscheinlich schon vorbei", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes.

Damit begründen die Banken, daß man Gebühren zahlen muß, wenn man sein eigenes Geld abhebt. Das Stichwort ist gut gewählt, kommt man sich doch recht schäbig vor, wenn man etwas umsonst haben will. Bisher galt dieses Geld freilich als Kredit an die Bank. Zinsen gibt es nun nicht mehr, und auch an das Kapital selbst zu kommen wird gebührenpflichtig. Die alte Weisheit, daß Bankkunden dumm und frech sind, scheint wahr zu sein. Interessante Entwicklung, auch sprachlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2017 um 06.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34821

Nach dem Anschlag von St. Petersburg titelt das Handelsblatt:

Putin muss sich neu erfinden

Das abgegriffenstmögliche Klischee.



Nachtrag: US-Militärschlag gegen Syrien – Trump erfindet sich neu (Spiegel online 8.4.17)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.03.2017 um 06.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34785

Die große Koalition nutzt die Gunst der Stunde, die Geschäftsordnung des Bundestages zu ihren Gunsten zu verändern. Diese „Lex AfD“ (wie die FAZ mit Recht spottet), schließt nicht nur ad hoc einen nicht genehmen AfD-Alterspräsidenten aus, sondern macht es in Zukunft jeder noch nicht so alten Partei unmöglich, den „dienstältesten“ Abgeordneten zu stellen. Die Etablierten schützen ihre Pfründe. Die Kleingeistigkeit und Niedrigkeit dieses Tricks bestärkt mich in meinem Vorsatz, an keiner Bundestagswahl mehr teilzunehmen (als entschiedener Gegner der AfD). Ich hätte es, ehrlich gesagt, nicht für möglich gehalten, am wenigsten von Norbert Lammert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2017 um 06.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34753

Die von Lammert angeregte Änderung der Bundestags-Geschäftsordnung soll nicht den Eindruck erwecken, sie sei gegen die AfD gerichtet. Das ist sie aber doch. Nur den Eindruck soll sie nicht erwecken.

Von dieser dummen Geschichte dürfte die AfD profitieren, nicht ganz unverdient diesmal. Die schlimmsten Heuchler jammern schon über das schlechte "Timing".

Nachtrag: „Mit seinem Geschäftsordnungstrick, einen AfD-Alterspräsidenten zu verhindern, begibt sich der Bundestag auf das Niveau der Politiker, die er bekämpfen will.“ (Jasper von Altenbockum FAZ 28.03.17 )
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.03.2017 um 10.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34726

Vielleicht fällt ihm ja etwas zum Schicksal seiner niederländischen Parteifreunde ein?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.03.2017 um 09.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34725

Wie ich gerade im Radio höre, wird mit Spannung erwartet, ob Martin Schulz heute etwas Inhaltliches sagen werde.

Erstaunlich nach all dem Jubel. Die Rhetorikforscher scheinen hier etwas versäumt zu haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.03.2017 um 10.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34660

„In jeder Periode Nietzsches hallt das tausendjährige Erbe der Rhetorenstimmen aus dem römischen Senat.“ Adornos oft zitierte Bemerkung ist schlagend, aber nicht treffend. (Heinz Schlaffer: Das entfesselte Wort. München 2007:78)

Schlaffer zeigt dann, wie unklassisch Nietzsches Satzbau ist.

Schlaffers Satz ist aber zugleich ein schönes Beispiel für einen "unterscheidenden Kontext": schlagend vs. treffend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.03.2017 um 08.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34620

Millionen Amerikaner halten "Affordable Care Act" für eine gute Sache, lehnen aber "Obamacare" ab. (Es ist dasselbe. Bernie Sanders hat es in Erinnerung gerufen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.02.2017 um 18.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34514

Der Deutschlandfunk sieht in Steinmeiers "Wahl" eine "Zeitenwende"...

Geboren in Brakelsiek ist auch eine schöne Überschrift. Der Ortsname klingt ja wie erfunden und wird noch oft verwendet werden. Der Brakelsieker – ist das nicht komisch?
Die "kleinen Verhältnisse" sind mitverstanden, denn was kann es in Brakelsiek schon für große Verhältnisse gegeben haben?

Nachtrag: "Würselen. Das klingt wie ein deutsches Wort, das sich jemand ausgedacht hat, der kein Deutsch spricht." (Stern)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2017 um 08.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34483

Im "Focus" wird der "Experte" Stefan Verra (zwischendurch Martin Verra) zitiert. Er rechnet Martin Schulz drei schwere Fehler in Gestik und Mimik vor, die ihn sogar die Kanzlerschaft kosten könnten.

Da Schulz vermutlich nicht Kanzler wird, dürfte der Experte recht behalten.

Merkel ist wegen ihrer glänzenden Rhetorik und mitreißenden Körpersprache schon dreimal Kanzlerin geworden. Da sieht man, wie wichtig das ist.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.02.2017 um 12.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34478

Forsa zufolge ist Schulz praktisch schon Bundeskanzler. Frau Präsidentin Clinton freut sich auf seinen Antrittsbesuch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.02.2017 um 07.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34476

Den Begeisterungstaumel der SPD, der auch viele Medien mitreißt und sich damit selbst verstärkt, wird man wohl nie ganz erklären können, weil die Geschichte nun mal keine experimentelle Wissenschaft ist. Es gibt ja viele schlaue Erklärungen zu Trumps Erfolg, aber so richtig beweisen läßt sich nichts, und die Plausibilität ist ja bekanntlich der Feind der Wahrheit.

Ist die SPD wegen Schulz begeistert? Das hätte sie erstens schon früher haben können, und zweitens kann es nicht an bisherigen Heldentaten des vermeintlichen Wundermannes liegen. Oder ist sie einfach unglaublich erleichtert, Gabriel los zu sein?

Leider (oder gottseidank) ist jede rhetorische Situation einmalig und bisher auch nicht planbar, auch nicht mit noch so viel Geld.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.02.2017 um 07.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34455

Die Altphilologin Gyburg Uhlmann unterscheidet die gute philosophische Rhetorik des Aristoteles, Cicero, Quintilian von der schlechten sophistischen des Kallikles und stellt Trump auf dessen Seite (FAZ 6.2.17). Das bekannte Problem der moralischen Überdetermination wird nicht erörtert. Immerhin relativiert die Verfasserin die gorgianischen Figuren, von denen sie einige erwähnt (Asyndese, Variatio, Repetitio, Trikolon...). Ob sie überhaupt eine Wirkung haben, ist nie bewiesen worden.

Trump kann eine Zeitlang sagen, was er will, gestammelt oder geschliffen, ein Teil des Publikums feiert ihn nun mal im Sinne einer Meinung, die ein deutscher Blogger so ausdrückte: „Endlich mal ein Präsident mit Eiern in den Hosen.“ Da mühen sich die Rhetorik-Lehrer wie Pfeifen-Auguste umsonst ab. Ähnlich unser Schulz-Rausch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2017 um 11.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34329

Vor 48 Jahren war US-Außenminister Kerry Soldat im Vietnamkrieg. Damals geriet sein Boot in den Hinterhalt einer Vietcong-Einheit. (welt.de 15.1.17)

So kennt man die Gooks. Aber jetzt hat er einen vietnamesischen Veteranen getroffen und Versöhnung gefeiert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2017 um 05.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34283

CDU-General Tauber brüskiert FDP-Chef Lindner mit einem AfD-Vergleich. (Welt 9.1.17)

Wen könnte man mit wem vergleichen und dadurch "brüskieren"? Merkel mit einem SPD-Vergleich? Lindner mit einem PDS-Vergleich? Warum gelten manche als Schmuddelkinder und andere nicht? Das Gedankenexperiment bringt Ordnung ins aktuelle rhetorische Feld.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 19.12.2016 um 18.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34142

Natürlich ist das reiner Wahlkampf und wahrscheinlich die Retourkutsche für den CDU-Parteibeschluß zur doppelten Staatsangehörigkeit. Dieser ist natürlich auch reiner Wahlkampf, da die CDU natürlich weiß, das dieser Beschluß weder unter Angela Merkel noch in irgendeiner heute denkbaren Koalition zu verwirklichen ist. Der Beschluß zielt klar gegen rot-rot-grün. Vielleicht fühlte sich Gabriel dadurch herausgefordert. Seine „Forderung“ ist ja ausdrücklich an seinen Ministerkollegen Schäuble gerichtet. Dabei wird Gabriel wohl wissen, daß er sie besser an die EU richten sollte.

Allerdings geht Gabriel im Gegensatz zur CDU ein gewisses Risiko ein. Sollte es wieder zu einer großen Koalition kommen, könnte er ja beim Wort genommen werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.12.2016 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34132

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32133

Jetzt "fordert" Minister Gabriel etwas beim Kindergeld. Er hat doch Kollegen und besonders Kolleginnen im Kabinett, die dafür zuständig sind und an die er seine Forderung richten sollte. Alles andere ist zum Fenster hinaus gesprochen und bloß Wahlkampf.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.12.2016 um 17.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34124

Werden die Wahlen künftig in den sozialen Netzwerken entschieden? Der Münchener Politikwissenschaftler Simon Hegelich geht zumindest davon aus, dass gezielte Wählerbeeinflussung über diese Kanäle demokratische Prozesse auch in Deutschland schon bald gravierend verändern wird. (...)
"Das geänderte Informationsverhalten der Nutzer in sozialen Netzwerken ist ein ideales Einfallstor für gezielte Desinformation", sagt Maaßen. Für dubiose Nachrichtenportale, bezahlte Propagandatrolle oder radikale "Wutbürger" ist es leicht, gefälschte Studien oder erfundene Zitate zu verbreiten, wo sie in sozialen Netzwerken einen "Nährboden" finden und ihre Wirkung unter Gleichgesinnten "wie in einer Echokammer" verstärken, erklärt der Hamburger Medienforscher Jan-Hinrik Schmidt.
Dem Experten des Hans-Bredow-Instituts zufolge weicht heute ein "substanzieller Teil der Bevölkerung" aufgrund eines Vertrauensverlusts in etablierte Institutionen auf Informationskanäle aus, in denen es um "Empörungsdiskurse" statt faktenbasierte Diskussionen geht.


Ja, früher war das besser. Da kamen Politiker durch faktenbasierte Diskussionen an die Macht. Es gab dann auch ein Reichsministerium für faktenbasierte Information.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.12.2016 um 10.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34026

Auch in Deutschland zerbröselt die Macht der alten Medien, bloß langsamer. Es ist ein bißchen wie mit dem Weltuntergang, der in Mecklenburg etliche Jahre später stattfinden wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.12.2016 um 08.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34025

Matthias Müller von Blumencron gibt in der FAZ (6.12.16, http://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-amerika/donald-trump-siegt-bei-us-wahl-2016-durch-social-media-14559570.html) eine Art von Verschwörungstheorie wieder, wonach Trump „mit einer Kampagne digitaler Manipulation“ die Wahl gewonnen haben soll.
Solche Enthüllungen laufen immer darauf hinaus, daß die Wähler nicht das gewählt haben, was sie eigentlich wollen, sondern etwas unterschwellig Eingeredetes. Es wird gezeigt, wie wunderbar alles eingefädelt war, aber nicht, daß es auch in dem gewünschten Sinn gewirkt hat. Kann man wirklich das Abstimmungsverhalten von Hunderttausenden durch „Zuspielen“ bestimmter Nachrichten steuern?
Viele FAZ-Leser sind ebenfalls skeptisch. Manche erinnern daran, daß dieselbe Zeitung vor einigen Wochen dargelegt habe, wie schlecht Trump im Vergleich zu Clinton die Medien nutze.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2016 um 06.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#34009

Norderstedt hat ein "Thor-Steinar"-Geschäft gleich wieder geschlossen, aus "bau- und nutzungsrechtlichen" Gründen. Das ist aber nur ein Vorwand, wie die Stadt bemerkenswert ehrlich zugibt:

Ein Sprecher der Stadt sagte dem "Abendblatt", Norderstedt "als weltoffene Kommune" werde "mit allen rechtstaatlichen und juristischen Mitteln dagegen angehen, dass im Stadtgebiet ein Treffpunkt für Menschen mit rechtsradikalen Ansichten entsteht". Die Stadt werde sicherstellen, dass das Geschäft geschlossen bleibe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2016 um 07.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33953

Merkelhasser Georg Meck legt in der FAS wieder einmal dar, warum es Deutschland und der deutschen Wirtschaft so schlecht geht: weil Merkel heimlich eine Grüne ist. Merkel habe auch die Wehrpflicht „entsorgt“, die einmal ein „fundamentaler Bestandteil christdemokratischer Politik“ gewesen war.

Zur Auffrischung des Gedächtnisses ein Stück Wikipedia:

Anfang 2010 gab der damalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eine Defizitanalyse zur Erkennung von Stärken und Schwächen der aktuellen Bundeswehrsituation in Auftrag. Am 12. April wurde dazu eine Strukturkommission unter der Leitung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, eingesetzt. Deren Empfehlung sollte eine umfassende Umstrukturierung der Bundeswehr vorbereiten, mit dem Ziel, die Verteidigungsressourcen Deutschlands den aktuellen und künftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen anzupassen.
Einige Tage vor einer Spar-Klausurtagung am 6. und 7. Juni 2010 hatte zu Guttenberg vorgeschlagen, die Wehrpflicht „auszusetzen“. Auf dieser Tagung stimmte er seine zuvor ministeriums- und bundeswehr-intern diskutierten Pläne mit dem übrigen Kabinett und der Bundeskanzlerin ab. Merkel zeigte sich zunächst zögerlich.
Am 23. August stellte zu Guttenberg der Regierungskoalition fünf verschiedene Modelle zur künftigen Struktur der Streitkräfte vor. In allen Modellen wurde von 150.000 bis 180.000 Zeit- und Berufssoldaten ausgegangen. In einigen Modellen wurde die Aussetzung der Wehrpflicht geplant, während andere von 25.000 Grundwehrdienstleistenden und 25.000 freiwilligen zusätzlichen Wehrdienstleisten ausgingen. Auch Varianten mit 30.000 Grundwehrdienstleistenden oder generell freiwillig Wehrdienenden waren darunter.
Einen auf sein Betreiben gestellter Antrag des CSU-Vorstandes auf Aussetzung der Wehrpflicht nahmen auf dem CSU-Parteitag am 29. Oktober 2010 die Delegierten mit großer Mehrheit an. Auch der CDU-Parteitag stimmte dem am 15. November 2010 mit großer Mehrheit zu, nachdem zu Guttenberg in einer Rede für seine Bundeswehrreform geworben hatte. Im Grundgesetz blieb die Wehrpflicht verankert.
Von der FDP war die Aussetzung bzw. Abschaffung der Wehrpflicht seit vielen Jahren immer wieder verlangt worden. CDU und CSU schlossen sich mit ihrer Entscheidung also einer Forderung ihres Koalitionspartners an.


Die FDP – von der FAZ gehätschelt wie keine zweite Partei! Das ist ja nicht zu fassen. Aber in Mecks Augen hat Merkel ein grünes Projekt durchgesetzt, und so ist die Welt der FAZ wieder in Ordnung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2016 um 07.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33951

Über den Präsidentschaftskandidaten der Linken, Butterwegge, berichtet die FAS (27.11.16) durchaus anerkennend (Armutsforschung als sein „Herzensthema“), aber die Bildunterschrift schreibt ihm höhnisch das „Geschäftsmodell Armutsforschung“ zu. Da scheint ein anderer Redakteur tätig zu sein, der zum zynischen Kern der Wirtschaftsredaktion gehört. Eine kleine Verschiebung der Wortwahl kehrt alles um.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.11.2016 um 06.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33869

Man kann die Dynamik von Schlagworten am besten beobachten, wenn man früh genug anfängt. Steinmeier will als Bundespräsident ein "Mutmacher" sein. So frühzeitig in die Welt gesetzt, könnte das Schlagwort noch schneller vernutzt und zum Kabarettstoff werden als seinerzeit der "Ruck" eines immerhin bereits amtierenden Präsidenten.
Auch "unbequem" wolle er "bleiben" (!), worauf der Zeitungsleser begann, in seinem Gedächtnis zu kramen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2016 um 07.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33833

Unter dem Phantasieporträt aus der "Schule von Athen" steht Urvater der Rhetorik: Aristoteles (FAZ 12.11.16). Nun, anders als in seiner Logik war sich Aristoteles bewußt, daß er hier nicht der erste war, und er setzt sich ja auch gründlich mit den Vorgängern auseinander.

"Rhetorik ist eine Kunst der Überzeugung und nicht der Überredung. Die sophistische Überredung, so Aristoteles, ist intentional und ethisch inkorrekt und hat nichts mit der Fähigkeit zu tun, mittels seines Könnens und Wissens Überzeugung hervorzubringen." (Wikipedia zu Aristoteles' Rhetorik)

Wo soll denn das stehen? Im Griechischen gab es keine solche Unterscheidung; wahrscheinlich stammt der Eintrag von Tübinger Jens-Schülern, die das Original nicht lesen können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.11.2016 um 17.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33827

Hier deutet eine „Expertin“, was Trumps Handhaltung während seines Besuchs bei Obama verrät:
http://www.focus.de/politik/videos/gespraech-im-weissen-haus-er-hat-etwas-neues-erfahren-das-sagen-trumps-haende-ueber-sein-obama-treffen-aus_id_6194260.html

Das Lächerliche ist, daß die Körpersprachdeuter noch nie empirisch nachgewiesen haben, ob etwas dran ist – und daß sie ihre vulgärpsychologischen Thesen in horoskoptypischer Weise verschlüsseln und damit ebenso immun wie gehaltlos machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2016 um 04.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33633

Vorgestern wurde im Radio erörtert, welche Folgen die Globalisierung (TTIP, CETA) für die Wasserversorgung der Stadt Erlangen haben könnte. Soweit ich mich erinnere, konnte niemand es sagen. Es war von Paragraphen, Schlupflöchern und weiteren Paragraphen die Rede und daß man genau auf den Wortlaut achten müsse usw.

Das fällt mir wieder ein, wenn ich lese, ganz Europa sei sich einig, nur die Wallonen stellten sich quer und nähmen die anderen 500 Mill. Europäer "in Geiselhaft". Das Gestrüpp von Worten ist undurchdringlich geworden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2016 um 04.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33494

Im Hochglanz-Magazin der FAZ spricht Reinhold Messner zweimal von etwas, was "Teil meines Erfolgs" ist. So auch früher schon:

Ihre Familie, Ihre Ehefrauen haben niemals versucht, Sie zu bremsen?
Nein, das ist ein Teil meines Erfolges, und das bewundere ich bis heute.

(http://www.noz.de/deutschland-welt/medien/artikel/503923/reinhold-messner-die-angst-war-mein-lebensretter#gallery&0&0&503923)

Das ist sehr feinsinnig. Man erkennt an, daß man anderen etwas verdankt, vergißt aber nicht, auf den eigenen Erfolg hinzuweisen, mit dessen Vermarktung man seinen Lebensunterhalt verdient, unter zuverlässiger Mithilfe der Medien, die den stets willigen Weisen aus den Bergen alle paar Wochen interviewen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2016 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33227

Warum das Elektroauto jetzt in Deutschland ankommt (Focus 14.4.14)

Kaum Interesse: Kaufprämie für E-Autos entwickelt sich zum Flop (Focus 2.9.16)

("entwickelt sich" ist auch hübsch. Ein paar tausend Wohlhabende streichen nebenbei unser Steuergeld ein, sonst nichts.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2016 um 06.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33203

Tiefschlag für Merkel: Nicht mal jeder zweite Deutsche will vierte Amtszeit (focus.de 29.8.16)

Ist das nun viel oder wenig? Wenn es ein Tiefschlag ist, muß es wohl sehr wenig sein. Andererseits: Welcher Politiker hat schon die absolute Mehrheit hinter sich? Auch tun die Medien so, als müsse jetzt sofort die Kanzlerfrage („K-Frage“ – wie dämlich!) entschieden werden und sei dies das Problem, das die Deutschen am meisten bewegt. Die Selbstbezüglichkeit der Medien fällt in der Sommerpause besonders auf.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 16.08.2016 um 18.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33114

Die ersten tragbaren Quarzuhren kamen von Patek Philippe, und auf deren Zifferblättern steht bis heute „Quartz“.
 
 

Kommentar von Hugo, verfaßt am 16.08.2016 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33112

Woher die Gewißheit für Quartz als ursprüngliche Schreibweise?
Goggles Ngram-Viewer verzeichnet im deutschen Corpus sehr wenige Fundstellen zu "Quartz":
https://books.google.com/ngrams/graph?content=Quartz%2CQuarz&year_start=1800&corpus=20
Bei Quartzuhr versus Quarzuhr sieht es ähnlich aus.
In den englischen Corpora ist dagegen Quartz vorherrschend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.08.2016 um 15.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33110

Interessanter Hinweis. Vielleicht spielen auch hier Rechtschreibprogramme eine Rolle. Vielleicht verhält es sich auch mit der isolierten Angabe Quartz auf den Uhren selbst nicht ganz so wie in rechtschreibgeprüften Texten.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 16.08.2016 um 09.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33108

Die ursprüngliche Schreibweise Quartzuhr (Google: 67.700 Ergebnisse) ist eher rückläufig. Selbst unter Uhrensammlern ist die Quarzuhr (Google: 1.020.000 Ergebnisse) mittlerweile häufiger.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.08.2016 um 04.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#33104

Vom selben Schlag wie anderes "Belebtes Wasser" (s. Wikipedia) sind die Produkte der Firma Plocher, über die man u. a. erfährt:

Beispielsweise kann die Information von gasförmigem Sauerstoff auf Quartzmehl übertragen werden.

Wieder fällt die Schreibweise Quartz auf, die schon deshalb nicht aufzuhalten ist, weil sie auf den meisten Armbanduhren zu sehen ist.

Ich hatte mal Gelegenheit, mit Plocher-Kunden zu sprechen. Die subjektive Gewißheit und die ganze Argumentationsweise wie bei Homöopathie-Anhängern. Irritierenderweise keine Frage der Intelligenz, weshalb man auch nicht mit der vermeintlichen "Dummheit" gehen Para- und Pseudowissenschaften argumentieren sollte. Das wäre ja auch nicht weiter interessant.

Der zitierte Satz ist eigentlich sinnlos. Ob jemand dies sofort erkennt oder nicht, macht den ganzen Unterschied.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.07.2016 um 11.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32787

Na, ich bin ja nicht dogmatisch, habe also gestern abend tatsächlich das Fußballspiel gesehen. Die Franzosen sind ja fast alle schwarz, das war mir gegen mein liebes kleines Island schon aufgefallen. Heute schwirren mir die Kommentare um die Ohren, wie gut die Deutschen eigentlich waren, viel besser als die Franzen. Aber in 95 Minuten nur schön spielen und kein einziges Tor schießen – also nee! Das ist doch der Zweck des Ganzen. Deshalb ist es auch tautologisch, daß immer der Bessere gewinnt.

Den schönsten Satz sprach der Kommentator zum Schluß: "Müller ist eben kein EM-Spieler, er ist ein WM-Spieler." Als Induktionsschluß ziemlich wackelig.

Für die Völkerverständigung konnte es aber nichts Besseres geben als den Sieg der Franzosen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2016 um 06.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32767

Rhetorisch geschickt und überaus folgenreich war auch das Wort Psychoanalyse, unter den Sektenmitgliedern zu Analyse gekürzt. Analyse klingt wissenschaftlich und verspricht Tiefe ("Tiefenpsychologie"). Freud "analysierte" seine eigene Tochter Anna, an sich schon eine Monstrosität.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.06.2016 um 12.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32765

Vor Jahrzehnten wurde bei uns die industriealisierte US-Landwirtschaft mit ihren Monokulturen als abschreckendes Beispiel für Bodenerosion durch Regen und Sandstürme gelehrt, und jetzt wird es in Deutschland genauso gemacht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2016 um 07.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32759

Nachtrag, auch zu Müller-Jung ("Kopfrechnen"):

An der Küste und im Hochgebirge weiß man besser, wo Schäden zu erwarten sind, als im Mittelgebirge. Wir haben das vor ein paar Jahren erlebt, als über einem Höhenzug ein Starkregen niederging, der drüben im Regnitztal zu Überschwemmungen und Todesopfern geführt hat, auf unserer Seite ein Bächlein, das sogar den Enten zu klein ist, auf sieben oder acht Meter Höhe hat anschwellen lassen, mit entsprechenden Schäden. Das kann man nicht verhindern und auch nicht alle Baugebiete vorsorglich meiden, die vom Wasser erreicht werden könnten. Nur rechtzeitige Warnungen können den Schaden mildern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2016 um 07.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32719

Das Wort Elementarschäden hat sich die Versicherungsbranche sehr geschickt ausgedacht. Man denkt unwillkürlich, die Elementarschadensversicherung sei ja wohl das Minimum. Bebilderte Berichte der Medien über (hierzulande sehr seltene) Vorkommnisse tun ein Übriges. Ich mußte mich richtig anstrengen, der sündhaft teuren Versuchung zu widerstehen.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 20.05.2016 um 19.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32635

Als Stadt von internationalem Rang existiert Berlin nur Dank (!) der Zuwanderung von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, Nationalität und Religion. (ebd., http://www.berlin.de/imperia/md/content/lb-integration-migration/publikationen/minderheiten/stadt_der_vielfalt_bf.pdf?start&ts=1442503243&file=stadt_der_vielfalt_bf.pdf )

Unter Ökonomen bemißt sich der internationale Rang einer Stadt nach Anzahl und Größe international agierender Unternehmen, nach Bedeutung und Nutzen der wissenschaftlichen Leistung. Da ist Berlin von einstiger Größe weit entfernt.

Wenn man die Rangliste allerdings als Kulturfunktionär nach der Anzahl international vagabundierender Subventionskünstler aufstellt, dann dürfte Berlin das traditionell ersehnte Weltniveau erreicht haben. So wie damals, in den Goldenen Zwanzigern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2016 um 05.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32629

Wer schon mal im Bundestag war oder auch nur Fernsehübertragungen verfolgt hat, wird bestätigen, was Roger Willemsen in seinem Buch "Das Hohe Haus" täglich und stündlich beobachtet hat: Wenn ein Abgeordneter der Opposition spricht, muß jedes Regierungsmitglied auf alle erdenkliche Weise demonstrieren, daß es nicht zuhört: plaudern, scherzen, Zeitung lesen, SMS verschicken, imaginäre Flecken vom Blazer entfernen usw. Die Opposition ist um jeden Preis wie Luft zu behandeln. Auf der Tribüne sitzen Schulklassen und lernen demokratische Debattenkultur.
Das Ganze ist so ekelhaft, daß man auch nicht versöhnt wird, wenn man später die scheinbar verfeindeten Politiker friedlich beisammenstehen sieht. Natürlich bilden sie alle zusammen "die da oben".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.05.2016 um 12.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32616

Die Wirkung einer Äußerung, eines Auftritts ist unberechenbar. Dasselbe Wort kann, zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Situationen gesprochen (also immer), eine ganz verschiedene Wirkung haben. Hat sich einmal die Meinung gebildet, daß ein Politiker auf dem absteigenden Ast sitzt, kann er sagen, was er will, es wird seinen Untergang beschleunigen. Dem Sieger dagegen gereicht alles zum weitere Erfolg, bis die Leute es leid sind. Das sind alles wohlbekannte Dinge, aber man beobachtet die jeweils neueste Illustration doch mit Interesse.

Christian Geyer, dem ich nicht immer zustimme, gibt in der FAZ vom 18.5.16 eine treffende Diagnose Sigmar Gabriels. Der hatte gesagt, er sei mit seinem Privatleben so zufrieden, daß er das politische Amt eigentlich nicht brauche. („Viele Leute in meiner Umgebung wissen, dass ich ein glückliches Familienleben habe und meine persönliche Zufriedenheit nicht an einem Dienstwagen hängt.“ – Spiegel-Interview) Damit wollte er wohl seine Unabhängigkeit bekunden, offenbarte sich aber als unpolitischer Mensch. Allerdings sollte der Politiker nicht um der Macht willen leben, wie Geyer nahelegt, sondern eine Idee haben, für die er ohne Rücksicht auf seine Person arbeitet; die Macht wäre nur das Mittel, sie zu verwirklichen. Das legendäre Urbild ist Cincinnatus, der alles stehen und liegen ließ, um seine Fähigkeiten in den Dienst des bedrängten Staates zu stellen und dann zu seinem Pflug und seiner Familie zurückkehrte. Gabriel erinnert an Scharping. Jeder denkt gleich: Netter Mensch, aber eigentlich eine Flasche.
(Als ich dies schreiben wollte, fiel mir der Name des alten Römers nicht ein, meiner Frau auch nicht. Dank einer Fangschaltung bei Google habe ich ihn aber schnell gefunden – sehr praktisch.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2016 um 16.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32588

Körpersprachforschung ist in meinen Augen eine Parawissenschaft. Während eine Pseudowissenschaft wie Astrologie von vornherein keinen Wirklichkeitsbezug hat (haben kann), wäre eine zeichenhafte Deutung von Gesten, Körperhaltung, Gang usw. grundsätzlich möglich, aber die bisherigen Versuche lassen es an Methode fehlen (wie Graphologie und Physiognomik). Sie haben in der Regel kein Bewußtsein von Beweisbedürftigkeit und empirischer Forschung, außerdem ist das System der Persönlichkeitsdiagnose (Charakterkunde) begrifflich unzureichend.
Meistens geht es kaum über die populäre Symboldeutung hinaus: Wer die Arme vor der Brust verschränkt, schließt sich ab usw.
Dies auch zur Deutung der Merkel-Raute.

Wartezimmerbewohner lesen auch gern, welche Fehler ein Mann bzw. eine Frau beim Flirten machen kann. Anschließend das Horoskop für die nächste Woche.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2016 um 15.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32501

Kleine Kinder sagen manchmal, wenn sie einem etwas schenken, danke dazu. Einer ähnlichen Psychologie folgt die Süßwarenindustrie, wenn sie auf ihre Schokoladensachen Namen wie Merci oder Kleines Dankeschön druckt. Das spart dem Käufer gleich noch die eigene Karte, es steht ja alles drauf. Man legt dem Kunden bestimmte Worte in den Mund, die er sich dann gewissermaßen zu eigen macht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2016 um 07.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32498

Die ZEIT widmet ihren Titel und ein paar Seiten der Rhetorik und dem Lobpreis der Tübinger Rhetorikschule (Jens und seine unscheinbaren Nachfolger).
Wieder mal wird die gute Überzeugung der bösen Überredung entgegengestellt - reine Rhetorik, wie schon Platon nachwies.
Die Rhetorik muss sich also weiterhin gegen den Verdacht wehren, manipulativ zu sein.
Aber gerade das war immer ihr Stolz und Ruhm.
In unseren Tagen geschieht in der politischen Rhetorik wenig Spontanes.
Aus dem ganzen Beitrag geht hervor, daß die gerühmte antike Rhetorik nichts Spontanes hatte.

Wieder fehlt jeder Beweis, daß die schulgerechte Rede auch die wirksame ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.04.2016 um 17.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32426

Zur Kaufprämie für Elektroautos:

„Wir haben gesehen, dass wir mit den bisherigen Instrumenten nur circa 50.000 solcher Fahrzeuge auf die Straße gebracht haben“, sagte Gabriel. (focus.de 26.4.15)

Rätselhafte Formulierung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.04.2016 um 06.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32402

In der FAZ bezeichnet Edo Reents das Schlagwort "Beta-Republik" als affig, gibt auch sonst eine ziemlich zutreffende Beschreibung des "unseriösen" Lindner-Geredes. Inbesondere die substanzlosen Vorstellungen von einer überfälligen Digitalisierung des Schulunterrichts kritisiert er. Angenehmes Gegengewicht gegen die Politikredaktion, die natürlich weiterhin ihre Lieblingspartei hätschelt.

Sehen wir mal, wie die FDP von diesem sprachlichen Irrweg wieder runterkommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.04.2016 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32392

Christian Lindner fordert die "Beta-Republik Deutschland", was selbst seine Parteifreunde nicht verstehen und schon gar nicht ans Volk vermitteln können. Ob das so eine glückliche Wortschöpfung ist? Beim ersten Hören klang es für mich gewollt "modern".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2016 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32133

In der FAZ spricht ein Leser endlich einmal seine – von mir geteilte – Verwunderung darüber aus, daß immer öfter Politiker in den Medien etwas "fordern", was sie als Regierungsmitglieder eigentlich selbst auf den Weg bringen oder einfach durchsetzen könnten und auch sollten, denn dafür haben wir sie doch gewählt. Das gilt auch für einen Parteivorsitzenden, der zwar nicht selbst Bundesminister ist, aber drei Minister in der Bundesregierung sitzen hat, die selbst die Initiative für das von ihrer Partei "Geforderte" ergreifen könnten. Stattdessen läßt man vor der Presse Versuchsballons steigen, beobachtet die Reaktion der Bevölkerung und übt dann "Druck" auf die Regierung aus. Das ist aber nicht der politische Prozeß, den die Verfassung vorsieht.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 20.03.2016 um 11.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#32005

Zur Information:

http://www.neuemedienmacher.de/download/NdM_Glossar_www.pdf
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.03.2016 um 09.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31946

...da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

Und dann tut es seine Wirkung.

Der Vorsitzende der Nationalen Plattform Elektromobilität, Henning Kagermann, hat erneut eine Kaufprämie für Elektroautos gefordert. "Fakt ist: ohne eine Kaufprämie erreichen wir das Millionen-Ziel nicht", sagte er dem "Tagesspiegel".

Man kann zwar immer noch über Elektroautos diskutieren, aber seit diese Zahl von 1 Million in der Welt ist, wirkt sie wie ein Attraktor auf alle Diskussionen und verschafft den Befürwortern der Prämie einen Vorsprung.
Ebenso wirkt seit Jahren die Vorgabe der Klimabewirtschafter: 2 Grad und nicht mehr! Gerade jetzt wieder (Fukushima) holen die AKW-Befürworter die Zahl wieder hervor. Sie wird im Laufe der Zeit unantastbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.03.2016 um 12.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31847

Vorhin sah ich vor einem SPD-Bezirksbüro das Plakat:

Die SPD bestimmt den Kurs. Auch in der Flüchtlingspolitik.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 01.03.2016 um 19.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31828

Wenn die Sorben aussterben, ist das allemal zu bedauern, ein kultureller Verlust. Von Staatsseite erhalten sie jedenfalls wenig Unterstützung. Wenn der Ministerpräsident den Gottesbezug nach seinem Amtseid auf Sorbisch spricht (Obersorbisch wohl, um genau zu sein), ist das ganz nett, aber bei weitem nicht genug, die Umvolkung der Lausitz zu stoppen.
Ach ja, die Scharia. Warum nicht aus historischen Erfahrungen lernen? Wir hatten ja schon die massenhafte Einwanderung der Christen, die dazu geführt hat, daß Hexenhammer, Inquisition und kanonisches Recht bei uns Geltung erlangten. Massenhaft gab es auf einmal Leute, die Michael, Johannes, Christian, Christopher, Simon hießen oder andere fremdvölkische Namen wie Maria oder Elisabeth trugen. Aber wer will denn hier die Scharia einführen? Die gilt ja nicht einmal in der Türkei und ebensowenig in Bosnien, Albanien oder Syrien (zumindest soweit das verhaßte säkulare Regime herrscht und nicht die Lieblinge der Nordatlantikmächte das Sagen haben – und anders auch als in Israel, wo es nicht mal eine Zivilehe gibt und man zum Mufti gehen muß, wenn man sich trauen will). Diejenigen, die hier die Scharia als Gesetzesgrundlage sehen wollen, dürften kaum zahlreicher sein als die Piusbrüder, die das kanonische Recht wieder einsetzen wollen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.02.2016 um 04.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31798

Rhetorik ist eben auch die Kunst, aneinander vorbeizureden. "Werte" eignen sich dazu besonders gut. Ich vermeide das Wort seit Jahrzehnten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.02.2016 um 23.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31796

Lieber Herr Strowitzki, Ihr Vergleich mit Sachsen und Sorben erscheint mir wegen der völlig unterschiedlichen Voraussetzungen wenig passend, und dann weiß ich auch nicht so recht, was Sie damit sagen wollen. Ja, wo sind die empörten Sorben, sie waren wohl einfach zu wenige, konnten sich zwar eine Zeitlang auf dem eroberten germanischen Gebiet behaupten, wurden aber später wieder zurückgedrängt. Nun sind sie eine Minderheit. Ihr Beitrag hört sich an, als loben Sie die Sorben dafür, den Deutschen ohne Auflehnung ihr Land zu überlassen, und meinen, Deutschland solle sich heute daran ein Beispiel nehmen und ruhig alle Muslime, denen es gefällt, bei uns einwandern lassen, es sei ja gar nicht schlimm, wenn in Deutschland einmal die Scharia regiert?

Wenn es einmal soweit ist, lieber Germanist, dann darf man wohl den Verlust der gemeinsamen europäischen, christlich-abendländischen Werte beklagen, dann wird es aber zu spät sein, und die dafür Verantwortlichen werden es leider nicht mehr erleben.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 26.02.2016 um 22.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31795

Gute Frage, Germanist!

Allerdings schwierig zu beantworten. Türken in Deutschland und Deutsche in Deutschland unterscheidet eines: Die Türken in Deutschland wissen, was in deutschen Zeitungen steht, aber die Deutschen in Deutschland wissen nicht, was in den in Deutschland erscheinenden türkischen Zeitungen steht. Asymetrischer interkultureller Alltag.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.02.2016 um 18.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31794

Das "Christliche Abendland" und das "Vereinte Europa" gibt es zurzeit garnicht. Niemand hört auf die Worte der Kirchen und des Europarates. Dazu bedarf es nicht erst der Muslime, und diese sind selber total zersplittert. Waren denn die Türken in Deutschland bisher eine Gefahr?
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 26.02.2016 um 17.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31793

(...) hat es ein souveräner Staat sehr wohl in der Hand, sein Volk und seine Kultur vor unabsehbaren Veränderungen durch Migration ganzer fremder Völker (...) zu schützen.
Oh ja, besonders der Freistaat im Osten wäre da gefragt. Schon seit Jahrzehnten wird dieses Land überschwemmt von Immigranten, die eine fremde Sprache und fremde Kultur mit sich bringen, dort Schwarze Pumpen u.ä. errichten und nicht daran denken, sich irgendwie zu integrieren. In Städten wie Gródk, Wójerecy oder auch Bela Wóda (immer wieder diese Sonderzeichen; wie kriegt man das gestrichene l auf die Tastatur, wieviele Zahlen- und Tastenkombinationen muß man im Kopfe haben?) sind die Einheimischen bereits zur Minderheit im eigenen Lande geworden. Wo sind die um ihre Heimat besorgten und empörten Bürger, die auf die Straße gehen, sich unter Parolen wie "Die Lausitz den Sorben!" (also Lu´zica po Srbi oder so ähnlich, wieder mit gestrichenem l) versammeln und vor die Häuser der Eindringlinge ziehen?
Tatenlos sieht man der fortschreitenden Überfremdung zu...
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 26.02.2016 um 15.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31792

Islamisierung, also der prozentuelle Anstieg gläubiger Muslime verglichen mit Gläubigen anderer Glaubensgemeinschaften, ist ein Anzeichen dafür. Ein Attribut „angeblich“ ist hier also fehl am Platz.

Wenn man, statt eine klare Trennung zwischen Staat und Religionen umzusetzen, mehrere Religionen „unterstützt“, wird man sich stärker noch als bisher gefallen lassen müssen, Aberglaube und alle damit zusammenhängenden Riten und Gebräuche zu fördern. Die riesige Gruppe der Atheisten und Agnostiker (ein großer Teil der Christen sind lediglich Taufscheinchristen, die die Bibelgeschichten für antike Märchen halten und auch sonst Hölle und Teufel gedanklich längst überwunden haben) hat in dieser Diskussion leider keine Stimme, obwohl es vermutlich die Mehrheit ist.

Eine „Tyrannei des Vermeintlichen“ ist in Ansätzen daher jetzt schon spürbar.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 26.02.2016 um 14.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31791

Im Vergleich mit anderen politischen Slogans wie »Fortschritt«, »Wir in Bayern« oder »Change« ist die Bedeutung von »Islamisierung« wohl hinlänglich klar umrissen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.02.2016 um 10.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31790

Aber so unbestimmt ist doch das Wort Islamisierung auch wieder nicht, daß man nicht wüßte, was auf beiden Seiten damit gemeint ist.

Es geht Pegida-Anhängern ganz sicher nicht darum, die Islamisierung dadurch zu verhindern, daß Meinungs- und Religionsfreiheit in Deutschland oder Europa eingeschränkt werden oder daß den Religionsgemeinschaften ungleiche Rechte zugestanden werden.

Meiner Ansicht nach verstehen sowohl Verteidiger als auch Gegner der aktuellen politischen Entwicklung unter Islamisierung (je nach Partei mit dem Zusatz "angeblich") vor allem die millionenfache Migration von Menschen muslimischen Glaubens nach Deutschland in den letzten 20-30 Jahren, ganz besonders deren explosionsartigen Anstieg seit Mitte letzten Jahres.

Im Gegensatz zur Religionsfreiheit und -gleichheit innerhalb eines Staates, über die man nicht zu diskutieren braucht, hat es ein souveräner Staat sehr wohl in der Hand, sein Volk und seine Kultur vor unabsehbaren Veränderungen durch Migration ganzer fremder Völker, zum Beispiel vor einer "angeblichen"(?) Islamisierung zu schützen.

Ich finde, daß der Zusatz "angeblich" nur der Beschwichtigung und Tatsachenverfälschung dient, denn ich wüßte nicht, daß jemand, der ihn benutzt, schon einmal eine gute Begründung mitgeliefert hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.02.2016 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31789

"Islamisierung" ist wie jenes "Dazugehören" viel zu unbestimmt, als daß man darüber pauschal diskutieren könnte. Man muß sich an die konkreten Einzelheiten halten.
Deutschland kennt keine strenge Trennung von Staat und Religion, sondern hat bisher die christlichen Großkirchen privilegiert. Das brauche ich nicht auszuführen.

Da das GG bzw. die inkorporierten Artikel der WRV von Religionsgesellschaften sprechen, ist es nur recht und billig, die Privilegien entweder ganz abzuschaffen oder auf die bedeutende islamische Bevölkerung auszudehnen (bei allen Problemen, die deren Verfaßtheit mit sich bringt).
Hinzu kommt aber noch etwas anderes. Der Mitgliederschwund und andere Faktoren ließen erwarten, daß auch formell die Privilegierung der Kirchen etwa durch staatlich organisierten und finanzierten Religionsunterricht und Theologenausbildung eingeschränkt und abgeschafft werden könnten. Nun hat sich aber die Politik mit guten Gründen vorgenommen, den Islam gewissermaßen zu zivilisieren, d. h. an der Radikalisierung zu hindern bzw. sie wieder zurückzudrängen. Daher nun der konfessionelle Islamunterricht und die zugehörige Religionslehrerausbildung unter staatlicher Aufsicht. Dies hat auch die prekäre Lage des christlichen Religionsunterrichts (und des Abschreckungsfachs Ethik) wieder gestärkt, wurde daher von den Kirchen lebhaft befürwortet.
In Erlangen wurde die einst berühmte, auch umstrittene evangelisch-theologische Fakultät abgeschafft zugunsten jenes merkwürdigen Konglomerats "Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie", das nun neben der evangelischen auch die islamische Theologie umfaßt.

Das wäre also ein Fall von "Islamisierung", und er steht mit einem anderen, von allen Politikern bisher gemiedenen Problem in Verbindung, wie angedeutet.

Ein anderer Fall ist die Streichung von Schweinefleisch aus dem Speiseplan öffentlicher Einrichtungen (und darüber hinaus). Damit hängt die Rücksichtnahme in anderen Bereichen zusammen, die sich durchaus zu einer "Tyrannei des Vermeintlichen" ausweiten könnte (Alkohol, Karikaturen, Freizügigkeit in Kleidung und Sexualverhalten). Also das Problem der PC überhaupt. Das ist eine Gefahr, der man rechtzeitig entgegenwirken sollte (Pressefreiheit usw.). Der Widerstand dürfte aber erfahrungsgemäß gering sein, außer bei den Schmuddelkindern.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.02.2016 um 23.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31785

Ich habe heute wieder mehrmals im Fernsehen gehört, daß Pegida gegen eine "angebliche Islamisierung des Abendlandes" sei. So und ähnlich findet man es auch vielfach im Internet.

Wenn doch nur ein einziger einmal ganz sachlich begründen würde, warum es sich nur um eine angebliche und eben nicht um eine tatsächliche Islamisierung handelt.

Sogar der vorige Bundespräsident meinte, der Islam gehöre jetzt auch zu Deutschland. Ob das nun für Deutschland ein Grund zu Freude und Triumph ist, will ich mal dahingestellt sein lassen, aber eine Islamisierung Deutschlands bedeutet es selbstverständlich nicht, oder?
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 25.02.2016 um 20.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31784

Auf www.facebook.com/Freiheitfuerdeutschland/, der Seite von "Freies Tal – Freital ist und bleibt frei" (zu finden unter dem Suchwort "Frigida"!! – auch das war mal ein Kabarettistenwitz; die Satire wird wieder einmal von der Wirklichkeit überholt) findet sich u.a. der Spruch: Wir wohnen im "Schandfleck"! – und sind Stolz darauf!
Feine Abendlandsretter, ich bin Ratlosigkeit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2016 um 15.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31780

Bundestag beschließt: Schockfotos auf Zigarettenschachteln sollen Raucher abschrecken

Kann man das beschließen? Dann kann man auch beschließen, daß Zuckerkügelchen gegen Krankheiten helfen sollen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.02.2016 um 23.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31774

Lieber Germanist,
ich bin trotz der gegenwärtigen Probleme optimistisch. Nur weil ein einzelnes Land sich gegen die übrigen 27 stellt, geht sicher nicht gleich die ganze EU unter, und selbst wenn, dann würden die gemeinsame Idee und unsere fortschrittlichen westlichen Wertevorstellungen überleben. Sie würden eine zweite Chance bekommen, denn sie bleiben natürlich gültig, sie wurden nur bisher mit zu viel Naivität praktisch umgesetzt. Ich glaube daran, daß die EU aus den gegenwärtigen Erfahrungen lernen und dann auch leidende Völker auf der Erde besser als jetzt unterstützen wird.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.02.2016 um 21.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31773

Ich bin mit der Idee eines Vereinten Europas und mit den Wertvorstellungen eines Christlichen Abendlandes aufgewachsen, und es widerstrebt mir, diese jetzt als nicht mehr zeitgemäß ansehen zu sollen, als ob sie nur 70 Jahre lang Gültigkeit gehabt hätten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2016 um 12.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31771

So unhygienisch hat sich hier aber noch keiner ausgedrückt, oder?
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.02.2016 um 19.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31766

Es wäre ein erheblicher Beitrag zur geistigen Hygiene in unserem Lande, wenn man nicht jeden, der Bedenken gegen eine ungeordnete Einwanderung hat, gleich als "Gegner von Ausländern" oder als "ausländerfeindlich" abstempeln würde.

Ich bin im Ausland vielen Menschen begegnet, die längere Zeit in Deutschland waren, etwa zum Studium, und beste Erinnerungen an diese Zeit hatten. Nie hat sich einer von ihnen über "Ausländerfeindlichkeit" beklagt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.02.2016 um 10.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31760

Wer etwas gegen Ausländer tut, ist ein Gegner der Ausländer.

Außerdem gibt es die sogenannten Gegner der Ausländer, Opfer einer breit angelegten staatlichen und medialen Verleumdungskampagne.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2016 um 06.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31757

Cameron droht mit dem Austritt, den er eigentlich verhindern will. Bei uns sagen viele, man müsse etwas gegen die Ausländer tun, sonst würden die Gegner der Ausländer immer stärker. Um die Freiheit zu schützen, muß man sie einschränken, z. B. durch Bespitzelung. Es hat sich schon mancher aus Angst vor dem Tod das Leben genommen.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 22.02.2016 um 21.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31753

Vor allem sind die "Saggsen" helle! Sie wissen:

Ein souveräner Staat kennt seine Grenzen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.02.2016 um 15.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31749

Old Shatterhand war ein berühmter Sachse, aber dann kam Walter Ulbricht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2016 um 05.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31743

Saudi-Arabiens steiler Aufstieg als Waffenimporteur
Die neue Studie der Sipri-Forscher listet hohe Zuwachsraten für Rüstungsgeschäfte im Nahen Osten auf. Zwei westeuropäische Länder gehören dabei zu den Hauptexporteuren.
(faz.net 22.2.16)

Da sind wir aber gespannt: Welche beiden mögen das sein? Erst gegen Ende des Artikels wird es enthüllt: Frankreich 5,6 Prozent, Deutschland 4,7 Prozent. Eher Zwerge gegenüber USA und Rußland.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.02.2016 um 00.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31740

De Saggsen sinn e sehr gemiedliches Völgchen, ohne Haß. For Haß gibs gar kee säggs'sches Word. De Saggsen ham höch'sdens emol de Schnaudse voll. Un wer e bissel wenicher helle im Nischel is, der läßd de Sau dann leider of de Falschen raus.

Man sollte annehmen, daß die Regierung in Berlin ein bißchen mehr im Kopf hat und weiß, wer eigentlich damit gemeint ist. Aber die tut als wüßte sie nicht, warum plötzlich so viel Wut im Volk ist. Die Anzahl dieser besorgniserregenden Ausfälle steigt in allen Bundesländern an, und zwar genau seitdem da oben jemand sagt: Der Staat bin ich!

 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.02.2016 um 22.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31739

Die Sachsen müssen Sprachkurse in Hochdeutsch und im Sich-in-Deutschland-Integrieren verordnet bekommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2016 um 06.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31706

Zur Rhetorik der Übertreibung:

Nicht seriös ist es freilich auch, wenn sogenannte Spitzenkräfte der deutschen Wirtschaft und Politik allen Ernstes glauben machen wollen, der durchschnittliche Flüchtling sei ein neuer Steve Jobs – und der Fachkräftemangel durch den Zustrom schon so gut wie gelöst. (Reinhard Müller FAZ 19.2.16)

Aber wer hat denn das „allen Ernstes“ behauptet? Es erinnert an die 500.000 syrischen Zahnärzte, die nun doch nicht eingetroffen sind. Der "Zahnarzt" war bisher der Spitzenverdiener und FDP-Wähler, hat aber nun eine zweite symbolische Bedeutung bekommen. Damit geistert er seit einigen Monaten durch die Medien.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 11.02.2016 um 17.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31631

Das i-Tüpfelchen vergißt man natürlich: Zum erstenmal nahm an der Karnevalszeremonie der neue Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan teil. Sein Name wurde bei Gelegenheit fachkundig erläutert: a-Shok(a) = Ohne-Sorge, mit Verneinungs-a (die Fremdsprache kann man dann doch).
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 10.02.2016 um 18.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31619

Zum Thema Nationalstaat und dem Umgang mit ihm aus aktuellem Anlasser einige ethnologische Beobachtungen.
In den USA hängt an allen öffentlichen Gebäuden das Sternenbanner, in Frankreich, wenn ich richtig informiert bin, die Trikolore, und sei es das letzte Provinzrathaus. Auf dem Bonner Rathause weht die Bonner Stadtfahne und sonst nichts – ausgenommen die Karnevalstage, wenn in einer hochoffiziellen und streng ritualisierten Zeremonie das Rathaus trotz aller verzweifelten Gegenwehr von den Narren gestürmt wird. Dann wird die Stadtfahne eingeholt und die Narrenfahne (offiziell: Fahne des Prinzen Karneval) gehißt. Anschließend schreitet der unterlegene und entmachtete Oberbürgermeister die Parade der siegreichen Stadtsoldaten ab (die treu zu Ihren Tollitäten stehen und also zu den Rathausstürmern gehören, auch der Einsatz von Artillerie wird simuliert.) Der Platz vor dem Rathause ist dann geprägt von der rot-weiß-blauen Trikolore – den Farben der Bonner Stadtsoldaten.
Den Rathausstürmern angeschlossen hat sich auch der Leiter der Bundeskunsthalle, den es von Bremen in die Bundesstadt verschlagen hat.
Einschub, da das Zauberwort nun gefallen ist: Bonn legt großen Wert darauf, Bundesstadt zu sein. Dennoch ist nirgends auch nur ein Hauch der Bundesfarben (also schwarz-rot-gold) zu sehen. Es handelt sich um eine rein städtische Veranstaltung, Bundesorgane sind nicht beteiligt (die Bundeskunsthalle zählt nicht als solches). Ebenso abwesend sind die grün-weiß-roten Landesfarben. Solche Fahnen wie auch die Europafahne, die der Vereinten Nationen oder die Fahnen ausländischer Staatsgäste werden bei entsprechenden besonderen Gelegenheiten an den vor dem Rathause stehenden Fahnenmasten aufgezogen. Bei der hier genannten Veranstaltung sind die allerdings komplett vom "Festausschuss Bonner Karneval" belegt.
Der Bremer Import nun trägt seine Drohungen gegen das Rathaus in feinstem Plattdüütsch vor. Als Antwort schallt ihm vom Rathausbalkon entgegen, er müsse sich schon einer Sprache bedienen, "die mer he verstonn. Mer künne kene Fremdsproch" (obwohl es nicht besonders schwer zu verstehen war). Die Wiederholung auf Hochdeutsch war dann akzeptabel.
Einer der großen Karnevalsschlager der Session ist übrigens "Polka, Polka, Polka, vum Rhing bes an de Wolga" (Reim' dich oder ich freß' dich!) "ejal, woher mer kumme, jetzt han mer uns jefunge" usw.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 10.02.2016 um 15.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31618

Auf Theoderich folgte kein weströmischer Kaiser. Immerhin folgte seine Tochter Amalaswintha als Regentin für den unmündigen Enkel Athalarich. Sie wird als hochgebildet beschreiben, sprach fließend Gotisch, Griechisch und Latein und führte mit umsichtiger Hand die Regierung. Das ist natürlich ziemlich barbarisch, einen wahren Römer graust es ob solcher Weiberherrschaft.
Theoderich hatte aber auch keinen weströmischen Kaiser neben, über oder vor sich. Dieses Amt war bereits abgeschafft. Odoakers gar nicht so epochaler Schritt bestand gerade darin, den Kaiser für überflüssig zu erklären. Die gesamte weströmische Geschichte ist durchzogen davon, daß der Kaiser immer mehr durch den Heermeister verdrängt wurde. Man kann, wieder etwas klischeehaft vereinfachend, sagen: Immer, wenn der Kaiser selber in die Politik eingriff, gab es eine Katastrophe. Ein wenig vielleicht vergleichbar mit dem "persönlichen Regiment" Kaiser Wilhelms II. Jedesmal nach einem Daily-Telegraph-Interview, einer Hunnenrede und dgl. hatten die Politiker alle Hände voll zu tun, die Scherben zusammenzukehren.

Nachträge zu meinem vorigen Beitrag:
(I) Zum Präfekten – praefectus praetorio Galliarum – wurde der altbewährte Verwaltungsfachmann Liberius bestellt – der schon unter Odoaker Karriere gemacht hatte!
Wobei "Verwaltungsfachmann" schon fast eine Herabwürdigung ist. Die Quellen zeigen verwaltungstechnisches, diplomatisches und militärisches Geschick.
(II) Wir haben eine aktuelle Parallele: Kurz vor der chinesischen Küste liegen die Quemoy-Inseln. Diese gehören zu der Provinz Fukien (Sinologen mögen sich bei den barbarischen Umschriften wieder einmal die Ohren zuhalten), werden aber von der taiwanesischen Seite kontrolliert. In Taipeh beharrt man nun darauf, für diese Inselchen (nicht viel größer als Sylt) eine eigene Provinzverwaltung zu führen. Der Machtbereich der Republik China umfaßt damit eben nicht nur die Provinz Taiwan, sondern auch zumindest rudimentäre Teile der Festlandsprovinz Fukien.
Das gleiche staatsrechtliche Denken finden wir 1500 Jahre zuvor in Ravenna, wenn für einen schmalen Landstrich die gallische Präfektur in Arles eingerichtet wird – mit dem latenten, jederzeit nach Bedarf aktivierbaren Anspruch auf ganz Gallien.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 09.02.2016 um 23.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31613

Man kann Theoderich als weströmischen Reichsverweser ansehen. Eine solche Herrschaft wirft immer Legitimitäts- und Kontinuitätsprobleme auf. Letztlich entscheidend ist, was folgt. Auf Theoderich folgte kein weströmischer Kaiser. Auf Horthy folgte kein Habsburger, auf Franco hingegen ein Bourbone, der aber nicht autoritär herrschen mochte. Glück mit den Nachfolgern haben die wenigsten Politiker: 'All political lives, unless they are cut off in midstream at a happy juncture, end in failure' (Enoch Powell).
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 09.02.2016 um 19.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31612

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Herrn Achenbachs Beitrag (#31593) zu verstehen ist, aber bei den genannten Punkten handelt es sich natürlich nur um einige Schlaglichter zu einem sehr komplexen Thema. Das "Wissen", daß die "Völkerwanderung" Ende des 4. Jahrhunderts begonnen habe, ist einfach nur die übliche Schulbuchdatierung (Schlacht von Adrianopel 378).
Man kann sogar fragen, ob Rom überhaupt untergegangen ist. Pirenne etwa sieht ja eine Transformation. Erst mit dem Einbruch des Islams sei die Einheit der Mittelmeerwelt zerstört worden. (Das könnte man auch wunderbar tagespolitisch ausschlachten.)
Schon merkwürdig: Der Zug des Kaisers Theodosius ("Des Großen") mit seinem nicht zuletzt aus Goten (Alarich!) bestehenden Heer zur Eroberung Italiens (gegen den Heermeister Arbogast) anno 394 gilt nicht als "Völkerwanderung", der auf dem gleichen Wege und zum gleichen Zwecke unternommene Zug des kaiserlichen Beauftragten Theoderich ("des Großen") mit seinem zum Gutteil aus Goten bestehenden Heer ein knappes Jahrhundert später (gegen den Heermeister Odoaker) dagegen sehr wohl. Wo ist der Unterschied?
Es ist unstrittig, daß die Herrschaft Theoderichs eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit war. Theoderich wurde geradezu als ein neuer Trajan bezeichnet. Längst verfallene Wasserleitungen wurden wiederhergestellt. Bedeutende Schriftsteller und Philosophen wie Cassiodor, Symmachus und Boethius bekleideten hohe Staatsämter. Daß Boethius dann einer Staatsaffäre zum Opfer fiel, ist bedauerlich, aber so etwas kommt vor. Dazu braucht es keine Barbaren, die römische Geschichte ist voll davon, man denke nur an Seneca!
Wie sehr Theoderich in römischem Staatsrecht dachte, zeigt eine Episode: Er ließ sich die Hilfe für die Wisigoten gegen die Franken mit der Abtretung eines kleinen gallischen Küstenstreifens südlich der Durance bezahlen. Für dieses Gebiet wurde die gallische Präfektur in Arles wiedererrichtet, die einige Jahrzehnte zuvor aufgegeben worden war. Theoderichs Machtbereich reichte damit über die italische Präfektur hinaus, er hatte einen Fuß in der gallischen Tür. Zum Präfekten wurde der altbewährte Verwaltungsfachmann Liberius bestellt (der gleiche, de später in hohem Alter – Prokop nennt ihn eschatogerôn – in ähnlicher Funktion für Justinian in Spanien tätig war).
Dieses blühende Reich wurde erst danach zerstört, und zwar durch einen erbarmungslosen zwanzigjährigen Krieg, den das Ostreich unter Justinian bis an den Ran der eigenen Erschöpfung führte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.02.2016 um 16.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31602

Die Ähnlichkeit ähnlicher Vorgänge in der Vergangenheit steht gerade in Frage. Darum ist der Wunsch, möglichst viele Faktoren zu berücksichtigen, keine billige Ausflucht oder so etwas, sondern der Kern einer alten geschichtsphilosophischen Debatte. Muß man das überhaupt noch aussprechen? Das Problem ergibt sich schon weit diesseits interessengeleiteten Ausblendens usw. durch das Fragmentarische jeder Überlieferung. Daher das Frohlocken der Historiker, wenn sie ein neues Dokument entdecken.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.02.2016 um 15.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31601

Was dem einen "Argumentation", ist dem anderen "Agitation". Das ist Rhetorik. Dazu gehört auch das Argumentationsmuster, auf die Erwähnung unangenehmer Faktoren mit der Forderung nach Berücksichtigung vieler zusätzlicher Faktoren zu antworten.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.02.2016 um 15.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31600

„Aus Erfahrung wird man schlau“ sagt der Volksmund. Jede Entscheidung im Leben erfolgt im Lichte vergangener Erfahrungen. Junge Menschen machen häufiger Dummheiten als ältere, weil sie weniger Erfahrungen gesammelt haben.

Lebenserfahrung ist aber keine Garantie für kluge Entscheidungen. Bestenfalls schützt sie vor alten Fehlern; es gibt aber genug neue Fehler, die man machen kann. Dennoch wird doch jedermann lieber lebenskluge Menschen in verantwortungsvoller Stellung sehen als völlig unerfahrene.

Was ist nun Lebenserfahrung anders als selbsterlebte Geschichte? Was liegt also näher als der Versuch, diese Lebenserfahrung durch Historie in die Vergangenheit zu verlängern?

Wenn wir heute vor schweren Entscheidungen stehen, warum sollten wir nicht in der Geschichte nach ähnlichen Verhältnissen zu suchen? Vielleicht hilft das ja doch, wenigstens die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Jedenfalls erweitert es den Horizont, und ein weiter Horizont ist doch immer besser als ein enger.

Mir scheint allerdings, daß in der Frage, um die es hier geht, die Dinge klar zutage liegen und ein Rückgriff auf die Geschichte nicht nötig ist. Das sagt Prof. Demandt ja selbst: „Das weiß im Grunde auch jeder.“

Prof. Demandt hat ja auch nicht der KAS seinen Beitrag aufgedrängt, sondern die KAS hat einen solchen Beitrag erbeten. Warum hätte er auf diese Bitte nicht eingehen sollen? Jedenfalls empfinde ich seinen Beitrag als angenehmer zu lesen, als die schon ewig durchgekauten Argumente und Sprechblasen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.02.2016 um 11.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31598

Quaeritur.

Immerhin, wenn Geschichte sich nicht nur mit der Politik, sondern mit allem Vergangenen (Wirtschaft, Klima, Religion, Sprache, Technik, Demographie ...) beschäftigt, wird es plausibler, aber auch komplexer.

Das war es ja gerade: Alles zwecks Agitation auf wenige Punkte herunterzukochen geht wohl nicht an.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.02.2016 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31597

Na ja, die meisten Historiker beschäftigen sich mit der Politik der Vergangenheit. Da besteht schon ein etwas engerer Zusammenhang mit der Politik der Gegenwart als bei anderen Disziplinen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.02.2016 um 09.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31596

Den Text hatte ich nicht gelesen, einverstanden mit "Feigheit"! Aber warum hat die KAS den Text überhaupt bestellt?

Ich bleibe aber dabei, daß jemand "als Historiker" so viel oder so wenig zur gegenwärtigen Politik beitragen wie ich "als Sprachwissenschaftler" (was viele Kollegen nicht davon abhält, "als Sprachwissenschaftler" politische Meinungen zu verbreiten, z. B. in einer Unwort-Jury).
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.02.2016 um 16.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31595

Friedrich-Naumann-Stiftung: »Für die Freiheit«
Konrad-Adenauer-Stiftung: »Für die Feigheit«
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.02.2016 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31594

Nach Köln ist alles anders.

Offenbar hat das KAS-Blatt den Artikel vor Köln bestellt, aber nach Köln erhalten. Da war der Redaktion das Thema plötzlich zu heikel.

Jedenfalls hat der Chefredakteur die Ablehnung des Texts laut FAZ wie folgt begründet:

Gerade auch unter dem Eindruck der Ereignisse zu Sylvester in Köln ist mir deutlich geworden, dass Ihr sachlicher geschichtswissenschaftlicher Text, den Sie dankenswerterweise für uns vorbereitet haben, von böswilliger Seite im Kontext unserer politischen Zeitschrift missinterpretiert werden könnte. Aus meiner Perspektive besteht die Gefahr, dass isolierte Textstellen missbräuchlich herangezogen werden könnten, um allzu einfache Parallelitäten zur aktuellen Lage zu konstruieren, die wir uns nicht wünschen können.

Was für Parallelen wohl?
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.02.2016 um 15.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31593

1. Wir wissen nicht einmal, ob es je eine „Völkerwanderung“ gegeben hat.
2. Wir wissen aber, daß die Völkerwanderung erst Ende des vierten Jahrhunderts einsetzte.
3. Wir wissen ferner, daß schon Ende des vierten Jahrhunderts das weströmische Reich fest in der Hand fränkischer Heermeister war.

Also hat die „Völkerwanderung“ gar nichts mit dem Ende des römischen Reiches zu tun.
qed

Alles klar, oder?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.02.2016 um 10.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31592

Demandt hat schon vor zwanzig Jahren einen Sammelband mit dem Titel Mit Fremden leben. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart herausgegeben. Ob man aus solchen Zusammenstellungen etwas lernen kann, ist immer fragwürdig, so wie überhaupt jede Form von »Historia magistra vitae«-Vorstellung. Aber aus Sicht der KAS ist es sehr naheliegend, Demandt zu diesem Thema einzuladen, und wenn sie es tut, muß sie seine Ansichten und Schlußfolgerungen dann auch aushalten; alles andere ist ungehörig. Schließlich spricht er ja nicht im Namen der CDU.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2016 um 05.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31588

Ich weiß einfach nichts darüber, und es hat mich auch nicht interessiert.
Versteht es sich von selbst, zu einer gegenwärtigen politischen Frage einfach einen Abschnitt aus einem Geschichtsbuch vorzutragen? Früher hat man bei solchen Gelegenheiten eine Tierfabel erzählt.
Darum habe ich es unter "Rhetorik" eingestellt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.02.2016 um 20.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31586

Als ob es bei der KAS eine Qualitätskontrolle gäbe! Und dann noch bei einem Mann wie Demandt! Das kann man doch nicht im Ernst annehmen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.02.2016 um 18.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31585

Die Hintergründe sind uns ja nicht näher bekannt, aber "Zensur"? Vielleicht war der Auftraggeber mit der Qualität nicht zufrieden, das ist gar nicht so selten. Vielleicht wünschte er Änderungen, die der Verfasser aber nicht akzeptierte? Wir wissen es nicht. Es ist ja auch nicht Hauptpunkt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.02.2016 um 17.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31582

Ohne Kenntnis von den Vorgängen im einzelnen: Es ist doch höchst unüblich, wenn ein bestellter Text von einem namhaften Gelehrten nicht abgedruckt werden soll, weil er politisch nicht genehm ist. Da darf man dann schon mal den Begriff Zensur in den Mund nehmen. Unter Frau Merkel bedeutet der eben etwas anderes als unter Erdogan (vor dem sie sich kürzlich in den Staub warf).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.02.2016 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31580

In bezug auf Demandts Beitrag war sogar von Zensur die Rede, weil die KAS ihn nicht drucken wollte und dann die FAZ so mutig war, ihn – nur zu gern! – abzudrucken. Das Problem ist nicht so sehr die Unterkomplexität (gegenüber Demandts wirklichem Wissen auf seinem Spezialgebiet; danke, Herr Strowitzki!), sondern der treuherzige Augenaufschlag, mit dem manche fragten: Warum soll Prof. Demandt nicht aus seinem reichen Wissen etwas über den Untergang des Römischen Reiches mitteilen? Erst auf Befragen durch Reinhard Müller ist er mit dem herausgerückt, was ohnehin auf der Hand lag, aber eben von ihm listigerweise nicht ausgesprochen worden war:

Herr Professor Demandt, was sagen Sie dazu, dass Ihr bestellter Text zum Ende des alten Roms im Zuge der Völkerwanderung erst bestellt und dann abgelehnt wurde?

Das ist eine kapitale Dummheit.

Was können wir denn aus dem Untergang Roms lernen?

Dass wir eine weitsichtige Politik mit Augenmaß betreiben und auf die langfristigen Folgen von Einwanderung achten müssen. Die Spannung zwischen armen und reichen Völkern ist uralt. Die Angst der Europäer vor den armen Völkern des Südens ist auch alt. Mit dem Ende einer Kultur dauert es allerdings doch etwas – im Fall Roms etwa 500 Jahre.

Was würden Sie der Bundeskanzlerin als Historiker heute raten?

Wir müssen den Zustrom begrenzen. Das weiß im Grunde auch jeder. Dazu muss man Härten in Kauf nehmen. Denn es muss sich erst herumsprechen, dass es sich nicht lohnt, nach Deutschland zu kommen. Wir dürfen unsere Souveränität nicht aufgeben. Frau Merkel darf nicht zum Wohle fremder Regierungen und auf Kosten des deutschen Volkes handeln. Ihr Amtseid sieht das Gegenteil vor. Hier schwingt ein moralisches Überheblichkeitsgefühl mit. Man muss sich für das eigene Volk einsetzen – und nicht davonlaufen.


Das ist ein klarer politischer Standpunkt, den ich kenne und respektiere. Die ausdrücklichen und die unterstellten Vorwürfe wären zu diskutieren. Aber was hat es mit dem Untergang des Römischen Reiches zu tun? Und mit der Autorität Demandts "als Historiker"? Stimmt sein Bild der Tatsachen? Kann man ein einziges Beispiel zu allgemeinen politischen Thesen und konkreten Ratschlägen nutzen? Kann man Hunderttausende von Unterschieden einfach ausklammern?

(Ich will beileibe keine Sachdiskussion über diese Fragen eröffen, nur auf das Schiefe der Ausgangslage hinweisen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.02.2016 um 16.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31579

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31551
Fast täglich eröffnen Politiker irgend etwas, indem sie auf einen Knopf drücken, ein Band durchschneiden usw., manchmal haben sie dabei auch einen frisch polierten Schutzhelm auf dem Kopf – alles sozusagen honoris causa. Man sollte die Kirche im Dorf lassen.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 06.02.2016 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31577

Ich komme erst jetzt dazu, mich zu Demandts FAZ-Artikel auszulassen, aber nach anderthalb Jahrtausenden kommt es auf ein paar Wochen ja nicht an.
Es ist schon bedauerlich, wenn ein so fundierter Kenner der Szene wie Demandt offenbar derart faktenfrei tagespolitische Süppchen kocht. Statt die komplexen Vorgänge im spätrömischen Reiche zu benennen, wärmt er das Klischee von den wilden Barbaren auf (das freilich auch schon etliche Zeitgenossen pflegten).
Zu fragen ist
a) Hat es die "Völkerwanderung" überhaupt gegeben?
b) Wie sehr oder wenig waren die "Barbaren" integriert?
c) War es überhaupt ihre Absicht, das Reich zu zerstören oder ihr Werk?
Das Thema sprengt natürlich hier den Rahmen, ich versuche mich knapp zu fassen.
Zu a): Es gibt zwar wenig verläßliche Zahlen, aber die Anzahl der meist (nicht immer: Alanen, Hunnen, Briten,...) germanischen Kriegerverbände war lächerlich gering, meist nicht mehr als jeweils zehntausend oder zwanzigtausend Kämpfer, und sie waren auch keine geschlossenen, sich immer gleichbleibenden Völker. Die Entvölkerung der ostelbischen Gebiete muß als ein eigener Vorgang betrachtet werden. Bis über die Mitte des 6. Jahrhunderts hinaus (also ans Ende der "Völkerwanderungs"-Periode) sind dort die Reiche der Nordschwaben und der Warnen bezeugt. Eine wandalische Gesandtschaft aus Schlesien war auch einmal zu Besuch in Karthago. Dann dürfen wir nicht die zeitliche Dimension vergessen. Die üblichen Eckpunkte für die "Völkerwanderung" sind die Jahre 375 und 568 (welch letzteres auch nur den Beginn der langobardischen Invasion in Italien bezeichnet, nicht ihren Abschluß). Es geht also um einen Zeitraum von zwei Jahrhunderten. Das ist ebenso lang wie vom Dreißigjährigen Kriege bis zu Napoleon. Man zeichne einmal eine Karte der Völkerbewegungen dieser Zeit, wie sie für die "Völkerwanderung" in keinem Geschichtsatlas fehlen darf! Da wandern Schweden aus Skandinavien – vagina gentium – bis München (berühmt der Tod ihres Königs), Leipzig (Altranstädt), Krakau und in die Ukraine. Seevölker aus Britannien reißen sich diverse Mittelmeerinseln unter den Nagel. Österreichisches Wandervolk sucht, vermutlich von den Schweden vorwärtsgetrieben, immer wieder die Balkanländer heim. Mit ihnen ziehen Schwaben, die im Gebiete des Reiches von Konstantinopel eine neue Heimat suchen ("Donauschwaben"). Französisches Wandervolk zieht durch ganz Europa und bis Tunis, Ägypten und Palästina, sogar bis Moskau. Dabei reißen sie andere Wandervölker mit sich, so etwa Bayern, Preußen, Sachsen und Westphalen. (Wobei die Sachsen schon früher ihre alten Wohnsitze verlassen haben und elbaufwärts gewandert sind). Das alles mit dicken Pfeilen kreuz und quer über die Landkarte! Nicht zu vergessen: ein großpolnisches Reich, das von der Ostsee bis fast zum Schwarzen Meer reichte (ähnlich Ermanrichs Gotenreich), und in dem Schweden und Sachsen die Macht an sich zu reißen suchten, ging in den Wirren dieser Völkerwanderung unter.
zu b)und c): Schon Ende des 4. Jahrhunderts (als die "Völkerwanderung" noch gar nicht richtig begonnen hatte) war das weströmische Reich fest in der Hand fränkischer Heermeister, mit dem Gipfelpunkt Arbogast, der nahezu unumschränkt herrschte.
Sein Nachfolger Stilicho, ein Wandale, wird vom Hofdichter Claudius Cladianus in immer neuen Preisgedichten als Schützer und Mehrer des Reiches gefeiert: Hic est felix bellator ubique / defensor Libyae, Rheni pacator et Histri (De consulatu Stilichonis 3,12f).
Ricimer, der von 456 bis 472 herrschte, konnte nach der Plünderung Roms durch Wandalen und Alanen diesen in zwei kleineren Gefechten eine Schlappe beibringen. Sidonius Apollinaris preist ihn überschwenglich dafür. "Der Enkel Wallias" (des Gotenkönigs), vor dem "die Wandalen feige den Rücken kehrten", war der Held des Tages. Militärisch waren diese Erfolge zwar von eher geringer Bedeutung, aber Balsam für die geschundene römische Seele. Ricimers Machtposition, sowohl als Kaisermacher wie auch in der Schwierigkeit, durch Ostrom anerkannt zu werden, unterscheidet sich kaum von der Arbogasts ein Menschenalter zuvor.
Der gleiche Sidonius schreibt in den 470er Jahren einen Brief an einen sonst wenig bekannten Arbogast in Trier, offenbar ein Franke, möglicherweise ein Nachkomme des gleichnamigen Heermeisters, mit einer nicht genau definierten, aber einflußreichen Position an der Mosel. Sidonius schreibt ihm:
... potor Mosellae Tiberim ructas, sic barbarorum familiaris, quod tamen nescius barbarismorum... quocirca sermonis pompa Romani ... in te resedit... (epistolae 4,17,1-2)
Der Angeschriebene ist also in der römisch-lateinischen Redekunst mindestens so bewandert wie der Absender, wird als Leuchtturm in einer immer barbarischer werdenden Umwelt bezeichnet.
Auch der vielgeschmähte Odoaker verstand sich als römischer Heermeister in der Nachfolge Arbogasts und Ricimers. Nichts lag ihm ferner, als das Römische Reich zu zerstören.
Die große Ausnahme ist Geiserich, der als fast einziger konsequent antirömisch handelte. Aber auch hier zeigt sich der Kulturmensch: er spielte die karthagische Karte. Sein Reich war das nach einem halben Jahrtausend wiedererstandene Karthago, das Rom die Stirn bietet. Programmatisch dafür sind etwa die Münzen, die er prägen ließ und die das punische Pferd zeigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.02.2016 um 07.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31573

Zur Zeit wird so getan, als habe Merkel ein unerhörtes Paradoxon ausgesprochen: Einerseits sollen die Zuwanderer integriert werden, andererseits nach Beseitigung der Fluchtursachen auch wieder zurückgehen. Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß das nichts Neues ist. Schon bei den Gastarbeitern war nicht viel auf ihre eigenen Absichtsäußerungen zu geben, da sie oft selbst nicht wußten, was sie dann wirklich tun würden. Die Fluktuation war immer sehr viel größer als in der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Bei dieser Gelegenheit weise ich auch auf den wenig beachteten Migrationsbericht des BAMF hin; der letzte betrifft naturgemäß das Jahr 2014, dürfte aber manchen Leser überraschen. Jedenfalls ist es nicht so, daß die gezählten Zuwanderer einfach zur Bevölkerung hinzugezählt werden könnten. Bisher betrug der Zuwanderungssaldo ein Drittel bis ein Viertel; das wird sich natürlich angesichts der gegenwärtigen Notlage etwas verschieben. (Dabei fallen einige tausend Iraker nicht ins Gewicht, die sich, wie berichtet wird, hier nicht wohlfühlen und in ihr besseres Leben in der Heimat zurückkehren wollen.)
Deutschunterricht mit Schülern, deren Aufenthaltsstatus ungewiß ist, war schon immer schwierig.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.02.2016 um 13.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31556

Leser 1 hat recht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.02.2016 um 12.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31551

Nur mal nebenbei: Zu welchen Geistesblitzen eine humorige Unterüberschrift die Leser der WELT inspiriert, sieht man an den ersten drei Zuschriften:

1. Leser: "Die Energiequelle der Himmelskörper soll in Zukunft auch der Menschheit
dienen. Nun wurde das erste Wasserstoff-Plasma erzeugt – mit Hilfe der
Bundeskanzlerin"
Kann sie auch über Wasser gehen?
Peinlich!

2. Leser: Sie kann über Wasser gehen, aber nur weil sie nicht schwimmen kann. Eigentlich schwimmt Fett ja oben. Aber der Betonkopf drückt nach unten.

3. Leser: Nun wurde das erste Wasserstoff-Plasma erzeugt – mit Hilfe der Bundeskanzlerin! Ja, die Hilfe war die Bedienung des Einschaltknopfes! Mehr nicht! Das hat sie gerade noch hinbekommen! Welch eine Leistung, das muss tatsächlich lobend erwähnt werden!
(4.2.16)

Und so was will Ausländern Umgangsformen beibringen!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.02.2016 um 21.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31538

Integrieren ist deshalb so schwierig, weil es erst in der gymnasialen Oberstufe gelehrt wird und weil viele Menschen stolz darauf sind, nichts von Mathematik zu verstehen. :-)
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 03.02.2016 um 19.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31536

Das Ausmaß der Integration. Die Vorstellung, daß eine eindringende starke und absehbar von einer Mehrheit gepflegte Kultur sich in eine nur noch rudimentär vorhandene einheimische Kultur hineinintegriert, wirkt ein wenig befremdlich. Zumal es der eindringenden Kultur ja kaum entgehen kann, daß wir uns von unserer Kultur abgewandt haben. (Hierzu eine nette Geschichte, die sich vor ungefähr 10 Jahren im Berliner Bezirk Neukölln abgespielt hat: Eine Schulklasse aus der Partnerstadt Los Angeles besuchte eine Schulklasse in Neukölln. Als Gastdarbietung für den Festakt hatte man sich Ännchen von Tharau ausgesucht und, sicherlich eifrig eingeübt, im Chor vorgetragen. Die amerikanischen Schüler waren erstaunt, als sie bemerkten, daß ihre Gastgeber das Lied gar nicht kannten.)

Der amerikanische Rapper Paris erzählt in seinem Lied "Sleeping with the enemy" von einer Begegnung mit einem Journalisten. Dabei führt er das Wort "intergrate" ein: "He understood when I said it was death to intergrate, cause intergrate means assimilate." Die Übersetzung "intergrieren" geht im Deutschen nicht so locker über die Zunge, ist aber eine deutlich bessere Bezeichnung des gegenwärtigen Geschehens als das der prämodernen Idee der Leitkultur verhaftete "integrieren".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.02.2016 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31514

Von Ausländern dominierte Viertel oder Straßenzüge fallen natürlich sofort auf, erzeugen aber ein einseitiges Bild. Zahlenmaterial etwa hier: https://www.bamf.de/.../wp21-wohnen-innerstaedtische-segregation.pdf?

Das wirkliche Ausmaß der Integration erkennt man, wenn man z. B. die Namen auf den Klingelschildchen eines größeren Wohnblocks studiert, auch schon die Namensschildchen in der Garderobe eines Kindergartens.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 02.02.2016 um 18.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31509

Einfach mal hinfahren. S-Bahnhof Bornholmer Straße (gute Architektur!). Stadtauswärts in Fahrtrichtung rechts - keine Türken. In Fahrtrichtung links - viele Türken.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.02.2016 um 23.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31503

Was ist jetzt absürder, Frage oder Antwort?
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 01.02.2016 um 20.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31502

Wo sind die Türken geblieben?

Hier:

http://www.wyndham.com/hotels/germany/berlin/wyndham-garden-berlin-mitte/hotel-overview?WID=LC:WY:20150901:Rio:Local
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.02.2016 um 16.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31500

„Die Argumentation folgte einem bekannten Muster: man habe die Afrikaner aus ihrem Wohnheim in einem Pariser Vorort vertreiben müssen, um Schlimmeres zu verhüten, nämlich das Anwachsen rassistischer Emotionen in der Bevölkerung. Was man in Frankreich 'politique du pire' nennt, findet jetzt auch in der Bundesrepublik Fürsprecher. Man würde nur den Rechtsradikalen in die Hände arbeiten, heißt es, wenn die Immigration von Ausländern nicht gebremst, ihre Einbürgerung nicht verhindert werde. Bei vier Millionen Ausländern sei die Grenze des Zumutbaren erreicht. Es muß etwas getan werden, bevor die Rechtsradikalen zuschlagen; die logische Folgerung kann nur heißen, daß der Staat selber zuschlagen soll.“

Ein aktueller Kommentar? Wie die Rechtschreibung verrät, schon etwas älter: Lothar Baier 1981. Damals ging es gegen die Türken (wo sind die eigentlich alle geblieben?). Baier zitiert auch den damals aktuellen „Kampf der Wiegen“, den Eibl-Eibesfeldt an die Wand malte. (Dazu http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7852002.html; abseits der Öffentlichkeit hat sich Eibl-Eibesfeldt noch deutlicher geäußert.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.01.2016 um 05.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31482

Man könnte auch mal das römische Reich (ohne "Heilig") heranziehen, das Perserreich, das chinesische Kaiserreich... Natürlich hatte alle ihre Schwierigkeiten, aber das ist ja bei so langer Dauer nicht anders zu erwarten. Nationalstaaten waren sie nicht, und ich meine auch, daß dieser Begriff nirgendwo angemessen ist, wo die Betroffenen ihn nicht selbst konstruieren und auf sich anwenden. (Ich habe in der Schule gelernt, daß erst mit der Aufhebung des Feudalismus die Nation als politische Einheit hervortrat. Aber ich verstehe davon nicht viel. Zur Zeit sehe ich nur, daß viele Deutsche sich ganz furchtbar freuen, weil eine von ihnen ein lukratives Tennisspiel gewonnen hat.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 30.01.2016 um 19.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31480

Worin besteht denn das "essentialistische Mißverständnis"?

Im "Heiligen Römischen Reich" gab es zeitweise drei Königreiche: Deutschland, Italien und Burgund/Arelat.

In Frankreich gab es bis zur Revolution immer nur ein Königreich Frankreich, jetzt nur eine "République française".
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.01.2016 um 17.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31478

So wie »Frankreich« nur ein Teil der »République Française« ist? Das mag feinsinnig aussehen und ist doch nur ein essentialistisches Mißverständnis.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 30.01.2016 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31477

Daß "Deutschland" nur ein Teil des "Heiligen Römischen Reichs" war.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.01.2016 um 13.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31476

Das stimmt natürlich nicht ganz (Ainu, Koreaner).
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.01.2016 um 13.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31475

Nur die Japaner auf ihren isolierten Inseln brauchen nicht zwischen Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit unterscheiden, weil es dort keine Minderheiten gibt. Die Qualität eines Staates richtet sich nach dem Umgang mit seinen Minderheiten.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.01.2016 um 12.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31474

Die Welt ist groß und die Geschichte lang. Zu jedem Beispiel finden sich Gegenbeispiele: Belgien ist kein Nationalstaat und funktioniert nicht; Griechenland ist ein Nationalstaat und funktioniert auch nicht. Was lehrt uns das?

Und noch ein Rätsel: Was will uns Joachim Whaley damit sagen, daß er sein zweibändiges Werk Germany and [!] the Holy Roman Empire betitelt hat?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.01.2016 um 10.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31473

Thomas Schmid wärmt in der "Welt" die alte Geschichte auf, zu der ich mich schon mal geäußert habe (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1115#16902): Deutschland benehme sich jetzt endlich als das Einwanderungsland, das es schon immer gewesen sei usw. Ich sage also noch einmal, daß die Rückkehroption (Rotation) seinerzeit weder den Deutschen noch den Gastarbeitern selbst so absurd vorkam, wie es heute dargestellt wird. Es ist auch falsch, die deutschen Flüchtlinge aus dem Osten in eine Reihe mit den italienischen, spanischen und griechischen Bergleuten und Industriearbeitern zu stellen. Das sieht nur im Rückblick aus einiger Entfernung so ähnlich aus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.01.2016 um 10.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31472

Zugegeben (obwohl ich nicht weiß, wie der Inselstaat sich selbst definierte) – aber verbreitert es die Erfahrungsgrundlage wesentlich? Schließlich ist es Sloterdijk, der eine sehr starke allgemeine These aufstellt, für die man gute Argumente braucht.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.01.2016 um 09.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31471

Kommt darauf an, was man als »verhältnismäßig jung« ansieht. Der japanische Nationalstaat z. B. ist etwa 1300 Jahre alt. Oder soll man nach jedem Bürgerkrieg wieder neu zu zählen anfangen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.01.2016 um 07.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31469

In einem sicher sehr geistreichen Artikel (FAZ 30.1.16) sucht sich Christian Geyer vieles zusammen, was seine bekannte Ansicht zum Flüchtlingsproblem stützt. Darunter Sloterdijk (den auch Pegida gern zitiert):
„Dem Nationalstaat darf man ein langes Leben prohezeien, weil er das einzige politische Großgebilde ist, das bis zur Stunde halbwegs funktioniert.“
Ich bin kein Historiker, aber ist der Nationalstaat nicht verhältnismäßig jung? Gab es nicht langlebige und auch halbwegs funktionierende Großgebilde, die man beim besten Willen nicht als Nationalstaaten definieren kann? Und was ist mit den Nationalstaaten, die nicht einmal halbwegs funktionieren? Kurz: Wie breit ist die Erfahrungsgrundlage für die These, die man ja nicht selten zu hören bekommt?
Wahr ist allerdings, daß in kritischen Zeiten viele auf das Nationale und den Patriotismus zurückkommen, als letzte Ressource gewissermaßen. (Wenn nur die Wirtschaft nicht wäre!)
Geyer fertigt Einwände vorsorglich als "Reflexe" ab, was ich nicht fair finde.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.01.2016 um 15.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31429

Ich habe mir die Leserkommentare zu dem WELT-Artikel angeschaut. Ich habe nichts gefunden, was ich als "Haß" bezeichnen würde.

Es stimmte natürlich, daß sich manche Menschen Urteile über Dinge erlauben, von denen sie nichts verstehen. Aber "das kommt in den besten Familien vor".

Insgesamt kam mir die Diskussion erstaunlich zivilisiert vor. Ich habe schon schlimmeres erlebt. Vermutlich hat die Zeitungsredaktion etwaige Entgleisungen gelöscht. Erstaunlich, daß sie sich solche Mühe macht. Die FAZ scheint Leserkommentare bei Flüchtlingsthemen grundsätzlich nicht mehr zuzulassen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.01.2016 um 17.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31403

Ja, etwas Schlechtes zu hassen, ist natürlich nicht verwerflich. Trotzdem beißt sich etwas in Herrn Wrases Beitrag. Man sollte eine Menschenmenge, der man so viele gute Eigenschaften zuschreibt, nicht Mob nennen. Man muß differenzieren zwischen dem wirklichen Mob, den Ausländerhassern einerseits und denen, denen Frau Merkels Politik und die politische "Korrektheit" der Presse auf ganz demokratischem Wege einfach reichen. Genau dieser Mangel an Unterscheidung macht die Lügenpresse aus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.01.2016 um 17.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31402

Alexander Demandt veröffentlicht in der FAZ vom 21.1.16 einen Aufsatz zum Untergang des römischen Reiches unter dem Ansturm der Germanen. Er erwähnt die gegenwärtige Flüchtlingskrise nicht, aber die Formulierungen sollen die Parallele nahelegen; zu diesem Zweck hatte die Adenauer-Stiftung den Beitrag anscheinend auch bestellt, dann aber abgelehnt. Es gibt ja keinen objektiven Grund, ausgerechnet jetzt im politischen Teil der FAZ den Untergang des römischen Reichs nachzuerzählen.
„Die Wirtschaft blühte auf, erregte aber nun auch die Begehrlichkeit der Barbaren jenseits der Grenzen, zumal der Germanen. Sie waren arm, kinderreich, kriegerisch und wanderfreudig (...) Überschaubare Zahlen von Zuwanderern ließen sich integrieren. Sobald diese eine kritische Menge überschritten, verschob sich das Machtgefüge, die alte Ordnung löste sich auf“ usw. Es gibt noch viele weitere Formulierungen dieser Art: „Das Bildungswesen blieb ihnen als Fremden fremd.“ Natürlich hat Demandt, desses Haltung ja anderweitig bekannt ist, Satz für Satz an die Gegenwart gedacht (tua res agitur). Er hätte es sagen sollen, dann würde der Text ehrlicher wirken. Auch erwähnt er vieles Bedenkenswerte aus früheren Arbeiten diesmal nicht, z. B. die Rolle des Christentums (daher sonst die Empfehlung der Säkularisierung). Das römische Reich war „fremdenfreundlich“ (Demandt), aber was zuviel ist, ist zuviel, das ist die Moral aus der Geschichte. Stimmt ja vielleicht auch, aber ob solche Lehren aus der Geschichte gezogen werden können?

(Der Untergang des römischen Reiches mußte schon so oft für alle möglichen Untergangsprophezeiungen herhalten, daß man sich eines müden Lächelns nicht erwehren kann.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 21.01.2016 um 12.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31401

Zu Recht verhaßt ist eben auch die schönfärberische Berichterstattung, die noch dazu in diesem Fall (wie so oft) unkritisch aus einem amerikanischen Blatt abgeschrieben ist.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.01.2016 um 10.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31400

Warum jemand flüchtet, warum er Frau und Kind lieber nicht genommen hat, sondern nachholen will – das interessiert gar nicht. Man haßt eben, und man drückt diesen Haß in den verschiedensten Formen aus, saugt auch alles auf, was ihn stützt.

Man haßt eben? Das ist zu einfach. Wen haßt der Mob? Warum? Ich glaube nicht, daß der Mob den Mann haßt, der etwas Gutes getan hat. Der Mob haßt in erster Linie Politiker, die Unmengen von Flüchtlingen ins Land lassen mit so komischen Kommentaren wie "Da kann man sowieso nichts dagegen tun, wenn Flüchtlinge kommen wollen, dann kommen sie". Diese Leute hassen Politiker, die größere Teile der eigenen Bevölkerung herablassend, belehrend und geradezu mit Verachtung behandeln und sie als primitiv abstempeln. Sie hassen die Feigheit der politisch korrekten Verlautbarungen. Solche Motive sind es in erster Linie. Die Hasser hassen die Flüchtlinge/Migranten allenfalls wegen ihrer großen Masse, sie hassen nicht den einzelnen unter ihnen. Der verhöhnte Flüchtling ist nur ein Ersatzobjekt, wie mir scheint.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2016 um 14.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31395

Zum Tod das "Spitzen-Spitzels" (Berliner Zeitung) Wolfgang Schnur finden die Zeitungen sehr verschiedene Worte, beinahe zärtliche das Neue Deutschland über die "tragische Figur" (http://www.neues-deutschland.de/artikel/998738.wolfgang-schnur-ist-tot.html) - sehr aufschlußreich. „In einem bemerkenswerten Dokumentarfilm von Thomas Grimm aus dem Jahr 2005 entschuldigte sich Schnur bei denen, die sich von ihm politisch verraten fühlen mussten.“ Also hat er sie vielleicht in Wirklichkeit gar nicht verraten? Gab es nur „Korruptionsvorwürfe“, aber nicht die Korruption selbst? Hat er als Anwalt seine Mandanten nicht an die Stasi verraten? Nach der Wende machten andere Karriere, er wurde krank und hatte „juristische Probleme“. Mit keinem Wort wird irgendeine Schuld erwähnt.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.01.2016 um 13.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31393

Wachttürme an den Grenzen brauchen wir natürlich auch, um Schleichwege zu überwachen. Noch eine Wirtschaftsförderung. Außerdem muß der Grenzschutz wiederbelebt werden. Richtige Nostalgie ist das.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.01.2016 um 22.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31387

Das viele Gerede von Haß in der Presse und von Politikern ist vor allem Haß auf denjenigen Teil der eigenen Kundschaft, der sich abwendet. Die B.Z. machte heute mit der Schlagzeile auf, warum viele Leute »Putins Fernsehen« (RT) mehr Glauben schenkten als der Berliner Polizei. Daraus spricht Verzweiflung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.01.2016 um 22.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31386

"Warum jemand flüchtet, warum er Frau und Kind lieber nicht genommen hat, sondern nachholen will – das interessiert gar nicht. Man haßt eben, und man drückt diesen Haß in den verschiedensten Formen aus, saugt auch alles auf, was ihn stützt."

Ich bezweifle nicht, daß es Leute gibt, die Ausländer wirklich hassen. Aber selbst unter denen, die so reden (Warum schützen die Flüchtlinge nicht ihre eigene Familie?), sind es meiner Meinung nach sehr wenige, die die Flüchtlinge deswegen hassen. Die meisten davon sind einfach dumm, sie suchen nur nach Argumenten und greifen einfach auf, was ihnen unter die Finger kommt. In Wirklichkeit ist Haß ihnen fremd. Was hätte ein normaler Mensch wohl für einen Grund, z. B. einen Syrer zu hassen? Keinen. Alles, was die, die so reden, wollen, ist, daß nicht Einwanderer massenhaft ihre gewohnte Kultur verändern.

Nicht einmal ein eingefleischter Rassist, der behauptet, Ausländer seien minderwertiger, muß zwangsläufig ein Ausländerhasser sein. Wieso sollte er?

Das viele Gerede von Haß in der Presse und von Politikern ist auch nur ein rhetorischer Trick. Jemand, der ohne ersichtlichen Grund, einfach aus Prinzip, einen anderen haßt, den kann man nicht ernstnehmen, der disqualifiziert sich selbst. Deshalb nennt man den politischen Gegner einen Hasser und braucht damit keine weiteren Argumente. Jemand, der haßt, ist eben böse, das versteht auch der dümmste.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2016 um 16.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31383

Zugleich zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1505#22625 Schweinereste im Schokopudding usw., es ist furchtbar. Man braucht aber nicht zu befürchten, daß einem aus dem Pudding ein Ohr oder Rüssel entgegenstarrt. Es geht bloß um Gelatine, und wer koscher essen will, dürfte längst Bescheid wissen. (Eine aufgesprungene Lippe ist eine Kopfverletzung, denn die Lippe sitzt am Kopf, letzten Endes. Sehr dramatisch!) Auch ein paar Nematoden im Fisch sind harmlos und kommen in den besten Kreisen vor. Teile von Aldi werden abgewertet, weil sie keinen Betriebsrat haben; dafür zahlen sie besser als alle anderen. Wenn ich Fernsehen hätte, müßte ich mich ständig aufregen, denn so ist es beabsichtigt.

(Die Nematoden sollen der Grund gewesen sein, warum "Nordsee" frische Makrelen nur noch ausgenommen verkauft. Die geräucherten aber nicht, und in einer solchen fand ich mal ein so großes Nest von toten Würmern, daß es sogar mir zuviel wurde. Obwohl - Fleisch ist es ja auch. Irgendwann werde ich mich überwinden und Heuschrecken knuspern. Alles nur Psychologie.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2016 um 06.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31375

Ein syrischer Flüchtling hat zusammen mit anderen in Köln eine amerikanische Studentin vor dem Mob in Sicherheit gebracht. Der Mann (Name und Foto sind abgedruckt) war Lehrer und hat in Syrien Frau und Kinder. So weit, so gut. Auf diesen Bericht stürzt sich ein anderer Mob und fragt immer wieder höhnisch, warum er Frau und Kinder im Krieg zurückließ, um dann hier eine Amerikanerin zu beschützen usw. (http://www.welt.de/politik/deutschland/article151121952/Syrer-retten-Amerikanerin-vor-Mob-in-Koeln.html) - Diese Leute in ihren bequemen Sesseln wissen nichts über die wirklichen Umstände. Warum jemand flüchtet, warum er Frau und Kind lieber nicht genommen hat, sondern nachholen will – das interessiert gar nicht. Man haßt eben, und man drückt diesen Haß in den verschiedensten Formen aus, saugt auch alles auf, was ihn stützt. Es scheint gut zu tun.
Wenn jemand noch Illusionen über seine Mitmenschen hat, braucht er bloß diese anonymen Mails zu lesen. (Was sagen eigentlich unsere Erforscher der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit dazu? Seit nicht mehr der Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft das Thema ist, sind sie ganz still geworden. Dabei sprudeln nun die Quellen überreichlich.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2016 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31368

Gabriel setzt Merkel unter Druck - Stoiber auch (Tagesspiegel)

Sie auch? Ich auch. Jeder jeden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.01.2016 um 18.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31362

Es kommt mir neuartig vor, daß nicht nur Mitglieder der Regierungsparteien, sondern sogar Mitglieder der Bundesregierung einander öffentlich Ultimaten stellen. Wie kann Gabriel "Druck" auf die Flüchtlingspolitik einer Regierung ausüben, deren Vizekanzler er ist? Wäre nicht der Kabinettstisch das eigentlich vorgesehene Forum? Auf der anderen Seite hat Patrick Bahners plausibel dargelegt, daß Seehofer ja wohl, bevor er die Bundesregierung verklagt, erst einmal seine Minister aus dieser Regierung abziehen, also die Regierungsbeteiligung seiner Partei beenden müßte.
Kurzum: Alle reden zum Fenster hinaus, zu uns. Um so weniger erfahren wir, was wirklich läuft.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.01.2016 um 18.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31351

Ich habe den Artikel inzwischen online gelesen. Frau Maron schreibt sinngemäß, sie möchte sich nicht gern mit Suppe bekleckern, aber andererseits zum Essen auch keinen Löffel gebrauchen. Was hat sie denn gegen die einzige Partei, die ihre Probleme zu lösen verspricht? Vielleicht sollte sie doch selbst das Programm der AfD lesen, statt den auf reiner Existenzangst beruhenden Beschimpfungen der anderen Parteien zu glauben. (Die führen dann zum "Beweis" immer den Demagogen Höcke an, aber Höcke ist nicht die AfD, im Gegenteil, er bewegt sich nah am Rande des Rauswurfs.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 16.01.2016 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31347

"eine solche ..." ist doch gerade der Vergleich.

Frau Maron beginnt mit ihrem Freund, um zu zeigen, daß auch ein bestens integrierter Ausländer unter dem u.a. durch die Ereignisse von Köln hervorgerufene Mißtrauen gegen dessen Landsleute leidet. Sie leitet dann über zu dem gewachsenen Mißtrauen gegenüber der Presse, den Politikern usw. Was ist daran auszusetzen?

Das Selbstverständliche auszusprechen ist doch auch ein Mittel der Rhetorik. In diesem Fall auch kein unpassendes Mittel, wo doch viele zu erwarten scheinen, daß unsere EU-Partner und Erdogan unsere Probleme für uns lösen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.01.2016 um 13.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31345

Wegen der Flüchtlinge brauchen wir ganz dringend ein gesellschaftsfähiges, d.h. verharmlosendes Wort für Konzentrationslager. Das ürsprüngliche südafrikanische Wort aus den Burenkriegen concentration camp ist unbrauchbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2016 um 06.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31340

Lieber Herr Riemer, "Masseneinwanderung" war ein Zitat, daher die Anführungszeichen. Ja, wir haben eine Masseneinwanderung.
Das Rotwerden bezog sich nicht auf das Reden von einer Masseneinwanderung, sondern auf die platte Phrase am Schluß (und im Titel), das habe ich auch klar gesagt. Politiker reden so, Schriftsteller sollten mit der Sprache etwas bedachtsamer umgehen. Aber das ist Geschmackssache, und man braucht es ja nicht zu lesen, wie auch Herr Achenbach mit Recht sagt.

(Übrigens: Stimmt es eigentlich, daß wir für unser Land selbst verantwortlich sind? Sollte es nicht heißen: Auch wir sind auch für unser Land verantwortlich?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2016 um 06.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31339

Was habe ich denn verglichen? Ich habe nur darauf hingewiesen, daß eine solche Einleitung geradezu schematisch üblich ist. Von einer namhaften Schriftstellerin erwarte ich ein bißchen mehr als Klischees. Daß wir für unser Land verantwortlich sind, ist ein solch nichtssagender Gemeinplatz, daß ich ihn mir verkniffen hätte. Zu den ehemaligen Verfassungsrichtern gab es gestern einen ganz guten Artikel von Patrick Bahners in der FAZ. Frau Maron schreibt mit Leidenschaft, ja, das hat sie auch in früheren Beiträgen ähnlichen Inhalts schon getan. Ich würde ihre Worte nicht auf die Goldwaage legen, es ist eben eine Meinung wie alle anderen, und keine besonders originelle, auch nicht besonders gedankenreich. Aber sie wird eben gedruckt, wegen ihres großen Namens. Natürlich braucht man es nicht zu lesen. Damit kann man jede Kritik erledigen.

Heute fällt mir besonders stark die Uniformierung des politischen Teils der FAZ und aller Leserbriefe auf. Gestern bezeichnete ein Leser einen Bericht über gelungene Integration ironisch als gelungene Satire. Gelingen darf es hier nicht geben, das steht fest.

Nun, bald wird ja alles gut (wenn Merkel "weg" ist).

Wie ohnmächtig Argumente sind! Jeder hat seine Meinung und ist durch Worte niemals davon abzubringen: zum Impfen, zum Tierschutz, zum Klima, zu Flüchtlingen... Bekehrungserlebnisse sind sehr selten, meistens ändern sich Meinungen, wenn überhaupt, durch allmähliches Herauswachsen.

Ich kann mich nicht erinnern, je so ein vergiftetes Diskussionsklima erlebt zu haben. Man tut gut daran, das Thema Flüchtlinge zu meiden, denn man kann kaum im voraus wissen, wie die lieben Verwandten und Bekannten sich festgelegt haben, oft in ziemlich unerwarteter Weise.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.01.2016 um 00.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31338

Ja, etwas, das ich gehaßt habe, gibt es doch, Germanist erinnert mich an dieses Regime, es ist schon so lange her, fast meine ganze damalige Lebenszeit noch einmal. Nicht, daß ich es vergessen hätte, aber Schlimmes blendet das Gedächtnis wohl eher aus.

Und gleichzeitig liefert Germanist ein Beispiel für die Art Übertreibungen, die Herr Metz wohl nicht meint, die aber auch zur gängigen Rhetorik gehören.
Auch wer welche Gesetze ernstnimmt und welche übertritt, hört sich immer unterschiedlich an.

Ich habe nicht gelesen, was Frau Maron geschrieben hat, habe mich nur auf die hier in Anführungszeichen gesetzte "Masseneinwanderung" bezogen und wollte fragen, ob sich jemand schämen muß, der ein gutes Verhältnis zu Ausländern hat und pflegt, aber dennoch den ehrbaren Standpunkt (danke, Herr Metz) vertritt, die Masseneinwanderung muß gestoppt werden.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 16.01.2016 um 00.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31337

Ein paar Bemerkungen zum Artikel von Frau Maron:

Ihr Freund ist Aramäer, also Christ, und somit nicht typisch für die Mehrzahl der Zuwanderer aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Insofern hinkt der Vergleich von Prof. Ickler.

Wenn alle EU-Mitgliedstaaten die Dublin-Vereinbarungen einhielten, hätten wir fast gar keine „Flüchtlinge“ an unseren Grenzen. Wir honorieren diesen Vertragsbruch sogar, indem wir alle unbesehen bei uns aufnehmen. Es ist doch so bequem, die Flüchtlinge loszuwerden, indem man sie mit Bussen an die deutsche Grenze befördert.

Die Flüchtlinge in der Region festzuhalten, ist doch gerade das Ziel von Frau Merkel mit ihrem Drei-Milliarden-Handel mit Erdogan.

Natürlich sind wir selbst für unser Land verantwortlich. Rechtlich verpflichtet uns nichts, die Flüchtlinge, die über Österreich in unser Land strömen, aufzunehmen. Wenn wir es doch tun, sind wir selbst in Gestalt unserer Regierung schuld. Das läßt doch gleich mehrere gestandene Verfassungsrichter an der Verfassungsmäßigkeit dieses Handelns zweifeln.

Der Gastbeitrag von Frau Maron ist doch erkennbar mit Leidenschaft geschrieben. Deshalb ist es billig, daran herumzukritteln. Wer stringente rechtliche Argumente sucht, braucht den Artikel nicht zu lesen, sondern sollte sich an Staatsrechtler und erfahrene Verfassungsrichter halten. Inzwischen äußern sich diese ja klar genug.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 15.01.2016 um 23.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31335

Ich habe den Artikel von Frau Maron nur deshalb ganz gelesen, weil ich neugierig war, ob die Beispiele von Herrn Ickler repräsentativ sind. Sonst hätte ich die Lektüre wahrscheinlich schon nach dem ersten Satz abgebrochen. Der Text liest sich streckenweise wie eine brave Schülerarbeit, in der fleißig alle Argumente zusammengetragen worden sind, die man in den letzten Monaten gegen die Politik der Kanzlerin gehört und gelesen hat. Dort, wo sie versucht zu polemisieren, sind ihre Formulierungen derart übertrieben, daß man ebenfalls keinen Gewinn von der Lektüre hat (»kollektiver Selbstmord«, »Terror«, »wir beginnen […] einander zu hassen« usw.).

Hinzu kommen die vielen offensichtlichen Widersprüche und Ungereimtheiten. »Wir müssen denen, die wirklich vor Tod und Verderben flüchten, da helfen, wo sie sich nach eigenen Regeln eine sichere Existenz aufbauen können, in den angrenzenden Regionen ihrer Heimatländer.« Sprich: Im kleinen Jordanien dürfen syrische Flüchtlinge (natürlich nur die »echten«, die den Kriterien der Frau Maron genügen) gern zuhauf nach ihren eigenen Vorstellungen leben, denn dort herrschen vermutlich sowieso die gleichen Regeln wie in Syrien (ist ja eh alles eine Wichse da unten), nur uns sollen sie gefälligst nicht behelligen. Auf der einen Seite beklagt sie die »Verachtung von Recht und Gesetz« in der Silvesternacht in Köln und lobt die Polen dafür, daß sie auf die Straße gehen, »um von der Regierung zu fordern, dass sie das Gesetz nicht bricht«. Auf der anderen Seite macht sie sich darüber lustig, daß Deutschland als einziges Land weit und breit so doof ist, Gesetze ernstzunehmen, »an die sich außer Deutschland niemand hält« (ihre angehängte Rechtfertigung für diesen ihr genehmen Rechtsbruch »weil keines der Gesetze, auf die sie [die Regierenden in Deutschland] sich berufen, ein Volk zum kollektiven Selbstmord verpflichtet« entstammt der Notwehrrhetorik und ist so absurd und niveaulos, daß sie als Argument gegen den hier aufgezeigten Widerspruch nicht taugt).

Alles in allem werden auch Zeitgenossen, die Frau Maron in der Tendenz zustimmen, über ihren Beitrag nicht wirklich glücklich sein können. Daß sie das Recht zu einer solchen kritischen Wortmeldung hat und daß es ein »ehrbarer Standpunkt« ist, »gegen die aktuelle Politik der Kanzlerin zu sein«, ist wohl eine Selbstverständlichkeit.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.01.2016 um 22.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31334

Ist das nicht schon wieder ein Wirtschaftsförderungsprogramm, diesmal für Stacheldrahtzaun- und Betonmauernhersteller? Ganz Deutschland einzuzäunen und einzumauern wäre ein Riesengeschäft. Ganz ohne Schießbefehl ginge es wohl auch nicht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.01.2016 um 22.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31333

Lieber Prof. Ickler,
Sie schreiben "Masseneinwanderung" in Anführungszeichen. Glauben Sie denn tatsächlich nicht, daß es sich gegenwärtig um eine Masseneinwanderung handelt?

Ich wollte schon einmal ähnliches schreiben, über meine Erlebnisse im Ausland und mit Ausländern, ich fühle mich nämlich überhaupt nicht als Hasser von irgendetwas, weder von Ausländern noch irgendeiner Religion oder anderem, ich glaube, ich "hasse" überhaupt nichts, vielleicht muß ich mich glücklich schätzen, richtigen Haß nie gelernt zu haben. Ich dachte, wegen bestimmter aktueller Meinungen wäre es vielleicht besser, mein Verhältnis zu Ausländern an einem oder zwei Beispielen zu veranschaulichen, aber nun bin ich froh, daß ich das nicht geschrieben habe. Denn da lese ich bei Ihnen, wenn ich gleichzeitig gegen eine "Masseneinwanderung" bin, dann sollte ich eigentlich vor Scham rot werden?

Ist es denn Ihrer Meinung nach kein legitimer Standpunkt, oder wenn schon legitim, dann zumindest kein ehrbarer Standpunkt, gegen die aktuelle Politik der Kanzlerin zu sein? Ist es irgendwie verwerflich, gegen eine unbegrenzte, unkontrollierte Einwanderung von Menschen fremder Kulturen zu sein, die eigene Kultur zu schätzen und bewahren zu wollen?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 15.01.2016 um 19.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31332

"Ich habe nichts gegen …, aber …" ist unter Gutmenschen heute auch verpönt, wenn Muslime, Sinti, Roma, Flüchtlinge, Migranten usw. gemeint sind. Nur uneingeschränkte "Empathie" ist korrekt. Wer darauf besteht, er werde doch noch etwas sagen dürfen, outet sich vor allen Demokraten als Rassist. Gleiches gilt für Bürger, die "besorgt" sind. Und für solche, die das Wort Gutmensch benutzen. Man muß sehr aufpassen, wie man sich ausdrückt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2016 um 06.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31318

Man könnte Monika Marons apokalyptischen Gastbeitrag in der gestrigen FAZ einer rhetorischen Analysye unterziehen, aber es langweilt mich, das Offensichtliche auch noch in einzelnen zu benennen. Nur einen Punkt möchte ich hervorheben: Wenn man gegen die "Masseneinwanderung" und den von Merkel betriebenen "kollektiven Selbstmord" Deutschlands polemisiert, fängt man zweckmäßigerweise so an:

Mein Freund Sami Alkomi, Aramäer aus Syrien...

Wie oft haben wir das schon gelesen! Ich habe nichts gegen Juden, im Gegenteil, mein bester Freund ist selbst einer...

Warum stehen wir nicht an einem Sonnabend vor dem Reichstag und protestieren gegen eine kopflose Flüchtlingspolitik, die zudem rassistischen und rechtsextremen Kräften, die sie bekämpfen will, Vorschub leistet?

Niemand hindert Frau Maron daran, sich morgen vor den Reichstag zu stellen, am besten in Begleitung ihres syrisch-aramäischen Freundes.

Wir sind selbst verantwortlich für unser Land.

Kann man solche Phrasen hinschreiben, ohne rot zu werden?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2016 um 18.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31300

Das Ausland spottet über uns. (Alexander Kissler, WELT 13.1.16, ähnlich in Cicero)

Das ganze? – Kissler erntet die fast hundertprozentige Zustimmung seiner Leser, natürlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2016 um 05.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31283

Ja, genau! Das habe ich auch registriert, um mir ein Bild von dem Mann zu machen. Bei Leuten, die über Kinder schreiben, sehe ich auch immer nach, ob sie welche haben usw.
Es gibt z. B. von der katholischen Kirche die Anweisung an Politiker, bei ihren politischen Entscheidungen (insbesondere Abstimmungen im Parlament) stets auf die Übereinstimmung mit der Glaubenslehre zu achten. Daß Religion "keine Privatsache" sei, liest man jeden Tag in der Zeitung. Das kann man unterschiedlich bewerten, aber es ist eine Tatsache, die zu vernächlässigen ziemlich naiv wäre.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 12.01.2016 um 19.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31282

Bei Wikipedia steht diese Information da, wo sie hingehört, unter der Überschrift "Personal Life". Daraus hätte man ja auch entnehmen können, daß Douthat sein Studium an der Harvard University mit magna cum laude absolviert hat, und auch allerlei anderes, das vielleicht zu seiner politischen Haltung beigetragen hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2016 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31280

Warum findet es Wikipedia erwähnenswert, daß der Mann zweimal konvertiert ist? Doch wohl weil es zu seiner politischen Haltung beigetragen haben könnte. Muß nicht, kann aber. Über die Bedeutung der Religion in der amerikanischen Politik ist viel geschrieben worden u. a. vom ebenfalls katholischen, von mir hoch geschätzten Garry Wills. Das ist bestimmt viel wichtiger als unsere ewige "Pfarrerstochter".

Ich gebe nicht viel darauf, wenn Zeitungen, entsprechend ihrer Richtung, irgendwelche Stimmen aus dem Ausland zusammensuchen, Jeden Tag lese ich, Ungarn sei empört, Brasilien jubele, die Amerikaner beurteilten dies so und so usw. (Ich bitte noch einmal http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31246 nachzulesen: dort war der Kommentar als Stimme der NYT wiedergegeben worden, und das war eben eindeutig falsch. Ob es in Wirklichkeit doch die Meinung der NYT war, lieber Herr Markner, während also das, was sie in eigenem Namen sagte, nicht ihre Meinung war, das ist mir nun zu kompliziert.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 12.01.2016 um 16.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31278

Lieber Prof. Ickler,

mein kurzer Kommentar zielte ja auch nicht auf Sie, sondern auf den Leitartikel der New York Times.

Ich frage mich allerdings, was die Information, daß der Autor des erwähnten Kommentars, Ross Douthat, zweimal konvertiert ist (als Jugendlicher!), zur Sache beiträgt. Douthat vertritt natürlich nicht die redaktionelle Ansicht der NYT, er ist aber dort regelmäßiger Kommentator (jeden Sonntag).

Nach der Lektüre der Artikel in der ZEIT und NYT sehen ich mich in meiner ersten Reaktion bestätigt.

Der Leitartikel der NYT steht unter dem anmaßenden Titel „Europe Must Do Better on Refugees“. Darin fehlt jeder Hinweis darauf, daß die USA im Fiskaljahr 2015 nicht einmal 2000 syrische Flüchtlinge aufgenommen haben (hinzu kommen noch anerkannte syrische Asylbewerber in wohl ähnlicher Größenordnung) und daß das gesamte amerikanische Flüchtlingskontingent 2015 nur 70.000 betrug. Präs. Obama hat vorgeschlagen, dieses Kontingent für 2016 auf sage und schreibe 85.000 zu erhöhen. Davon sollen immerhin 10.000 für Syrer bestimmt sein. Ob das auch so umgesetzt wurde, weiß ich leider nicht. Die NYT scheint der bequemen Ansicht zu sein, daß die Flüchtlingswelle allein Sache der EU sei.

Sehr kritisch äußern sich die Autoren zu dem „fragwürdigen Handel“ mit der Türkei. Ihnen scheint entgangen zu sein, daß dieses Drei-Milliarden-Geschäft ein unverzichtbarer Teil der Merkelschen Flüchtlingspolitik ist und Frau Merkel es maßgeblich betrieben hat.

Interessant auch die Feststellung der ZEIT zu den Reaktionen in den USA: „Viele Kommentatoren bezeichnen die Politik von Kanzlerin Merkel als gescheitert.“

Insofern fällt der Kommentar von Douthat ja nicht völlig aus dem Rahmen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 11.01.2016 um 19.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31256

Andererseits sind Kolumnisten ja auch dazu da, daß sie das schreiben, was man sich selbst nicht zu schreiben trauen würde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2016 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31252

Es ist ja nicht meine These, und ich kann dazu nichts sagen. Ich wollte nur noch einmal belegen, daß Douthat nicht die Stimme der NYT ist.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 11.01.2016 um 16.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31251

Warum sollte nur "ganz Europa" die Rede beherzigen? Die USA hätten dazu erst recht Anlaß.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2016 um 16.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31248

Gerade lese ich noch in der ZEIT:

Die New York Times selbst vertritt in ihrem gestrigen Editorial eine andere Meinung als ihr Kolumnist Ross Douthat. Zwar sei die Flüchtlingspolitik Europas kritisch zu beurteilen, die Linie der Bundeskanzlerin sei aber lobenswert. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen plädiert die Times für "legale Wege der Einwanderung". Die Neujahrsansprache von Angela Merkel sei eine Rede gewesen, die ganz Europa beherzigen sollte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2016 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31246

Die New York Times fordert den Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen ihres Versagens in der Asylkrise. Unter der Überschrift „Germany on the Brink“ (deutsch: Deutschland am Abgrund) fordert die einflußreichste amerikanische Tageszeitung: „Merkel muß gehen, damit Deutschland nicht einen zu hohen Preis für ihre Dummheit bezahlen muß.“

Zitiert nach JF, aber das ist natürlich nicht richtig. Der Verfasser ist ein sehr konservativer katholischer (zweimal konvertierter) Gastautor, der keineswegs die Meinung der NYT wiedergibt (worauf sie auch hinweist). Aber wenn sogar ein Amerikaner fordert, daß "Merkel weg muss" (BILD), dann muß sie natürlich weg.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2016 um 10.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31241

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30895 und ähnlichen Einträgen: In der SZ wird überaus treffend geschildert, wo das Problem liegt (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fachkraeftemangel-viele-fluechtlinge-scheuen-die-lehre-1.2811923): Wer unter dem Druck lebt, möglichst bald Geld in die Heimat zu schicken, und außerdem aus einem Land kommt, wo man unsere Ausbildung nicht kennt und ihren Wert nicht abschätzen kann, ist in Versuchung, sich sofort mit Hilfsarbeiten beschäftigen zu lassen, die augenblicklich mehr bringen als eine Lehre. Es ist sehr schwer, dem zu widerstehen. Auch der Hinweis auf die Notwendigkeit von Vorbildern ist richtig.

Man erlebt es ja im kleinen an den eigenen Studenten: Wer durch Jobben verhältnismäßig gut verdient, zieht oft sein Studium in die Länge, bis es irgendwann gar nicht mehr zu einem Abschluß kommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.01.2016 um 05.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31206

Die Anekdote über Phokion steht bei Plutarch in seinen Parallelbiographien (Phokion 8.5):

ἐπεὶ δὲ λέγων ποτὲ γνώμην πρὸς τὸν δῆμον εὐδοκίμει, καὶ πάντας ὁμαλῶς ἑώρα τὸν λόγον ἀποδεχομένους, ἐπιστραφεὶς πρὸς τοὺς φίλους εἶπεν· "οὐ δήπου τι κακὸν λέγων ἐμαυτὸν λέληθα;"

(Vielleicht gehört die Persönlichkeit dazu, am ausführlichsten unter "Phokion" in der englischsprachigen Wikipedia.)

In die griechischen Übungsbücher ist sie aufgenommen wegen der typisch griechischen Ausdrucksweise: "Bin ich mir selbst entgangen etwas Falsches sagend?" Der kurze Abschnitt enthält noch drei weitere Partizipialkonstruktionen, so daß er den Beinamen der Griechen als "Partizipienliebhaber" vollauf rechtfertigt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.01.2016 um 10.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31204

Die Frage des Redners müßte gleich zu Anfang seiner Ansprache gestellt worden sein, denn ein wahrer Rhetoriker reißt sein Publikum ja herum und darf dann den tosenden Applaus am Ende auch genießen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.01.2016 um 07.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31202

Ein Tagebuch ist der richtige Ort, auch mal in sich zu gehen, es liest ja eh keiner mit.
Der Geist, der stets verneint, und kein besonderer Heroismus führt mich dazu, der Mehrheitsmeinung nach einer gewissen Zeit zu widersprechen (etsi omnes, ego non). So bin ich zur Zeit in die kuriose Rolle eines Merkelverteidigers geraten. Dabei habe ich noch nie Union gewählt, und selbst wenn ich jetzt ein Merkelfan wäre, könnte ich sie nicht wählen, weil das ja nur über die CSU möglich wäre.
Ich halte es für überlegenswert, warum manche Texte überhaupt geschrieben werden. Recht zu behalten, sich mit der Mehrheit in Übereinstimmung zu finden oder eben gerade nicht – das sind durchaus bekannte Motive. Soviel Selbsterkenntnis muß sein.
Es gibt die antike Anekdote, wonach ein politischer Redner nach dem tosenden Beifall der Menge einen Vertrauten fragt: "Habe ich etwas Falsches gesagt?"

Vor Jahren erzählte mir ein Bekannter begeistert von einer "Menschenkette", in die er sich zu einem guten Zweck eingereiht hatte. Da merkte ich erst, wie weit entfernt wir voneinander waren. Schon als Schüler hatte ich eine tiefe Abneigung gegen Animateure, die "alle" zu irgend etwas bewegen wollten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.01.2016 um 07.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31199

Merkelhasser Reinhard Müller bringt die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung auf die Formel: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit." (FAZ 8.1.16)
Man könnte im selben Ton antworten: "Jauchzet, frohlocket! Wir haben es doch schon immer gewußt."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.01.2016 um 17.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31183

Ein Freund weist mich auf einen Text des Kirchenhassers Rolf Bergmeier hin: hpd.de/Artikel/12583

Der war mir aus der früheren Version schon bekannt, ich kann ihm aber nichts abgewinnen. Wenn man alles, was sich gegen Religion und Kirchen einwenden läßt, in einen kurzen Text quetscht, kommt ein rhetorischer Overkill heraus, der nur die ohnehin Bekehrten überzeugt. Die "Pfarrerstochter" ist kein bißchen intelligenter als die "Mutti" anderer Polemiker. Niemand kann sich seine Eltern aussuchen, aber: Einmal Pfarrerstochter – immer Pfarrerstochter! Kann man sich Merkel als Zentrum einer schleichenden Neuevangelisierung Deutschlands vorstellen? Als sie sich eine "missionarische Komponente" der Luther-Dekade wünschte, hat sie doch keine Regierungsmaßnahmen angekündigt, und sie hat auch noch etwas anderes gesagt:

In Bezug auf das Themenjahr 2013 der Lutherdekade unter der Überschrift "Reformation und Toleranz" mahnte Merkel Respekt vor dem Andersdenkenden an. Als Beispiel nannte sie die Tradition der Beschneidung in Judentum und Islam. Der Respekt müsse aber auch jenen gelten, die sich keiner Religion zugehörig fühlen.

Man kann ihr ja viel vorwerfen, aber religiösen Übereifer wohl eher nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.01.2016 um 04.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#31134

"Tyrannei der Werte" trifft es eigentlich gut, stammt leider aus einer unangenehmen Ecke.

Putin verteidigt traditionelle russische Werte (einschließlich orthodoxer Kirche), die polnische Regierung traditionelle polnische Werte (katholisch), die Muslime verteidigen traditionelle islamische Werte.

Das findet, wie entsprechend auch bei uns, jeweils viele begeisterte Anhänger, auch einige skeptische Stimmen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.12.2015 um 15.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30981

Nun ja, der Bezug auf Rupert Scholz befand sich in einem anderen Beitrag unter einem anderen Thema.

Rupert Scholz hat auch nicht von einer "Volksgemeinschaft" gesprochen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2015 um 14.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30979

Hoffentlich nicht! (Ich hatte mich auf den Gastbeitrag von Rupert Scholz bezogen, für den die Homogenität des Staatsvolks – unter Ausschluß von Fremden – wesentlich war.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.12.2015 um 13.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30978

Ich glaube nicht, daß man einem vermutlich nicht unerheblichem Teil der deutschen Bevölkerung eine "Phantasie von der homogenen Volksgemeinschaft" unterstellen sollte.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.12.2015 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30977

Von den Wirtschaftsinstituten werden Prognosen erwartet, obwohl jeder weiß, daß die Prognosen nicht mehr taugen als Bauernregeln für die Wettervorhersage. Daß die Einführung oder Erhöhung gesetzlicher Mindestlöhne dazu führt, daß Arbeitsplätze wegfallen, trifft aber natürlich zu.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2015 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30976

Der Mindestlohn schadet nicht so sehr (FAZ online 21.12.15)
Die Deutschen verdienen deutlich mehr (FAZ 22.12.15 über demselben Artikel)

Das Münchener Ifo-Institut hatte im März 2014 gewarnt, der Mindestlohn gefährde bis zu 900.000 Arbeitsplätze in Deutschland – darunter viele geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, „in Vollzeit-Stellen entsprechen die gesamten Verluste in etwa 340.000 Arbeitsplätzen“, teilte das Ifo mit. Einen solchern Verlust sehen Fachleute nicht. (ebd.)

Heute muß man mit der Lupe nach Arbeitsplatzverlusten suchen und zieht sich auf die Spekulation zurück: Niemand weiß, ob sich der Arbeitsmarkt in Deutschland ohne die Reform noch besser entwickelt hätte.

Wie ernst kann man ein Institut nehmen, daß solche Prognosen gibt? Inzwischen erfreut es einschlägige Kreise durch horrende Zahlen zu den künftigen Kosten der Zuwanderung. Wir dürfen es auf keinen Fall schaffen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.12.2015 um 07.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30963

Kaum ein Aufsatz zur Flüchtlingspolitik, der nicht auf Webers Unterscheidung von Gesinnungsethik und Verantwortungsethik zurückgriffe. Auf seiten der ersteren stehen natürlich Merkel und die Kirchen, auf der Seite der Verantwortung alle Vernünftigen. Gesinnung ist schön und gut, vor allem sonntags, aber wenn es ernst wird, müssen natürlich andere Saiten aufgezogen werden.
Auch beliebt: "Wer tolerant sein will, muß Grenzen setzen." Das braucht man nicht zu begründen, es ist ja evident.
Um nicht als knauserig dazustehen, nennt man nicht die Kosten der Flüchtlingspolitik beim Namen, sondern droht mit Beibehaltung des Soli. Das wirkt noch nachhaltiger.
Gegen die unproduktive Verschleuderung von Steuermilliarden zur Subventionierung von Elektroautos wird es kaum Protest geben (so wenig wie seinerzeit gegen die Abwrackprämie), nur ein paar kritische Kommentare im Wirtschaftsteil, den das Volk nicht liest. Das Thema ist nicht so stimmungsträchtig wie die Phantasie von der homogenen Volksgemeinschaft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.12.2015 um 12.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30941

Merkel-Fan Torsten Albig (SPD) bringt sich mit der These in Erinnerung, auch Deutschland habe gegen die europäischen Abkommen verstoßen, indem es Flüchtlinge nach Skandinavien durchreisen ließ. Na ja, eigentlich hätten sie gar nicht in Deutschland sein können, hätte nicht ein anderes sicheres Land sie bereits durchreisen lassen. Die Abkommen durchschaut sowieso keiner mehr, ich auch nicht, sie sind auf dem Misthaufen der Geschichte entsorgt. Man darf das aber wohl nicht so genau nehmen, denn es geht wohl darum, sich als Gabriel-Nachforlger in Stellung zu bringen.

In Schleswig-Holstein gibt es auch noch die FDP:

"Viele europäische Nachbarn können die Impertinenz (die Unverschämtheit), mit der die Deutschen auftreten, nicht ertragen. Wir erklären anderen Ländern, wie sie sich verhalten sollen", warnte der Kieler Fraktionschef. (t-online 19.12.15 über Kubicki)

Die Erklärung des Fremdwortes stammt von t-online, Kubicki hat sie nicht in Parenthese mitgesprochen. Ich sehe darin stets mehr als eine leserfreundliche Erläuterung, nämlich einen leisen Vorwurf: warum nicht gleich deutsch reden?
Aber auch inhaltlich wird er so keinen Blumentopf gewinnen. Wer zahlt, schafft an. Wenn die Deutschen sich immer nur fügen, ist es nicht recht, aber wenn sie auch mal was verlangen, erst recht nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2015 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30896

Eine Frau, die Außerordentliches in der Flüchtlingshilfe leistet, hat u. a. gesagt: „Ich möchte meinen Kindern später nicht erzählen müssen, dass ich nichts getan habe.“ Diesen Satz nimmt ein Leser in der FAZ feinsinnig auseinander. Obwohl er zugibt, ihn aus dem Zusammenhang gerissen zu haben, weist er darauf hin, daß darin zweimal „ich“, aber nicht das Wort „Flüchtling“ vorkommt. Dieses unsinnige Verfahren führt ihn dann zu weitreichenden nationalpsychologischen Deutungen, die man sich denken kann („Was für ein seltsames, hysterisches Land...“).
Die betroffene Frau, die sich anders als ihr Deuter wirklich abrackert, und zwar mit Erfolg, muß sich durch solches wohlfeile Gewäsch verhöhnt vorkommen. Das hat sie meiner Ansicht nach nicht verdient.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2015 um 06.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30895

Hierher gehört auch Hans-Werner Sinns grandiose Bemerkung:

„Studien zeigen: 65 Prozent der Bevölkerung in Syrien können die Grundrechenarten nicht. Lassen Sie es mich so sagen: Mit den Chefärzten aus Aleppo ist das so eine Sache.“ (Hans-Werner Sinn)

Die vielgenannten Chefärzte sind nur für unfruchtbare Polemik gut, und der Bildungsstand der "Bevölkerung" ist irrelevant, weil ja nicht die Bevölkerung zu uns kommt, sondern eine Auslese. Natürlich nicht die Reichen, die auf andere Weise für sich sorgen können, aber, soweit ich es erkenne, besonders Wagemutige, Unternehmende. Was z. B. die Jugendlichen betrifft (wir hatten gerade einen jungen Pakistani im Haus, um den wir uns ein bißchen kümmern), so stehen sie anscheinend überwiegend durch die sehr wichtigen Smartphones mit ihrer Familie in Verbindung, die auch ein Auge darauf hat, daß sie hier ein ordentliches Leben führen und für ihr Fortkommen sorgen. Es ist bekannt, daß die zum Teil sehr großen Familien Geld zusammengelegt haben, um einen der Ihren vorauszuschicken, sei es, daß einige nachzukommen hoffen oder daß er irgendwann Geld überweist. Der Bildungseifer ist groß, aber es ist, wie gesagt, schwierig, wenn das Aufenthaltsrecht so unsicher ist. Die Jugendlichen zum Beispiel werden grundsätzlich nicht zurückgeschickt, aber sie wissen nicht, was geschehen wird, wenn sie 18 werden. Das ist hier ein ganz großes Problem, zumal die Kommunikation mit Behörden und (überforderten) Vormündern schlecht funktioniert. Manche haben schon den Sprung in die Schule oder Berufsausbildung geschafft. Studierwillige sind selten, das ist wohl auch ein zu hohes Ziel, aber Handwerksberufe sind begehrt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 14.12.2015 um 20.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30893

Der Vorschlag des Dr. S. ist in der Tat unrealistisch, weil man natürlich nicht möchte, daß noch einmal ein Botschaftsrasen so niedergetrampelt wird wie seinerzeit in Prag.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 14.12.2015 um 19.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30891

Die Behauptung des Dr. Siebold, daß es sich bei denen, die derzeit ohne wirkungsvolle Kontrollen nach Deutschland kommen, um „bis zu 80 Prozent junge Männer“ handele, kann ich nicht beurteilen.

Seine Vorstellung, Flüchtlinge sollten bei den deutschen Auslandsvertretungen Anträge stellen, erscheint mir allerdings unrealistisch. Die Aussicht, auf diese Weise etwa Asyl zu erhalten, dürfte nahezu gleich null sein.

Andererseits zeigt er doch gut die Heuchelei der deutschen Asylpolitik auf. Es ist doch wohl kaum zu bestreiten, daß fast nur diejenigen den rettenden deutschen Boden erreichen, die in der Lage sind, Schlepper zu bezahlen.

Die Asylpolitik von Frau Merkel besteht doch u.A. darin, gegen Geld und Zugeständnisse, die Türkei dazu zu veranlassen, die Flüchtlinge von uns fern zu halten. Wie das mit dem hohen moralischen Anspruch, mit dem (nicht nur) sie auftritt, vereinbar sein soll, ist auch mir schleierhaft.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 14.12.2015 um 11.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30886

Update zur »wirklichen Situation«: Die deutsche Botschaft in Damaskus ist zwar geschlossen, die in Beirut aber offen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2015 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30885

Ganz ähnlich wie der JU-Chef Ziemiak äußer sich ein Dr. Georg Siebold in einem Leserbrief der FAZ (14.12.15):

In der christlichen Seefahrt gilt bei Katastrophen das Prinzip „Frauen und Kinder zuerst“. Für das „C“ in der CDU gilt unverändert die Definition der Kanzlerin, nach der nicht die Bedürftigsten, nämlich Familien mit Kindern, sondern unbegrenzt bis zu 80 Prozent junge Männer und insgesamt nur die Schnellsten, die Überlebenden der inhumanen Auslese auf dem Mittelmeer und die die höchsten Zahlungen an Schlepperorganisationen leisten konnten, das Privileg des nach wie vor nicht geregelten Grenzübertritts erhalten. Diese Inhumanität wird durch die nach wie vor unwürdig langen Bearbeitungszeiten im Asylverfahren noch verstärkt.

Krokodilstränen wie diese sieht man jetzt öfter fließen. Besonders niedertächtig ist die Unterstellung, dies sei Merkels „Definition“ des Christlichen in der CDU. Ich bin ja weder Parteifreund noch Wähler Merkels, aber daß die FAZ systematisch mit dem Abdruck solcher Texte Politik macht, geht mir aufs Gemüt. War die Leserbriefredaktion wirklich schon immer so?
Wie aus den weiteren Ausführungen hervorgeht, sollen nach der Vorstellung des Verfassers die Familien mit einem Visum der deutschen Botschaften ganz human und ordentlich nach Deutschland einreisen. Er hat sich offensichtlich mit der wirklichen Situation nicht beschäftigt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2015 um 11.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30884

Die ungeheure Menge von Fehlern in diesen Schlagzeilen deutet aber darauf hin, daß völlig unqualifizierte Kräfte sie fabrizieren und für das Netz freigeben. Gerade lese ich vom SPIEGEL online, ein chinesischer Bürgerrechtler stehe vor Gericht, weil er "ethischen Hass" gefördert haben soll. Im Text dann "ethnisch".
 
 

Kommentar von Andreas Blombach, verfaßt am 14.12.2015 um 10.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30883

Das ist eine interessante Frage. Ich habe mir das gerade mal angesehen (ich verwende Google News sonst nicht): Es taucht tatsächlich oft etwas als Titel auf, was in den verlinkten Artikeln nicht die Überschrift ist. Soweit ich das nachvollziehen kann, werden diese Titel aber trotzdem nicht von Google generiert, sondern stammen definitiv von den Nachrichtenseiten selbst.

Beispiel:
Titel bei Google News: Le Pen und Front National verlieren Regionalwahlen
Überschrift beim verlinkten Artikel auf tagesschau.de: Schlappe für Le Pens Front National
Meta-Element im Quelltext des Artikels: <meta property="og:title" content="Le Pen und Front National verlieren Regionalwahlen"/>
(Das Element ist nicht für Google News vorgesehen, sondern für Facebook, Google+ und Co. Der Titel kommt noch in weiteren Metadaten vor und war eventuell die ursprüngliche Überschrift des Artikels.)

Zweites Beispiel:
Titel bei Google News: Warum Marine Le Pen für Europa gefährlich bleibt
Überschrift beim verlinkten Artikel auf welt.de: Europa kann kurz aufatmen – mehr nicht
Im Quelltext: <title>Warum Marine Le Pen für Europa gefährlich bleibt - DIE WELT</title>

Google News verwendet einen Crawler, der den Quelltext von Nachrichtenseiten automatisch durchgeht und (u.a.) versucht, den Titel zu extrahieren. Außerdem wird eine u.U. vorhandene "Sitemap" berücksichtigt (https://support.google.com/news/publisher/answer/74288?hl=de), die die Betreiber von Nachrichtenseiten auf ihrem Server plazieren können und worin (u.a.) die Titel der Artikel für Google News vorgegeben werden (wobei sehr lange Titel u.U. gekürzt werden).

Gar nicht so unkompliziert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2015 um 07.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30880

Ich bin nicht einmal sicher, ob die ständig wechselnden Überschriften bei den News überhaupt von den verlinkten Medien geliefert oder vom Google-Dienst ad hoc angefertigt werden, vermute eher letzeres.
 
 

Kommentar von Andreas Blombach, verfaßt am 13.12.2015 um 12.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30874

Tja, und bei der eher "linksgrünen" Zeit sehen die Überschriften ganz anders aus:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-12/ausschreitungen-demonstration-leipzig-wasserwerfer-traenengas-linksautonome
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-12/leipzig-demonstration-antifa-linksautonome-neonazis
Gerade die FAZ sollte doch eigentlich unverdächtig sein, hier bewusst ein falsches Bild vermitteln zu wollen – ich gebe zu, hätte man mich gefragt, welche Überschrift wohl in welcher Zeitung stand, hätte ich falsch getippt. Die spannende Frage wäre, wie wohl die dpa-Meldung aussieht, auf der die meisten dieser Artikel basieren.

(Auf der anderen Seite haben wiederum die sächsische Polizei und Justiz nicht den besten Ruf, was den Umgang mit linken Demonstranten angeht. Ich würde daher tendenziell auch die Angaben der Polizei mit leichter(!) Skepsis betrachten.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.12.2015 um 05.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30869

Heftige Ausschreitungen bei Neonazi-Demo in Leipzig (FAZ 12.12.15, ähnlich andere, nach Google News)
Erst im Text erfährt man, was man als geübter Leser schon ahnte: daß es linke Gegendemonstranten waren, die sich kriminell verhalten haben.

Dieses Spiel hat man über die Jahre hin so oft erlebt, daß man das Wort "Lügenpresse" nicht ganz unberechtigt finden könnte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.12.2015 um 07.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30850

Zu den "Bedenkenlosen" paßt auch, was der JU-Chef Ziemiak im Interview der "Welt" sagt:

Die aktuelle Politik, dass der Stärkste überlebt, weil er sich auf der Balkanroute bis nach Deutschland durchkämpfen kann, während Greise und Schwangere zurückbleiben, ist auch nicht human.

Greise und Schwangere in Schlauchbooten wären ihm sicher auch nicht recht, deshalb schlägt er vor, die Flüchtlinge sollten schon im Heimatland ihre Einreise beantragen. Er hat sich eben mit der Situation noch gar nicht richtig beschäftigt, will sich aber auf dem Parteitag mit seinem Antrag zur "Obergrenze" profilieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.12.2015 um 19.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30828

Weitaus die meisten Flüchtlinge sind Männer im besten Alter, die offensichtlich ihre Frauen und Kinder bedenkenlos in der Barbarei zurückgelassen haben. (Leserbrief FAZ 10.12.15)

„Bedenkenlos“ – woher will der hochbetagte Medizinprofessor das wissen? Ein Tröpfchen Gift, und jede Diskussion wird unmöglich.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 09.12.2015 um 19.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30816

''Schließlich läßt der Sozialstaat keinen verhungern, der sich nicht selbst ernähren kann.''

Darum geht es nicht, sondern um die Art und Weise und um die Randbedingungen, die für diese Art der sozialen Hilfe zu erfüllen sind, siehe z. B. https://www.change.org/p/antrag-auf-aufnahme-strafrechtlicher-ermittlungen, eine der vielen Petitonen zum Thema Hartz IV. Weiterhin gibt es gesetzliche Regelungen, die Menschen in die Katastrophe treiben, siehe https://www.change.org/p/deutschen-bundestag-enterben-amp-zwangsversteigerung-zur-aufhebung-der-erbengemeinschaft-abschaffen, und mit denen sie ihren Besitz und die damit verbundene Sicherheit verlieren. Warum also treibt der deutsche Sozialstaat seine Bürger sehenden Auges in die Katastrophe? Wäre es nicht menschlicher und sozialer, Gesetze so zu machen, daß Menschen erst gar nicht in eine Situation kommen, in der sie zu Hartz IV gezwungen werden? Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens wäre ein Anfang.

''Der Grundsatz der Ameise: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" – ist also längst obsolet.''

Das mag sein, aber wissen das auch alle? Ich will nicht wissen, wieviele Arbeitslose derartiges heute noch zu hören bekommen.

''Wie man das nun ausgestaltet und aus wie vielen Töpfen der Bedürftige ernährt wird, ist bekanntlich ganz unterschiedlich geregelt.''

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.12.2015 um 17.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30814

Wie bei der berühmten "Obergrenze" scheint mir auch das "bedingungslose Grundeinkommen", mit dem Finnland jetzt experimentiert, seit je einen Streit um Worte auszulösen, der so heftig nicht sein müßte. Schließlich läßt der Sozialstaat keinen verhungern, der sich nicht selbst ernähren kann. Der Grundsatz der Ameise: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" – ist also längst obsolet. Wie man das nun ausgestaltet und aus wie vielen Töpfen der Bedürftige ernährt wird, ist bekanntlich ganz unterschiedlich geregelt. (Eine meiner Töchter hat vor langer Zeit eine Diplomarbeit darüber geschrieben.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.12.2015 um 10.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30767

Wie sich die Kriegsrhetorik aller Zeiten gleicht! Ich kann gleich an die "Aufklärer" anknüpfen, also die deutschen Tornados. In der FAS ruft Peter Carstens zu den Waffen. Er selbst hat sich zwar nur als Zivi in einem Behindertenheim die Kugeln um die Ohren fliegen lassen, ist also nach seinen eigenen Maßstäben ein Drückeberger, aber nun höhnt er unter der Überschrift „Deutschland kämpft mit Fotoapparaten“ (das sind die Tornados) über die „bundesdeutsche Suche nach den sicheren Plätzchen in der Welt“. Er mahnt zum „Kämpfen" und "Töten“.
Die Möglichkeit, auch ohne Sachverstand jedern Text über jeden Gegenstand täglich hunderttausendfach verbreiten zu können, steigt vielen Journalisten zu Kopf. Sie glauben dann wohl selbst an ihre Fähigkeit, die Weltprobleme mal eben lösen zu können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2015 um 15.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30743

Deutschland schickt demnächst, wie es dem Selbstverständnis der sich gerne auf Kant berufenden Nation entspricht, sechs Aufklärer in den Himmel über der Hölle. (Berthold Kohler, Leitartikel in der FAZ 4.12.15)

Wir verstehen: Kant – Aufklärung – Aufklärer (tatenarm und gedankenvoll).

Noch etwas aus der Kohlerschen Rhetorik: Der Angriff auf Paris ist der Bündnisfall. (...) Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Dschebel Sindschar verteidigt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.12.2015 um 14.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30734

Wer den Krieg will, ist um Begründungen nicht verlegen. Laut Ministerin von der Leyen müssen wir „an der Seite Frankreichs“ kämpfen. Mit der Metapher umgeht man die Frage, ob es eine Bündnispflicht gibt oder nicht. Das sei aber nicht der einzige Kriegsgrund. Der IS habe zwar Deutschland nicht angegriffen, aber „ins Visier“ genommen. Da müssen wir natürlich präventiv zurückschlagen. Schon die Wendung „gegen den IS“ ist problematisch, wo es keine Front gibt, die Freund und Feind scheidet.
In der Presse wird allgemein mitgeteilt, der Bundestag werde morgen den Einsatz der Bundeswehr „durchwinken“ oder „abnicken“. Treffend, aber auch nicht gerade beruhigend.
Wenn Truppen erst im Ausland stehen, müssen sie sich „verteidigen“ und „geschützt“ werden, wie seinerzeit die amerikanischen Militärberater in Vietnam. Das leuchtet ein, und dann fragt auch keiner mehr nach Kriegszielen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.12.2015 um 05.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30712

Die europäische Gemeinschaftswährung ist inzwischen nicht nur in den Geldbeuteln, sondern auch in den Köpfen der Deutschen angekommen. Nicht einmal jeder Dritte rechnet Euro-Preise heute noch in D-Mark um. (FAS 29.11.15 laut Allensbach)

Eine Erfolgsgeschichte.

Auch zwölf Jahre nach Einführung des Euro rechnet noch fast jeder dritte die Preise in DM um.(Th. I.)

Eine Mißerfolgsgeschichte.

Wir kennen dieses Spiel vom „Ankommen“ der Rechtschreibreform.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2015 um 19.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30661

Man sollte meinen, daß unsere Politiker, deren Meinungen ja gar nicht so weit auseinanderliegen, in einer schwierigen Lage zu einer vernünftigen gemeinsamen Lösung kommen könnten. Aber es geht eben auch um Sprache. So will die CSU unbedingt das Wort "Obergrenze" hören, um ihr Gesicht zu wahren. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden hatte es zunächst ebenfalls benutzt, aber als er merkte, daß er damit von gewissen Politikern vereinnahmt werden konnte, rückte er wieder davon ab:

Schuster selbst reagierte am Mittag auf die Diskussion um seine Forderungen. Der Zentralrat verbreitete eine Erklärung von ihm, in der es heißt: "Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist weiterhin der Überzeugung, dass Deutschland Flüchtlinge aufnehmen muss. Wer asylberechtigt ist, muss auch Asyl erhalten." Von seiner Forderung nach Obergrenzen rückte er aber nicht ab, vermied nun aber das Wort. (Tagesspiegel 23.11.15)

Große Reibungsverluste, die der Bürger mit Verdruß wahrnimmt.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 16.11.2015 um 09.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30574

Wir Deutschen sind halt eine eigenartige Bevölkerung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.11.2015 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30570

Kann man eine Organisation wie den Islamischen Staat mit Bomben bekämpfen? "Frankreich schlägt zurück", greift eine "Hochburg" des IS an. Ein griffiges Wort. Ich möchte jeden Tag an den Rand der Zeitung schreiben: Caedite eos. Novit enim Dominus qui sunt eius. (Auf deutsch: "Kollateralschaden", in der Wirkung leider weit mehr.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.11.2015 um 17.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30566

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21690

Das Angebot an gebrauchsfertigen Reden ist inzwischen größer geworden:

http://www.reden-und-praesentieren.de/volkstrauertag.php

Die Pariser Ereignisse mußten natürlich eingebaut werden, ohne den Redner allzu sehr aus dem Konzept zu bringen.

(Müßte der Volkstrauertag nicht in Bevölkerungstrauertag umbenannt werden?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.11.2015 um 16.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30493

Ein schönes Fotomotiv sind auch Scharen dunkelhaariger Ausländer, die über einen Feldweg vor der Kulisse eines adretten deutschen Dorfes ziehen. Oft variiert und hundertfach nachgedruckt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.11.2015 um 04.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30455

In einem vielkommentierten Beitrag der "Welt" zitiert Thomas Schmid zuerst die Menschenrechte, geht am Ende aber zu einer anderen Formulierung über:

Hier die Menschenfreiheit, zu wandern, wohin man will – dort Eigentums- und Souveränitätsrechte und im Unübersichtlichen der Hang zum Protektionismus. Ein offenes Europa muss Ersterem den Vorrang geben. Eigentum, Nation und Sozialstaat sind wichtig, kommen aber danach. Noch nie standen Europa und die Europäische Union vor einer derart großen Aufgabe.

Eine solche "Menschenfreiheit" gibt es natürlich gar nicht, und die ganze Konstruktion steht zwar wie in Erz gehauen da, ist aber nur ein rhetorisches Windei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2015 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30232

Die WELT bietet übrigens eine "interaktive" Weltkarte der Friedensnobelpreisträger. Deutschland hat deren sechs, darunter Henry A. Kissinger. http://www.welt.de/politik/ausland/article147409447/Hoechste-Ehrung-fuer-die-Reste-des-arabischen-Fruehlings.html?wtmc=google.editorspick?wtmc%3Dgoogle.editorspick&google_editors_picks=true
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2015 um 09.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30231

Merkel geht leer aus – In Oslo hat die Jury den diesjährigen Friedensnobelpreisträger verkündet. Bundeskanzlerin Angela Merkel galt als aussichtsreiche Kandidatin. Verliehen wurde die Auszeichnung aber an das "Tunesische Dialogquartett". (Focus 9.10.15)

Wenn jemand sich beworben hat und nicht zum Zuge gekommen ist, sagt man, daß er leer ausging. Der Wettbewerb, bei dem Merkel leer ausging, existierte aber, wie der weitere Text zeigt, nur in den Köpfen der Schlaumeier. Übrigens ging Snowden auch leer aus, ganz zu schweigen von mir selbst.

Man sieht richtig, wie die Journalisten nun alle nachschlagen, was eigentlich das besagte „Quartett“ ist. Anschließend finden sie die Preisverleihung gut.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2015 um 15.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30223

Friedensnobelpreis für Merkel – das wird erwogen. Sie sollte rechtzeitig vorbeugen, damit sie ihn nicht bekommt, jedenfalls nicht jetzt, wo sie mit der Lösung einer unlösbaren Aufgabe beschäftigt ist. Man darf gar nicht daran denken, wer alles ihn schon bekommen hat.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 05.10.2015 um 22.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30202

Mehr Leistung bei höherem Spritverbrauch und mehr Abgasen gab es immer schon (VW hatte mit dem versoffenen 1600er Käfermotor das beste Beispiel im Stall). Es war ja bislang gerade der Thrill, daß heute höhere Leistung durch besondere Ingenieursleistung nicht mehr mit Mehrverbrauch und mehr Abgasen erkauft werden mußte.
Der Betrug kommt ja auch nicht von heute auf morgen. Über Jahr und Tag wird hier etwas Technik verbessert, da etwas mit der Software nachgeholfen. Dann erweist sich, daß Verbrauch und Abgase vom Fahrstil abhängig sind, also soll sichergestellt werden, daß das Auto unter günstigsten Umständen untersucht wird.
Hinzu kommt, daß die Autohersteller merken, daß die eigenen Fahrzeuge keineswegs besser abschneiden als die der Konkurrenz. Die Ingenieure der anderen kochen aber auch nur mit Wasser, außerdem kann man so ein Verbrauchswunder der Konkurrenz kaufen, und wenn man da all die Tricks wiederfindet, die man selbst aufwendet, sinkt die Hemmschwelle, sie noch weiter zu verfeinern.
Von einigen Idioten abgesehen, weiß der Verbraucher, daß zwei Tonnen Blech mit 200 PS bei allem technischen Fortschritt nicht weniger umweltschädlich sind als ein 750kg schwerer 54-PS-Golf-1-Diesel von anno tuck. Neuerdings werden Autos aber u. a. nach ihrer Schadstoffemission versteuert. Das interessiert den Verbraucher.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.10.2015 um 12.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30201

Fragt sich, ob das eine ehrliche bzw. hinreichende Erklärung ist. Es kostet doch nichts, die Leistung eines Fahrzeugs korrekt anzugeben. Gut, dann werden weniger Autos verkauft (wie viel weniger?) und dann sieht die betriebswirtschaftliche Rechnung für das USA-Geschäft insgesamt schlechter aus. Aber wäre dann gleich ein Minusgeschäft zu erwarten? Ist dann gleich das ganze Projekt des USA-Geschäfts wirtschaftlich sinnlos? Das möchte ich bezweifeln.

Ich vermute, daß eine ehrlichere Formulierung wäre: "Damals [2008] wurde keine Lösung gefunden, mit der sowohl die Abgasnormen eingehalten als auch die in den USA erhofften Gewinne erreicht worden wären. Man befürchtete niedrigere Verkaufszahlen aufgrund einer reduzierten Leistung und damit eine geringere Gewinnmarge."

Ich bin gespannt, um wieviel Prozent die Spitzenleistung geringer sein wird, wenn die Software bei den betroffenenen Fahrzeugen ausgeschaltet sein wird.
 
 

Kommentar von tagesschau.de, verfaßt am 05.10.2015 um 08.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30200

"Damals [2008] sei keine Lösung gefunden worden, mit der sowohl die Abgasnormen als auch die Kostenvorgaben für den Motor eingehalten worden wären. Deshalb sei entschieden worden, die Manipulations-Software zu verwenden,[...]"
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.10.2015 um 18.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30193

Rolls-Royce hat früher keine Auskunft zu den Pferdestärken seiner Sänften gegeben. Die Leistung sei »hinlänglich«, hieß es.

Ein Volkswagen ist aber kein Rolls.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 04.10.2015 um 17.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30191

Noch einmal zu der Frage, warum die VW-Autos nicht gleich so eingestellt wurden, daß sie immer wie auf dem Prüfstand fahren. Herr Mahlmann hat "zuwenig Leistung" als Grund angegeben.

Ja, schon klar, daß es ein solches Motiv gegeben haben muß. Vielleicht auch "zu oft Abgasreiniger nachfüllen", das könnten die Kunden lästig finden. Aber die Frage, die sich aufdrängt, ist doch: Ist "zuwenig Leistung" ein hinreichender Grund für die ganze Betrügerei? Von wieviel Leistungseinbuße reden wir? Das weiß man noch nicht. Aber es werden doch nur ein paar Prozent sein, nehme ich an. Dann bietet man das Auto eben mit ein paar PS weniger an und läßt die Kunden entscheiden, ob sie das Auto mit dieser Leistung kaufen wollen. Ein PS-süchtiger Kunde kann ja auch ein Auto mit stärkerem Motor kaufen, auch ein VW-Modell mit stärkerem Motor.

Wenn jetzt Millionen Autos "nachgerüstet" werden und die betrügerische Software ausgeschaltet wird, kommt doch genau das heraus, was VW von Anfang an hätte machen sollen. Da wird sich so ziemlich jeder Betroffene fragen: "Warum haben sie es nicht gleich so gemacht?"
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.10.2015 um 13.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30189

Andererseits hat ein Gramm Joghurt größenordnungsmäßig eher einen Energiegehalt von einer Kilokalorie. Ich gebe zu, es ist schwierig zu veranschaulichen. Ich sehe es halt immer vom menschlichen Bedarf her, der Mensch wird in kg gemessen und entsprechend die benötigte Nahrung in kcal.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.10.2015 um 13.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30188

Ja, eigentlich hatte ich mit der "Kultur des Nicht-so-genau-Nehmens" weniger auf sprachliche Ungenauigkeiten, als mehr auf die umsichgreifenden Verbrauchertäuschungen gezielt. Das Beispiel der Kalorien gehört mehr zur ersten Gruppe und paßt hier nicht, das sehe ich ein.

Es ist immerhin sehr interessant, wie viele dieser sprachlichen Ungenauigkeiten es gibt und wie gut wir doch im Alltag damit zurechtkommen. Zum Sprachgebrauch gehört eben immer der ganze Kontext, der letztlich doch für Klarheit sorgt. Ich möchte also meine Ansicht über die "Kalorien" doch etwas relativieren.

Weil ich sie nun einmal angesprochen habe, finde ich aber doch die folgende kleine Rechnung ganz interessant. Laut Wikipedia fällt die Körpertemperatur einer Leiche ganz grob gerechnet um rund 1 Grad pro Stunde bis auf Umgebungstemperatur. Das gilt im Durchschnitt für jedes einzelne Gramm eines Menschen, der zu rund 3/4 aus Wasser besteht. Da eine Kalorie ein Gramm Wasser um ein Grad erwärmt, braucht jedes Gramm Mensch auch ungefähr eine Kalorie, um eine Stunde lang die Lebenstemperatur zu bewahren. Ein 80 kg schwerer Erwachsener braucht also etwa 80 kcal pro Stunde bzw. fast 2000 kcal am Tag nur allein dazu, seine Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, selbst wenn er sich gar nicht bewegt. Darunter geht es an die Substanz.
Und wenn man im täglichen Leben die Kalorie doch mehr mit Gramm und die Kilokalorie eher mit Kilogramm in Verbindung bringt, liegt man daher auch nicht ganz falsch.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 04.10.2015 um 07.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30186

Die Kunst besteht eben darin, es in der richtigen Situation »nicht so genau« zu nehmen. Man kauft »5 Kilo Kartoffeln«, sagt »England« statt »[Vereinigtes Königreich] Großbritannien [und Nordirland]« und vielleicht eben auch »Dieser Becher Joghurt hat 200 Kalorien«. Ungenauigkeiten dieser Art führen im Alltag fast nie zu Mißverständnissen.

Etwas anderes ist es, wenn ein Hersteller seinem Produkt in der Werbung Eigenschaften zuschreibt, die es nicht hat. Das hat aber weniger mit einer »Kultur des Nicht-so-genau-Nehmens« zu tun, sondern ist schlicht Verbrauchertäuschung, und die hat es überall immer schon gegeben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2015 um 06.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30184

Ja, ich wollte auch nur an etwas Allgemeineres erinnern. Ohne Reue bekenne ich mich auch zu den berüchtigten Stundenkilometern. Und natürlich zum Sonnenaufgang, weil es einfach zu umständlich wäre, die Tatsachen der Himmelsmechanik jedesmal genau zu benennen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.10.2015 um 18.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30183

Na ja, ich denke, es ist schon ein Unterschied, ob jemand im Alltag sagt, ich muß aufpassen, daß ich nicht zu viele Kalorien zu mir nehme, in diesem Fall muß man natürlich nicht Kilokalorien sagen, oder ob jemand sagt, dieser Becher Joghurt hat 200 Kalorien.

Aber ich will es auch nicht unbedingt an diesem einen Beispiel festmachen, vielleicht steht das Wort Kalorie wirklich umgangssprachlich für Kilokalorie. Ich finde das zwar nicht richtig, aber sei's drum, zählen wir dieses Beispiel hier nicht mit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.10.2015 um 15.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30180

Könnten die "Kalorien" einfach aus dem Sprachgebrauch der Laien stammen, dem solche Begriffe ohnehin nicht viel sagen? Ich muß gestehen, daß ich mich im Alltag genau so ausdrücke.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.10.2015 um 12.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30179

Es gibt eine ganze Kultur des Nicht-so-genau-Nehmens, die eben immer mehr auch auf Deutschland übergreift.

Da fallen mir z.B. die Uhren ein, die angeblich bis 50m wasserdicht sind. Das bedeutet dann vielleicht, daß man damit 50m im Regen gehen kann, aber keinesfalls sollte man mit so einer Uhr schwimmen. Dafür sollte sie schon wenigstens 100m wasserdicht sein. Ist das nicht auch schon Betrug?

Wer zu "lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung" verurteilt wird, dessen Sarg mit seinem toten Körper müßte eigentlich für immer in einen Tresorraum eingeschlossen werden.

Statt Kilokalorien wird ständig beschönigend Kalorien gesagt. Warum? Da könnte ich genauso gut behaupten, ich wiege 85 Gramm und von Mannheim bis Paris seien es 500 Meter.

Für die Autoabgastests bräuchte man eigentlich genau genormte Verfahren, und zwar so, daß sie nicht allzuweit vom praktischen Fahren abweichen. Da kann doch nicht jeder Hersteller messen wie er will, das muß doch zumindest Bundes- oder EU-weit einheitlich gemacht werden.

Welcher Hersteller läßt beim Abgastest die Klimaanlage mitlaufen? Ich kenne mich nicht so genau aus, aber ich glaube, keiner. Muß vielleicht auch nicht unbedingt sein. Aber was darf man nun genau dabei alles abschalten? Warum nicht z.B. die Motorleistung beim Test etwas reduzieren? Wo steht, daß der Abgaswert sich nicht auf eine lange Bergabfahrt mit Rückenwind beziehen darf? VW hat es damit ein bißchen übertrieben, dafür stehen sie nun am Pranger. Ist das eigentlich ganz gerecht, wenn es einfach keine einheitlichen Richtlinien für die Tests gibt? Testen denn die anderen Hersteller praxisnah?
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 03.10.2015 um 12.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30178

"Ich habe mich von Anfang an gefragt, warum die VW-Autos nicht gleich so eingestellt wurden, daß sie immer wie auf dem Prüfstand fahren. Ich habe etliche Kommentare zu dem Thema gelesen, aber keine Antwort darauf gefunden."
Zuwenig Leistung.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 02.10.2015 um 18.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30173

Ich habe mich von Anfang an gefragt, warum die VW-Autos nicht gleich so eingestellt wurden, daß sie immer wie auf dem Prüfstand fahren. Ich habe etliche Kommentare zu dem Thema gelesen, aber keine Antwort darauf gefunden.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 02.10.2015 um 09.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30168

In einer Diskussionsrunde auf Servus-TV mit Axel Friedrich als Teilnehmer wurde meine unten aufgestellte Aussage bestätigt. Friedrich war maßgeblich am Auffliegen der VW-Affäre beteiligt.

Seine Messungen an diversesten Fahrzeugen im Realbetrieb belegen, daß der NOx-Ausstoß bei Diesel-PKWs im Mittel ca. 7mal so hoch ist wie gem. Typenprüfung bescheinigt, mit lastbedingten Spitzenmomentanwerten bis zu 80fach. Und das gilt quer über die verschiedensten Hersteller, wobei VW im Mittelfeld liegt. Er stellte auch klar, daß der Verlauf der Affäre erst durch Managementfehler seitens VW richtig ins Rollen kam, die Amerikaner baten nämlich zunächst um Nachbesserung bis März 2015, was von VW aus welchen Gründen auch immer ignoriert/abgelehnt/ungeschickt kommentiert wurde. Erst danach wurde aus dem Fall das, was er jetzt ist.

Und mit ABS, GPS und sonstigen Sensoren ist eine Feststellung, ob das Fahrzeug stationär am Rollenprüfstand steht und nicht real fährt, für keinen Hersteller allzu schwierig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2015 um 03.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30165

Folgt man den Medien, stehen einander in Syrien, Afghanistan usw. Sicherheitskräfte und Terrormiliz einander gegenüber. Manchmal liest man, daß große Teile der Bevölkerung eher der Terrormiliz vertrauen. Man hat ständig den Eindruck, nicht besonders gut und schon gar nicht objektiv unterrichtet zu werden. Deshalb waren viele ganz baff, daß "unser" Kundus so leicht von den Taliban eingenommen werden konnte (ohne nennenswerten Widerstand).

Die oft genannten Faßbomben scheint man Assad auch deshalb übel zu nehmen, weil sie so primitiv sind und nicht so ausgereift wie die schönen modernen Bomben mit ihrer größeren Durchschlagskraft.

Auch die Erwähnung der zivilen Opfer (darunter Frauen und Kinder) von Luftangriffen ist sehr ungleich verteilt, wie man gerade wieder anläßlich der russischen Aktionen sehen kann.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.09.2015 um 17.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30155

Der Programmierer, der die ursächlichen Programmzeilen geschrieben hat, wird leicht zu ermitteln sein. Aber alle Vorgesetzten werden beschwören, daß sie von allem nichts gewußt haben und natürlich nie einen entsprechenden Auftrag erteilt haben. Es war ja genügend Zeit, alles Schriftliche zu vernichten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2015 um 11.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30150

Nach einer aufreibenden Fahrt durchs verstopfte Erlangen kann ich auch nur wieder sagen, daß ich an den fahrerlosen Autoverkehr vorläufig nicht glaube. Immerhin wird hier kein Steuergeld verpulvert.

Gestern wurde ich Zeuge, wie ein Stadtbus ohne erkennbaren Grund einem mit Blaulicht und Sirene heranbrausenden Löschzug den Weg versperrte. Der Fahrer schien zu schlafen. Um so erregter sprang der Feuerwehrfahrer aus seinem Gehäuse und hämmerte an die Scheibe des anderen. Dadurch kam er mindestens drei Minuten später am Dachstuhlbrand in der nächsten Straße an. Beinahe wäre die ganze Altstadt abgebrannt, meine Tochter hat es von ihrer Dachwohnung ebendort aus beobachtet.

Und nun das Ganze fahrerlos?

Automatische Abstandshaltung scheint mir dagegen sinnvoll, funktioniert aber offenbar nicht - oder? Ich sehe die Raser immer nur bumper-to-bumper.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 30.09.2015 um 09.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30149

Der neue VW-Chef Müller hat den Wirbel um das das fahrerlose Fahren zum bloßen „Hype“ erklärt. Vielleicht hat er recht; es spricht einiges dafür, daß das „sportliche Fahren“ so bald nicht aus der Mode kommen wird.

https://virchblog.wordpress.com/2013/07/26/intelligence-drive/
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2015 um 07.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30146

Nachtrag zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30010

Auch der Autorennsport, der in den Medien so stark berücksichtigt wird, könnte seine Rolle als flankierende Maßnahme der Autowerbung nicht mehr einfach weiterspielen. Wenn das „sportliche“ Fahren aus dem Mode kommt, sehen die Volkshelden der Formel 1 alt aus. Verfolgungsjagden in Filmen wirken erst recht archaisch, wie heute die Telefone samt Fräulein vom Amt.
In einer Übergangszeit könnte es sogar zu Geschwindigkeitsbegrenzungen kommen. Sie verlieren ihren Schrecken, weil dann ohnehin keine reichen Ausländer mehr nach Deutschland fliegen, um hier mal so richtig aufs Gaspedal treten zu können. (Gibt es diesen Hebel noch? Ich habe keine Ahnung.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2015 um 05.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30135

Wenn die Rechtfertigung so einfach wäre, hätten die "Schuldigen" sie wohl selbst vorgebracht, statt sich zerknirscht an die Brust zu schlagen. Abweichungen zwischen dem wirklichen Straßenverkehr und einer idealisierten Testsituation sind normal und erwartbar, aber hier scheint die Software doch noch etwas anderes vorzuspiegeln, das bestreiten ja nicht einmal die Unternehmen selbst. Man liest ja auch, daß intern und extern (Bosch) vor dem Einsatz der Software gewarnt worden ist. Ingenieure haben mir erklärt, daß die Software nur meldet, ob sie selber richtig funktioniert, nicht aber, ob die Testwerte realistisch sind. (Oder so ähnlich.)
Ich weiß, wie ein Dieselmotor funktioniert (im Gegensatz zu einer befreundeten Dame, die schon jahrelang einen fährt, aber nichts von Selbstzündung wußte), und habe mich aus den vielen neuen Zeitungsartikeln noch einmal über den Stand der Technik informiert. Natürlich ist das bewundernswert, aber um so dringender stellt sich ja nicht nur mir die Frage: Warum dann dieses so leicht zu entlarvende Stückchen mit seinen unabsehbaren oder vielmehr absehbaren Folgen? Und dann wieder die Frage, bei der mir fast der Verstand stillsteht: Wieso ist das nicht früher ans Licht gekommen?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 27.09.2015 um 20.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30113

Aus sprachlicher Sicht ist dieser Fall schon auch interessant.

Unter Manipulation versteht man doch üblicherweise, wenn ein zunächst regulärer Zustand später mit irgendeinem versteckten Ziel verändert, eben manipuliert wird. Das scheint aber bei VW nicht der Fall, die betreffende Steuer-SW wurde von Beginn an so gestaltet, daß die NOx-Grenzwerte eben nur unter den normierten Testbedingungen eingehalten werden. Diese Art des SW-Mappings ist in Europa (in Fachkreisen) allgemein bekannt, sie trifft für (vermutlich) alle modernen PKWs zu und man findet zumindest seit 2002 diesbezüglich einschlägige Berichte im Internet.

Der Unterschied bei VW ist lediglich, daß irgendjemand, offensichtlich ohne sich der weitreichenden Konsequenz im Klaren zu sein, öffentlich erklärte, die SW sei so geschrieben, daß die Werte (nur) beim Test sichergestellt sind und daß das Auto diese Testprozedur sogar erkennt, weil die Vorderräder stehen. Daraus folgt, man kümmert sich ganz offensichtlich nicht um die Grenzwerte des Landes und das wird als bewußter Betrug gesehen.

In Wirklichkeit arbeiten die Steuerungen fast aller PKWs so, nur gibt es bei denen keinen Nachweis, daß die SW mit Schwindelabsicht so ist, wie sie ist, und daher gibt es auch keinen Betrugsvorwurf. Es scheint so zu sein, daß überhaupt nur Dieselmotoren mit „Bluetec“-Zusatzeinspritzung theoretisch in der Lage sind, die aktuellen NOx-Grenzwerte auch im Normbetrieb einzuhalten. Man darf gespannt sein, was sich in dieser Causa noch ergeben wird.

Mir scheint dieser Fall jedenfalls der bisher intensivste „Shitstorm“ der Geschichte gewesen zu sein, garniert mit allerlei irrealen Zugaben.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 27.09.2015 um 19.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30112

Lieber Herr Ickler, einem Spitzenprodukt der Ingenieurskunst muß man sich mit Muße nähern. Gottfried Benn:

Spät erst erfahren Sie es:
bleiben und stille bewundern
vollendet umgrenzte PS.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.09.2015 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30110

Mein Interesse an Autos liegt unter Null, aber Werbung interessiert mich seit je. Was ist z. B. mit den doppelseitigen Anzeigen, die ein einziges poliertes Auto so groß zeigen, daß man es selbst mit ausgestreckten Armen nicht ganz überblicken kann? Das ist wie bei den Riesenplakaten an Bahnsteigen, die aber immerhin von anderen Gleisen aus betrachtet werden können. Angenommen, diese Bildreklamen fast ohne Text in der Zeitung wären eigentlich kontraproduktiv oder mindestens nutzlos - würden die Unternehmen das je bemerken? Gibt es Leser, die solche optische Überwältigung nicht sofort überblättern, sogar mit einer gewissen Ungeduld?
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 27.09.2015 um 15.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30109

Wenn tatsächlich die gemessenen Abgaswerte das 25- bis 35fache der veröffentlichten betragen, muß VW ganz schlechte Ingenieure haben, schließlich unterscheiden sich die offiziellen Zahlen von VW nicht um diesen Wert von denen der anderen Hersteller. Die andere Erklärung ist, daß die anderen Hersteller genauso betrügen. Dann hätten sie allen Grund, stillzuschweigen und dem Gras beim Wachsen zuzusehen.

Die meisten Kunden wissen, daß die Verbrauchswerte geschönt sind; warum sollen dann die Abgaswerte echt sein? Der eigentliche Skandal ist deshalb eher, daß die Medien behaupten, es gebe ehrliche Angaben und VW habe die Spielregeln verletzt. Da kann man sich als Kunde und Zeitungsleser schon hochgenommen vorkommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.09.2015 um 10.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30104

Um das Thema VW und Winterkorn abzuschließen: Befreundete Ingenieure in gehobener Position versichern mir, daß Tausenden von Mitarbeitern die Abgasmanipulationen bekannt gewesen sein müssen. Das liege in der Natur der Sache und könne gar nicht anders sein. Ihre Prognose: Man zieht einige Personen aus der Schußlinie, und dann wächst Gras über die Sache, wie es auch bei Siemens usw. gewesen ist. Dabei helfe das Stillhalten der anderen, weltweit und aus guten Gründen. Allerdings werden die Kosten sehr hoch sein wegen der Hartnäckigkeit der amerikanischen Anwälte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.09.2015 um 04.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30086

Studierenswert wäre die einzigartige kommunikative Situation bei Staatsbesuchen des Papstes; wir hatten das schon bei Benedikt im Bundestag und dem Changieren zwischen Politiker und Religionsführer. Schon äußerlich ist der Auftritt des Papstes in den USA mit nichts zu vergleichen. Kein anderer auswärtiger Politiker könnte dem Gastland "die Leviten lesen", wie es heißt.
Der Preis für dieses Auftreten ist aber hoch: Narrenfreiheit. Auch den Kleinwagen und das Tafeln mit Obdachlosen wissen die meisten Leute wohl einzuschätzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2015 um 12.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30031

Ob das hier bereits besprochene Wort Verantwortung noch etwas bedeutet, wird man auch an Martin Winterkorn sehen. Er bezieht das höchste Gehalt aller Dax-Konzern-Chefs – wegen der großen "Verantwortung". Aber schon wird geforscht, ob und wann der Chef etwas von dem unvergleichlichen Gaunerstückchen gewußt hat. Wozu das? Ist er nicht für das Ganze "verantwortlich"?
Wenn die Amerikaner erst darauf kommen, daß viele Millionen von ihnen wegen der Abgase früher sterben müssen, wird es richtig teuer, und Winterkorn muß vielleicht hinter Gitter.
Kleine Unternehmer, die sich so verhalten wie VW, Siemens, Deutsche Bank usw., werden wegen Unzuverlässigkeit aus dem Verkehr gezogen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.09.2015 um 08.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#30010

Als gänzlich Unbeteiligter sehe ich die Autoindustrie vor einem rhetorischen Dilemma. Einserseits hat sie von Anfang an das "sportliche" Fahren, den Fahrgenuß usw. als Verkaufsargument hervorgehoben, unterstützt von einer - für mich geradezu absurden - Heldenverehrung für Rennfahrer. Andererseits propagiert sie nun das fahrerlose Fahren, muß also das Steuern eines Autos als geradezu verachtenswerte untergeordnete Tätigkeit darstellen, mit der man einen modernen Menschen nicht behelligen sollte. Bei den fahrerlosen U-Bahnen war das kein Problem, auch nicht bei Verkehrsflugzeugen mit Autopilot. Aber beim Individualverkehr können wir mit Interesse auf die erwartbaren rhetorischen Pirouetten warten: Die "Freude am Fahren" muß in die "Freude am Gefahrenwerden" umgedeutet werden, die Mentalität des Autofahrens in die des Bahnfahrens.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2015 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29977

„Hat die Weltgemeinschaft politisch und vor allem militärisch wirklich alle Optionen ernsthaft geprüft, um die antike Oase vor der Vernichtung zu bewahren?“ (Hermann Parzinger zu Palmyra, FAZ 17.9.15)

Für Palmyra sterben? Wer ist den Alliierten in den Arm gefallen, als sie die deutschen Städte zerstörten? Es gibt keine „Weltgemeinschaft“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2015 um 17.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29933

Herr Gysi kritisiert die Flüchtlingspolitik, weil er meint, man müsse die Fluchtursachen beseitigen. Das wird er im Handumdrehen erledigen, sobald er Bundeskanzler ist.
Die Grünen sehen in den Grenzkontrollen eine "Harakiri-Politik". Wo ist das Tertium? Ich krame in meinen Japanisch-Kenntnissen, aber vergeblich.

Manchmal frage ich mich, ob die Medien alles bringen müssen, was der eine oder andere den lieben langen Tag von sich gibt, sobald er ein Mikrofon sieht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2015 um 17.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29925

An den Bahnsteigen sieht man riesige Plakate der kirchlichen Sozialverbände (Caritas usw.): Die größte Katastrophe ist das Vergessen. Es folgen Hinweise auf die Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan,

Meiner Ansicht nach haben die Werbefritzen hier den falschen Slogan ausgeheckt. In bezug auf die Judenvernichtung waren "Vergessen" und "Erinnern" angebracht, aber wie könnte man die Kriegsflüchtlinge vergessen, die jede Zeitung und jede Nachrichtensendung zur Hälfte füllen? Am selben Tag erlebe ich einen überfüllten ICE, weil der vorige konfisziert worden ist allein für den Transport von Flüchtlingen (vom München nach Berlin); so die Durchsage im Zug.

Ein falscher, gedankenlos wirkender Slogan ist schlimmer als gar keiner.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.09.2015 um 12.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29905

Wer in der Öffentlichkeit steht, kriegt anonyme Haß-Mails. Sogar ich unbedeutender Wicht habe schon welche erhalten. So auch Katrin Göring-Eckardt:

"Das ist Dreck, der gehört in die Mülltonne", sagte sie dazu. Dieser Dreck sporne sie aber an, sie werde sich nicht klein kriegen lassen."

Sie hat sich aber nicht daran gehalten, sondern die Texte ans Publikum statt in die Mülltonne befördert. Heldenhaft kämpft sie weiter.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 03.09.2015 um 09.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29840

Der Schlachtruf "Wir sind das Pack!" ist nicht die Idee der Rechten, sondern die spontane Reaktion der ganz normalen Leute in Heidenau, die friedlich demonstriert haben, von linken Antifa-Schlägern angegriffen wurden und sich dann noch Gabriels Beschimpfung als "Pack" anhören mußten.
Die wollen mit den Rechtsradikalen nichts zu tun haben und drehen den Vorwurf sarkastisch und höhnisch einfach um.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.09.2015 um 05.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29838

Noch einmal zur Inklusion (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22885)

Als das mittlerweile nicht mehr gelittene Wort "behindert" noch üblich war, wehrten sich Eltern vehement, ihr Kind mit diesem Etikett versehen zu lassen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Von "behindert" spricht man heute kaum noch, dagegen ist die Rede von "förderbedürftig", oder es wird einfach angegeben, ein Kind habe einen "Förderschwerpunkt". (...)
Es bleibt die Tatsache, dass das Etikett "förderbedürftig" auch heute nicht vorurteilsfrei gesehen wird. Auf Zeugnissen steht in einer eigenen Bemerkung "zieldifferent gefördert". Für einen kundigen Arbeitgeber heißt das, dass eine Note in einem bestimmten Fach, etwa eine Drei in Mathematik, nicht identisch ist mit einer Drei eines Schülers, der nicht zieldifferent gefördert wurde. Trotz Inklusion bleibt der Förderbedarf ein Stigma.
(welt.de 3.9.15)

Sprachliche Kosmetik ist natürlich die billigste Art der Versorgung (oder Entsorgung). Was heißt hier vorurteilsfrei? Wer einen Behinderten einstellt – wozu er unter gewissen Umständen gesetzlich verpflichtet ist –, bekommt eine Prämie, andernfalls zahlt er eine Strafe. Wozu das Ganze, wenn Behinderung nur ein Vorurteil ist? Diese Regelungen haben immerhin den Erfolg, daß man den Sachverhalt selbst nicht gänzlich verstecken und verleugnen kann, auch nicht vor den bösen Unternehmern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2015 um 09.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29832

Neue Begriffe, die nicht dem Bedürfnis der Sprachgemeinschaft entspringen, sondern von oben mit volkserzieherischer Absicht lanciert werden, ziehen unweigerlich Ironie und Spott auf sich. Wie konnte man je glauben, einem Jahrhundertproblem mit der seichten Forderung einer „Willkommenskultur“ beizukommen?
Die Rechten sind zwar fürchterlich, aber dumm sind sie nicht unbedingt. „Wir sind das Pack“ ist teuflisch gut gelungen. Welcher Politiker kann es danach noch wagen, das Gespräch mit dem Pack zu suchen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2015 um 05.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29828

Zu dem Zeitungstext wäre noch manches zu sagen. Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen Herrn Achenbachs Kommentar und meinem, was das "doch" betrifft. Die "Selbstverständlichkeit" habe ich nur etwas anders ausgedrückt.
Natürlich hat Merkel das nicht so formuliert, es ist die nicht eben wohlwollende Unterstellung der Zeitung; das habe ich aber auch ausdrücklich gesagt.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 02.09.2015 um 00.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29826

In der offiziellen Mitschrift der Regierungspressekonferenz vom 24. August 2015, auf die hier offenbar Bezug genommen wird (http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/08/2015-08-24-regpk.html), taucht das Wort »doch« nicht auf. Darin heißt es vielmehr: »Es ist abstoßend, wie Rechtsextremisten und Neonazis versuchen, rund um eine Flüchtlingseinrichtung ihre dumpfe Hassbotschaft zu verbreiten.«
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 01.09.2015 um 23.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29825

Ich sehe das mit dem [i]doch[i/] etwas anders.

Vorausgesetzt die Kanzlerin hat dieses Wort tatsächlich gebraucht, so wollte sie damit nach meinem Empfinden ausdrücken, daß sie eigentlich etwas Selbstverständliches sagt. Denn nimmt man das, was lt. Zeitungsbericht in der Aussage folgte, für bare Münze, dann ist die Aussage ja schon fast tautologisch. Dann wäre eine bloße Aussage „es ist abstoßend, ...“ banal, ja „lächerlich“. Sie würde zugleich damit ausdrücken, daß sicherlich so gut wie alle Zuhörer, ja alle „billig und gerecht denkende Menschen“ der gleichen Meinung sein müssten.

Der rhetorische Trick liegt doch in dem, was nachfolgt. Damit wird unterstellt, daß alle, die vor Flüchtlingseinrichtungen oder anderswo demonstrieren („wir sind das Pack“) dumpfe Neonazis seien. Damit wird versucht, jede möglicherweise berechtigte Kritik an der bisherigen Passivität der Regierung ggü. einer seit langem sich abzeichnenden krisenhaften Entwicklung von vornherein abzublocken.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 01.09.2015 um 16.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29824

„… wie abstoßend es doch sei …“ Ich sehe weniger eine Unterstellung als eine Wertung der Äußerung. Nicht gleichbedeutend, aber ähnlich wäre die Formulierung „wie ach so abstoßend es sei …“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.09.2015 um 06.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29821

Angela Merkel hat gesprochen. Besser gesagt: Zunächst hat die Kanzlerin sprechen lassen. Via Steffen Seibert verkündet sie, wie abstoßend es doch sei, "wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, rund um eine Flüchtlingseinrichtung ihre dumpfe Hassbotschaft zu verbreiten". Ihre Ansage nach den Ausschreitungen in Heidenau.

Das Feld vor Ort überlässt sie Vizekanzler Sigmar Gabriel. Ist das Kalkül? Sind der Kanzlerin die Probleme rund um die Asylbewerberheime in Sachsen und sonstwo zu heiß? Es ist allerhöchste Zeit, dass Merkel sich selbst klar und eindeutig äußert und vor Ort Zeichen setzt.
(Oberpfalz 25.8.15)

Der Text ist offensichtlich merkelkritisch. Jeder Satz enthält eine Ironisierung oder eine kleine Spitze, und man könnte die verschiedenen rhetorischen Mittel der Reihe nach identifizieren. Mich interessiert besonders die Abtönungspartikel doch. Die gehört eigentlich in direkte Aufforderungs- und Exklamativsätze, ist aber hier in den Nebensatz übernommen. Imperativ- und Exklamativsätze haben keine einfache Indirektheitsform, man muß sie ganz umformulieren, oft mit Modalverben wie mögen: er möge doch bitte usw.

Unterstellt wird Merkel also eine Äußerung wie Es ist doch abstoßend..., und das wäre in der Tat etwas lächerlich. Aber warum? Anscheinend wird die Wucht einer Feststellung gemindert, wenn man sie bloß in Erinnerung ruft, als sei sie eben mal vergessen worden.

Behaghel III:159 spricht von einem "wundernden doch" (zu Goethes: Hab' ich den Markt und die Straßen doch nie so einsam gesehen)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.08.2015 um 06.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29816

Wenn mein Gefühl mich nicht täuscht, bekommt es Gabriel nicht gut, daß so viele Wohlmeinende sich über ihn beugen und ihm bestätigen, wie toll er das macht.

Diesmal kam der Vizekanzler der Kanzlerin zuvor – und die ganze Republik schaute zu. Erst zwei Tage nach Sigmar Gabriel besuchte Angela Merkel das von Ausländerfeinden belagerte Aufnahmelager in Heidenau. Früher und deutlicher als die Regierungschefin hatte der Wirtschaftsminister in der Flüchtlingsdebatte Präsenz gezeigt und Position bezogen. (...) "Gabriel hat in der Flüchtlingsfrage Führung gezeigt", attestiert ihm sein Stellvertreter Ralf Stegner. (Tagesspiegel 29.8.15)

Andere sagen vorsichtiger, er habe "Präsenz gezeigt", was ja sozusagen das Minimum ist und keine "Führung". Jeder ist irgendwo.

Zurück bleibt von all diesem Schulterklopfen der Eindruck, daß der gute Junge es nötig hat.

Das Gegenteil dieser Demontage konnte man jahrelang an Merkel beobachten, der ja gleich mit Beginn ihrer Regierungszeit und dann immer wieder das unmittelbar bevorstehende Ende vorausgesagt wurde. Das galt sogar für die FAZ, wo die Merkel-Verächter inzwischen still geworden sind, während Merkel immer noch regiert.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.08.2015 um 22.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29813

Wie ist es eigentlich möglich, daß jeder Protest gegen zuviel Einwanderung von Regierung und Leitmedien sofort als Fremdenhaß bezeichnet wird?

Bürger, die sich offen auf der Straße gegen die Politik der Regierung äußern, leiden ganz bestimmt nicht unter "diffusen Ängsten".

Diese Bürger können nichts dafür, daß bei ihren Protesten leider auch immer Radikale dabei sind, die die Einwanderer als Abschaum usw. bezeichnen. Herr Gabriel und die meisten, die zur Zeit da oben das Sagen haben, wollen einfach nicht begreifen, geschweige denn sich danach richten, daß es noch verantwortungsbewußte Menschen in Deutschland gibt, die sich gegen den drohenden Untergang unserer Nation wehren.

Man kann ja darüber geteilter Meinung sein sein, trotzdem ist eine solche Einstellung noch lange kein Fremdenhaß.

Indem Gabriel hier undifferenziert alle Gegner der Regierung als Pack bezeichnet, trägt er nur seinen Anteil dazu bei, immer mehr Menschen, die keinen anderen Ausweg sehen, geradewegs in die Arme der Nazis zu treiben.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 30.08.2015 um 16.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29812

Die Heidenauer, die "Wir sind das Pack!" skandiert haben, als Merkel zu Besuch war, sind als Arbeiter, Angestellte usw. genau die "Kleinen Leute", denen anzunehmen sich die SPD seit 175 Jahren anschickt. Sie werden sich auch bei der nächsten Wahl an Gabriels Worte erinnern.

Daß die Menschen den Vorwurf "Pack" ummünzen in einen Schlachtruf, zeigt, wie groß die Distanz zwischen Politik und Menschen ist; klar wird auch, daß Politiker nicht die Instanz sind, die die Bürger Mores lehren kann.
Wenn die Menschen an der Wahlurne diese Distanz deutlich machen, stehen Deutschland interessante Wahlabende in's Haus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2015 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29806

Nachtrag:

Berlin (dpa) - Bundesinnenminister Thomas de Maizière hält die immer hitziger geführte Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen für höchst bedenklich. Die Verrohung der Sprache und der Umgang miteinander mache ihm Sorgen, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Gerade im Internet glaubten einige, sie würden die Meinung einer schweigenden Mehrheit zum Ausdruck bringen, wenn sie gegen Ausländer hetzen oder Presse und Politik verteufeln. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht die Entwicklung mit Sorge. Er war nach einem Besuch in Heidenau, wo er die Krawallmacher als "Pack" bezeichnet hatte, in sozialen Medien und per Mails unflätig beschimpft worden.

Für Kriminelle ist die Polizei zuständig. In deren Berichten kommt Pack nicht vor.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2015 um 06.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29805

Keine schlechte Woche für den SPD-Chef: Beim Thema Flüchtlinge punktet er mit Emotion und klaren Worten gegen Merkel. (...)
Gabriel war einer der Ersten, der dafür klare Worte fand: "Keinen Millimeter" dürfe die deutsche Gesellschaft solchen Rassisten Platz geben, der Vizekanzler nannte sie "Pack". Schon am Montag besuchte er die Flüchtlinge in Heidenau in ihrem stickigen, traurigen Baumarkt-Lager, sicherte ihnen Solidarität zu und schien seitdem der zögernden Kanzlerin immer um zwei Schritte voraus.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus, das ist etwas, das Gabriel glaubhaft umtreibt. Beim Thema Flüchtlinge kann er zudem seine Emotionalität gewinnbringend einsetzen, sie war ihm oft vorgeworfen worden. Der Kontrast zur technokratischen Kanzlerin wird so noch sichtbarer.

(ZEIT 28.8.15)

Wie auch einige Leser anmerken, wird Pack an Gabriel klebenbleiben. „Emotionalität zeigen“ ist ein rhetorisches Mittel wie andere, ebenso "glaubhaft wirken". Die Naivität mancher Kommentatoren ist erstaunlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2015 um 07.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29580

In den Redaktionssesseln ist nicht viel los – was soll man also schreiben? Man erfindet Ereignisse und kommentiert sie dann:

Das Erschrecken über die Rückkehr des "hässlichen Deutschen" ist groß. Dabei kann sie niemanden, der das politische Geschehen nüchtern betrachtet, wirklich überraschen. Schließlich war der Machtzuwachs Deutschlands in den zurückliegenden Jahren offenkundig. Macht und Popularität aber entwickeln sich in aller Regel umgekehrt proportional zueinander. Wieso also das Erstaunen?
Vielleicht, weil wir uns eben noch so toll fanden.
(Usw.) (ZEIT 29.7.15)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.07.2015 um 18.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29454

Für den "Stern" hat ein "Experte für Körpersprache" analysiert, wie toll die Bundeskanzlerin ein Flüchtlingsmädchen gepatscht hat:

Sie war auf diesen Moment eben wirklich nicht vorbereitet, ihre Reaktion nicht einstudiert. Deswegen wirkt sie etwas tollpatschig, aber menschlich.

Die ganze Flüchtlingspolitik in einer Nußschale, und so schön ausgedrückt!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2015 um 13.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29418

Der Gläubiger war noch nie beliebt. Sein Geld nahm man gern, als man es brauchte, aber wenn es ans Zurückzahlen geht – auch noch mit Zinsen, wo gibt's denn so was! –, kommt einem alles wie Wucher und Blutsaugen vor, ja, man kritisiert das ganze "System", in dem so etwas möglich ist. Die Juden haben es zu spüren bekommen, als ihnen außer Geldverleih nicht viel erlaubt war.

In den Romanen des 19. Jahrhunderts dreht sich eigentlich alles um Geld und Schulden (und Erbschaften).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2015 um 08.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29228

Stroh zitiert Wilamowitz-Moellendorff 1919:

„Der innere Gegensatz zwischen Isokrates und Platon, zwischen Rhetorik und Wissenschaft lässt sich nicht überbrücken; er wird in alle Ewigkeit bestehen. Die antike Bildung und die antike Kultur sind daran zugrunde gegangen, dass Isokrates die Oberhand bekam. Vielleicht geht die moderne Kultur ebenso zugrunde; die Schule ist auf dem besten Wege dazu.“
Hier können wir Wilamowitz zum Glück mit Nachdruck widersprechen. Gerade in der römischen Kaiserzeit und Spätantike war ja, wie wir sahen, die Philosophie gegenüber der Rhetorik erstarkt. Und was den griesgrämigen Ausblick in die Gegenwart und Zukunft angeht, war Wilamowitz schon 1920 widerlegt, und er ist es heute mehr als je: Die für ihn in Isokrates verkörperte Rhetorik hat jedenfalls im deutschen Gymnasium der letzten hundert Jahre eine nur noch klägliche Rolle gespielt. Wo wird heute in Schulen deklamiert? Wo wird die Stilistik im Hinblick auf die mündliche Wirkung geübt? Wo lernt man die rhetorische Kunst der Argumentation? Von Stimmschulung und Körpersprache ganz zu schweigen. (Wilfried Stroh: „Philosophen gegen Rhetoriker: der Streit um die Jugendbildung in der Antike“. http://stroh.userweb.mwn.de/schriften/philosophen_gegen_rhetoriker.pdf)

Stroh sucht an der falschen Stelle. Wir erleben ja ein ständig zunehmendes Ausufern der „Schlüsselqualifikationen“ oder „Soft skills“, der „Präsentationskompetenz“ auf Kosten der Inhalte. Auch Gender Mainstreaming und Political correctness gehören dazu. Das Deklamieren im alten Stil ist eine Liebhaberei für gewisse Kränzchen. Wilamowitz hat das durchaus richtig gesehen. Nicht zu vergessen: die moderne Werbung, auch mit nichtsprachlichen Mitteln. Nie zuvor war der Mensch von morgens bis abends einer solchen Überredungskunst ausgesetzt.

Etwas später meint Stroh:
„Dazu kommt die Rhetorik im Alltag, im Wirtschaftsleben, ja sogar im Sport: Man sehe nur etwa die beschwörenden Gesten, mit denen der Bundestrainer Joachim Löw unter Ausschluss der Öffentlichkeit, aber beobachtet vom Teleobjektiv der ARD, seine Männer einschwört: Wie wenn er dafür erst geschult wäre! Oder wird er es gar, in der Trainerausbildung?“

Was die Wirtschaft betrifft, so läuft sie vielleicht gerade wegen der Rhetorik manchmal aus dem Ruder. Haben sich nicht Millionen Menschen die Anschaffung von Immobilien aufschwätzen lassen, die sie dann nicht bezahlen konnten? Der Bundestrainer ist höchstwahrscheinlich nicht rhetorisch geschult worden, sonst hätte er vielleicht die Weltmeisterschaft verfehlt. Was soll es also?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.06.2015 um 05.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29207

Da ich gerade noch einmal rhetorische Literatur vom Ende der Nuller Jahre sichte, fällt mir auf, wie sehr Obama seinerzeit als Superstar der Redekunst (mit Grammy für bestes gesprochenes Album) galt, sondern in Tateinheit gleich als Heilsbringer der Menschheit. Ich mußte gerade noch einmal nachsehen, ob er tatsächlich den Friedensnobelpreis bekommen hat oder nur in meiner fehlbaren Erinnerung. Die Entblätterung wird vielleicht nicht so langwierig sein wie im Fall Kennedy.
(Einer meiner Studenten war seinerzeit nach Amerika gereist, um beim Wahlkampf für Obama mitzuarbeiten. Dies nur zur Erinnerung an die enormen Erwartungen, gerade in Deutschland.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.06.2015 um 18.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29203

„Trotz großem Erfolg war Walter Jens (...) wohl kein völlig guter Redner. Er hing meist am Manuskript, aus dem er seine fein ziselierten, meist antithetisch strukturierten Perioden wörtlich vorlas. Bezeichnend für seine Grenzen als Kritiker war, dass er die Verführungskunst eines Hitler oder Goebbels nicht erfassen konnte, sondern in den Hetzreden dieser Demagogen nur stilistische 'Fehler' aufspürte.“ (Wilfried Stroh: Die Macht der Rede. Berlin 2009:14)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2015 um 04.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29167

Noch einmal zu Walter Jens, auch wenn ich ihn schon zu oft erwähnt habe. Ich hatte bei allen seinen Texten das Gefühl, daß der kämpferische Ton ("Radikalrepublikaner") aufgesetzt war, wie sich denn der echte Rhetoriker über alles und jedes nach Wunsch kurz oder lang, pro oder kontra zu sprechen erbot.

Dazu kommt die Vortragsweise, die man sich sogar bei den Zeitungsartikeln unwillkürlich hinzudenken mußte. Nehmen wir einen Vortrag über Kafka (www.youtube.com/watch?v=N2DlUUX95FE). Die Stimme war nicht gerade wohltönend; dafür kann einer nichts, aber immerhin zogen berühmte Redenschreiber wie Isokrates daraus die Folgerung, lieber gar nicht selbst vorzutragen, sondern sich aufs Schreiben für andere zu beschränken. Dann vor allem die maßlose Gestik. Jens fuchtelt herum, als gelte es, Catilinas Putschversuch zu verhindern, und dabei geht es doch nur um den stillen Kafka. Zwischen den ausladenden Gebärden steckt Jens die Hände in die Hosentaschen. Er hat seinen Text nicht auswendig gelernt wie die antiken Redner, sondern liest ihn ab – eigentlich eine Monstrosität, gerade in Verbindung mit der einstudierten Gestik. Man sieht und hört ihm ein paar Minuten zu und fragt sich: Was hat er eigentlich gesagt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.06.2015 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29146

So kann man es natürlich auch sehen. Oft stellt man nachträglich fest, daß ein rhetorisch nicht so geschickter und nicht so einflußreicher Fachmann im Hintergrund das Desaster vorausberechnet hat, aber niemand auf ihn hören wollte. Und dann natürlich die Interessen, die hinter jeder Entscheidung stehen. Das übersehen, wie schon bemerkt, die Kommunikationsapostel, die den Weltfrieden für ein Kommunikationsproblem halten.
Die Kurse in Präsentationskompetenz, die nun sogar den Hochschullehrern verabreicht werden, erheben dem Mißstand zum Ziel.

Immerhin, ganz so düster kann die Lage nicht sein, sonst würden die Dinger sich ja nicht in die Luft erheben und darüber hinaus. Die Mondlandung kommt mir auch und erst recht nach so vielen Jahren immer noch wie ein Wunder vor. Nicht daß ich irgendein Interesse daran hätte, astronomisch war das ja ohne Bedeutung. Aber das Zusammenspiel so vieler Menschen und ihrer kümmerlichen Computer ...
Das ist natürlich nur ein Beispiel für unzählige Dinge, die täglich klaglos funktionieren. (Komme mir gerade wie ein naiver Fortschrittsgläubiger vor.) Ich hatte die "Fachleute", kurz gesagt, nicht als Personen im Sinn, die natürlich ihre menschlichen Schwächen haben wie wir alle, sondern als Personifikationen ihrer Disziplinen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.06.2015 um 22.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29145

Auch Fachleute lügen und täuschen (Wes Brot ich eß, des Lied ich sing), Politiker sowieso.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.06.2015 um 19.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29144

Weit gefehlt, es herrscht die Rhetorik der Fachleute.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.06.2015 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29143

Zu #29140, "Wenn die Fachleute nicht mehr randürfen, herrscht die Rhetorik – was sonst?": So auch bei der kultusministerlichen Rechtschreibreform: Vereinfachung, weniger Regeln, günstig auch für die, die nicht soviel ach so ja bürgerliche Vorbildung zum Schreiben mitbringen, usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2015 um 12.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29142

Vielmehr diese über sich selbst, vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26369

Der schönste Erfolg des Redners besteht darin, den Schuldigen seiner Strafe zu entziehen und den Unschuldigen aufs Schafott zu bringen. (Und damit noch gutes Geld zu verdienen.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.06.2015 um 12.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29141

"ton hätto logon kreitto poiein" (der schwächeren Sache zum Sieg verhelfen). Platon über die Sophisten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2015 um 12.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29140

Das geht wohl auf Aristoteles zurück, der zwischen exakten Wissenschaften und solchen unterschied, bei denen es so oder auch anders kommen kann. Ich glaube, daß "wahrscheinlich" meistens nicht die richtige Übersetzung von gr. "eikós" ist. Vielmehr geht es um das "Plausible". Die Rhetorik arbeitet mit den umlaufenden Meinungen. Etwas anderes kann auch bei der Habermasschen "Konsens"-Theorie nicht herauskommen. Daher auch das Nichtverhältnis dieser Leute zu den Naturwissenschaften, die als positivistisch, szientistisch usw. verächtlich gemacht werden. Aber wer möchte schon in ein Flugzeug steigen, dessen Konstruktion mit rhetorischen Mitteln als plausibel dargestellt worden ist? Das ist leider nicht zu weit hergeholt.

Die Lehre von der "Ubiquität" der Rhetorik ist in unangenehmer Weise wahrer, als man denkt. Nehmen wir die vielen einstürzenden Neubauten unserer Zeit. Ich habe es vielleicht schon einmal erwähnt. Hier in Erlangen sind alle großen Bauwerke in Sichtbeton-Bauweise (das Rathaus, die Kopfklinik, unser Spardorfer Schulzentrum usw.) nach wenigen Jahren für viele Millionen saniert und dann mit Kunststoff ummantelt worden; die aus derselben Zeit stammende philosophische Fakultät bröckelt irreparabel vor sich hin ("Steinschlaggefahr"). Ich denke oft, daß hier doch wohl irgendwelche Entscheidungsgremien dazu überredet worden sein müssen, die Bauwerke zu billigen.

Daran denke ich auch, wenn wieder mal Entscheidungen zum Beispiel in der Wirtschaft (Griechenland) "zur Chefsache" gemacht werden; dann wird es auf jeden Fall sehr teuer. Wenn die Fachleute nicht mehr randürfen, herrscht die Rhetorik – was sonst?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.06.2015 um 09.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29139

Die Rhetorik hat als Ziel die Überredung. Was hat das mit Wahrscheinlichkeit zu tun? Stroh meint wohl den Anschein der Wahrheit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2015 um 06.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29138

Rhetoriker erbieten sich, "Präsentationskompetenz zu lehren, so auch in Tübingen. Die Universität Erlangen hat, wie auch andere Hochschulen, die Firma Leybold & Akli angeheuert, um Kurse in Präsentationskompetenz anzubieten. Hübsche Geschäftsidee, zumal Erfolgskontrollen weder vorgesehen noch möglich sind.

In der Mail unserer Universitätsleitung finde ich außerdem ständig das Angebot des "Hochschulpfarramtes" (was es alles gibt!): Pilgerwanderungen in den Wäldern um Erlangen.

Und natürlich jede Menge "Gender und Diversity".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.06.2015 um 03.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#29128

Wilfried Stroh gehört zu den wenigen, die sich von den Tübinger Schalmeienklängen nicht einlullen lassen:

„Die Rhetorik hat als Ziel, wie man seit dem 5. Jahrhundert vor Christus weiß, nicht die Wahrheit, sondern das Wahrscheinliche. Das deckt sich zum Glück zu 75 Prozent mit der Wahrheit, aber zu 25 Prozent eben nicht. Die Rhetorik ist also keine Methode, um die Wahrheit zu finden. Manche wollen die Rhetorik so interpretieren, dass sie in Bereichen, in denen man die Wahrheit nicht sicher erkennen kann, helfe, sich der Wahrheit zu nähern. Diese Positionen von Gadamer, Habermas und anderen sind m. E. verkehrt und verharmlosen die Rhetorik. Die Rhetorik forscht nicht nach der Wahrheit, sie will sich auch der Wahrheit nicht annähern, aber sie benutzt die Wahrheit sehr gerne, weil diese die Eigenschaft hat, dass sie meistens auch wahrscheinlich ist. Aber leider nicht immer. Und der Redner muss nach den Regeln der Rhetorik darauf gehen, dass das, was er sagt, auch wahrscheinlich wirkt, sonst kann er nicht überzeugen.“

Nach traditionellen Maßstäben ist Angela Merkel keine gute Rednerin. Stroh bekennt in einem Interview, Merkel habe ihn einmal überzeugt, folglich sei sie eine gute Rednerin. Damit ist wohl der Kern getroffen. Dieselben Worte, die den einen überzeugen, weil er entsprechend eingestellt ist, stoßen den anderen ab. Insofern hat jede Gesellschaft die Redner, die sie verdient.
 
 

Kommentar von Theodor ickler, verfaßt am 25.05.2015 um 08.58 Uhr  
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Es ging und geht europäischer Redekunst um die Gewinnung der Hörer auf der Grundlage von Autorität. Man folgt dem, den man anerkennt, zu dem man (meistens ja nicht nur metaphorisch) aufschaut. Wie gewinnt man solche Autorität? Dadurch, dass der Redner sein Publikum versteht, seine Gedanken aufnimmt und mit argumentativen und sprachlichen Mitteln arbeitet, die Eindruck machen. (Göttert 478)

Was ist daran spezifisch europäisch? Göttert deutet selbst an, daß ein Vergleich mit nichteuropäischer Redekunst ihm nicht möglich ist. Nach kurzen Bemerkungen über die Gespräche des Konfuzius und einige Aphorismen Lao-tse (warum gerade diese?) fragt er: „Ob man all dies ohne Eindringen in die Voraussetzungen richtig begreift?“ (480)

Nach Dutzenden Referaten von Reden aus alter und neuer Zeit, einer Stoffsammlung, die beliebig fortgesetzt werden könnte, wirkt das Fazit zur „europäischen Redekunst“ blaß und geradezu hilflos. Auch scheint das Konstrukt der „europäischen Rhetorik“ durchgehend positiv besetzt zu sein, was nicht unbedingt zu erwarten war, nachdem Göttert völlig zu Recht auch Hitler und andere unangenehme, aber erfolgreiche Redner wieder in den rhetorischen Kanon zurückgeholt hat.

Man hat den Eindruck, daß Göttert am Ende nicht recht weiß, wozu er das dicke Buch überhaupt geschrieben hat, und nachträglich einen schlagkräftigen Begriff suchte, unter den er das Ganze programmatisch stellen könnte, und so verfiel er eben auf „europäische Redekunst“, was ja auch so zeitgemäß klingt wie das „Narrativ“.

Warum nicht Johannes Chrysostomos und Barack Obama vergleichen? Obama erzählt in einer Rede etwas aus seiner Familiengeschichte – das ist „narrative Persuasion“ (nach Till). Auch Johannes Chrysostomos (der hier auch mal Chrysostomus und Chrisostomos geschrieben wird) erzählt, bei einem Prediger keine Überraschung. Man kann den Mund nicht aufmachen, ohne etwas aufzuzählen, Antithesen aufzustellen usw. – die „Ubiquität der Rhetorik“ hat zur Folge, daß es nichts Unterscheidendes mehr gibt, alles Reden ist rhetorisch. Es kann nicht anders sein. „Mit welchem weltlichen Redner in der Neuzeit lässt sich Eckhart vergleichen? Mir fällt Johann Christoph Gottsched ein (...)“ (312) – Die Beliebigkeit liegt auf der Hand.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.05.2015 um 06.47 Uhr  
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Karl-Heinz Göttert: Mythos Redemacht. Eine andere Geschichte der Rhetorik. Frankfurt 2015.

Göttert stellt, in ausdrücklicher Anlehnung an Plutarchs Doppelbiographien, jeweils einen älteren und einen modernen Redner gegenüber, weiß aber, daß das oft ziemlich gewaltsam geschieht. Zahlreiche Reden werden in ihrem Aufbau nachgezeichnet.

Ein Hauptverdienst sehe ich darin, daß Göttert die von Cato, Cicero und Quintilian bis zu Kopperschmidt und der Tübinger Rhetorik verbreitete Definition des guten Redners als vir bonus zurechtrückt. Schon Platon war darin vorangegangen, aber der kommt bei Göttert im allgemeinen nicht gut weg, weil er auf der Wahrheit bestanden und damit den Zweck der Rhetorik verkannt habe. (Das hat er aber keineswegs, im Gegenteil. Er hat ihn nur nicht gebilligt.) Konsequenterweise ist etwa Hitler, den die Tübinger gar nicht als Redner anerkennen wollen, weil er so böse war, bei Göttert ein ausgezeichneter Redner.
Seltsamerweise sagt er an einer Stelle: „Aber Erfolg ist immer das schlechteste Kriterium zur Beurteilung von Reden. Auch Demosthenes und Cicero hatten nicht immer Erfolg, gerade bei ihren wichtigsten Reden nicht.“
Das nimmt er aber an vielen Stellen wieder zurück. Es ist auch weder logisch, noch trifft es historisch zu. Erfolg war immer das einzige Kriterium. Die genaue Erfüllung rhetorischer Regeln ist eher etwas für die rhetorischen Schulübungen.

Eine Rhetorik, die wie bei Aristoteles „beim Hörer ansetzt“, nennt Göttert „das europäische Konzept“, den „europäischen Weg“. Das kommt mir etwas modisch vor, ebenso wie das immer wieder erwähnte "Narrativ".

Sachliche Irrtümer:

Nicht Platon, sondern Sokrates ist der Gesprächspartner des Glaukon.

Isokrates ware kein „Altersgenosse von Aristoteles“ (131), sondern fast 50 Jahre älter. (Isokrates fehlt im Register, ist auch im Haupttext zu nebensächlich behandelt.)

Es gibt, wie in seinen anderen Büchern, viele Fehlschreibungen von Eigennamen: Palamides, Carl Carstens, Josef Goebbels, Jakob Burckhardt.
Der berühmte Rhetoriklehrer hieß Teisias oder Tisias, aber nicht Tesias, wie Göttert zehnmal schreibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2015 um 04.01 Uhr  
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Studenten werden angewiesen, eine Hausarbeit zu verfassen, mit der klaren Ansage, daß es auf formale Korrektheit ankomme und nicht auf den Inhalt. Das erinnert an die alte Schulrhetorik: Musterreden über beliebige, an sich gleichgültige Gegenstände. Wie wirkt das eigentlich auf längere Sicht? Wie viele Texte werden auch künftig im Grunde Blindtexte sein, mit denen man aber durchkommt.

Ich kenne zumindest eine Studentin, die darunter leidet. Sie vernachlässigt die Form keineswegs, aber ihr heftiges Interesse gilt dem Gegenstand. Darin ähnelt sie ihren Eltern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2015 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#28850

In Moskau wird der Sieg über Nazi-Deutschland oder Hitler-Deutschland gefeiert. So drücken sich die meisten Zeitungen aus. Sieg über Deutschland bezieht sich fast immer auf Fußball oder Eishockey.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2015 um 15.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#28401

Vor ein paar Tagen las ich, daß die Parteien auf Anstoß von Frau Fahimi darüber beraten wollen, wie man die Wahlbeteiligung erhöhen könne. Nur die AfD wolle man zu den Beratungen nicht einladen. Dann könnte man es gleich ganz lassen, denn dieser Umgang mit dem Schmuddelkind ist genau das, was die "Politikverdrossenheit" fördert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.02.2015 um 06.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#28213

Bundespräsident Joachim Gauck hat die sich abzeichnende Mehrheit im Bundestag für eine Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland begrüßt. "Das Parlament ist verantwortungsbereit und nimmt sich der Sache mit großer Ernsthaftigkeit an", sagte Gauck in einem Radio-Interview mit MDR Info. Der Bundestag stelle sich der Frage, was Europa gewinne, wenn ein Teil der Gemeinschaft verloren gehe. (Spiegel 27.2.15)

Es gibt einen feinen Unterschied zwischen "sich eine Frage stellen" und "sich einer Frage stellen". Das erste drückt Zweifel aus, das zweite suggeriert, daß die Frage wie eine unpersönliche Tatsache "im Raum stehe" (wie man sagt) und wir kleinen Wichte nur noch vor ihr bestehen können oder nicht. Das klingt irgendwie existenziell, um nicht zu sagen pastoral. Entsprechend die Verteilung auf Textsorten. Wissenschaftler stellen sich eine Frage, Politiker stellen sich einer Frage. Dann gibt es üblicherweise "keine Alternative" mehr.

Auch interessant:

Durch ein Versehen des MDR sind die Äußerungen des Bundespräsidenten zur Verlängerung der Griechenland-Hilfe anders als vereinbart noch vor der Abstimmung im Bundestag gesendet worden. Der MDR bedauert dies. (MDR 27.2.15)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.01.2015 um 11.21 Uhr  
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Weil man es später vielleicht nicht mehr ganz verstehen wird, will ich immer wieder mal Beobachtungen zur politischen Rhetorik der Gegenwart einschalten.

In den Zeitungen kommen zur Zeit die Redewendungen Öl ins Feuer gießen und Wasser auf die Mühlen besonders oft vor. Das erste bedeutet „(mutwillig, unnötig) die Erregung verstärken“, das zweite „unfreiwillig dem Gegner zuarbeiten, ihm Argumente liefern“ (vgl. Beifall von der falschen Seite). In beiden Wendungen schwingt mit, daß man so etwas vermeiden sollte. Es sind also Mahnungen, sich mit Meinungsäußerungen zurückzuhalten. (Zurückhaltung ist hier das Wort der Wahl.) Schon jetzt lassen sich viele Beispiele vorauseilender Selbstzensur erkennen. Ein großer Teil der Bevölkerung billigt das. Meinungsfreiheit war immer nur verhältnismäßig wenigen ein hoher Wert oder gar der höchste. Wer ohnehin nicht vorhat, sich öffentlich zu Wort zu melden, sondern nur im Privaten mault oder Witze macht, findet die „Zurückhaltung“ richtiger.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.12.2014 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#27631

Alles stürzt sich auf Frau Fahimis Vorschlag, wochenlang in allen möglichen Etablissements wählen zu lassen, der offensichtlich sinn- und aussichtslos ist, und man übersieht das eigentliche Ziel, das sie nur nebenbei erwähnt hat: die Verlängerung der Wahlperiode auf fünf Jahre. Die Gelegenheit kommt so bald nicht wieder.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2014 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#27553

Justizminister Maas hat die Proteste der Bewegung Pegida scharf kritisiert. Er sehe dort „Menschen mit einer klaren Affinität zur Ausländerfeindlichkeit“ und warnte vor einer neuen Eskalationsstufe. (FAZ online 15.12.14)

Millionen Menschen sind zwar nicht arm, aber von Armut bedroht.

Der Mensch ist zwar nicht böse, hat aber eine Affinität zum Bösen.

Alles klar. Die Welt ist viel schlimmer, als sie aussieht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.12.2014 um 19.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#27508

Es ist aber nicht nur der Fremdwortgebrauch:
Zusammenfassend wurde bewiesen, dass ... nachweislich ...

Zum einen sehr schön doppelt gemoppelt, zum andern, war das wirklich, wie es hier steht, ein zusammenfassender Beweis (der Anregung der Zellteilung), oder ist nicht vielmehr gemeint, daß zusammenfassend darüber berichtet wird, was alles im einzelnen bewiesen wurde?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2014 um 06.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#27507

Seit mehr als 15 Jahren erforscht SENSAI die holistischen Ansätze und Vorteile heißer Quellen für Haut, Körper und Geist. Zusammenfassend wurde bewiesen, dass heiße Quellen, traditionell bekannt für die Haut weichmachende Eigenschaften, nebenbei nachweislich die Zellteilung anregten. Ebenfalls wurde eine deutlich messbare Verbesserung der Hautdichte und Hautelastizität nachgewiesen. (...) THE CREAM ist die luxuriöseste und reichhaltige Tages- und Nachtpflege von SENSAI. Sie enthält den Sakura Eternal Complex, der den Prozess der Genaktivität zur Reparatur von Hautschäden optimiert - für ein revitalisiertes, makelloses Erscheinungsbild. (...) Schenken Sie Ihrer Haut die ultimative Kombination aus Koishimaru-Seide und der Kraft von Kirschblüten, um die Gen-Aktivität zu unterstützen.

Ein fast selbstparodistisches Stück Werbesprache, was den Fremdwortgebrauch betrifft. Holistisch ist immer gut, und unter einem Sakura Eternal Complex kann man sich auch was Schönes vorstellen. Besonders interessant fand ich die an der Grenze des Erlaubten entlangschrammende Behauptung, die Hautcreme greife in die Gen-Aktivität ein (was ich mir vorsichtshalber verbitten würde, denn wer weiß, welche schlafenden Gene dabei geweckt werden!). Eigentlich geht's ja immer um Wasser, Fett und Emulgator, dazu Konservierungsmittel und Duftstoffe - und dann vor allem Verpackung und eben Werbung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2014 um 05.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#27412

Wer nicht weiß, was eine Metapher ist (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1546#2740), kann wohl auch die alte Sache mit "Rhetorik in den Naturwissenschaften" wiederaufwärmen: http://elinas.fau.de/workshops/rhetorik.html
Alles Reden ist rhetorisch, nicht wahr? Nur geht dann alles Unterscheidende verloren, der Begriff wird sinnlos. Vergessen wird, daß der Kernbegriff der Rhetorik immer jenes "Plausible" oder "Einleuchtende" (griechisch eikós) war. Die spezielle Relativitätstheorie ist aber nicht plausibel. Plausibel ist, daß die Erde eine Scheibe ist und die Sonne sich darum herumdreht und daß Globuli mit null Wirkstoff helfen, weil sie schon mal geholfen haben. Rhetorik ist die Kunst der Überredung; Beweise sind das Gegenteil. Das wußte Aristoteles, aber die Tübinger imperialistische Rhetorik weiß es nicht mehr ("Ubiquität der Rhetorik").
Wegen besonderer Gefälligkeit haben die Tübinger einmal ihren Rhetorik-Preis an Margot Käßmann verliehen, worüber sich der Mathematiker Thomas Rießinger zu Unrecht wunderte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.10.2014 um 11.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#27036

Der Polizeibericht ist ja in einer recht gleichförmigen Sprache verfaßt. Jungjournalisten, die mit der undankbaren Aufgabe betraut sind, jeden Morgen etwas Zeitungstaugliches daraus zu machen, schreiben dann schon mal, bei einer Schlägerei mit betrunkenen Jugendlichen hätten Polizeibeamte "ordentlich Prügel bezogen". Auf meine Beschwerde hin hat nordbayern.de sich entschuldigt und den Text geändert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.09.2014 um 06.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26713

Lessing konnte gut formulieren und wußte es. Die Freude an seinen geschliffenen Sätzen wird wie bei Nietzsche manchmal getrübt durch den Überschuß an Rhetorik, an der Pointe, am Knalleffekt:

Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demut in seine Linke und sagte: Vater gib! die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein!

Es ist mir verdrießlich, daß der große Mann sein Talent an so etwas verschleudert hat.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 03.09.2014 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26650

Im "Tagesgespräch" heute morgen auf WDR5 ging es u.a. um Gaucks Danziger Rede. Ein Politikwissenschaftler (oder so ähnlich) erklärte, "wie eine Präsidentenrede generiert wird", bis er "am Ende des Tages" seine Rede hält.
Früher wurden Reden noch geschrieben oder verfaßt, und wenn ich mich nicht irre, hat Gauck seine Rede am Vormittag oder gegen Mittag gehalten. Es gibt das berühmte Verfertigen der Gedanken beim Sprechen, aber manche Leute kommen auch ganz ohne so etwas aus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2014 um 05.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26637

Es ist zu hoffen, daß die Paketzustelldrohnen zu den Schnapsideen wandern, die in der Vergangenheit entworfen, aber nicht verwirklicht worden sind. Schon jetzt kann man an einem Sommertag in Mittelfranken kein Fleckchen finden, wo nicht von nah oder fern ein sogenanntes Sportflugzeug zu hören ist (ähnlich der Lichtverschmutzung in der Nacht).
Aber wer weiß? Die Propaganda setzt ganz geschickt mit der Zustellung von Medikamenten an. Wer könnte dem Nachbarn die lebensrettende Arznei vorenthalten wollen, nur um seine Ruhe zu haben? Die Pizza kommt später.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2014 um 07.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26621

SPD und Grüne wollen gottloses Schleswig-Holstein (Focus 28.8.14)

Wie schrecklich!

(Es geht um den Wortlaut der Präambel zur Verfassung.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.08.2014 um 06.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26609

Steinmeier sprach das Problem selbst an: Nur 30 Prozent der Deutschen seien dafür, dass ihr Land mehr außenpolitische Verantwortung übernehme, 70 Prozent seien dagegen, viele davon kategorisch. (FAZ 26.8.14)
Die Befragten wissen eben, daß es sich um eine euphemistische Umschreibung für „Militäreinsätze außerhalb von Selbstverteidigung und Bündnispflichten“ handelt. Das Ergebnis gibt der unentwegt zum Krieg treibenden FAZ die Möglichkeit, die Deutschen der „Schrebergarten“-Mentalität zu bezichtigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.08.2014 um 04.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26593

Vor einiger Zeit erhielt ich im allerkleinsten Format eine Lektion in praktischer Rhetorik. Unser Landrat, schon seit Menschengedenken im Amt, wurde bei einer öffentlichen Veranstaltung mit der Frage konfrontiert, warum die Gelben Säcke für den Plastikmüll seit kurzem von so schlechter Qualität seien, daß man am besten zwei übereinanderziehe, damit sie nicht zerreißen. Jeder wußte sofort, was gemeint war und daß es sich wirklich so verhielt. Der Landrat antwortete ohne zu zögern, das sei nicht der Fall, die Säcke hätten sich nicht verändert. Ich nehme an, daß er keine Ahnung hatte, aber die Selbstsicherheit war beeindruckend. Natürlich hatte niemand einen Müllsack zur Hand, geschweige denn einen alten und einen neuen zum Vergleich, und so verpuffte die Frage wie so manche andere.
So muß man es machen.
In der Zeitung und in Leserbriefen wurde später der wahre Sachverhalt dargelegt, aber der Politiker vertraut mit Recht darauf, daß sich dann niemand mehr dafür interessiert. Der rhetorische Effekt ist das einzige, was zählt.
(Die Landkreise als Verwaltungsebene mit geringfügiger Zuständigkeit könnten meiner Ansicht nach wegfallen wie seinerzeit der bayerische Senat, den auch niemand vermißt.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.08.2014 um 11.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26525

"Globalisierungsgestalter" – das ist nicht, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, ein Beiname Gottes, sondern Berufsbezeichnung von Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Radermacher, der bei Redneragenturen zu besonders vielen verschiedenen Themen geordert werden kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2014 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26426

Wenn es amazon nicht gäbe, wüßten wir nicht so gut über den Markt für gebrauchte Bücher Bescheid:

Zug um Zug von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück
0,01 Euro

Steinbrück - Die Biografie von Daniel Goffart
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Uwe-Karsten Heye/Hugo Müller-Vogg: Steinbrück oder Merkel? 0.01 Euro

Peer Steinbrück: Biografie von Daniel Friedrich Sturm und Heiko Sakurai
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Steinbrück: Biographie von Eckart Lohse und Markus Wehner
0,23 Euro

Man kann nicht früh genug an Weihnachten denken, und das wäre doch etwas für den Gabentisch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.07.2014 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26394

Der evangelische Kirchenmann der FAZ legt in einem Leitartikel am 25.7.14 dar, daß die "Lerngeschichte" (dieses Wort wiederholt er unermüdlich) die Kirche nach dem Ersten Weltkrieg zunächst vom Staat weg in Richtung Pazifismus geführt habe, daß sie aber nunmehr zur Billigung von Militäreinsätzen, Kampfdrohnen usw. führen müsse, wie es auch die anderen Staaten von uns erwarteten. Der Inhalt dieser Forderung überrascht nicht, er ist ja Tenor des politischen Teils der FAZ. Aber Bingener scheut sich nicht vor der Ableitung normativer Ziele aus dem selbsterfundenen Konstrukt der "Lerngeschichte". Er schreibt sogar: "Von Beginn an war die Europäische Union als Lerngeschichte entworfen worden." Ganz verliebt in diese Wortfindung. Ebenso die mehrnals erwähnten "aktuellen Herausforderungen" – so werden Willenskundgaben als objektive Gegebenheit verkleidet. Viele Leser haben bemerkt, wohin die Reise geht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2014 um 16.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26375

Solche Ansichten (Mensch als Maß aller Dinge, Universum für den Menschen gemacht) liegen mir natürlich ganz fern. Mit dem Beispiel Wald wollte ich nur andeuten, daß die Entgegensetzung einer sich selbst überlassenen "Natur" oder "Erde" und dem sie verunstaltenden Menschen nicht aufgeht. Aber ich will dazu nichts weiter sagen.

Die Häuptlinge kleiner Völker fahren heute auch große amerikanische Autos und vermarkten die Legende von ihrem ehemals naturschonenden Leben auf der Grundlage einer Subsistenzwirtschaft, zu der sie keinesfalls zurückkehren wollen.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 21.07.2014 um 12.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26374

Es geht doch nicht um ''das Leben'' im Sinne der Gesamtheit aller Lebewesen, sondern um das, was Menschen mit ihrem Planeten anstellen: Umweltverschmutzung, der u. a. daraus resultierende Treibhauseffekt, der zur globalen Erwärmung und damit zum Abschmelzen der Pole führt. Das führt zu Überschwemmungen und damit zu vielen Toten. Das meinte ich mit ''regulierenden Prozeß''. Menschen stören das natürliche Gleichgewicht, und die Folgen dieser Störung reduzieren die Menschen. Das kann man so darstellen, als ob ''die Erde'' das bewußt veranlassen würde, und diese – vermenschlichte – Darstellung kann vielleicht dabei helfen, daß Leute die Zusammenhänge besser verstehen – und vielleicht Schritte unternehmen, damit es nicht soweit kommt.

Ich denke, das ist es, was der Häuptling sagen will.

Weitere solche regulierenden Prozesse sind denkbar, z. B. die Verwendung von Kunstdünger führt zur massiven Erhöhung der Zahl der Menschen, das führt zu mehr Streß, das führt zu mehr Krankheiten und Gewalt, zu Umweltproblemen, zur Auslaugung von Böden etc. und damit letztlich zur Reduzierung von Menschen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erkennen, daß Gewalt hier eine Folge von Umweltbedingungen ist (natürlich nicht jede Gewalt), nicht von persönlicher Bösartigkeit, und es somit sinnlos ist, moralisch oder juristisch dagegen vorzugehen. Das kann man zwar tun, aber es ändert nichts daran, daß Gewalt weiterhin passieren wird.

''Ohne den Menschen wäre ganz Europa lückenlos von Wald bedeckt. Schön? Ja, aber für wen?''

Es gibt Höhlen, in denen schon seit Jahrtausenden Kristallformationen entstehen – und wieder vergehen. Schön? Ja, aber für wen?

Milliarden von Sonnen, viele davon mit Planeten, unerreichbar weit von der Erde entfernt. Schön?
Ja, aber für wen?

Diese Art von Argumentation könnte beliebig weitergeführt werden. Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, der Mensch sei das Maß aller Dinge! Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, das Universum wäre ganz allein für den Menschen gemacht!
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 21.07.2014 um 12.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26373

http://virchblog.wordpress.com/2012/05/20/die-erde-scheist-drauf/
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2014 um 11.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26372

Viele Metaphern! Was bedeutet "Gleichgewicht" hier? Was sind "natürliche Prozesse"?
Das Leben hat die Erde gründlich verändert, man denke an den Sauerstoff, an die Gebirge aus Muschelkalk... Ohne den Menschen wäre ganz Europa lückenlos von Wald bedeckt. Schön? Ja, aber für wen?
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 21.07.2014 um 09.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26371

Zu #26215:

Nun ja, bis zur Ankunft des ''weißen Mannes'' lebten sie in höherem Grade '''im Einklang mit der Natur'' als wir das heute tun. Auch heute dürfte ihr Leben, wenn sie denn noch nach traditionellen Regeln legen, weniger umweltschädlich und ressourcenverbrauchend sein als das Leben das wir heute führen, egal was wir aus unserer Sicht ihnen vorwerfen mögen.

Die Aussage des Häuptlings mag für uns inhuman klingen, aber letztlich geht es hier nicht um seine persönliche Ansicht, sondern die der Erde und der regulierenden Prozesse, die auf ihr stattfinden. Diese SIND inhuman in dem Sinne, daß sie nicht vom Menschen gemacht sind und nicht von ihm kontrolliert werden. Sie laufen ab, haben (wahrscheinlich) noch nicht mal etwas, was wir als Bewußtsein bezeichnen würden. Aus der ''Sicht'' dieser Prozesse ist der Mensch nur eine von vielen Lebensformen, die zudem noch recht neu ist, und wenn er Probleme macht, d. h. die natürlichen Prozesse auf der Erde stört oder aus dem Gleichgewicht bringt, dann kann das seine Auslöschung zur Folge haben. Es geht hier nicht darum, was wir als human ansehen und was nicht.

Der Häuptling hat nur etwas sehr prägnant ausgedrückt, was die Menschen westlicher Zivilisationen nicht gerne hören wollen. Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, der Mensch sei das Maß aller Dinge!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2014 um 04.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26369

Der Tübinger Rhetoriker Olaf Kramer schreibt:

Aber wenn Protagoras äußert, es gelte, "die schwächere Sache zu stärkeren zu machen", und wenn er im Menschen das "Maß aller Dinge" sieht, dann erscheint uns das heute durchaus überzeugend und nicht länger verwerflich, wie Platon uns glauben machen will, der mit rhetorischen Mitteln die Erzählung von der Existenz einer unveränderlichen Wahrheit in die Welt setzte.
Platons Erzählung ist zerbrochen und andere große Erzählungen wie die Vernunft-Verehrung der Aufklärung oder die Fortschrittsgläubigkeit der Moderne, die lediglich Transformationen des Platonischen Entwurf sind, erscheinen uns inzwischen überkommen.
(http://www.gradnet.de/papers/pomo2.papers/kramer00.htm)

Protagoras hat nicht geäußert, "es gelte", die schwächere Seite zur stärkeren zu machen (so reden nur die Tübinger Rhetoriker mit ihrem ständigen "Gelten"), sondern er hat sich erboten, dies auf Wunsch zu tun.
Platon erzählt zwar gelegentlich auch, aber seine Ideenlehre ist keine Erzählung, sondern mit Argumenten gestützt, z. B. die Anamnesis-Lehre apriorischen Wissens. Diese Lehre mag falsch sein, aber sie ist nicht "zerbrochen" (ein Ausdruck vom selben Schlag wie das "Gelten"); im Gegenteil, die Leute zerbrechen sich bis heute die Köpfe darüber.
Die Aufklärung erschöpft sich nicht in "Verehrung" der Vernunft und ist auch keine "Erzählung", aber das wird ein Tübinger Rhetoriker nie begreifen, der sich stets an die Konsens-Theorie der Wahrheit klammert und daher auch Habermas und die französischen Poststrukturalisten ins Boot holt, die ihm bestätigen, daß es keine Wirklichkeit gibt, nur Texte, Texte, Texte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.07.2014 um 04.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26215

"Häuptling" ist schon recht, es geht ja um uralte Weisheit...
Es ist schon erstaunlich, wieviel Platz die FR diesem Geschwätz einräumt. Die Geschichte von den Indianern, die im Einklang mit Mutter Erde lebten, darf man aus Gründen der politischen Korrektheit nicht anzweifeln. Da nimmt man auch das inhumane Gerede hin, daß die Erde sich von den Menschen "reinigen" werde, als seien sie eine Art Schimmelbildung. Unbedarfter als dieser Häuptling kann man nicht reden, aber das eigentliche Ärgernis sind die Leute, die so etwas ernst nehmen.
Jared Diamond bekam kürzlich Schwierigkeiten, als er auf die Gewalttätigkeiten von Papuavölkern hinwies. Das war ganz und gar nicht korrekt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 02.07.2014 um 14.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26210

»Häuptling der Indianer«, darf man das also noch schreiben?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.07.2014 um 13.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26208

Die Frankfurter Rundschau führt ein "Gespräch mit John Fire Lame Deer, Häuptling der Mnikowoju-Lakota-Indianer, über ein Leben im Einklang mit der Natur und die Möglichkeiten, die Krisen der Welt zu lindern." (1.7.14)

Der Häuptling abschließend:

Die Erde ist ein lebender Organismus. Sie kann Zerstörung nur bis zu einer gewissen Grenze tolerieren. Dann beginnt sie, sich selbst zu reinigen. Wenn das heißt, der Mensch muss verschwinden, dann wird das passieren.

Die Älteren werden sich noch an weise Worte von Indianerhäuptlingen und Medizinmännern aus den siebziger Jahren erinnern - oder war es noch früher? Die Bereitschaft zur andächtigen Entgegennahme war damals sehr groß.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2014 um 04.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26183

Der Okkultismus beruht im wesentlichen auf Sprachzauber, also Rhetorik:

Quantum Matrix® ist eine einfache Methode der Transformation von hinderlichen Mustern und Konditionierungen. Die wissenschaftlichen Grundlagen dafür stammen aus den Bereichen der Energiemedizin und Quantenphysik.

Grundlage ist die Interaktion mit der Matrix - “göttliche Matrix”- als Blaupause unseres Seins. Die Methode ist abgeleitet von Matrix Energetics® von Dr. Richard Bartlett und Dr. Frank Kinslow mit QE und Quantenheilung. Darüber hinaus fließen Elemente aus dem NLP, der Lichtarbeit und dem Systemischen Familienstellen mit ein.

(http://www.quantummatrix.de/?gclid=CPDA883bm78CFdOhtAodAWkAlQ)

Man kann die einzelnen Stichwörter googeln und kommt aus dem Staunen nicht heraus. Praktisch mit nichts in der Hand könnte man ein Unternehmen gründen und in so vagen Worten Heilung versprechen, daß einem die Behörden nichts anhaben können.

Es ist sicher kein Zufall, dass viele Prominente aus allen Lebensbereichen eine Enagic Maschine ihr Eigen nennen. Insbesondere in den USA, wo Kangen Wasser eine weitaus größere Verbreitung genießt, als im deutschsprachigen Raum, vertrauen viele bekannte Persönlichkeiten der gesundheitsfördernden Wirkung.
Dazu gehören:
Bill Gates, Brad Pitt, Angelina Jolie, Magic Johnson, Jack Nicholson, President Obama, Steven Seagal, Donald Trump, Elton John u.a.

(http://www.quantummatrix.de/6591)

Wir leben hier in Erlangen ja sozusagen in einer Medizin-Hauptstadt, aber dazwischen wuseln esoterische Paramediziner und "Therapeuten" umher und können sich darauf verlassen, eine breite Klientel zu finden. Die als Referenzen angeführte internationale Prominenz sagt dem kritischen Beobachter eigentlich schon alles.

Buchstäblich besonders billig ist es, Luft und Wasser zum Gegenstand höchster Aufmerksamkeit zu machen. Viele Menschen sind bereit, diese beiden Stoffe, um die ja kein Weg herumführt, unter Verdacht zu stellen. Aber die Rettung ist nah.

Auch der Sprache kann man nicht ausweichen, daher gibt es hier eine ähnliche paranoide Mystifizierung durch Feministen, Dekonstruktivisten, Poststrukturalisten (Lacan, Kristeva usw.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.06.2014 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26075

Schneller als gedacht haben wir die Probe aufs Exempel: Todenhöfers Gauck-Montage. Mal sehen.
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 13.06.2014 um 15.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26042

Vorsicht vor der "Boarischen Wikipedia"! Die schadet dem Erhalt der bairischen Sprache mehr als sie ihm nützt. Es gibt dort vor allem einige wenige Meinungsmonopolisten, die teilweise gar nicht richtig bairisch können und die alles niederbügeln und löschen, was ihnen nicht in den Kram paßt.
Unsere ernsthaften Sprachforscher (A. Rowley, L. Zehetner, B. Stöhr) haben mit diesem Machwerk nichts zu tun!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.06.2014 um 14.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26041

In der Boarischen Wikipedia wird unter "Hund"; "des is a hund" behauptet, hier käme "hund" von altbairisch / althochdeutsch "hunt", Hundertschaft, hier "Anführer einer Hundertschaft".
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 11.06.2014 um 22.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26031

Nachtrag. Ich sehe gerade, bei Zehetner (Bairisches Deutsch, 2014) kommt das Wort verrückt doch vor. In seinem "Umkehrwörterbuch" ist zu lesen:
"verrückt => hirnrissig, übergeschnappt, nicht (mehr) gescheit„ {spinnert, nàrrisch, nàsch, verruckt, geschrollt}"
(Hervorhebung von mir.) Ich selbst kenne das Wort verruckt allerdings aus dem südlichen Oberbayern nicht. Sollte es in mündlicher Rede vorkommen, so würde man es vermutlich für eine bewußte Einfügung eines schriftdeutschen Wortes in einen bairischen Satz halten (was ja immer wieder vorkommt).
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 11.06.2014 um 22.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26030

Nein, Herr Riemer. Das Wort verrückt gibt es im Bairischen nicht. Das, was das schriftdeutsche Wort meint, heißt auf bairisch spinnerd oder auch depperd (es gibt noch ein paar andere, vulgärere Ausdrücke, je nach Region).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.06.2014 um 21.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26029

Könnte es sein, daß die zwei Wörter verreckt und verrückt im Bairischen sehr ähnlich klingen? Daß manchmal das eine, manchmal das andere gemeint ist?
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 11.06.2014 um 21.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26028

Anmerkungen zum "Hund" im Bairischen. Als Schimpfwort wird "Hund" praktisch nie allein verwendet, sondern immer nur mit Adjektiv (z.B. du gscheada Hund, du bläda Hund).
Steht das Wort allein, so drückt es immer Anerkennung aus, die allerdings auch neidvoll sein kann. Die Wendungen ohne Adjektiv, z.B. a Hund îsa scho, oder mei, dees hàn fei Hundt sind eindeutig Respektsbezeugungen. Was die Herkunft des Wortes "Hund" in diesen Fällen angeht, sind einige Sprachkundige (so z.B. Michael Weithmann, 2011) der Meinung, hier sei gar nicht das Haustier namengebend, vielmehr leite sich das Wort von den Hunnen ab (bair. Sg. Hunn). So nämlich wurden im späten Mittelalter (wohl auch noch in der frühen Neuzeit) ungarische fahrende Händler genannt, die sich häufig durch besondere Schläue oder gar Gerissenheit auszeichneten.
Der häufig gebrauchte Ausdruck varreggda Hund ist ambivalent. Er kann sowohl Anerkennung als auch Schimpfwort sein, je nachdem, in welchem Kontext er steht. Das Wort varreggd hat nämlich im Bairischen eine viel umfassendere Bedeutung als seine Entsprechung im Schriftdeutschen (verreckt). Es bedeutet (auch) schlau, gerissen, fintenreich, listig usw., andererseits aber auch vertrackt, verzwickt, schwierig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.06.2014 um 11.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26020

Ein gerissener Dialektologe könnte die Richter vielleicht davon überzeugen, daß "Spinner" in Bayern ein sehr anerkennendes Wort ist, also etwa wie "Hund".
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 11.06.2014 um 09.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26018

Das würde wohl kaum funktionieren – non licet bovi! Einen bayerischen Autofahrer hat es 2009 1600 Taler gekostet, einen Polizisten als »Spinner« zu bezeichnen. Bei Gauck käme vermutlich noch ein Majestätsbeleidigungszuschlag obendrauf. Allenfalls könnte man ihn straflos als »versponnen« bezeichnen und darauf setzen, daß die Anspielung verstanden wird.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 10.06.2014 um 21.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26017

Anlaß für Gauck, das Wort zu gebrauchen, war der Anliegerprotest gegen ein Asylbewerberheim. Die NPD hat den Protest unterstützt.
Mich stört die Gleichsetzung Kritiker an Asylbewerberheimen = NPD-Anhänger/ -Wähler/ -Mitglied = Rechtsradikaler = Dummkopf in bezug auf die Geschichte = Spinner.

Gauck wird inzwischen eingesehen haben (und sich sagen lassen haben), daß der Ausspruch ein Fehler war; er wird ihn deshalb so oder so nicht an der Linken ausprobieren. Daß die allerdings im Dreieck springen würde, darf als sicher gelten (zumal schon Dobrindts Mautpläne ausländerfeindlich gescholten werden).

Für einfache Parteimitglieder dürfte die Meinungsfreiheit nicht geringer sein als für den Bundespräsidenten. Es kann dann ja ein NPD-Mitglied ausprobieren, den Bundespräsidenten Spinner zu nennen und dem Gericht dann mit exakt denselben Worten kommen, die Voßkuhle beim heutigen Urteil vorgetragen hat.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.06.2014 um 17.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26016

Eigentlich ist es zuviel der Ehre, die Neonazis als Spinner zu bezeichnen, denn viele Genies und Erfinder wurden zunächst so bezeichnet von Leuten, die deren Gedanken nicht verstanden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2014 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26014

Man könnte es mal versuchen - und dann die Urteile vergleichend nebeneinanderhalten.

Als Nichtjurist sage ich mir: Es gibt Wörter wie Schuft, Schurke, Spinner, Schlingel, die ausschließlich der Beschimpfung dienen, also in keinem Fall einen deskriptiven Gehalt haben. (Also anders als Arschloch, das in manchen Kreisen der Normalausdruck für - na, eben ein Arschloch ist.) Solche Ausdrücke können weder wahrheitsgemäß noch wahrheitswidrig zugeschrieben werden, sie drücken nur Mißbilligung aus. Ich könnte mir vorstellen, daß jemand aus Lebenslauf und Lebensweise von Herrn Gauck eine hinreichende Begründung ableitet, ihn mit einem solchen oder ähnlichen Schimpfwort zu belegen. Es gibt ja nicht wenige Menschen, die ihm allerlei vorwerfen. Aber das spielt im Grunde keine Rolle, weil, wie Herr Markner sagt, der Mangel an Reziprozität das Hauptübel ist.

Auffallend viele Journalisten sind begeistert, daß Gauck nun "austeilen" darf. Rechtliches Denken ist nicht sehr verbreitet, vor allem wenn es dem Schutz des Gegners dient. Ich würde mir wünschen, daß auch mal die Linke in gleicher Weise auf die Probe gestellt wird.

Insgesamt glaube ich aber, daß Gauck sich keinen Gefallen getan hat, erst recht nicht nach dem Urteil. Ein Staatsoberhaupt, das "austeilt", hat schon verloren.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 10.06.2014 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26013

Vor allem ist die fehlende Reziprozität anstößig, denn die NPD darf Gauck nicht ihrerseits »Spinner« nennen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2014 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#26011

Laut Bundesverfassungsgericht darf der Bundespräsident die NPD-Anhänger (Mitglieder? Wähler?) "Spinner" nennen. "Focus" berichtet:

Gauck habe mit der Bezeichnung „Spinner“ zwar ein negatives Werturteil abgegeben, das für sich genommen durchaus als diffamierend empfunden werden könne, urteilten die Richter. Im Zusammenhang gesehen sei die Wortwahl aber nicht zu beanstanden. „Spinner“ stehe hier für Menschen „die die Geschichte nicht verstanden haben und, unbeeindruckt von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, rechtsradikale - nationalistische und antidemokratische, Überzeugungen vertreten“.

Meiner Ansicht nach hätte das Gericht keine solche Begründung einschließlich historischer Belehrung geben dürfen, sondern sich darauf beschränken sollen, daß Spinner eine zulässige Meinungsäußerung sei. Dann könnte man auch die Linke und Nahles und Gauck Spinner nennen und wüßte, woran man ist. Aber als Staatsoberhaupt die Parteien danach einzuteilen, ob sie richtige oder falsche Lehren aus der Geschichte gezogen haben - das geht gar nicht.

(Natürlich sind die NPD-Leute Spinner, aber ich bin ja auch kein Bundespräsident.)
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 10.06.2014 um 07.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25997

nach meiner Erinnerung wurde die mengentheoretische Begrifflichkeit sozusagen folgenlos eingeführt, denn in den höheren Klassen kam sie nicht mehr vor; die Differentialrechnung unterschied sich in nichts mehr von derjenigen, die wir gelernt hatten.

Das ist richtig, und ich erinnere mich noch, daß unsere Mathematiklehrerin in der 11. Klasse an einer Oberstufenschule, die anfangs versucht hatte, den Lehrplan mengentheoretisch umzusetzen, dabei aber nur auf Unverständnis stieß, ziemlich frustriert war. Sie hatte erwartet, den ersten rein mengentheorisch konditionierten Jahrgang anzutreffen, mußte aber feststellen, daß sie ganz konventionell ausgebildete Schüler vor sich hatte. Ihr Kommentar damals: "Dann habe ich mir die ganze Arbeit ja völlig umsonst gemacht." Selbst schuld, möchte man sagen, denn bessere Kommunikation mit den Kollegen an den Mittelstufenschulen hätte ihr die überflüssige Arbeit erspart.

In der 12. Klasse fand ich mich dann in einem Mathematikkurs einer urprünglich aus der DDR stammenden und dort ausgebildeten Lehrerin wieder. Die war zwar recht autoritär, konnte aber unglaublich gut und verständlich erklären. Selbst das Thema "Komplexe Zahlen" erschien so beinahe als kinderleicht, und der Notenschnitt im Kurs war immmer überdurchschnittlich. Es war an westdeutschen Schulen außerdem stets ein offenes Geheimnis, daß die DDR-Lehrbücher in Mathematik um Längen besser waren als die der alten Bundesrepublik. Fast alle Mathematiklehrer haben Eltern damals unterderhand empfohlen, ostdeutsche Lehrwerke anzuschaffen, weil die westdeutschen Bücher so schlecht waren.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.06.2014 um 13.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25991

Man muß zwei Symmetrie-Gleichungen lernen, denn für das bekannte Beispiel mit den Arbeitern und ihrer Arbeitszeit dreht sich die Symmetrie um. Natürlich wäre es sinnvoll, die gesuchte Größe X zu nennen und die Gleichung nach X aufzulösen, aber das sollen Grundschüler noch nicht, weil es Algebra wäre. Ohne X ist alles schwieriger.
Mathematisches Verständnis soll aber gerade möglichst nicht im Auswendiglernen von Formeln bestehen, sondern im Nachdenken über den Sinn der Aufgabe; dann kann man sich den jeweiligen Rechenweg selbst ableiten, auch wenn das etwas länger dauert.
Beim Dreisatz besteht der Sinn im Zurückgehen von der gegebenen Vielheit auf die Einheit Eins und dann dem Schluß auf die gesuchte neue Vielheit. Viele Schüler lieben geometrische Berechnungen, weil sie sich dabei etwas vorstellen können. (Die alten Griechen lösten alle Probleme geometrisch, die Algebra wurde von den arabischen Wissenschftlern erfunden, aber noch ohne unsere Formelschreibweise, die kommt von den französischen Mathematikern.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.06.2014 um 11.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25990

Nicht, daß ich jetzt womöglich falsch verstanden werde, wir haben natürlich entsprechende Aufgaben in der Schule auch bis zum Gehtnichtmehr geübt. Nur haben wir sie oder das Lösungsverfahren nicht Dreisatz genannt. Ich weiß nicht mehr, wie das damals in Ostdeutschland hieß, vielleicht irgendetwas mit Proportionalität oder Verhältnisrechnung, jedenfalls nicht Dreisatz.

Das Problem ist m. E. die Symmetrie. An 3 ist nichts symmetrisch, deshalb ist das schwerer zu merken, als wenn man
a1 / a2 = b1 / b2
vor Augen hat. Man kann es auch so schreiben wie in meinem letzten Beitrag, das ist ganz egal. Das Ausrechnen ergibt sich dann von ganz allein. Aber Dreisatz? Wie soll man die drei gegebenen Größen anordnen, malnehmen oder teilen? Oder heißt es Dreisatz, weil er angeblich in drei Schritten zu lösen ist? Diese muß man sich dann merken, hoffentlich verwechselt man dabei nicht die Ausgangszahlen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es etwas Einfacheres als die angegebene doppelt-symmetrische Gleichung gibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2014 um 11.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25988

Eine Parallele zur Rechtschreibreform besteht darin, daß damals ein Unmenge von Büchern verkauft werden konnte wie: "Eltern lernen die neue Mathematik" u. ä. Warum sollten Eltern die neue Mathematik lernen? Aus dem einzigen Grund, ihren Kindern helfen zu können. Man setzte also stillschweigend voraus, daß die Lehrer ihren Schülern diese Mathematik nicht würden beibringen können.
Ich will zur Sache selbst nichts sagen, das ist ja ziemlich ausdiskutiert, aber nach meiner Erinnerung wurde die mengentheoretische Begrifflichkeit sozusagen folgenlos eingeführt, denn in den höheren Klassen kam sie nicht mehr vor; die Differentialrechnung unterschied sich in nichts mehr von derjenigen, die wir gelernt hatten.

Aristoteles unterschied zwischen "dem ersten an sich" und "dem ersten für uns". Didaktiker sollten das beherzigen.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 09.06.2014 um 08.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25987

Für mich persönlich waren die ersten zwei Jahre in "Mathematik" verlorene Zeit, weil wir zu den Versuchskaninchen gehörten, denen man Mengenlehre beizubringen versuchte (70er Jahre). Erst ein Wechsel des Klassenlehrers, der auch finanziell unabhängig und nicht auf seine Grundschullehrerstelle angewiesen war, führte dazu, daß dieser uns mit Geduld und Spucke das Rechnen beibrachte und sein bestes tat, die zwei verlorenen Jahre aufzuholen. Aus den Erinnerungen meiner Mutter kann ich übrigens eine Parallele zur RSR beisteuern, nämlich Kurse für Eltern, die ihnen ermöglichen sollten, den Schulkindern bei der Erledigung der Hausaufgaben zu helfen. Laut meiner Mutter waren selbst Eltern mit Abitur und Universitätsabschluß vollkommen überfordert, vom großen Rest ganz zu schweigen.

Daß Herr Riemer von dem "ominösen Dreisprung" erst als Erwachsener erfahren hat, finde ich erstaunlich. Wir haben diese Vorgehensweise als Schüler bis zur vollständigen Automatisierung eingeübt, eben weil sie so einfach und effektiv ist (auch in der Prozentrechnung). Inzwischen hat die EU ja vernünftigerweise erzwungen, daß die Preise pro Einheit auf den Preisschildern für Lebensmittel erwähnt werden müssen, aber bis dahin habe ich das alles schnell als "Dreisatz" im Kopf durchgerechnet – wie gesagt, vollkommen selbstverständlich und automatisiert.

Im übrigen scheint der "Dreisatz" heute im Mathematikunterricht keine Rolle mehr zu spielen, denn die zweithäufigste Klage (nach der über mangelhafte Rechtschreibfertigkeiten), die ich von Geschäftsleuten in bezug auf Auszubildende vernehme ist: "Die können nicht mal einen Dreisatz rechnen." Vielleicht beherrschen Schüler heute andere Dinge, die sich allwissende Mathematik-Didaktiker ausgedacht haben; sie dürften in der Praxis aber ähnlich nutzlos sein wie die Mengenlehre.


 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2014 um 04.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25980

Herr Markner hat recht, und ich muß meinem Genius Fesseln anlegen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.06.2014 um 22.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25979

Wir haben so etwas in der Grundschule Textaufgabe genannt. Es kam ja dabei weder vorrangig aufs Rechnen noch auf physikalisches Verständnis an, sondern darauf, daß man ein verbal formuliertes Problem richtig verstehen und in eine Rechenaufgabe umwandeln konnte, die natürlich dann auch noch richtig ausgerechnet werden sollte. Wesentlich an einer Textaufgabe war nicht nur die richtige Lösung, sondern vor allem der sogenannte Antwortsatz! Es ging also ums Textverständnis.

Das Wort Dreisatz finde ich verwirrend, ich kann verstehen, wenn Schüler damit Probleme haben. Es geht doch immer um 4 Größen, je 2, die mit 2 anderen im gleichen Verhältnis stehen, a1:b1=a2:b2, die gegebenen Werte setzt man ein, und den übriggebliebenen unbekannten Wert rechnet man aus. Das ganze ist wunderbar symmetrisch und sehr leicht zu merken. Gut, daß ich von diesem ominösen "Dreisprung" erst als Erwachsener überhaupt zum erstenmal gehört habe.

Daß man in Bayern eine richtige Lösung, die auch noch nicht einmal per Zufall richtig ist, sondern mit einem richtigen Lösungsweg ermittelt, also belegt wurde, als nicht gelöst bewertet, kann ich fast nicht glauben. Wenn das wirklich so wäre, dann fände ich das, mit Verlaub, echt schwachsinnig.

 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.06.2014 um 21.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25978

Das Aufstellen einer linearen Gleichung mit einer Unbekannten, z.B. X, ist natürlich immer die einfachste Rechenmethode. Aber in der (bayerischen) Grundschule ist das ausdrücklich verboten, ebenso das Dreisatz-Rechnen. Die (bayerischen) Grundschüler dürfen nur die amtlich zugelassenen Rechenverfahren benutzen, sonst gilt die Aufgabe als nicht gelöst. Ein kleiner Gauß hätte schlechte Karten. Ein Term ist keine Gleichung, sondern eine Rechenmethode ohne Unbekannte. Erst in den Weiterführenden Schulen dürfen die Schüler rechnen, wie sie wollen. Das hat mir das Bayerische Schulministerium ausdrücklich bestätigt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.06.2014 um 21.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25977

Das setzt voraus, daß noch zwei Tage bleiben, aber da davon im Text nicht ausdrücklich die Rede ist, muß man schon die Klammer (7 - 5) in die Gleichung einfügen, wie das hier auch geschehen ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2014 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25976

Ich bin nicht vom Fach, aber ich lege mir die Aufgabe so zurecht, daß die Benennung der Größen als belanglose Einkleidung der Rechenaufgabe herausfällt. Also ich gehe einfach am Wortlaut entlang und mache daraus:
680 - 5 · 92 = 2(92 + x)
Das löst sich dann fast von selbst auf in 2x = 36.
Man hätte auch eine andere Anwendung wählen können, kartoffelerntende Bauern, zu plazierende Gäste usw., wie in solchen Büchern üblich.
Fühle mich 60 Jahre zurückversetzt, richtig melancholisch...


 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.06.2014 um 13.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25975

Eigentlich ist das eine Physikaufgabe, denn das Zahlenrechnen ist hier weniger wichtig als das Verständnis der physikalischen Größen Weglänge, Geschwindigkeit und Zeitdauer. Gesucht ist eine Geschwindigkeitsdifferenz. Wichtig bei allen physikalischen oder technischen Berechnungen ist das Miteinbeziehen der physikalischen Einheiten in den Term, hier km, Tage und km / Tag, und die Bruchrechnung mit den Einheiten. Wenn das Ergebnis die gewünschte Einheit hat, ist der Term nicht ganz falsch, das ist die grundsätzliche Kontrolle.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.06.2014 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25969

Es geht noch kürzer:
( 680 km - 92 km/d x 7 d ) / (7 d - 5 d ) = 18 km/d
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2014 um 16.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25968

?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.06.2014 um 16.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25967

Ohne Tippfehler:

{ [ 680 km - ( 92 km/d x 5 d ) ] / (7 d - 5 d ) } - 92 km/d = 18 km/d
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2014 um 16.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25965

Natürlich kann man auch auf einem falschen Weg zum richtigen Ergebnis kommen, wenn man sich gleich mehrmals verrechnet, aber ich glaube, Sie haben bloß beim Tippen was durcheinandergebracht, nicht wahr? Deshalb widerstehe ich auch der Versuchung, ein boshaftes q. e. d. darunterzusetzen.

Es ging mir ja nicht darum, daß wir gestandenen Männer die Grundschulaufgabe lösen können, sondern um die Schwierigkeit, daraus eine rechenbare Formel zu machen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.06.2014 um 11.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25963

{ [ 680 km - ( 95 km/d x 5 d ) ] : (7 d - 5 d ) } - 92 km/d = 18 km/d
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2014 um 07.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25962

Es ist fast unmöglich, einen nicht-formalisierten Text so zu formulieren, daß überhaupt keine Mißverständnisse möglich sind. Davon machte die schleswig-holsteinische Regierung Gebrauch, als sie das Rechtschreib-Volksbegehren durch einen listenreich irreführenden Stimmzettel zu unterlaufen versuchte. (Der Versuch scheiterte zwar, aber de Landtag hat ja dann, was mit List nicht gelungen war, mit Gewalt durchgesetzt.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.06.2014 um 22.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25961

Schon die Frage allein ist ein Witz: Wenn er jeden Tag die gleiche Strecke fährt, dann fährt er natürlich jeden Tag 92 km. Die Aufgabe ist also gar nicht lösbar. Man kann sich zwar denken, wie es gemeint ist, aber in einem Mathematiklehrbuch könnte man es auch exakt formulieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2014 um 16.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25959

In einem anderen Zusammenhang hatte ich schon einmal aus einem Mathe-Buch für die 4. Klasse zitiert:

Ein Radfahrer will in 7 Tagen 680 km weit fahren. Während der ersten 5 Tage schafft er täglich 92 km. Wie viele km muss er dann täglich mehr zurücklegen, wenn er jeden Tag die gleiche Strecke fährt?

Das ist kinderleicht, nicht wahr? Aber es ist vielfach nachgewiesen, daß viele Erwachsene nicht imstande sind, das in eine berechenbare mathematische Form zu bringen.

John Alan Paulos, Norman Levitt und viele andere haben den alltäglichen mathematische Analphabetismus immer wieder dargestellt und beklagt. Dabei handelt es sich ja nicht einmal um lebensfremde Theorie. Außer dem Nutzen beim Lösen von Alltagsproblemen und der Vermeidung von Täuschungen gibt es noch einen Bildungsgewinn, den besagter Levitt so ausdrückt:

„The real value of even a modest mathematical education is that it breeds a distaste for intellectual flatulence, for otiose pseudotheorizing, for argument by browbeating.“ (Norman Levitt in Paul R. Gross, Norman Levitt, Martin W. Lewis, hg.: The flight from science and reason. New York 1996:47) (Gutes Buch!)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2014 um 11.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25957

Nachtrag: Ich habe noch einmal nachgesehen und bin erstaunt, wie viele Leute, darunter erlauchte Geister, den Satz Pindars erstens falsch zitieren und zweitens falsch übersetzen. (Im Englischen ist "Become what you are" noch verkehrter.) Auch als Schulmotto (Odenwaldschule u. a.) ist es sehr beliebt. Pindar-Kommentator Erich Thummer hat der zweiten pythischen Ode einen kurzen Aufsatz gewidmet, der die Sache richtigstellt: http://www.rhm.uni-koeln.de/115/Thummer.pdf
Auch andere haben schon daran erinnert, daß man das Wort "mathon" doch nicht einfach weglassen kann. Außerdem ist der Sinn 'Verwirkliche dich selbst" oder so ähnlich bei Pindar nicht wohl möglich und paßt auch gar nicht in den Zusammenhang des Preisliedes. Kurz gesagt, bei Pindar steht nicht "Werde, der du bist!", sondern "Laß dir (von mir in diesem Lied) sagen, was für ein Mensch du bist!"

Wie dem auch sei, mit Sprüchen wie "Werde, der du bist!" kann man auch unabhängig von Pindar die Schüler zwar quälen, aber nicht bilden. Ins Vernüftige übersetzt, wäre vielleicht zu sagen, daß jeder seine Begabungen entwickeln sollte. Das macht in der Tat glücklich, und das wiederum hat tatsächlich Aristoteles gesagt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2014 um 06.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25955


Der Pädagogikprofessor Volker Ladenthin hat beobachtet, daß G-8-Abiturienten weniger in der Lage sind, komplexe Texte zu verstehen und wiederzugeben (FAZ 5.6.14). Er bezieht sich auf Klausuren und Referate, aber seine Beobachtungen sind anekdotisch und ersetzen keine statistisch abgesicherten Tests, insofern sind sie unbeachtlich. Interessant ist etwas anderes. Er schreibt: „Paradoxa (‚Werde, der du bist!') oder Antinomien (‚Wie kultiviere ich Freiheit durch Zwang?‘) können kaum selbstständig reformuliert werden.“
Solche rhetorischen Höchstleistungen gehören zur herkömmlichen Bildung, aber muß das immer so bleiben? Es könnte sein, daß sich eine Abneigung gegen unlogische Ausdrucksweisen verbreitet, zugunsten eher mathematisch-unrhetorisch formulierbarer, die auf ihre Art durchaus „komplex“ sein können (wie das Zauberwort heißt). Probleme in eine lösbare Form zu bringen, statt sie dem gebildeten Räsonieren zu überlassen – das wäre doch auch etwas. Vielleicht ist die Zeit vorbei, in der sich die Gebildeten an „Werde, der du bist!“ erfreuten. Statt „Wie kultiviere ich Freiheit durch Zwang?“ könnte man fragen, wie die Herrschaftssicherung in politischen Systemen funktioniert und wie die Erziehung Unmündiger so beschrieben werden kann, daß die scheinbare Paradoxie sich rational auflöst (wie z. B. alles Vernünftige auf etwas Unvernünftigem – Gewohnheit, Übung, Konditionierung – beruht usw.). Die mutwillige Verrätselung von Sachverhalten, die schon schwer genug sind, könnte als geschmacklose Verirrung angesehen werden. „Werde, der du bist!“ Muß man wissen, was der Schöpfer dieser Blüte gemeint hat, wenn er sich nicht die Mühe gegeben hat, es klar zu sagen (wobei aber vielleicht der Tiefsinn sich verflüchtigt hätte - es sind ja viele Kaiser nackt). Ich meine natürlich nicht Pindar, bei dem der Satz auch anders lautet und ganz anders gemeint ist. Wir kennen das ja von "Mens sana" usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.06.2014 um 04.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25935

Noch zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23439:

„Manchmal erreicht der Bischof die Erwachsenen leichter, indem er ihre Kinder segnet und ihnen etwas Zeit widmet“ (Johannes Paul II.: Auf, lasst uns gehen! 2004:114).

Cicero, Wojtyla – Zauberer, die ihre Tricks verraten, müssen schon sehr erfolgreich sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2014 um 03.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25923

Jemand erzählt von einer Bekannten, die nach dem Gottesdienst sagte: "Schade, ich würde gern mal wieder eine Predigt hören, die ich nicht gleich verstehe."

Soweit ich es mitbekommen habe, orientieren sich die Gottesdienste immer mehr am sog. "Familiengottesdienst" und damit am Kindergottesdienst. Das erklärt vielleicht die Redeweise Gaucks und seiner Kollegen in der Öffentlichkeit. Die Verleugnung des eigenen akademischen Studiums zugunsten einer volkstümlichen Schlichtheit wird zur zweiten Natur, bei manchem zur ersten und einzigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.05.2014 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25914

Wenn Papst Benedikt den "Relativismus" beklagte, wußte jeder (außer den Grünen im Bundestag), was gemeint war: die ganze Welt sollte dem "Naturrecht", d. h. der Morallehre der katholischen Kirche folgen. Im Fall des Pfarrers Gauck gibt es keinen solchen festen Code, deshalb der allgemeine Unwille nach seiner Klage auf dem Katholikentag über die wachsende "Gleichgültigkeit" der Deutschen. Das ist so allgemein formuliert wie die These:
"Viele Menschen denken, Leben ereignet sich einfach so." Er kann nicht schon wieder mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr gemeint haben - aber was dann? Als soziologische Analyse kann die Behauptung mangelnden gesellschaftlichen "Engagements" ja auch nicht durchgehen. Der Bundespräsident hat immer Mühe, den leeren Fleck rhetorisch auszufüllen, den die Abschaffung der Monarchie hinterlassen hat, ähnlich wie die protestantische Kirche immer wieder zum Papsttum samt "Bischöfen" gravitiert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2014 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25867

Deutsche wollen nicht mehr Verantwortung (Überschrift FAZ 21.5.14) In Wirklichkeit ging es bei der Umfrage um Militäreinsätze im Ausland. Die Zeitung macht sich die Rhetorik der Regierung zu eigen.
 
 

Kommentar von abc, verfaßt am 04.03.2014 um 17.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25309


http://dieweltpresse.de/nsa-beklagt-deutsche-rechtschreibung/

Bitte an einen geeigneten Platz verschieben.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 04.03.2014 um 14.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25308

Fachunkundige können Fachbücher nur nach äußerlichen Kriterien beurteilen. Daß das Fachliche in einem Fachbuch aber stimmt, nimmt der Fachunkundige an, sonst bräuchte er sich das Buch ja nicht kaufen, dann wüßte er es ohnehin selbst genau so gut oder sogar besser.

Gedruckte Wörterbücher wird es sicher noch einige Zeit geben, allerdings ist zu vermuten, daß die Auflagen ständig schrumpfen werden und sich die tatsächliche Nutzung immer stärker zu elektronischen Medien verlagern wird. Während man heute noch die „App“ zum Buch erhält, wird es in Zukunft wahrscheinlich umgekehrt sein und an die „App“ wird man auch durch Tausch oder ähnliches kommen können ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.03.2014 um 07.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25304

Bei amazon erhält der neueste Rechtschreibduden 4 von 5 Punkten, aber es gibt dort auch reihenweise Totalverrisse wegen der unzulänglichen Software. Das müßte man wohl getrennt bewerten.
Im übrigen habe ich schon lange den Eindruck, daß Wörterbücher besonders ungeeignet sind, von Käufern mal eben beurteilt zu werden. Was ein Wörterbuch taugt, merkt man bei längerer Benutzung oder beim gründlichen Durcharbeiten - beides liegt außerhalb der üblichen Schnellschüsse von amazon-Kunden. Ähnliches gilt für dickleibige Grammatiken und Sprachlehrwerke. Durchblättern genügt nicht.
Natürlich erwartet man bei amazon auch keine tieferdringenden Rezensionen (weshalb mir ja auch manche Leute übelnehmen, daß ich ihre Werke dort mit ellenlangen Fehlerlisten würdige). Bei technischem Gerät oder Haushaltsgegenständen werden solche Prüfberichte aber durchaus eingestellt und haben auch einen großen Wert, jedenfalls für mich. Wenn dort steht, daß ein Plastikteil alsbald kaputtgeht, kaufe ich den Gegenstand sicher nicht. Andererseits sind 400 positive Berichte über eine kleine Digitalkamera Grund genug, einen Kauf zu erwägen. Nur bei Büchern lasse ich mich aus den genannten Gründen nicht beeinflussen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.03.2014 um 19.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25302

Unter dem Eintrag in der reformierten Schreibung findet sich kein Hinweis auf die bewährte Schreibweise, von daher ist also, wie ich schon schrieb, dort nichts gelb hervorzuheben.

Die bewährte Schreibweise dieser Wörter ist an anderer Stelle entsprechend der alphabetischen Reihenfolge noch verzeichnet, dort aber ausdrücklich als "alt" gekennzeichnet.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.03.2014 um 18.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25300

Die gelbe Farbe erscheint ja nur dort, wo der Duden Varianten zuläßt. Bei behände usw. gestattet er nur eine, die reformierte Schreibweise, die bewährte wird gar nicht angegeben. Da kann man nicht sagen, weil es schwarz ist, ist es nicht empfohlen. Im Gegenteil, es ist die einzig vom Duden erlaubte.
 
 

Kommentar von Inge Müncher, verfaßt am 03.03.2014 um 12.40 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25298

In der 25. und 26. Ausgabe des Dudens und im Schülerduden „Rechtschreibung und Wortkunde“ (2010) gibt es schon keine Wörter in Rotdruck als reformierte Schreibung mehr wie in der 24. Ausgabe des Dudens, sondern in Gelb erscheinen die vom Verlag empfohlenen Schreibungen. So können Schüler beim Nachschlagen nicht mehr feststellen, was die Reformer verordnet haben. Es werden jedoch viele klassischen Wörter vom Duden wieder bevorzugt, gekennzeichnet durch gelbe Farbe, während die reformierten in schwarzer Farbe danebenstehen, sie erscheinen nicht mehr als so wichtig und für Schüler verpflichtend.

Einige Beispiele hier:
Panther (gelb), Pante r(schwarz),
aufwendig (gelb), aufwändig (schwarz),
Thunfisch (gelb), Tunfisch (schwarz),
Schenke (gelb), Schänke (schwarz),
die einen und die anderen (gelb), die Einen und die Anderen (schwarz),
weniges (gelb), Weniges (schwarz)
brustschwimmen (gelb), Brust schwimmen (schwarz),
Spaghetti (gelb), Spagetti (schwarz)

Die Wörter behände, belämmert, Gämse, Gräuel, Quäntchen, rau, schnäuzen, Stängel, Tollpatsch, überschwänglich, Zierrat erscheinen nicht in gelber Farbe, sondern in schwarzer. Der Verlag empfiehlt also nicht mehr die reformierte Schreibung, sondern hält sich neutral durch beide Schreibweisen - reformierte und klassische - in Schwarz. Vielleicht wagt er es bei der nächsten, der 27. Ausgabe des Dudens „Neue deutsche Rechtschreibung“, die klassische Schreibweise zu bevorzugen, sie mit gelber Farbe zu kennzeichnen.

Jedoch die Rückkehr von Wörtern zur klassischen s-Schreibweise wagt der Duden nicht zu empfehlen, auch nicht als Varianten, obwohl das dringend notwendig wäre, aber sie erscheinen nicht mehr in rot. Durch die neue s-Regel entstehen die meisten Rechtschreibfehler.

Welche Schreibung sollen die Lehrer nun als Fehler anstreichen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.03.2014 um 08.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25287

Der große Rechtschreibungs-Stratege Clemens Wergin fühlt sich, wie schon bemerkt, zu Höherem berufen. Nun titelt er in der "Welt": Hätte die Ukraine ihre Atomwaffen besser behalten? Ja, das wäre schön gewesen, es gäbe das lästige Abkommen von Budapest nicht, dafür aber vielleicht ein schönes Frühlingsfeuerwerk über Moskau?

Um in Erinnerung zu rufen, wie Wergin denkt, will ich doch noch einmal die Rechtschreibkommentare aus dem Tagesspiegel zitieren:

1.

Der Duden schreibt schon wieder anders
 
Debatte um die Re-Reform - Verlage sehen nur die orthografischen Streitfälle geklärt
 
Clemens Wergin und Uwe Schlicht
 
Wenn Ende August der neue Duden herauskommt, wird er nicht nur 5000 neue Begriffe enthalten, sondern einige bekannte Worte wieder anders schreiben. Hat die Rechtschreibreform also doch nicht die gewünschte Klarheit gebracht, steht gar die Reform der Reform bevor?
Den neuen Duden nahm die Tageszeitung "Die Welt" zum Anlass, gestern die Rechtschreibreform von 1996 als gescheitert zu erklären. Experten machten sich "stillschweigend" daran, die Reform zu überarbeiten, in Teilen solle sie gar zurückgenommen werden, berichtete das Blatt. Sofort kamen am Dienstag die Dementis: "Vollkommen aus der Luft gegriffen", nennt der Vorsitzende der
Rechtschreibkommission, Gerhard Augst, den Bericht im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Von "vollkommenem Blödsinn" spricht Duden-Pressesprecherin Anja zum Hingst. "Was die Welt schreibt, erachten wir als haltlos", pflichtet Heiko Hartmann von Bertelsmann bei. Auch Erich Thies, Generalsekretär der Kultusministerkonferenz "hat keinen Hinweis darauf, dass die Kultusministerkonferenz das Regelwerk der Rechtschreibreform ändern will".
Seit ihrer Einführung 1996 hatte es Schwierigkeiten bei der Auslegung der neuen Regeln gegeben. Verschiedene Lexika boten teilweise unterschiedliche Interpretationen. Als problematisch erwiesen sich die zusammengesetzten Wörter. Der Duden schrieb "wohl bekannt", das Lexikon von Bertelsmann "wohlbekannt". Was die "Welt" jetzt als Umkehr darstellt, war nach Aussagen aller Beteiligten ein Klärungsprozess. "Wir haben alle Abweichungen besprochen und in allen Fällen eine Einigung erzielt", sagt Augst. Bertelsmann arbeitete die Ergebnisse schon im März 1999 in ein neues Lexikon ein. Nun folgt auch der Duden. Es ändern sich also nicht die Regeln, sondern in einzelnen Fällen die Anwendung.
Ohnehin steht die Rechtschreibkommission, die mit sechs Deutschen, drei Schweizern und drei Österreichern besetzt ist, in ständigem Kontakt mit den Benutzern. Beispielsweise mit "Der Zeit" und der "Neuen Züricher Zeitung", die sich eine eigene "Hausorthografie" gaben, als vor knapp einem Jahr die Presseagenturen auf die neue Rechtschreibung umstellten. "Wir bemühen uns, im Dialog langsam eine Einheitlichkeit herzustellen", sagt Augst. Dazu suche man das Gespräch mit Software-Herstellern und Verlagen. Bis 2005 soll dann eine Studie zeigen, ob die neuen Regeln von der Bevölkerung angenommen werden.
Im Ausland zeigt man sich erstaunt. Der Kulturbeauftragte des Generalsekretariats der Schweiz, Christian Schmid, sagte dem Tagesspiegel, man habe keine Probleme mit der Rechtschreibreform und wolle an ihr festhalten. Auch der der österreichische Reform-Koordinator Fritz Rosenberger sagt, man habe sich auf eine klare, einheitliche Strukturierung der Wörterbücher geeinigt. Von einer neuen Rechtschreibreform könne keine Rede sein. Der Anteil der geänderten Wörter liegt denn auch laut zum Hingst im Promillebereich. Hartmann sieht das Problem allein darin begründet, dass an einem geänderten Wort immer "ein Rattenschwanz von ähnlichen Fällen" hänge.

2.

Tagesspiegel 28.07.2000

Neue Rechtschreibung
 
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kehrt zur bisherigen Rechtschreibung zurück – doch will ihr jemand folgen?

Clemens Wergin und Uwe Schlicht
 
Im Grunde müsste die Debatte um die Rechtschreibreform abgeschlossen sein. Nach mehr als zehnjähriger Diskussion, nach Abkommen und Beschlüssen der Kultusministerkonferenz und der Ministerpräsidenten wurden die neuen Rechtschreibregeln am 1. August 1998 in 15 Bundesländern in Kraft gesetzt.
Schleswig-Holstein zog nach. Ein Jahr später stellten die Nachrichtenagenturen und die große Mehrheit der Zeitungen auf die neuen Regeln um. Auch der Tagesspiegel. Eine Übergangsregelung erlaubt bis 2005 weiter auch die alte Schreibweise. Sie hat noch immer Anhänger – die „FAZ“ zum Beispiel, die zum 1. August zur alten Rechtschreibung zurückkehrt. Das geht einher mit Unruhe, die der Duden verursacht hat, als er vor wenigen Tagen „Präzisierungen“ in der Schreibweise ankündigte. Wir dokumentieren den Diskussionsstand, die ersten Erfahrungen und die Reaktionen.
„Die Rechtschreibreform war das dümmste und überflüssigste Unternehmen in der deutschen Kulturpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg: ein gemeingefährlicher Akt.“
Das schreibt Thomas Steinfeld im Feuilleton der FAZ, einen Tag, bevor das Blatt bekannt gibt, dass es zur alten Rechtschreibung zurückkehren wird. Jahrelang hatte sich die Zeitung gegen die Einführung der neuen Regeln gestemmt. Am 1. August 1999 war sie dann doch den Nachrichtenagenturen gefolgt – „aus pragmatischen Überlegungen“, wie die FAZ schreibt.
Nun also die Wende der Wende. Begründung: Der Versuch, mit den neuen amtlichen Regeln für die Orthografie zu leben, sei gescheitert. Die Deutsche Akademie für Dichtung spricht von einem positiven Signal. Schon hat der Chefredakteur der in Österreich meinungsbildenden „Kronenzeitung“ angekündigt, man werde „ernsthaft überlegen“, der FAZ zu folgen. Beim Springer-Verlag ist für Freitag eine Konferenz aller Chefredakteure zum Thema Rechtschreibung geplant. Droht der „Sturm im Wasserglas“ etwa zum Tornado zu werden, der die Reform hinwegfegen könnte?
Anderthalb Jahre herrschte Ruhe an der Rechtschreibfront. Einige Nachhutgefechte hatten die Reformer in Schleswig-Holstein zu überstehen, wo eine Volksabstimmung die Einführung der neuen Regeln an den Schulen zunächst stoppte. Dann aber setzte sich die Erkenntnis durch, dass Schleswig-Holstein nicht als Sprachinsel im Meer der Neuschreibung existieren könne. Im Kieler Bildungsministerium spürt man immer noch etwas von der damaligen Furcht vor Isolation. Die Diskussion soll am besten gar nicht mehr aufgenommen werden. „Wir sind heilfroh, keine Insel mehr zu sein“, sagt Sprecherin Patricia Zimnik. Monatelang hat man den neu Eingeschulten die alte Rechtschreibung beibringen müssen mit Büchern, die schon die Neuschreibung benutzten. Bricht der
Sprachgraben wieder auf?
Die „Welt“ hatte Anfang dieser Woche berichtet, der am 25. August auf den Markt kommende, revidierte Duden signalisiere ein „klammheimliches“ Abrücken von der Reform. Das brachte erste Unruhe in die Reihen der Befürworter. Die Dementis der Rechtschreibkommission, der Kultusministerkonferenz und der Redaktionen von Duden und Bertelsmann zeigten, dass sich „Die Welt“ dem unerbittlichen Reformgegner Theodor Ickler angeschlossen hatte. Die Korrekturen betrafen nur Fälle, die vorher zwischen Duden und Bertelsmann strittig waren. Bei allen unklaren Auslegungen hat man sich nun mit der Kommission auf eine gemeinsame Version verständigt.
Bertelsmann setzte diese Klärungen schon im März 1999 in einer Neuauflage um. Nun folgt der Duden. Zum ersten Mal seit Einführung der Reform haben sich die beiden maßgeblichen Wörterbuchredaktionen auf eine einzige Auslegung geeinigt.
Aus diesem Grund hält Fritz von Bernuth, Geschäftsführer des Cornelsen Schulbuchverlages, den Zeitpunkt der FAZ-Aktion „für besonders absurd“. Die Cornelsen-Gruppe ist der größte Schulbuchverlag Deutschlands. Fast 100 Millionen Mark hat hier die Umstellung auf die Neuschreibung gekostet. Eine halbe Milliarde Mark hat die Branche insgesamt in die Überarbeitung der Titel gesteckt.
Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Willi Lemke (SPD), denkt gar nicht daran, einzuknicken: „Eine ,Reform der Reform' wird nicht vorbereitet, und schon gar nicht – wie suggeriert wurde – hinter dem Rücken der Kultusminister.“ Lemke zudem: „Die neuen Schreibregeln sollen in erster Linie im Unterricht leichter handhabbar sein und das Schreibenlernen leichter machen.“ Die Länder berichten denn auch vom problemlosen Schulalltag mit der neuen Rechtschreibung. „Wir haben fast durchweg positive Rückmeldungen bekommen“, sagt die Pressesprecherin des bayerischen Kultusministeriums, Brigitte Waltenberger. „Schüler sind gewohnt, dass sie Neues lernen. Erwachsene tun sich damit viel schwerer.“ Württemberg sieht nach den Worten von Martin Böninger vom Kultusministerium keinen Anlass, nur aufgrund der FAZ auf Gegenkurs zu gehen. Im Ministerium betrachte man die Aufgeregtheit „als Sommertheater“.
„Schüler, die von Anfang an mit der Reform aufwachsen, haben überhaupt keine Probleme, sie freuen sich über die Erleichterung. Ältere Schüler, die sich umstellen mussten, beurteilen die Reform durchwachsen“, berichtet der Pressesprecher des sächsischen Kultusministeriums, Steffen Große.
Sein Brandenburger Kollege Gorhold pflichtet bei: „Es gibt eine weitgehende Gewöhnung an die neue Rechtschreibung bei Schülern und Lehrern.“ Angesichts solcher Rückmeldungen aus den Schulen findet es der Vorsitzende der Rechtschreibkommission bedauerlich, dass das konservative Blatt umschwenkt. „Dadurch, dass die FAZ jetzt mutwillig aussteigt, schafft sie erst das Chaos“, sagt Gerhard Augst. „Viele werden jetzt zögern, die neuen Regeln anzuwenden.“ Peinlich findet er, dass von den Beispielen, die die FAZ als besonders abschreckende Fälle zitiert, vier nicht den Regeln der neuen Rechtschreibung entsprechen.
In der Medienwelt zeigt man sich abwartend. „Spiegel“, „Focus“, „Stern“, „Woche“ und „Die Zeit“ ebenso wie die spät bekehrte „Neue Züricher Zeitung“ wollen zunächst bei der jetzigen Schreibweise bleiben. Es könnte sein, dass die FAZ alleine bleibt. Einsam auf einer orthografischen Insel im Main.

-

Wie man sieht, hat sich kaum jemand hemmungsloser in den Dienst der Reformpropaganda gestellt als diese beiden Herren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2014 um 07.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25229

Da die Rhetorik rein erfolgsorientiert ist, kann auch ein sehr böser Mensch ein guter Redner sein. Das hat Platon zuerst ausgesprochen, und niemand konnte es bisher widerlegen. "Vir bonus" ist eine unzulässige Überdetermination.

Aber kann man gutes Deutsch schreiben, wenn man ein böser Mensch ist?

(Damit meine ich nicht, daß ein böser Mensch nicht den Deutschen Sprachpreis bekommen könnte...)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.02.2014 um 22.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25202

Entlassen hat sie ihn natürlich auch nicht, denn das würde ja bedeuten, daß das Dienstverhältnis vollständig beendet wäre.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.02.2014 um 20.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25200

FOCUS empört sich (oder tut so), weil von der Leyen einen Staatssekretär entlassen hat, von dem es an gleicher Stelle heißt: Er übernahm die Verantwortung dafür, de Maizière zu spät über die technischen Probleme bei der Drohne informiert zu haben.

Man kann auch hier wieder sehen, daß Verantwortung übernehmen ein völlig entleerter Begriff ist.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2014 um 07.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25174

Für ihren Anti-Atomprotest muss eine 84 Jahre alte katholischen Nonne jetzt für fast drei Jahre ins Gefängnis. (Tagesspiegel 19.2.14)

Wird man also in den USA ins Gefängnis gesteckt, wenn man gegen Atomwaffen protestiert?

Wenn ich Kaufhausbrandstiftung als Kapitalismuskritik deklariere, werde ich trotzdem wegen Kaufhausbrandstiftung bestraft und nicht wegen Kapitalismuskritik.

(Anti-Atom-Protest wäre auch besser.)
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 15.02.2014 um 12.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25151

Die Äußerung kommt mir überhaupt nicht ironisch vor, und Steinmeier ist auch ein handfester, ja trockener Redner. Er neigt allerdings zu althergebrachten Vokabeln; die mögen zwar in ironischen Wendungen praktisch sein, aber durch sie wird nichts gewiß ironisch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2014 um 05.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25144

Minister Steinmeier hat zugegeben, daß der Militäreinsatz in Afghanistan "nicht alle hehren Ziele" erreicht habe. Das archaisierende Wort hehr ironisiert die Zielsetzung, als hätte man das Ganze von Anfang an nicht so ernst nehmen sollen. Für Afghanistan sterben? Gern, wir schicken mal jemanden vorbei!
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 05.02.2014 um 23.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25059

Am Ende des Tages hat man neuerdings genau diese Formulierung mindestens dreimal gehört oder gelesen. Läßt hier womöglich das englische at the end of the day grüßen?
 
 

Kommentar von Peter Küsel, verfaßt am 03.02.2014 um 18.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25024

Sehr beliebt ist auch die Schnittstelle.

»Die 46-Jährige ist Bestsellerautorin und beschäftigt sich mit der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Gesellschaft.«

(Das Handelsblatt über Miriam Meckel, 6. Dezember 2013, S.65)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.02.2014 um 07.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25013

Und schließlich - und vor allem - wäre zu zeigen, daß die These, Rhetorik mache Wissen kommunikabel und führe, jenseits der Spezialisierung, zu einer Verständigung unter den Menschen, indem sie Fachfragen in Lebensfragen verwandele ... schließlich wäre zu zeigen, daß diese bereits in der Antike vorgebildete These (Philosophie schließt, dem Wahren verpflichtet, die Faust: sie behält Wissen für sich. Rhetorik, ans Wahrscheinliche denkend, öffnet die Hand: sie verbreitet das Wissen) mit aller gebotenen Exaktheit im achtzehnten Jahrhundert formuliert worden ist - und heute, im Zeichen der Soziolinguistik, lediglich repetiert wird. (Walter Jens FAZ 11.11.75, zitiert nach Wolf Schneider, der sich darüber lustig macht: Wörter machen Leute. München 1978:268)

Jens kreuzt Wahrheit/Wahrscheinlichkeit mit Esoterik/Exoterik und mit der Relevanz fürs Leben. Außerdem geht es nicht um Wahrscheinlichkeit, sondern um Plausibilität. Das griechische „eikos“ wird meist falsch übersetzt, entsprechend der Fehlübersetzung von „mimesis“ als „Nachahmung“ in der Poetik – statt „Darstellung“.

Platon wollte auch politische Fragen wissenschaftlich entscheiden (Philosophenkönige), Aristoteles hielt das für unmöglich und sah hier die Rhetorik zuständig. Heute stehen Wirtschaftswissenschaftler und Versicherungsmathematiker gegen Politiker wie Nahles, die den Menschen versprechen: „Allen soll es besser gehen.“ Die Rhetorik hat zunächst im Wahlkampf und im Bundestag gesiegt, aber dann ging es um Schadensbegrenzung, weil die Tatsachen sich nicht verbiegen lassen. Ähnlich lief es bei der „Energiewende“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.02.2014 um 06.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#25002

Auch Clemens Wergin meint in der "Welt" (1.2.14), daß Deutschland sich militärisch seinen Platz an der Sonne erkämpfen müsse (er drückt es etwas verklausulierter aus). Vor 14 Jahren, damals noch beim "Tagesspiegel", machte er sich über die "Welt" (und mich) und die FAZ lustig, weil sie dem von Politikern verordneten Rechtschreibfrieden nicht folgen wollten. (28.8.2000)

Wergin schreibt nun: Deutschland soll und muss sich auch außerhalb Europas als wichtige Gestaltungsmacht begreifen.

Steinmeier meint, Deutschland solle nicht nur vom Spielfeldrand aus der Weltpolitik zusehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.02.2014 um 05.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24994

sich einmischen, Verantwortung übernehmen und sich einbringen gehören zu dem Vokabular, mit dem die Deutschen zur Zeit auf Militäraktionen eingestimmt werden sollen. Mal sehen, ob es von der Leyen, Steinmeier, Gauck gelingt, die Abneigung der Bevölkerung zu überwinden. Wahrscheinlich sind noch andere rhetorische Mittel notwendig, die wir ja mal im Auge behalten können.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 01.02.2014 um 01.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24992

Heutzutage wird alles mögliche irgendwo verortet. Auch in einer Kritik zur letzten Ausgabe der ZDF-Talksendung »Maybrit Illner« auf FAZ.NET (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/faz-net-fruehkritik/tv-kritik-maybrit-illner-die-kraenkung-der-europaeer-12778164.html) darf das Wort nicht fehlen:

Denn daraus lassen sich theoretisch zwei Schlussfolgerungen ziehen. Die eine wäre Resignation. Die andere politische Konsequenzen zu ziehen. Und in der Sendung wurde deutlich, in welchem Kontext diese zu verorten sind.

Interessant auch die recht eigenwillige Orthographie:

Er [Egon Bahr] spricht aus Jahrzehnte langer Erfahrung als deutscher Außenpolitiker.

der ehemalige NSA und CIA Direktor Michael Hayden

Es geht um drei Punkte. Der Erste ist Technologie getrieben.

zum ersten mal

In Wirklichkeit bestimmt diese Kränkung die europäische Debatte: Nämlich der Wahrheit endlich ins Gesicht sehen zu müssen.

Grammatisch beachtenswert:

Fred Kempe, Präsident einer transatlantischen Denkfabrik in Washington, wies auf den zweiten Aspekt hin. Der mit dem Aufstieg Chinas wichtigsten geopolitischen Machtverschiebung „seit dem 19. Jahrhundert“.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 31.01.2014 um 22.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24990

Auch ist heute auffallend viel einem Umstand geschuldet.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 31.01.2014 um 18.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24989

Noch mehr tut sich seit einiger Zeit jeder einbringen.
Auch Gauck hat es heute in München mit dem Einbringen.

 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 31.01.2014 um 17.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24988

Steigender Beliebtheit erfreut sich auch ein Stück weit. Oft wird es sogar dort verwendet, wo es überhaupt nicht paßt.
Johann Niggl, der Chef der Bayerischen Eisenbahngesellschaft: "Das ist ein Stück weit die Quadratur des Kreises." (SZ 31.1.14, Bayernteil)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.01.2014 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24986

Sehr beliebt ist auch Geld in die Hand nehmen. Auf dem Wochenmarkt kündige ich meiner Frau an, jetzt ordentlich Geld in die Hand zu nehmen und einen Blumenkohl zu erwerben.

Übrigens:

Außenminister Frank-Walter Steinmeier will, dass sich Deutschland stärker in der Welt engagiert. "Es wird zu Recht von uns erwartet, dass wir uns einmischen", sagte Steinmeier in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung unmittelbar vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz. Die großen Konflikte der Welt seien näher an Europa herangerückt, "ihre Folgen sind auch in Deutschland unmittelbar zu spüren". (SZ 30.1.14)

Ich finde aber, sich einmischen ist negativ besetzt. Das klingt nicht gerade werbend.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.01.2014 um 11.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24983

Ja, lieber Herr Virch, erst gestern bekam ich per E-Mail die Programmvorschau des Cinema Quadrat, Mannheim, zum Film "Kid-Thing" (Hervorhebung von mir):

Hinter der realistischen Aufmachung versteckt sich eine explosive Mischung aus Spannung, Brutalität und purer Melancholie. Ein verstörender, sehr besonderer Independent-Film.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 30.01.2014 um 19.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24979

Auch verstörend: die überbordende Emotionalität. "Umgehungsvarianten für Wetterburg wurden emotional diskutiert“, wird gemeldet, die "EU findet Debatte um Einwanderer zu emotional“. Die Sportpresse fragt: „Ist Jürgen Klopp zu emotional?“ Der Filmfirma C-Films ist es wichtig, "Geschichte emotional aufzuarbeiten“, während "Jesus Christ Superstar" in Hagen "wenig emotional“ rüberkam. „Zumindest emotional als Erfolg“ betrachtet hingegen der Arbeiterunterstützungsverein Gerolzhofen in einer Mitteilung sein Wintergrillen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 30.01.2014 um 18.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24978

Täusche ich mich, oder ist derzeit besonders viel "verstörend"? In den letzten Tagen waren beispielsweise Kardinal Meisner, Christian Wulff und Florian Eichingers Film "Nordstrand" verstörend. Überhaupt wird für Kunst jedweder Form der Kommentar "verstörend" als Prädikat vergeben.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 30.01.2014 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24977

Zu #24976: "Culture is language, and language is culture." (Henry Lee Smith)

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.01.2014 um 15.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24976

Manche Redensarten vermehren sich in der Presse plötzlich, und dann kann man einige Monate lang keine Zeitung mehr aufschlagen, ohne ihnen zu begegnen. Wenn mich nicht alles täuscht, ist es im Augenblick sich neu erfinden: die Schweiz, die Bundeswehr usw., alle müssen sich neu erfinden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2014 um 08.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24885

zum Enneagramm s. auch hier: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=57#1176
Und noch dies:

"Am Mittwoch der Karwoche haben sich 30 Männer (davon 8 Firmlinge) in der Abenddämmerung am Ufer des Traunsees eingefunden, um dort ihre Rucksäcke mit 5 Steinen zu füllen. Diese Steine bedeuten, dass es in unserem Leben schweres, Hartes und Unverarbeitetes gibt, das wir nicht so ohne weiteres loswerden. Wir tragen es in unserem alltäglichen Leben mit. Es beschwert uns, nimmt uns Freude und Leichtigkeit. Schweigend zogen wir dann durch den Bergwald am Fuße des Traunsteins, die Kaltenbachwildnis und legten dort an 5 Stellen mit unseren Steinen Kreuze aus. Bei jeder Station stellten wir uns Fragen zu Schuld, Verletzung, Vergebung und Verantwortung und legten ein Stein ab. So haben wir Gott gebeten uns von Unversöhntem und Belastendem zu befreien. 30 Männer gemeinsam in der Abenddämmerung unterwegs auf der Suche nach dem heiligen Schauer der Gotteserfahrung, den erdige, kraftvolle Rituale Männern immer wieder vermitteln." (maennergruppen.at)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.01.2014 um 16.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24827

Ein Enneagramm wiegt 10 % weniger als ein Dekagramm.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2014 um 04.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24822

Neulich wurde meine Frau eingeladen zu einem "Ökumenischen Arbeitskreis Enneagramm". Die Kirchen sind etwas unentschieden, ob sie diese Form der "Spiritualität" dulden oder gar unterstützen sollen.
Der Kern ist wieder einmal eine Typenlehre. Wie alle anderen reduziert sie Komplexität und verschafft damit ein Gefühl der Orientiertheit (des Bescheidwissens). All diese Lehren haben ihre eigene Beredsamkeit, aber es ist im Grunde immer dasselbe, nur die esoterischen Vokabeln wechseln.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.12.2013 um 08.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24575

Reich klingt nach „Eigentum ist Diebstahl“, erfolgreich nach Verdienst. Armut adelt, Erfolglosigkeit nicht. Man sollte sich, wenn es zum Beispiel um den Länderfinanzausgleich geht, die Wortwahl gut überlegen. Das sage ich als egoistischer Bürger Bayerns.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2013 um 16.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24206

Jemand glaubt etwas über den bekannten Rechtsmediziner Otto Prokop herausgefunden zu haben, FOCUS berichtet:

Später nahm er als Wehrmachtssoldat am Überfall auf die Sowjetunion teil (Unternehmen „Barbarossa“), bei dem Millionen Menschen starben. (focus.de 9.10.13)

Die Teilaussagen sind richtig, aber die Nebeneinanderstellung suggeriert: Prokop hat die Sowjetunion überfallen und ist mitschuldig am Tod von Millionen Menschen.

Das ist nicht fair. Der 19jährige Medizinstudent hat in der Wehrmacht gedient (und hat wie alle anderen vermutlich getötet), mehr scheint der neue Entlarver nicht herausgefunden zu haben.

Ich habe vor einigen Jahrzehnten das schätzenswerte Buch über den modernen Okkultismus (Prokop/Wimmer) gelesen, sonst weiß ich nichts Näheres über Prokop, aber so geht es wirklich nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2013 um 10.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24180

Die geheimnisvolle Angela M. hat gerade einen Nachfolger gefunden:

Die verlorene Ehre des Peer S (Frankfurter Rundschau 27.9.13)

Wer mag sich hinter dem S. verbergen? Mit seinem Verschwinden hatten wir ja gerechnet, daß er so bald schon anonymisiert werden würde...

Kurioserweise ist das ja bei der Böllschen Vorlage nicht so.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2013 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24098

A propos "Mutti". Wer auch immer diesen Spitznamen für Merkel in die Welt gesetzt haben mag (der SPIEGEL erwähnte mal Michael Glos) – die Journalisten, die es so ungemein geistreich finden, daß sie es täglich nachsprechen, sind möglicherweise ein Opfer ihrer eigenen Sprache. Sie sehen die so Benamste wohl mehr oder weniger tatsächlich als Mutti und damit vermutlich ziemlich falsch. Für meine Frau und mich hatte der Beiname von Anfang an etwas Herablassend-Frauenfeindliches. Es ist auch ein Kleinreden einer Politikerin, vor der man sich nicht gern fürchten möchte. Wer von den unterlegenen Politikern wird nun mit schlotternden Knien in eine Koalition mit der Mutti gehen?
 
 

Kommentar von Alexander Glück an Glasreiniger, verfaßt am 23.09.2013 um 15.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24096

Die von den Bürgern gefühlte Zuständigkeit liegt ganz klar beim Bund, beim Gesetzgeber, bei Mutti oder bei Friedrich Barbarossa.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2013 um 07.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24093

„Wenn die Linke ans Ruder kommt, wird's richtig teuer“, giftete die CSU-Frau. Kein Vorbild im Fairplay. (Aigner gegen Gysi in einer Politiker-Talkshow laut Welt vom 22.9.13)

Ein harmloser Satz, im gleichen Zusammenhang tausendmal gehört, kommt dieser Journalistin schon unfair vor. Von welchem Planeten ist sie zugewandert?
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 16.09.2013 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24035

Die AfD hat nichts dazu verlautbaren lassen, soweit ich es überblicke. Ihre Wahlwerbung ist in gängiger Reformschreibung gehalten.
Meines Wissens ist die einzige Partei, die die Rechtschreibreform ablehnt, die NPD (trotz Rust – oder wegen?). "Die Partei" der Titanic wendet gewohnheitsmäßig die bewährte Rechtschreibung an, allerdings ohne Sendungsbewußtsein.
Bei West-Linken und Grünen tummeln sich alte K-Gruppen-Kader mit Siebziger-Jahre-GEW-Gesinnung.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 16.09.2013 um 15.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24033

@Herrn Glück: Meinen Sie, daß die Beschäftigung mit einem Thema, für das der Bund praktisch nicht zuständig ist, eine gelungene Idee wäre?
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 16.09.2013 um 10.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24032

Tritt eigentlich die AfD für eine Neuabwägung der Rechtschreibreform ein?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.09.2013 um 03.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24030

Warum war der Wahlsieg der CSU eigentlich eine Niederlage? Weil es der Unionspartei zum dreizehnten Mal nacheinander mißlungen ist, eine Koalition mit der FDP zu erreichen (oder so ähnlich). Das hat Steinbrück herausgefunden. Sollte die Union also eines Tages in Bund und Ländern überhaupt keinen Koalitionspartner mehr benötigen, wäre sie völlig am Ende.

In Bayern gibt es keine Opposition. Die anderen Parteien wetteifern bloß darin, die bessere CSU zu sein. Das haben wir schon bei der Rechtschreibreform gesehen: Alle fanden sie gut, SPD und Grüne hatten nur auszusetzen, daß Zehetmair nicht weit genug ging, Kleinschreibung hätte ihnen noch besser gefallen, und das war's.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.09.2013 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24029

Der Begriff »Medienexperte« ist schön. Also jemand, der nur in den Medien als Experte gilt.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 15.09.2013 um 17.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24028

Gewiß, aber Samy Molcho ist wirklich gut! Und zwar nicht etwa deshalb, weil er sich auf Politikinterpretationen heraushält.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2013 um 13.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24025

"Ulrich Sollmann arbeitet als Coach und Berater mit Führungskräften und Politikern. Er ist Medienexperte für Körpersprache und nonverbale Kommunikation, Buchautor und betreibt einen Blog. Zudem leitet Sollmann eine körperpsychotherapeutische Praxis in Bochum. Für FOCUS Online analysiert er die Körpersprache der Politiker zur Bundestagswahl."

Dieser Parawissenschaftler gibt bei Focus online gleich eine umfassende "Analyse" der Politik, wie sie sich kein seriöser Politikwissenschaftler zutrauen würde. Das machen die Körperpsychotherapeuten mit links. Ein Blick auf die "meditativ wirkende, selbstsichernde, Rautenförmige Handhaltung" genügt ihnen.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 13.09.2013 um 18.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24019

Zu 23971 (Berührungen mit dem Fernseher):

Bei Klemperer ist in den Tagebüchern zu lesen, wie offen, neugierig, staunend, interessiert, affirmativ er sich dem neuen Medium Rundfunk nähert. Hier in diesem Blogeintrag hingegen erleben wir einen Hang zum Phobischen. Der Autor läßt diesem Medium doch gar keine Chance.

Dabei war alleine der Frau Illner bei einer ZDF-Jubelgala prächtig adularblaues Ballkleid Legitimation genug für die Entwicklung des Farbfernsehens. Diese eher seltene, aber ganz passende Farbe gibt es sogar als Tinte. Erinnern wir uns: Frau Illner war in einer ihrer Sendungen auch mal blau – ich glaube sogar, mehrmals.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 13.09.2013 um 18.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24018

Zit.: Vielleicht wirkt auch das Pathos des Ärmelhochkrempelns (im "Ruhrpott", wie man so sagt) aufgesetzt kumpelhaft.

Hierzu fällt mir ein, daß auch der Herr Gabriel, wenn er vor Leuten spricht, die er für Industrieproletariat hält, allzu kräftig kumpelt, wenn er sich beispielsweise zwischen zwei Sätzen in den Ärmel schneuzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2013 um 07.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#24016

Der unsterbliche Hund des Alkibiades kommt mir wieder in den Sinn, nachdem die Süddeutsche Zeitung Steinbrücks Mittelfinger zum Hauptgegenstand der politischen Diskussion erhoben hat. Die Halskette, der Finger, zwischendurch die existentielle Frage, wie gut sich Herr Raab geschlagen hat...

Es gibt sehr große Probleme zu lösen – welche waren es noch mal?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.09.2013 um 06.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23971

Gegen meine Absicht habe ich das "Duell" nun doch gesehen, dazu etwas Beiwerk. Es hat meine Abneigung gegen das Genre (und gegen das Fernsehen) verstärkt. Die "Moderatoren" habe ich allesamt erstmals leibhaftig gesehen. Sollen anscheinend die Elite des Journalismus sein. Wozu gleich so viele, was haben der vor sich hin nuschelnde Herr Alexander, der auf mich wie ein Schuljunge wirkte, und der fast nicht anwesende Herr Kloeppel eigentlich beigetragen. Die Frau Will schien es darauf angelegt zu haben, die Frau Merkel keinen Satz zu Ende bringen zu lassen, dieses unbeirrte Dreinreden hat mich schon sehr genervt. Daß Politiker ihre Redestücke auswendig lernen, ist verständlich, aber bei Journalisten wirkt es stumpfsinnig. Der Herr Raab hatte sich auch was zurechtgelegt, was am Tag danach als Großtat gefeiert wird; die Ansprüche sind eben sehr niedrig.
Ich hatte jahrelang gelesen, was für eine großartige Journalistin die Will sei. Na, ich weiß nicht. Die gedruckten Zeitungen sind schon ziemlich dürftig geworden, aber Fernsehen ist wirklich nicht der Rede wert. (Es war noch eine andere Frau dabei, aber den Namen habe ich schon wieder vergessen.)
In einer Zeitung wird heute moniert, daß die Politiker nicht auf den deutschen Osten eingegangen sind und damit dieses Thema dummerweise der Linken überlassen haben. Aber diesen Vorwurf müßte man den Journalisten machen, die schließlich den Themenkatalog zusammengestellt und dann brav abgefragt haben.

Die Politik ist das Schicksal, aber nicht diese.

Ach so, ja: Ich werde Merkel zwar nicht wählen, fand sie aber unvergleichlich besser als Steinbrück. Den kann ich nun mal nicht leiden, darum mißfiel mir alles, was sagte. Für diesen Mechanismus beanspruche ich Allgemeingültigkeit. Er wird in der Theorie der Rhetoriker meist vernachlässigt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2013 um 05.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23954

In unserer Ferienwohnung steht ein Fernsehapparat, aber wir werden ihn auch zum "Duell" zwischen Merkel und Steinbrück nicht einschalten. Was soll ein rhetorischer Schlagabtausch denn zeigen? Im Grunde ist es die Entpolitisierung der Politik. Es ist schon schwer genug, die Entwicklung der Positionen und Maßnahmen über die Jahre hin zu verfolgen, wenn man auf die Medien angewiesen ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.07.2013 um 05.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23735

Deutschland ist ein Überwachungsstaat – so ist ein Offener Brief überschrieben, den 32 "Schriftsteller" (von Ulrich Beck bis Feridun Zaimoglu) in der FAZ vom 26.7.13 abdrucken lassen.

Ist die Bundesregierung dabei, den Rechtsstaat zu umgehen, statt ihn zu verteidigen? (...) Das Grundgesetz verpflichtet Sie, Schaden von deutschen Bundesbürgern abzuwenden. Frau Bundeskanzlerin, wie sieht Ihre Strategie aus?

Der Text (in Reformorthographie) ist sprachlich schwerfällig und inhaltlich nicht verschieden von den Sprechblasen im Bundestag. Er macht es der Adressatin leicht, staatsmännisch zu antworten und damit einen guten Eindruck zu machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.07.2013 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23720

Nur wenige Kommentatoren sagen klar, was ja ganz offensichtlich hinter dem jüngsten Gerede um den "Soli" steckt: Merkel will ihn 2019 "nicht abschaffen" – obwohl er doch von selbst ausläuft und es gar keiner Abschaffung bedarf. Es kann ja höchstens darum gehen, eine neue Sonderabgabe mit anderem Namen und anderer Zweckbindung einzuführen. Das wird aber nicht gelingen, und warum sollte Merkel jetzt schon über solche Vorhaben in der übernächsten (!) Legislaturperiode sprechen? Nein, es geht einzig darum, der FDP die Gelegenheit zur Profilierung zu geben, damit sie über die 5-Prozent-Hürde kommt und Merkel in der jetzigen Konstellation weiterregieren kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2013 um 06.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23712

Das "Ding" gefällt Steinbrück so gut, daß er immer wieder erklärt, er wolle es gewinnen. Außerdem sagte er in Bayern:

Im Jahr 1999 habe es mit Gerhard Schröder (SPD) einen Kanzler gegeben, der sich schriftlich die Bestätigung des US-Geheimdiensts NSA habe geben lassen, dass keine deutschen Interessen und Rechte verletzt würden und dass die Daten nicht der Wirtschaftsspionage dienten. "Das war ein Bundeskanzler, der sich durchgesetzt hat", sagte Steinbrück. "Das erwarte ich auch von Frau Merkel, und zwar so schnell wie möglich." (Spiegel 20.7.13)

Viele Leser finden es überhaupt ungeschickt, den russischen Gasindustriellen Schröder als Vorbild zu preisen, aber am meisten Heiterkeit hat der Hinweis auf die schriftliche Zusicherung der USA hervorgerufen, nun auch ganz gewiß brav zu sein. Eine solche Bescheinigung kann sich auch Merkel ausstellen lassen, aber die Deutschen wissen, daß niemand die Amerikaner daran hindern kann und wird, ihrer Tätigkeit nachzugehen. Die Rhetorik (auch von Nahles usw.) geht auf eine schon wieder faszinierende Weise am Publikum vorbei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.07.2013 um 06.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23642

„Wir gewinnen dieses Ding, wenn wir mobilisieren“, so Steinbrück. (Bericht über Wahlkampfrede in Bochum, 6.7.13)

Warum wirkt das abstoßend? Vielleicht weil das unspezifischste Substantiv anzeigt, daß der Sprecher sich nicht die geringste Mühe gibt, den eigentlichen Gegenstand, also die Wahl, in der üblichen Weise zu benennen. Das wirkt geringschätzig, wenn man bedenkt, daß es um die Zukunft des Landes geht. Die erscheint hier als so'n Ding unter anderen Dingen (oder besser Dingern). Vielleicht wirkt auch das Pathos des Ärmelhochkrempelns (im "Ruhrpott", wie man so sagt) aufgesetzt kumpelhaft. Oder soll die Anbiederung der Wiedergutmachung dienen, Stichwort Bochumer Stadtwerke?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.07.2013 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23527

In Wahlkampfzeiten melden sich natürlich auch die Kommunikations-Quatschköpfe, die immer ganz genau wissen, wie man Wahlen gewinnt. Aber darum geht es mir diesmal nicht:

Körpersprache des SPD-Kanzlerkandidaten: „Steinbrück achtet nicht auf die Menschen“- Wenn Peer Steinbrück auf Menschen trifft, schenkt er ihnen zu wenig Beachtung, sagt Kommunikations-Experte Michael Moesslang. (focus.de 2.7.13)

In normalem Deutsch würde man hier erwarten Wenn Peer Steinbrück auf andere Menschen trifft.... Das ist logisch nicht zu begründen, es gehört zur Pragmatik.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2013 um 12.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23499

Viele Medien feiern Steinbrücks jüngste Rede als rhetorische Glanzleistung:

Peer Steinbrück punktet gegen Merkel (SZ online Schlagzeile 27.6.13)

Steinbrück schickt Merkel in die Wüste

(wegen des kleinen Witzes)

usw.

Nun, wie gesagt: die Qualität einer Rede mißt sich am Erfolg, sonst nichts. Wenn Steinbrücks Rede seine Beliebtheit oder seine Wahlchancen nicht erhöht hat, war die Rede nicht gut. Die Tübinger Schule der Rhetorik hat versucht, die Bewertung vom Erfolg abzukoppeln. Eine Rede wurde nach ihrer formalen schulmäßigen Geschliffenheit oder nach ihrer demokratischen (= sozialdemokratischen) Gesinnung beurteilt. Das ist alles Unsinn und vollkommen unklassisch, ganz im Gegensatz zum Selbstbild der Tübinger Rhetoriker (die denn auch niemals selbst etwas durch eine Rede bewirkt haben, außer sich selbst zu feiern).

Natürlich kann es vorkommen, daß eine Rede, die unter anderen Umständen erfolgreich wäre, ganz untergeht, trotz aller Durchdachtheit, Schlagfertigkeit usw. Aber die genaue Berücksichtigung der Umstände gehört eben mit zur rhetorischen Leistung, auch das ist klassische Lehrmeinung. Was in der Situation A mitreißt, wirkt in der Situation B als störender Lärm.

In gewisser Weise freut es mich, daß die Rhetoriker, die ich nie ausstehen konnte, durch das Phänomen Merkel zur Verzweiflung getrieben werden. Deren berüchtigte Null-Rhetorik bei gleichzeitiger Höchstbeliebtheit, das ist schon ein harter Brocken. (Nicht daß ich sie wählen würde, Gott bewahre!)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.06.2013 um 13.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23451

Eigentlich bin ich kein großer Freund von Oscar Wildes Witzmechanik, aber manchmal trifft es schon ganz hübsch: “The amount of women in London who flirt with their own husbands is perfectly scandalous. It looks so bad. It is simply washing one's clean linen in public.”
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.06.2013 um 12.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23439

Die neueste Wendung der Steinbrückschen Rhetorik (Ehefrau, Tränen) ist durchaus nicht so unklassisch, wie die marmorweiße Antikenillusion nahelegen könnte. Es gibt eine ganze Reihe Stellen wie etwa diese:

Nec vero miseratione solum mens iudicum permovenda est – qua nos ita dolenter uti solemus ut puerum infantem in manibus perorantes tenuerimus, ut alia in causa excitato reo nobili, sublato etiam filio parvo, plangore et lamentatione complerimus forum –, sed est faciendum etiam ut irascatur iudex mitigetur, invideat faveat, contemnat admiretur, oderit diligat, cupiat fastidiat, speret metuat, laetetur doleat; qua in varietate duriorum accusatio suppeditabit exempla, mitiorum defensiones meae. (Cicero, Orator 38, auch 37 gehört dazu)

Das kommt uns nicht besonders geschmackvoll vor und weckt Verständnis für die Rhetorikschelte von Platon bis Kant. Paßt auch zu Jens' komödiantischer Existenz.

(Ich käme mir selbst arrogant vor, weil ich dem lateinischen Text nicht die deutsche Übersetzung beigefügt habe, aber ich weiß ja, daß man sie im Internet in Nullkommanichts findet ...)
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 13.06.2013 um 12.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23411

Versteht sich von selbst, daß in der taz weder beim Büchnerpreis noch bei W. Jens das Bemühen der Betreffenden um gute Rechtschreibung Erwähnung findet. Stattdessen wird ihnen sogar zitatweise ein Heysesches "muss" untergejubelt. Der Deutschlandfunk traute sich immerhin noch, wenn auch etwas nebulös, zu sagen "Er äußerte sich auch zur Rechtschreibereform."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2013 um 04.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23407

Gert Ueding schreibt zum Tod seines Lehrers und Vorgängers Jens:

Mit Walter Jens, der nun am Sonntag mit 90 Jahren in Tübingen gestorben ist, nimmt ein Schriftstellertypus seinen endgültigen Abschied, den die deutsche Literatur erst im 18. Jahrhundert hervorgebracht hat, in ihr aber immer ein Fremdling geblieben ist. (Tagesspiegel 10.6.13)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.06.2013 um 05.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23396

Zum Tod von Walter Jens erlaube ich mir einen Text einzurücken, den ich vor zehn Jahren schon unter www.rechtschreibung.com gebracht habe:

Auch wenn man Walter Jens keinen schwereren Vorwurf daraus machen sollte, daß er als junger Mann NSDAP-Mitglied war, so hätte man doch wenigstens erwarten können, daß er, der über alles und jedes geredet und geschrieben hat, den bedauerlichen Umstand wenigstens einmal zum Gegenstand einer Betrachtung oder wenigstens Erwähnung gemacht hätte. Daß im Verschweigen eine Schuld liegen könnte, scheint ihm gar nicht in den Sinn zu kommen, wenn er sich jetzt öffentlich darüber ausläßt, er sei doch gar kein „Germanist“ und gehöre nicht ins Germanistenlexikon. Auch sein sonstiges Leugnen und Bestehen auf weiteren Beweisen wirkt kläglich.
Aber bei Walter Jens wundert mich gar nichts, denn die Rhetorik ist ja nichts anderes als die zur akademischen Disziplin überhöhte Gesinnungslosigkeit. Das Allerkomischste ist wohl, daß Jens sich seit je als „Radikalen“ bezeichnet, „Radikalrepublikaner“. Das unerträgliche Wortgeklingel, mit dem er alle seine Texte ausstaffiert, wurde sogar von seinem Freund Peter Härtling einmal getadelt (FAZ vom 12.11.1977). Es erinnert an den nicht sehr geschmackvollen Gorgias, den man aber sympathischer finden muß, weil er in einer naiven Frühzeit wirkte und außerdem ziemlich lustig war. Der große Philologe J. D. Denniston schrieb über ihn: „Starting with the initial advantage of having nothing in particular to say, he was able to concentrate all his energies upon saying it.“ (Greek Prose Style. Oxford 1952, S. 12) Paßt genau, auch auf unseren Radikalrepublikaner.

Mein kürzlich verstorbener akademischer Lehrer, der Indogermanist Bernfried Schlerath, charakterisierte Jens, den er als Student, nur ein Jahr jünger als der vom Militärdienst befreite Jens, in Lateinseminaren erlebte, folgendermaßen:

»Jens, immer auf Wirkung bedacht, setzte sein Asthma gekonnt als rhetorisches Mittel ein: genau an der richtigen Stelle ein rasselnder Atemzug. Ich bewunderte ihn, hatte er doch gerade das, was mir fehlte: Selbstbewußtsein und Schlagfertigkeit. – Dann war es ein einziger Satz von ihm, der mich auf Distanz gehen ließ, der mich unangenehm berührte: „Nestle, dieser bedeutende Philologe – von Russen am Straßenrand erschlagen“. Schlagartig sah ich, daß dieser erschütterte Blick, erst in die Runde, dann gen Himmel, diese effektvoll berechnete Pause in der Mitte des Satzes, dieser langsam erhobene Arm, die Handfläche nach oben, der Mund blieb halb geöffnet stehen, pures Theater war. Nicht daß Jens geheuchelt hätte, daß er nicht etwa wirklich betroffen war, aber er konnte offenbar um der Wirkung willen über seine Gefühle verfügen, sie nach Belieben hervorrufen. Mein Gefühl wurde mir zur Gewißheit, als Jens einige Tage später – ich war später hinzugekommen – den gleichen Satz vor anderen Gesprächsteilnehmern in genau der gleichen Weise wiederholte, exakt genau, bis in die kleinsten Einzelheiten. „Nestle, dieser bedeutende Philologe – von Russen am Straßenrand erschlagen“. „Ekelhaft“, dachte ich. Sein weiterer Lebensweg bestätigte meinen damaligen Eindruck. Seine letzte wichtige Leistung war sein Buch „Hofmannsthal und die Griechen“ von 1955, vielleicht noch „Bauformen der griechischen Tragödie“ von 1971. Dann verließ er die Klassische Philologie und produzierte sich von nun an mit allen möglichen Modeströmungen, auch politischen, als Vehikel seiner Eitelkeit und wurde so zu einer einflußreichen Figur des Geisteslebens, d. h. vor allem der Feuilletons.« (Das geschenkte Leben. Dettelbach 2000, S. 141f.)

Und nun noch eine Kleinigkeit, die unser gemeinsames Thema, die Rechtschreibreform, berührt:
Bei Rowohlt ist die Biographie „Frau Thomas Mann“ von Inge und Walter Jens erschienen (2. Aufl. 2003): „Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung.“ Was sind die Folgen? allgemein bildende Vorlesungen ...Trotzdem hatte Hedwig Pringsheim Recht... Katia hatte Recht usw.; obwohl der Empfang sich nicht sehr viel versprechend angelassen hatte... An beiden Orten waren die materiellen Verhältnisse durchaus zufrieden stellend... Gustaf Gründgens war übrigens nicht der Einzige aus der Gilde der alten Arcisstraßenbesucher ... Quäntchen ... fürs Erste ... wenn es Not tat ... Mir tun die Deutschen kein bißchen Leid... Besorgnis erregende Erkrankung. Daneben unterlaufen herkömmliche Orthographie: Abschluß, daß, zeitraubend und konservative Silbentrennung: Jüng-ste usw. Es ist erstaunlich, daß Jens sich eine solche Textverhunzung gefallen läßt. Denn es ist noch nicht lange her, daß er sagte: „Ich bestehe darauf, daß meine Bücher in der alten Rechtschreibung gedruckt werden, ja selbstverständlich!“ ('Sabine Christiansen / Man spricht Deutsch – aber wie?' ARD, 29.07.2001) Übrigens schrieb Peter Wapnewski in schönster Neuschreibung über seinen Freund Jens: Er tut uns Not. (Die Welt 7.3.03)



Ich möchte noch hinzufügen, daß Jens und die Tübinger Schule der Rhetorik niemals mit dem Problem fertig geworden ist, daß die Bestimmung "vir bonus" in der Definition des vollkommenen Redners ein überschießender Bestandteil ist. Geht man auf Gorgias zurück, so ist der gute Redner ein erfolgreicher Redner, sonst nichts. Jens und seine Schüler kommen zu dem Ergebnis, daß Hitler und Goebbels überhaupt keine richtigen Redner, geschweige denn gute gewesen seien. Das ist absurd, aber das Gegenteil dürfen diese Herren nicht einmal in Erwägung ziehen, weil sonst ihre fragwürdige Kunst bloßgestellt wäre, wie sie es seit Platon und Kant immer schon war.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2013 um 16.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23394

Ich will keinen neuen Faden anfangen, deshalb bringe ich es hier unter:

Die ZEIT bringt unter dem Titel: Ein Wohnheim für die größten Streber Bayerns einen Beitrag über das Münchner Maximilianeum. Nun war ich da noch nie drinnen und kenne auch keinen, der es absolviert hat. Ich selbst wäre nie reingekommen, obwohl ich ein ganz guter Schüler war, und meine Kinder hätten es selbst dann nicht geschafft, wenn sie fleißiger gewesen wären. (Hoffentlich lesen sie dies nicht!) Ich nehme also eine ganz bescheidene Froschperspektive ein, bin allerdings auch nicht für übertriebene Demut vor den Großkopferten bekannt.

Aber nun: Die Überschrift stößt mich schon mal ab. Wie kindisch, die besonders Begabten oder Leistungsfähigen als "Streber" herabzusetzen! Das war bei uns schon in der Oberstufe nicht mehr üblich. Was man dann über einzelne Stipendiaten erfährt, bestätigt die Verurteilung auch nicht. Mathematik studieren und daneben Klavierkonzerte zu geben – das scheint die Vorstellungskraft des Journalisten zu übersteigen.

Im Maximilianeum fehlt es den Studenten an nichts. Sie wohnen mietfrei und das Konto der meisten wird durch ein zusätzliches Stipendium befüllt.

Tja, es gibt noch andere Stipendien, bei denen es nicht viel anders ist. Warum sollte es den jungen Leuten an etwas fehlen? Das ist doch der einzige Sinn der Förderung, daß es ihnen an nichts fehlt. Über befüllen hatte ich mich schon anderswo geäußert, ein interessantes Verb. Colaflaschen werden in Befüllungsmaschinen befüllt, und dann ab damit!

Aber nun der Gipfel: Das Essen ist besonders exquisit: Neben Frühstück und Abendessen werden die Maximer jeden Mittag mit einem Drei-Gänge-Menü verwöhnt. Diese Schnösel! Mittags Suppe, Würstl mit Kartoffelbrei, Schokopudding, und als wäre das nicht genug, auch noch Frühstück und Abendbrot!

Aus denen kann nichts werden, wahrscheinlich lesen sie nicht einmal die ZEIT.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.05.2013 um 00.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23206

Nach meinem persönlichen Eindruck gab es in der DDR etwa 3% Aufrechte, die sich zu nichts nötigen ließen, sogar Benachteiligungen in ihrer beruflichen Kariere in Kauf nahmen, dann etwa 12% von der offiziellen Ideologie Überzeugte oder solche, die sich ganz bewußt nach dem Wind drehten, um Vorteile zu erlangen. Schließlich gab es etwa 85% Insassen, zu denen ich mich auch zähle, die das System zwar ablehnten, aber nach außen taten, was verlangt wurde. Wenn man was lernen und studieren wollte, wenn man einen Beruf nach seinen Fähigkeiten haben wollte, dann ging es nicht anders. Das tut mir gegenüber den 3% sehr leid.

Um nicht in staatliche Ungnade zu fallen, mußte man je nach Alter den Jungen Pionieren, der FDJ oder dem FDGB (Gewerkschaft) angehören, und das waren diese ca. 85% + 12% dann eben auch, außerdem gehörte spätestens ab etwa 11. Klasse meistens noch die DSF dazu. Wer vorhatte, eine höhere Schule oder Uni zu besuchen oder im Beruf weiterzukommen, mußte ein bestimmtes Maß an "gesellschaftlicher Aktivität" vorweisen.

Beispielsweise gab es einmal jährlich eine FDJ-Versammlung, wo die neue FDJ-Leitung des Klassen- oder Seminargruppenkollektivs gewählt wurde. Manchmal half es stillzusitzen, den Blick zu senken, nicht aufzufallen, man hoffte, die alten "Funktionäre" würden es vielleicht noch mal machen. Aber die wollten auch nicht ewig, da war eben mal jemand anders dran. Kaum jemand, der studiert hat, war nie in einer Pionier- oder FDJ-Leitung. Es klingt zwar heute total bescheuert, wenn man zugeben muß, man war einmal in der FDJ verantwortlich für Agitation und Propaganda. Aber genau diese Funktion war doch neben dem stellvertretenden Vorsitzenden der ideale Abduckposten. Der stand so auf dem Papier, damit war man offiziell "gesellschaftlich aktiv", brauchte aber am wenigsten zu tun. Am meisten Arbeit hatten der Vorsitzende und der Verantwortliche für Kultur und Sport, an denen hing immer viel Organisatorisches. Andere schöne Posten waren Kassierer, wer gut malen konnte, war "Wandzeitungsredakteur" oder Schriftführer (des Gruppenbuchs), und wo die FDJ nichts mehr abgab, gab es ja noch Pöstchen in der DSF oder in der GST, irgendwas mußte jeder machen. Jeder! Wer gar nichts vorweisen konnte, galt als politsch desinteressiert, inaktiv, hatte keinen gefestigten Klassenstandpunkt. Das war gefährlich, konnte einen den Studienplatz kosten.

Die Kanzlerin sagt, sie kann sich nicht mehr erinnern, was sie genau gemacht hat. Es klingt, als ob sie es nur nicht zugeben will. Aber ich (gleicher Jahrgang) kann heute auch nicht mehr genau sagen, ob ich nur in meiner Schulzeit oder auch während des Studiums mal in der FDJ-Leitung war. Ich meine zumindest, nie Vorsitzender gewesen zu sein, aber zum Stellvertreter oder Agit-Prop habe ich mich schon ab und zu breitschlagen lassen. Ich als kommunistischer Agitator! Pfff! Aber klar, die Bonzen waren mit mir zufrieden und ich konnte in Ruhe Abitur machen und zu Ende studieren. Bald danach habe ich dann mit meiner Familie einen Ausreiseantrag gestellt.

Daß die DDR abgesoffen ist, geschah nicht trotz, sondern eher weil Angela Merkel in der FDJ mal zuständig für Agit-Prop war!
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.05.2013 um 18.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23204

Reuth hat es nicht so mit der Redlichkeit. Vor wenigen Jahren kommentierte er in der Bild die dem Springer-Verlag angedrehten »sensationellen« Baupläne von Auschwitz I und II und unterschlug dabei u. a. die Kleinigkeit, daß identische Exemplare dieser Pläne der Forschung seit Jahrzehnten bekannt waren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2013 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23202

Nachdem Merkel von führenden Grünen und Linken (Gysi) Unterstützung bekommen hat, die sich mit der DDR wirklich auskennen, könnte man den Fall Reuth/Lachmann zu den Akten legen. Die FAZ hat eine Glosse dazu veröffentlicht, woraus ich doch ein wenig zitieren muß:

Die mächtigste Frau der Welt lernte erst relativ spät laufen und mutmaßte dazu: „Vielleicht lag es daran, dass ich als kleines Kind meistens im Laufstall saß.“ Die Autoren kommentieren: „Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Vermutlich war es so. Aber es könnte auch anders gewesen sein.“

Überschrift der Kolumne: "Der KGB im Laufstall".

Reuth hat eine lahme Rechtfertigung versucht, aber wer solches Zeug schreibt, ist nicht ernst zu nehmen. Ich weiß nicht, ob schon in diesem Buch selbst die geniale Frage aufgeworfen worden ist, wieso die talentierte Merkel eigentlich so gut Russisch kann ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2013 um 14.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23198

Worauf dann Dieter E. Zimmer antwortete und seine grundfalsche Auffassung von der Herkunft der deutschen Orthographie verbreitete, wiederabgedruckt in "Die Elektrifizierung der Sprache" und die falsche Ansicht noch unzählige Male in der ZEIT.
 
 

Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 15.05.2013 um 09.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23196

Eine Stimme aus einer anderen Zeit:

"Wenige Wochen vor seinem Tod hatte ich eine Hoffnung in Franz Josef Strauß gesetzt. Der unerschrockene, vielfältig interessierte, vielfältig gebildete Mann möge doch drastisch in die Diskussion um die Rechtschreibreform eintreten – 'ein kräftiges Wort von Ihnen, und es ist mit dem Spuk vorbei'. In welchem anderen wohlerzogenen Land dürfen obrigkeitlich bestallte Sachwalter als Sprachfunktionäre reformistisch tätig werden? 'Der neueste Vorschlag dieser Menschen ist weniger radikal, aber genauso verwerflich wie die vorhergehenden. Es ist nicht erforderlich, in die Erörterung des Wertes einzelner Vorschläge einzutreten, der von diskutabel bis nichtswürdig reicht. Verächtlich ist die Überzeugung, auf der diese regelmäßig auftretenden Peinigungen der Öffentlichkeit beruhen: die Meinung, Schrift und Sprache stünden zur Disposition von Manipulatoren, die einen Auftrag von Unterrichtsministern oder wem auch immer haben. Sie werden vielleicht nicht meine Auffassung teilen, daß auch den Kultusministern selbst eine solche Disposition nicht zusteht, sondern daß auch sie im Schulunterricht den überkommenen kulturellen Bestand zu respektieren haben, weil nur die communis opinio im Gefolge der edelsten Geister der deutschsprechenden Völker solche Veränderungen bewirken darf. Es genügt zum Beleg, die Reformwut der Kommissionen, die ohne die edelsten Geister auskommen, wahrzunehmen. Unsere Sprache ist von dem Reformator, von Dichtern und Philosophen, von gebildeten Soldaten, von Wissenschaftlern vieler Disziplinen entwickelt, gefördert worden; eine besonders erhabene Rolle der Germanistik ist nicht auffällig gewesen.' Der Versuch, die Grenzen des Staates zu bestimmen, stammt aus einer edlen deutschen Feder, ist aber in Deutschland folgenlos geblieben. Selbst solche, die konservativ genannt werden, mögen nicht einsehen, daß der Staat die custodes bestellt, die Gesellschaft sich ihre innovatores wählt und daß ein sehr großer Mann vonnöten ist, die Unterscheidung aufzuheben. – Strauß hat nicht mehr antworten können, doch der Nachfolger Streibl hat auf seine eigene Weise das Richtige getan."

(Johannes Gross, Das neue Notizbuch, 1985-1990, Stuttgart 1990, Eintrag vom 23. Dezember 1988, S.225)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2013 um 18.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23195

Man kann sich auch den Titel des Buches von Reuth/Lachmann auf der Zunge zergehen lassen: Das erste Leben der Angela M. – Wieso M.? Offenbar soll hier schon suggeriert werden, es gebe da ein Geheimnis zu enthüllen, als sei die Frau irgendwo verschlüsselt zugange gewesen.
 
 

Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 14.05.2013 um 16.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23194

In Sachsen, wo ich sehr selten bin, scheint ein etwas anderer Wind zu wehen. Hier in Berlin/Brandenburg sind die sozialistischen Namen keine Randerscheinung. In Städteatlas „Berlin mit Umland und Potsdam“ des RV-Verlags ist Karl Liebknecht, nach dem in Potsdam sogar ein Bundesligastadion benannt ist, 33mal im Straßenverzeichnis vertreten, Ernst Thälmann 31-, und Rosa Luxemburg 25mal.

Die Karl-Liebknecht-Straße ist in Berlin die Fortsetzung der Straße Unter den Linden, ebenfalls zentral gelegen ist der Ernst-Thälmann-Park und der Rosa-Luxemburg-Platz nebst -Straße.

Bemerkenswert ist auch, daß die Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" ihren Namen behalten hat.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.05.2013 um 23.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23193

Ein kleiner Lapsus ist mir hier unterlaufen, wenn man fährt, macht man natürlich weder Schritte noch Tritte, was ich aber meinte, man soll ruhig auch mal aussteigen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.05.2013 um 23.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23192

Zu den u.g. (#23181) Journalisten schreibt DER SPIEGEL, Nr. 20/13.5.13, S. 15:

Die Autoren Ralf Georg Reuth und Günther Lachmann haben sich eine Tschekisten-Ehrenspange wirklich verdient, oder wenigstens eine wuschelige Russen-Tschapka.

Der bissigen Kritik würde ich wohl zustimmen, aber was ist eine Russen-Tschapka?
Mütze heißt auf russisch Schapka und auf polnisch Tschapka. Vielleicht wäre dieser kleine Unterschied vernachlässigbar, wenn nicht das polnische Wort Tschapka für eine pickelhaubenähnliche militärische Kopfbedeckung stünde, während das russische Wort Schapka für die auch zivil genutzte wuschelige Pelzmütze mit herunterklappbarem Ohren- und Nackenteil steht.

Na ja, die Jugendweihe. Was ist davon geblieben? Nur das Wort. Ich meine, für mich wäre allein das schon ein Unding, aber sie wird halt immer noch von einigen als Grund zum Feiern gebraucht, keineswegs von allen.
Daß nur wenige Straßennamen geändert wurden, trifft sicher nicht zu. Ich bin oft im Osten, und da, wo ich mich auskenne, wurde alles geändert. Mag sein, daß es noch ein paar vergessene Restbestände gibt, die fallen aber nicht ins Gewicht. Vielleicht haben sich auch wo ein paar Wendegeschädigte zusammengetan und die Umbenennung verhindert. Wir sind halt jetzt demokratisch.

Warum werden Kohl eigentlich die "blühenden Landschaften" immer vorgeworfen? Wenn man durch die östlichen Bundesländer fährt, sieht man sie doch auf Schritt und Tritt, seit nun über 23 Jahren, als es mit den wehenden schwarz-rot-goldenen Fahnen mit dem Loch in der Mitte anfing! Als ob keiner mehr wüßte, wie es früher dort aussah. Vom kleinsten Dorf bis zu den größeren Städten. Wie habe ich gestaunt, als ich nach der Wende zum ersten Mal Städte wie Celle und Hameln sah. Nun sehe man sich jetzt mal Görlitz und Bautzen und viele andere an, es sind die reinsten Schmuckkästchen geworden.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.05.2013 um 17.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23190

Ich habe von Anfang an geglaubt, daß Helmut Kohl die "blühenden Landschaften" ganz wörtlich meint, nämlich als ent-industrialisierte, und daß die Bundesregierung nur einen neuen Absatzmarkt für unsere Industrie dazubekommen will und an Ost-Produkten hier kein Interesse besteht.
 
 

Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 13.05.2013 um 15.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23188

Daß beträchtliche Teile des sozialistischen Kults die "Friedliche Revolution" überlebt haben, hätte ich damals, 89/90, nicht für möglich gehalten. Die Jugendweihe ist geblieben. Straßennamen sind nur wenige geändert worden, vor allem Lenin mußte weichen. Die übrigen sozialistischen Heiligen sind geblieben. Rosa, Ernst und Karl zieren jedes kleine Dörfchen in Brandenburg. Auch Pieck und Grotewohl sind vertreten, allerdings seltener.

In Sachsen-Anhalt habe ich vor einigen Jahren eine Straße der Bodenreform gesehen. In Rostock gibt es sogar eine Ilya-Ehrenburg-Straße.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2013 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23186

Natürlich war das nur eine Verlegenheitsformel, unter der man sich Verschiedenes vorstellte, wie es ja auch im Westen mancher vertrat (und heute noch vertritt). Ich erinnere mich noch sehr gut, wie viele auch bei uns hier die schlichte "Wiedervereinigung" entweder ablehnten oder für unmöglich hielten. Es war eine gigantische Aufgabe und vieles schien offen, was man sich aus heutiger Siicht kaum noch vorstellen kann. Die Westdeutschen waren ja auch in Selbstkritik geübt (worden) und zum Teil durchaus aufgeschlossen, wenn man ihnen vorschlug, das kapitalistische "System" bei dieser Gelegenheit zu reformieren usw.

Merkels Mitgliedschaft in FGDG und DSF war das absolute Minimum an "gesellschaftlicher Aktivität" und taugt nicht einmal zum Vorwurf des Opportunismus. Das muß man den Jüngeren heute vielleicht auch noch sagen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.05.2013 um 22.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23185

Daß um die Wendezeit fast jeder in der DDR für einen "demokratischen Sozialismus" war, würde ich nicht sagen. Wäre es so gewesen, dann hätte das an der Utopie zwar nichts geändert, aber es hätte zumindest noch ein paar ernsthafte neue Versuche gegeben, eine Art demokratischen Sozialismus zu errichten.
Eine Wiedervereinigung hat bis zum Mauerfall fast niemand für möglich gehalten, das stimmt. Deshalb waren die Menschen natürlich für jede Art Demokratisierung, für jede Änderung, die sie dem Westen ein Stück näher brachte. Mit solche schrittweisen Demokratisierungswünschen wollte man erstmal die richtige Richtung einschlagen, man darf das aber nicht mit einem allgemeinen Wunsch nach demokratischem Sozialismus gleichsetzen. Das hat man Ende 89 sehr schnell gesehen, je mehr man sich in die Öffentlichkeit wagen konnte. Da wurde schnell klar, daß die Verfechter eines "demokratischen Sozialismus" eine sehr kleine Minderheit darstellten. Die Masse hatte genug von sozialistischen Experimenten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2013 um 06.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23181

Einige Bücher über Merkel sind der Anlaß für allseitiges Munkeln und Raunen. Die "wirkliche" Merkel scheint ganz unbekannt und auf jeden Fall eine ganz Schlimme zu sein. Ein SPD-Sprecher weiß schon, was für ein Desaster das für die CDU bedeutet: "Die jüngsten Berichte über Frau Merkel kommen für die Union jetzt zur Unzeit", sagte Stegner mit Blick auf den Bundestagswahlkampf.“ (ZEIT 10.5.13)

Reuth und Lachmann werfen die Frage auf, ob Merkel eine „Reformkommunistin“ gewesen sei. Hauptsache, das Wort Kommunistin kommt irgendwie vor. Merkel kam vor 23 Jahren in den Bundestag; in dieser Zeit hätte man doch feststellen können, ob sie kommunistische Politik macht.

Um die Wendezeit war sie für einen "demokratischen Sozialismus". Die Hälfte der heutigen Deutschen hat diese Zeit wohl nicht bewußt erlebt und weiß nicht, daß damals fast jeder (in Ostdeutschland) für einen demokratischen Sozialismus war, weil man sich etwas anderes kaum vorstellen konnte.

Merkel war auch in Moskau und sprach gut Russisch – sehr verdächtig. In der FDJ hatte sie auch ein Pöstchen. Wahrscheinlich hat sie die halbe DDR-Jugend agitiert, leider erinnert sich kein Opfer mehr daran. Warum konnte sie überhaupt studieren? Warum will sie nicht mit Biographen sprechen? Das ist vielleicht überhaupt das, was man ihr am wenigsten verzeiht.

Weder war sie eine unpolitische Wissenschaftlerin, noch schlug ihr Herz für die deutsche Einheit. Vielmehr gehörte die ehrgeizige und systemkonforme Physikerin der sowjetisch geprägten Wissenschaftselite des SED-Staates an und trat 1989 für einen demokratischen Sozialismus ein – eine erstaunliche Ausgangsposition für die spätere Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende. (WELT über Reuth/Lachmann)

Wieso denn? Das zeigt bloß die erwähnte Vergeßlichkeit oder spekuliert darauf. Und wie präzise ist der Vorwurf "sowjetisch geprägt"? War irgend etwas in der DDR nicht "sowjetisch geprägt", wo man täglich ML-Lippenbekenntnisse ablegen mußte?

Reuth hat ja fast alles schon bei Langguth gelesen, dessen Buch er vor acht Jahren rezensierte. (Wie sehr viele Leser bemerkt haben, erscheint solches Zeug alle vier Jahre.)

Die Kampagne wird die Merkel-Fans nicht abschrecken, die Merkel-Feinde nicht versöhnen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.05.2013 um 06.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#23123

In der "Welt" kreidet Torsten Krauel es dem Bundespräsidenten an, daß er Steuerhinterzieher asozial genannt hat. Asozial ist heute schlimmer als kriminell. Man sollte meinen, Straftaten seien eo ipso auch asozial, und gerade Steuerhinterziehung ist ein Akt der Entsolidarisierung, der dieses Prädikat noch eher verdient als ein gelegentliches Gewaltverbrechen aus Eifersucht oder persönlicher Rache.

Der Bedeutungswandel ist wohl so zu verstehen: Das Soziale ist heute das Gute, und asozial ersetzt böse. Es soll also gesagt werden, daß der Steuerhinterzieher zwar einen Fehler macht (gegen eine Klugheitsregel verstößt, wie Kant sagen würde), aber nicht böse ist.

Die Solidarität, irrig genug als Grundwert angesehen, wird demnächst wohl so ausgelegt werden, daß gerade die Steuerhinterzieher solidarisch gegen den ungerechten Steuerstaat handeln. Das ist auch der Tenor der Leserzuschriften: gegen diesen Staat kann man gar nicht genug sein, und am besten ist es, dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2013 um 08.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22929

Die FAZ kritisiert im Wirtschaftsteil die inhaltsleeren Phrasen des Managerdeutschs. Das erinnert mich an die Plakate, mit denen die "EliteAkademie" der bayerischen Wirtschaft an den Universitäten wirbt; sie sind gänzlich mit Dutzenden von Schlagwörtern (Leadership usw.) bedeckt. Nichts, was heute gut und teuer ist, fehlt, und es wirkt lächerlich. Ich wundere mich jedesmal, wenn ich daran vorbeigehe, wie unempfindlich manche Leute in sprachlichen Dingen sind und wie gering sie von ihren Mitmenschen denken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.03.2013 um 11.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22885

Gestützt auf eine UN-Vorgabe, wird zur Zeit Inklusion als Fahnenwort hochgespielt, das Gegenteil als Aussortieren heruntergemacht. Es geht um gemeinsame Klassen für Behinderte und Nichtbehinderte. Es geht wahrscheinlich auch ums Einsparen von Geld und Personal.
Manche behinderten Schüler können in Regelklassen untergebracht werden. Man sollte sich aber für das "soziale Lernen" der anderen nicht zuviel versprechen, das nutzt sich ab.
Viele von uns dürften aus der täglichen Erfahrung oder aus der Bekanntschaft wissen, daß zahlreiche Arten der Behinderung eine überaus intensive Versorgung und Zuwendung erfordern. Warum das in Regelklassen gegen alle zusätzlichen Schwierigkeiten geleistet werden soll, ist mir nicht verständlich.
Ich habe Contergan-Opfer gesehen, die in einer Telefonzelle den Hörer mit dem Fuß hielten und sogar das Geld mit den Zehen in den Schlitz steckten. Welche Arbeit dahintersteckte, konnte man nur ahnen.
Ich kenne Menschen mit Down-Syndrom, die ausgezeichnet gefördert worden sind und sich fast wie unsereins verhalten.
Früher galten Schwerhörige oder Taube einfach als blöd und blieben dann auch dumm, weil man sie eben so behandelte. Mit richtiger Betreuung durch sehr gut ausgebildete Lehrer kann ein Behinderter heute viel erreichen.

Andererseits kenne ich Grund- und Hauptschullehrer, die völlig ausgebrannt sind wegen der täglichen Belastung durch verhaltensgestörte Schüler, die keineswegs mal eben neben der normalen pädagogischen Arbeit in der Klasse betreut werden können.

Angesichts der Tatsachen kommt einem die Rhetorik der Inklusionsideologen völlig verfehlt und auch unmenschlich vor.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 28.02.2013 um 15.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22721

Das muß ich mir merken, Herr Markner. Ich sage sonst immer, man kann nur schwanger sein, nicht ein "bißchen schwanger", aber "halbschwul" ist auch sehr schön.

Um wieder zur Sache zu kommen, geht es natürlich nicht, "bis zu einem gewissen Grad" entsetzt zu sein. Entsetzen ist ein Gefühl, das sich nur unvorbereitet einstellen kann. Natürlich schwadronieren Politiker gerne vor Mikrophonen von den spontanen Gefühlen, die sie natürlich immer erst beim Sprechen entwickeln. Auch wenn die Themen, um die es geht, schon mehrere Tage alt sind. Alles geschenkt! Naturkatstrophen, Geiselnahmen, Flugzeugkatastrophen, Amokläufe und andere schreckliche Dinge sind Anlässe, bei denen wir Politikern das mitunter gar nicht so echte Entsetzen immer gerne abnehmen und es zur Beruhigung ja womöglich auch brauchen. Dieses extreme Gefühl verträgt jedoch keine Einteilung in Grade. Damit hat Steinbrück sich wieder um seine von der eigenen Partei so gefeierte kantige Authentizität gebracht. Ich kann nicht bis zu einem gewissen Grad begeistert, entzückt, überrascht, schockiert, betroffen, enttäuscht oder verliebt sein. Darüber hinaus klingt der logisch damit verbundene "Begeisterungsgradmesser" für mich doch sehr nach einem Applausmeßgerät.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 28.02.2013 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22720

Kann man eigentlich »bis zu einem gewissen Grad entsetzt« sein? Klingt doch reichlich »halbschwul«.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.02.2013 um 13.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22719

"Steinbrück hat mit dem, was er gesagt hat und wie er es gesagt hat, völlig Recht.“ (Rheinische Post online 28.2.13)

Journalisten, die solche Großschreibung hinklatschen, können nicht geholfen werden, um es mal so auszudrücken

Das sagte übrigens der stellvertretende Chef der SPD im Bundestag, Axel Schäfer: »"Mit der Absage des Abendessens hat Napolitano aus meiner Sicht bedauerlich und unverständlich reagiert", sagte Schäfer unserer Redaktion. Schäfer verteidigte Steinbrück: "Steinbrück hat mit dem, was er gesagt hat und wie er es gesagt hat, völlig Recht."«
Nachdem Steinbrück die Hälfte der Italiener für Vollidioten erklärt hatte, konnte der italienische Präsident Napolitano schlechterdings nicht mehr mit ihm zusammentreffen, das ist doch nicht unverständlich. Vielleicht hätte jemand das Steinbrück erklären können, aber der sagt trotzig, er stehe zu seinem Wort.
»Andere Sozialdemokraten zeigten Befremden. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), mahnte, den politischen Willen der italienischen Wähler zu respektieren."Mein wenig gutes Verhältnis zu Silvio Berlusconi ist bekannt. Wir sind bei der Betrachtung der Wahl alle gut beraten, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Italiener diese Parteien und ihre Führer gewählt haben", sagte Schulz der "Passauer Neuen Presse".«
Steinbrück sollte sich rhetorisch an Papst Benedikt ein Beispiel nehmen, der dem Bundestag ins Gesicht sagte, daß er ihn wegen der Sexualstraf- und Ehegesetzgebung für eine Räuberbande hält, dies aber mit so geschickten Worten, daß sogar die Grünen Beifall klatschten, die ja, wenn sie das Stichwort „Natur“ vernehmen, sofort den Verstand verlieren. Nur die Pius-Brüder haben damals durchschaut, was der Papst wirklich gesagt hatte, denn sie waren mit dessen Diktion bestens vertraut und wissen natürlich auch, was er unter „Natur“ versteht. Aber gesagt ist gesagt, jeder kann es nachlesen. Das war wirklich professionell, ich habe es ehrlich bewundert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.01.2013 um 07.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22517

Die SPD hatte sich vorgenommen, Steinbrücks Rhetorik stärker zu kontrollieren, damit er nicht so viele Fehler macht. Aber was die ZEIT gerade berichtet, ist auch wieder bedenklich:

»Peer Steinbrück fordert die Kanzlerin heraus: "Ich plädiere dafür, dass es mindestens zwei Duelle mit Frau Merkel gibt." Er sei gespannt, ob sich die Kanzlerin dem stelle, oder ob sie kneife. Im Bundestagswahlkampf 2009 hatte es nur ein Fernsehduell zwischen Merkel und dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier gegeben.
Die Kanzlerin werde sicher versuchen, weiter auf roten Teppichen und Gipfeln zu glänzen und die heiße Wahlkampfphase so weit es geht nach hinten zu schieben, sagte Steinbrück.
In den letzten 15 Jahren habe es eine massive Umverteilung gegeben – "und zwar stramm von unten nach oben", sagte der SPD-Politiker.« (zeit.de, 31.1.13)

15 Jahre? Sollten die Deutschen vergessen haben, wer vor genau 15 Jahren Bundeskanzler wurde und wer seither auch mal Finanzminister war? Auch könnten die Deutschen lieber sehen, daß Merkel auf Gipfeln glänzt als in TV-Duellen wie Hiltibrant enti Hadubrant. "Kneifen" (was für ein Ausdruck!) wäre nicht die schlechteste Idee.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.01.2013 um 17.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22500

Auf einem Pressefoto steht Bill Gates ganz normal und zivil da, flankiert von Steinbrück und Gabriel, beide mit der Hand irgendwo in den Raum des Betrachters weisend. Diese Ikonographie sieht man fast täglich. Die Geste erinnert ein wenig an Kaiser Augustus oder Marc Aurel (auf dem Campidoglio), auch wenn sie nicht ganz so ausladend ist wie bei den Imperatoren. Ich habe mich oft gefragt, ob die Politiker eigens für den Fotografen so posieren oder die Fotografen umgekehrt diesen göttlichen Augenblick abwarten. Gab es denn wirklich etwas zu zeigen, so daß die beiden SPD-Männer im selben Augenblick den Arm heben mußten? Jedenfalls scheinen die Herren Politiker uns stets den Weg zu weisen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.01.2013 um 11.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22442

Es fehlt noch mehr als bloß »Eltern«, nämlich das Satzende: »sondern muss allen Steuerzahlenden aufgehalst werden«.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.01.2013 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22441

Apropos Hochschule und Schlüsselqualifikationen. Ich finde heute einen Aufruf zur Teilnahme am Volksbegehren gegen Studiengebühren im Briefkasten, wie er derzeit wohl in ganz Bayern mit der Post verteilt wird. Im erklärenden Text heißt es:

Es ist auch Aufgabe des Staates für vernünftige Studienbedingungen zu sorgen. Diese Aufgabe darf nicht auf die Studierenden und Ihre abgewälzt werden.

Nanu? Das hieß wohl mal und Ihre Eltern. Eine Google-Recherche zu dem verunglückten Satz bringt nur wenige Treffer. Einer ist dasselbe Dokument, das vor mir liegt. Ein weiterer führt zur Homepage der Grünen in Puchheim. Dort steht:

Diese Aufgabe darf nicht auf die Studierenden und ihre eltern abgewälzt werden.

Immerhin, ihre ist richtig geschrieben. Erlösung bringt der dritte und letzte Treffer, die SPD Tuntenhausen mit dem SPD-Bundestagskandidaten und Jura-Studenten Abuzar Erdogan:

... darf nicht auf die Studierenden und ihre Eltern abgewälzt werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2013 um 19.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22330

In den letzten Wochen ist Steinbrück von allen Seiten kritisiert worden, so daß seinen Verteidigern zuletzt nur noch einfiel, er sei wenigstens "authentisch". ("Ich sage, was ich denke.") Der Inhalt zählt nicht mehr.

Nun klagt Sigmar Gabriel zum Steinerweichen über seine schwere Kindheit (von vielen Bloggern als nicht ungewöhnlich schwer eingeschätzt) und rechnet mit seinem glücklicherweise toten Nazi-Vater ab. Die Zeitungen nennen es "authentisch". Manche sehen darin den Versuch der ZEIT, hinter Steinbrück eine zweite Kandidatenfigur aufzubauen. Beim Lesen dachte ich ständig: das letzte Aufgebot!

In besseren Kreisen glaubt man schon lange nicht mehr, daß es so etwas wie Authentizität überhaupt gibt. Dasein heißt eine Rolle spielen. Öffentliche Authentizität ist geradezu ein Widerspruch.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 02.01.2013 um 12.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22250

Es ging um die vermeintliche Bezahlung nach Ersetzbarkeit.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.01.2013 um 18.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22247

Warum vergleicht Peer Steinbrück das Kanzler-Gehalt ausgerechnet mit dem von Bankdirektoren? Die einzige Erklärung kann nur die sein, daß beide als Geschäftsmodell die Falschberatung der Bürger bei der privaten Altersvorsorge haben.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.01.2013 um 15.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22245

Nein, die Bezüge von »Wirtschaftslenkern« werden individuell ausgehandelt. Es gibt keine Gehaltstabelle, aus der sich sich der Vergütung ablesen läßt, die ein »Topmanager« erzielen kann – und das ist ja wohl die Liga, in der sich der bescheidene Herr Steinbrück sieht. Fragt sich nur, ob sich ein zahlungskräftiges Unternehmen findet, das ihn nach seiner nächsten Wahlniederlage anheuern möchte. Bisher war das offenbar nicht der Fall.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 01.01.2013 um 14.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22244

Leider stellt sich die Notwendigkeit, Wirtschaftslenker zu ersetzen, oft erst nach ihrem Unfähigkeitserweis heraus. Bis dahin richtet sich die Bezahlung gern nach ihrem Posten.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.01.2013 um 13.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22243

Gehälter richten sich nach der Ersetzbarkeit der Personen, die den betreffenden Arbeitsplatz innehaben. Deshalb verdient Zlatan Ibrahimovic mehr als Angela Merkel. Denn es gibt viele, die genauso schlecht Bundeskanzler mimen könnten wie Frau Merkel, aber fast niemanden, der einen Fallrückzieher aus dreißig Metern aufs Tor bringt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.01.2013 um 11.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22242

Dazu passend:

Trotzdem hat Steinbrück recht, mit jedem Wort. (...) Es gibt Wirtschaftszweige, in denen für dieses Gehalt nicht mal ein Abteilungsleiter seinen Hintern aus dem Bett bewegen würde. (Christian Jakubetz in Cicero)

Jakubetz denkt also genau so wie Steinbrück: Er sucht die vergleichbaren Jobs selbstverständnlich in der Wirtschaft. Weder der amerikanische Präsident, der kaum mehr bekommt als Merkel und in dessen Land die Wirtschaftsleute noch viel mehr verdienen als bei uns, noch sonst ein Regierungschef würde so denken. Es geht doch nicht darum, für welchen Betrag Merkel bereit ist, ihren Hintern zu bewegen und Kanzler zu machen. Kein Deutscher hat das je von M. oder einem anderen Kanzler angenommen. Aber Jakubetz fährt fort, daß Steinbrück authentisch und undiplomatisch seine wirkliche Meinung gesagt habe und daß wir solche Kerle brauchten. Operation gelungen, Patient tot.

Wie weit auch immer man das ganze Desaster Steinbrück selber zuschreiben muß – es spielt keine Rolle mehr –, jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß die SPD bereit ist, ihm bis zum bitteren Ende Gefolgschaft zu leisten. Er kann ja nun sagen, was er will, es wird immer falsch sein; das erinnert ein bißchen an Wulff. Aber wie findet man einen anderen Kandidaten und wie wird man den alten los? Viel Zeit bleibt ja nicht.

Gestern schrieb Kurt Kister in der SZ, ebenfalls zu Steinbrück: In Deutschland gibt es viele Menschen, die es für verwerflich halten, wenn einer mehr Geld hat als sie.

Kennen Sie solche Menschen? Ich nicht, Kister wahrscheinlich auch nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.12.2012 um 18.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22232

In den Kommentaren zu Steinbrück wird unermüdlich wiederholt, daß weder Merkel noch Schröder oder Schmidt sich über ihr Einkommen als Kanzler beklagt haben. Nur für Kohl wird das behauptet: „Helmut Kohl jammerte auch schon darüber, dass jeder Zahnarzt mehr Geld verdiene als er.“ (Hamburger Abendblatt 31.1.12)
Alle diese einander ähnlichen Behauptungen scheinen auf einen SPIEGEL-Artikel von 1990 zurückzugehen (www.spiegel.de/spiegel/print/d-13501827.html). Dort beklagt sich Kohl aber gar nicht und jammert auch nicht, das ist vielmehr die Interpretation der Journalisten. Der Zusammenhang, in dem sich Kohl über das Gehalt von Zahnärzten geäußert hat, bleibt unerwähnt. Vielleicht war er gefragt worden, ob er seiner Ansicht nach zuviel verdiene.

Es ist oft mit Recht gesagt worden, daß die Gehälter von Politikern eher mit denen des (übrigen) öffentlichen Dienstes verglichen werden sollten, nicht mit denen von Wirtschaftsführern. Es ist doch ein Unterschied, ob man aus Steuermitteln alimentiert wird oder das Geld selbst erwirtschaftet. Wenn die Aktionäre meinen, ihr Vorstand sei ihnen einige Millionen wert, dann zahlen sie das eben, genauso wie Sportler und Unterhaltungskünstler das verlangen, was sie eben erwirtschaften können, auch wenn uns bei den Zahlen schwindlig wird. "Obszön", wie es gern heißt, kann ich das nicht finden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.12.2012 um 04.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22095

Steinbrück hat in seiner Bewerbungsrede als Kanzlerkandidat eine Frauenquote für Aufsichtsräte gefordert. Ob er damit nennenswerte Erfolge bei der weiblichen Wählerschaft erzielt? Nur sehr wenige Frauen wollen in Aufsichtsräte, und den meisten anderen dürfte es egal sein, wie der Aufsichtsrat ihres Unternehmens sexuell besetzt ist, solange alles gut läuft.
Steinbrück kündigte auch an, im Kanzleramt eine Staatsministerin für Frauen einzurichten. Zeitungen erinnerten ihn daran, daß im Kanzleramt bereits eine Frau regiert, der außerdem lauter Frauen zuarbeiten. Auch versteht sich von der Leyen bereits als Frauenministerin. Das war also auch nicht so geschickt. Sogar bei der ZEIT äußern sich die Leser fast ausnahmslos ablehnend zu Steinbrücks Rede. Die Begründungen sind gar nicht mal schlecht. Im Rückblick wird man wohl erkennen, daß es nicht gut war, Steinbrück auf Themen festzulegen, die gerade er am wenigsten glaubwürdig vertreten kann. Freilich könnte er zu anderen wichtigen Fragen kaum etwas anderes sagen, als was die Regierung (meist unter Zustimmung der SPD) ohnehin tut.
Übrigens stand schon 1988 in unserer Zeitung: SPD will Sterbegeld erhalten (EN 13.9.88). War zwar nicht so gemeint, aber ich stutzte doch einen Augenblick und habe es deshalb notiert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.12.2012 um 06.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22087

Nachträglich weiß man oft nicht, wieso ein Politiker mit seiner Rhetorik so viel Erfolg bzw. Mißerfolg haben konnte. Die gesamte Situation, auf die es ankommt, läßt sich eben historisch meist nicht mehr rekonstruieren. Deshalb einige Bemerkungen zu Steinbrück und zu den Medien im Dezember 2012.

Die Journalisten stehen ratlos, geradezu sprachlos vor der Tatsache, daß Merkel nirgendwo so beliebt ist wie bei Jugendlichen – geradezu eine „Kultfigur“, wie eine Zeitung schrieb. Und das nicht nur als Gag. Umgekehrt befindet sich Steinbrück in einer schwierigen Lage. Die SPD will einen „Neustart“ mit ihm und für ihn, was an sich schon schwer genug sein dürfte, denn es ist ja immer noch der gute alte Steinbrück, von dem niemand etwas umwerfend Neues erwartet. So ist es denn auch ein ziemlich gewagter Einfall, ihn auf „Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt“ zu trimmen, wie es für die Parteitagsrede geplant ist. An dieser Rede soll der Kandidat mitsamt der Partei genesen, aber das kann nichts werden. Jeder weiß, daß die Rede der Schadensbegrenzung dient und daß ein Team in diesem Sinne daran herumgefeilt hat. Das kann man von vornherein nicht ernst nehmen, und je mehr vorab darüber gesprochen wird, um so weniger. Steinbrück wird viele Parteitagsstimmen bekommen, aber nur, weil die Partei es versäumt hat, sich rechtzeitig einen besseren Kandidaten zu suchen, und nun gezwungenermaßen alles auf diese Karte setzen muß. Das weiß auch in der Partei jeder.
Interessant ist auch das rhetorische Verhalten Steinbrücks selbst. Steinbrück hat im Interview gesagt, er würde nicht das Kindergeld erhöhen, sondern das Geld lieber in Kindertagesstätten stecken. Soweit entspricht das der SPD-Ideologie, Fremdbetreuung von kleinen Kindern von vornherein für die bessere Lösung zu halten. (Familie ist für Linke schon immer eine Brutstätte konservativen Verhaltens gewesen.)

Dazu BILD:
Überraschendes Bekenntnis von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (65)! Bei einer Diskussionsveranstaltung des Politmagazins „Cicero“ ging es um die Frage, ob das Kindergeld erhöht werden müsse.
Steinbrück klar dagegen: „Schon zehn Euro Erhöhung würden den Staat eine Milliarde kosten. Und man weiß dann auch nicht, wo das Geld hingeht.“
Und: „10 Euro sind ja auch zwei Schachteln Zigaretten, zweieinhalb Bier oder 2 Pinot Grigio – also zwei Gläser Pinot Grigio, denn eine Flasche, die nur 5 Euro kostet, würde ich nicht kaufen.“
Überraschung im Publikum! BILD fragte Weinexpertin Cordula Eich (42): Taugt ein Pinot Grigio unter fünf Euro/Flasche wirklich nichts? Eich: „Es gibt auch viele gute Tropfen für weniger als fünf Euro!“ – Beispiele sehen Sie in der Galerie unten.
(BILD 3.12.12)

Mit diesen unbedachten Äußerungen hat Steinbrück seine wirkliche Meinung durchblicken lassen: Man sollte Eltern kein Geld geben, die versaufen es doch bloß; nur der Staat kann verantwortungsvoll mit Geld umgehen.

(Wir haben schon gesehen, daß auch Akademiepräsident Klaus Reichert die "sozial Schwächeren" im Grunde seines Herzens auch für sprachlich inkompetent hält [siehe hier]. Arme Leute taugen eben nicht viel.)

Das Überraschende ist die Unlogik in Steinbrücks unbedachter Äußerung: Die armen Leute, die er beschuldigt, jeden zusätzlichen Euro zu versaufen, würden doch gerade den billigen Wein kaufen. Es geht doch nicht darum, ob Steinbrück selbst ihn trinkt. Er hat hier einen logischen Purzelbaum geschlagen, von der eigenen Redebegeisterung hingerissen.

Wie ein Leser im ND treffend bemerkt, würde Merkel nie so etwas sagen, obwohl sie vielleicht genau so denkt. Damit ist der Unterschied benannt und auch die Ursache für Steinbrücks Scheitern. Jemand, der sich praktisch jeden Tag solche Blößen gibt, dem traut man auch nicht zu, international Politik zu machen oder auch nur ein Kabinett zu führen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.12.2012 um 06.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#22079

Gestern brachte die Süddeutsche Zeitung einen größeren Beitrag über die Honorare von Rednern, meistens ehemalige Politiker wie Clinton, Genscher und der russische Gas-Industrielle Gerhard Schröder. Agenturen vermitteln Hunderte von solchen Leuten, wir haben ja hier schon mit dem Gedanken gespielt, Gertrud Höhler zu mieten. Der "Philosoph" Precht steht auch auf der Liste. Sonst ganz Unbekannte wie ein gewisser Reinhard K. Sprenger haben es auch zu begehrten Vortragskünstlern gebracht; der Genannte hat offenbar auch den Wiki-Artikel über sich selbst geschrieben, toller Kerl!

Die mediengestützte Prominenten-Inzucht ist eine Geldmaschine, auf die man schon neidisch werden könnte. Wer einmal auf der Liste steht, wird eingeladen, weil er schon mal eingeladen worden ist. Was er vorträgt, ist natürlich völlig egal, es hört ja auch keiner zu, man sitzt bloß ordentlich gekleidet da und bietet den Kameras ein artiges Bild. Eine gute Figur zu machen ist auch für den Redner das Wichtigste. Insofern besteht die alte Aufgabe der Rhetorik zwar fort, ist aber leichter geworden: "Über jeden beliebigen Gegenstand überzeugend zu reden." Überzeugen muß heute der Auftritt, nicht das rhetorische Argument.

Insgesamt aber eine zweischneidige Sache. Dem Kandidaten Steinbrück hat es gutes Geld gebracht, aber politisch ist er praktisch schon tot. Jetzt wird auch eine altbekannte Tatsache wieder hervorgezogen. Unter Finanzminister Steinbrück haben die Banken die sie betreffenden Gesetze selbst geschrieben. Das gehört alles zur Nachruf-Literatur.

Laut Stern-Umfrage halten ihn die meisten Deutschen für den richtigen Kandidaten, würden ihn aber nicht wählen. Rätselhaftes Volk ...

Jetzt soll Steinbrück auf seinen letzten Vortrag bei einer mutmaßlich kriminellen Bank "verzichtet" haben. Verzichten kann man nur auf eine Vergünstigung, nicht auf eine Leistung, die man selbst zu erbringen hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.11.2012 um 05.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21920

Mir ist die Sache selbst nicht wichtig. Was interessiert mich die Netzkarte der Politiker! Aber die jüngsten Stellungnahmen zeigen doch, wie brüchig die ganze Argumentation um Nebeneinkünfte usw. ist. Hans Herbert von Arnim verlangt (erwartungsgemäß), daß Politiker den privaten Anteil ihrer Reisekosten, den sie als geldwerten Vorteil kassieren, versteuern wie andere Leute, zum Beispiel Dienstwagennutzer. Dagegen heißt es in der Rheinischen Post vom 15.11.12:

"Welche Tätigkeiten mandatsbezogen und welche nebenberuflich sind, ist in der Praxis schwer zu trennen. Die Politiker werden für Vorträge als Abgeordnete angefragt, nie als Privatperson.".

Genau das hatte ich im Sinn, als ich schrieb, daß Steinbrück seine Honorare ja nicht dem gewichtigen Inhalt seiner Vorträge verdanke, sondern seiner Position als MdB usw. Die Honorare hat er aber privat eingesteckt. Bei den Professoren ergibt sich eine ähnliche Problematik: Sollen sie privat kassieren für Errungenschaften, die ihnen der staatlich finanzierte Apparat überhaupt erst ermöglicht hat? Patente gehören der Firma, nicht wahr?

Wenn ein Politiker unter solchen Umständen keine Vorträge mehr halten wollte – um so besser! Die Parlaments- und Regierungsarbeit sollte ihm und uns genügen.
 
 

Kommentar von ein Firmenwagenbenutzer, verfaßt am 14.11.2012 um 22.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21915

Natürlich ist der Wagen nicht ganz umsonst. Das wird wohl unterschiedlich gehandhabt. Bei uns zahlt man monatlich einen gewissen Prozentsatz vom Kaufpreis, dazu einen Steuerbetrag. Aber in die Steuer geht nur die Entfernung zum Arbeitsort ein, die privat gefahrenen Kilometer bleiben ganz unberücksichtigt. Mit dieser Pauschale ist dann meines Wissens nach dem geltenden Recht alles abgegolten. Vielfahrer sparen natürlich so am meisten Steuern, wieviel, das kann sich jeder selbst ausrechnen.

Man sollte sich also weniger auf Einzelfälle wie hier Steinbrück konzentrieren, sondern lieber die allgemeine Gesetzgebung überprüfen.
 
 

Kommentar von ein Firmenwagenbenutzer, verfaßt am 14.11.2012 um 19.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21914

zu geldwerten Vorteilen:

Diese betreffen nicht nur Politiker. Ich habe als Angestellter einen Firmenwagen zur dienstlichen und freien privaten Verfügung, auch Familienangehörige, die in meinem Haushalt wohnen, dürfen ihn benutzen. Alle das Fahrzeug betreffenden Kosten (Steuern, Versicherung, Inspektionen, Reparaturen, Winterreifen, Kraftstoff, Wäsche außer Innenreinigung) bezahlt die Firma.

Als verkehrte Welt empfinde ich es, daß ich ausgerechnet die täglichen Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstelle als geldwerten Vorteil pauschal versteuern muß, aber alle Privatfahrten (einschließlich Urlaubsfahrten quer durch ganz Deutschland und Europa) als unversteuertes Einkommen erhalte. Allein den Kraftstoff und die vorgeschriebenen Inspektionen gerechnet, entspricht das monatlich durchschnittlich etwa 500 Euro unversteuertem Einkommen. Ist das nicht verrückt? Aber so ist es wirklich. Ich beschwere mich natürlich nicht. Wie viele Firmenwagenfahrer gibt es in Deutschland? Wieviel Steuergeld geht dem Staat dadurch verloren?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.11.2012 um 15.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21912

Manche stört es, daß Steinbrück seine Netzkarte auch zu privaten Fahrten benutzt hat. Unser alter Freund Wieland hat auch dazu Stellung genommen:

Der Staatsrechtler Joachim Wieland von der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer verwies gegenüber der Bild-Zeitung auf das im Grundgesetz verankerte Recht für Abgeordnete zur freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. "Steinbrück durfte seine Abgeordneten-Bahncard auch dann einsetzen, wenn es eine Fahrt zu einer bezahlten Vortragsveranstaltung war." (ZEIT online)

Wir haben immer gewußt, daß die Abgeordneten das so machen, aber es kann nie falsch sein, mal auf die geldwerten Vorteile für Politiker hinzuweisen. Das will ich auf sich beruhen lassen. Früher kannte ich Leute, die kostenlos mit der Bahn fuhren, weil ein Verwandter Bahnbeamter war. Das schien mir sehr großzügig vom Arbeitgeber. Wie genau ich später immer meine Dienstreisen beantragen und abrechnen mußte!

Nun zur Rechts- und Argumentationslage, soweit ich es als Laie durchschaue.

GG Art. 48:

(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(Welches Gesetz ist das?)

Reisekosten
Wenn ein Abgeordneter eine Dienstreise unternimmt, trägt der Bundestag die Kosten, genau wie ein Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter auf Geschäftsreise schickt. Fahrten in Ausübung seines Mandats – zum Beispiel im Wahlkreis – muss der Abgeordnete hingegen selbst aus der Kostenpauschale bezahlen. Eine Ausnahme gilt für Fahrten mit der Deutschen Bahn AG. Hier stellt der Bundestag eine Netzkarte zur Verfügung, die für das Mandat, nicht aber privat genutzt werden darf. Benutzt ein Abgeordneter im Inland für Mandatszwecke ein Flugzeug, den Schlafwagen oder sonstige schienengebundene Beförderungsmittel außerhalb des öffentlichen Personennahverkehrs, so werden ihm solche Kosten nur gegen Nachweis im Einzelfall erstattet.

www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/mdb_diaeten/1334a.html

Ähnlich auf weiteren Seiten des Bundestages, z. B.:

Fahrtkosten in Ausübung des Mandats
Mitglieder des Deutschen Bundestages dürfen alle staatlichen Verkehrsmittel frei benutzen (Artikel 48 Abs. 3 Satz 2 GG). In diesem Zusammenhang erhalten sie eine Freifahrkarte der Deutschen Bahn AG, die auch für die Berliner S-Bahn gilt. Kosten für Fahrausweise der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) werden auf Antrag für die Dauer des Mandats erstattet (§ 12 Abs. 4 Nr. 2, § 16 AbgG). Außerdem können Abgeordnete die Dienstwagen des Deutschen Bundestages (Fahrbereitschaft) im Stadtgebiet von Berlin nutzen (§ 12 Abs. 4 Nr. 3 AbgG).


Wiki sieht das auch so:

Reisekostenerstattung
Art. 48 Abs. 3 Satz 2 GG sichert den Abgeordneten die freie Nutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. Zurzeit erhält jeder Bundestagsabgeordnete im Rahmen der Amtsausstattung eine Netzkarte der Deutschen Bahn als Freifahrtschein, die aber nicht privat genutzt werden darf. Zudem werden die Kosten für Flüge und Schlafwagen gegen Nachweis bei Mandatsreisen im Inland gemäß § 12 Abs. 4 i. V. m. § 16 Abs. 1 Satz 2 AbgG erstattet.
(Wiki Abgeordnetenentschädigung)

Nun ist natürlich die Frage, ob die Bahn ein staatliches Verkehrsmittel ist. Auch wenn der Bund alleiniger Aktionär ist, scheint die Deutsche Bahn AG doch kein Staatsunternehmen zu sein.

Pragmatisch gesehen, dürfte es allerdings schwer sein, bei Abgeordneten zwischen Dienst- und Privatreisen zu unterscheiden, weil auch das Privatleben hier automatisch dienstliche Bedeutung hat (Wahlkreispflege usw.).

Die "Grauzone" ist allerdings an sich schon erstaunlich. Wie kann etwas so Alltägliches jahrzehntelang ungeregelt bleiben? Daß die Begünstigten nicht gerade auf eine Klärung brennen, kann man ja verstehen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.11.2012 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21900

In den letzten Stunden habe ich mich auch noch einmal gefragt, wie Politiker ticken, die von den Stadtwerken (!) für ein Plauderstündchen 25.000 Euro annehmen – immerhin das Jahreseinkommen vieler anständiger Leute.

Richtig. Steinbrück hat ja nun einen ordentlichen Denkzettel bekommen. Was mir bei der Empörung über ihn zu kurz kommt: Völlig daneben ist nicht Steinbrück, wenn sein Marktwert so hoch ist und er der Reihe nach von allen möglichen Veranstaltern zu ähnlichen Honoraren engagiert wird. Mehr Empörung als er hätten die Verantwortlichen bei den Stadtwerken verdient. Erstens, weil sie ihre finanzielle Situation und den Mangel in der ganzen Region ständig vor Augen haben. Zweitens, weil sie jede Menge "hochkarätiger" Diskutanten zu diesen unanständigen Preisen verpflichtet haben; der Schaden geht weit über den Betrag hinaus, der für Steinbrück anfiel. Drittens, weil sie das Angebot machen, während Steinbrück nur auf das Angebot einging, wie sonst auch.

PS: Ich halte nichts von Steinbrück, schon gar nicht von seinem Auftreten, von diesem belehrenden, demonstrativ energischen Tonfall. In meinen Augen produziert er viel heiße Luft, und die Leute fallen darauf herein.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 11.11.2012 um 11.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21899

Grundsätzlich ist die Kritik in Abs. 3 richtig — und sollte mit Leserbriefen den Zeitungen immer wieder unter die Nase gehalten werden.

Zu "Vor Obamas Wahl wurde uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen eingeredet, nach der Wahl erklären uns dieselben Zeitungen, warum Romney nie eine Chance hatte" jedoch: Vor der Wahl fehlte zur Analyse des Wahlausgangs eine wichtige Information, die erst die Befragung an der Ausgangstür der Wahllokale zu haben war, nämlich die Antwort auf die Frage "Wie haben Sie gewählt?"
(Dazu eine Anekdote: "Ich stand in der Schlange zur Wahl mit wem zusammen, der sich immer noch nicht ganz sicher war, wie er wählen würde." [Die "still undecided" bestimmten ja jene Staaten, auf die sich die Präsidentenkandidaten noch bis in die letzten Stunden konzentrierten.])
Mit der Information zu "Wie haben Sie gewählt?" lagen aber dann diese Voraussager des Wahlergebnisses mit ihren "declared winners" richtig, obwohl noch nicht alle Stimmzettel ausgezählt waren, ja manchmal noch nicht mal ausgefüllt und abgegeben (!) worden waren. Amazing!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.11.2012 um 10.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21898

Danke für die Korrektur meines Versehens! Und Sie haben recht, es bleibt natürlich kraß.

Wir haben uns seinerzeit ausführlich über Guttenberg unterhalten, auch weil Plagiate uns hier besonders interessieren, dann über Wulff, bei dem unser Interesse an seinem weiteren Weg von seiner Verstrickung in die Rechtschreibreform herrührt. Steinbrück ist als Medienereignis interessant. Die Süddeutsche Zeitung behandelt ihn unter der originellen Überschrift "Graf Zahl".

Mich überrascht, wie überrascht die Zeitungen wegen mancher Ereignisse sind. Sie scheinen immer weniger zu spüren, was die Bevölkerung denkt. (Stichwort Betreuungsgeld.) Und die Politiker glauben vielleicht nach und nach, was sie in den Medien zu lesen und zu hören kriegen, statt die Leute selbst zu befragen, auf deren Stimmen sie hoffen. Die Deklassierung von Claudia Roth gehört auch dazu.

Vor Obamas Wahl wurde uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen eingeredet, nach der Wahl erklären uns dieselben Zeitungen, warum Romney nie eine Chance hatte.

Bei uns hier in Bayern streitet sich die Regierungskoalition gerade über die Abschaffung der FDP, äh, ich meine der Studiengebühren.
 
 

Kommentar von Aculeatus, verfaßt am 10.11.2012 um 19.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21897

»... was er jetzt "Wahnsinn" nennt. (Übrigens wieder ein viel zu krasser Ausdruck ...«
Mit Verlaub, Herr Ickler, er nannte es "Schwachsinn", was nicht weniger kraß ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2012 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21896

Die Zeitungen hatten sich ziemlich geschlossen gegen das Betreuungsgeld gewandt, aus welchen Gründen auch immer (vielleicht wirtschaftliche Hintergründe der Zeitungsunternehmen?). Sie haben auch das gemeine Wort "Herdprämie" gern aufgegriffen, oder "Zuckerl für die CSU" (obwohl die das Betreuungsgeld nicht erfunden hat). Nun stellt sich heraus, daß die Mehrheit der jungen Frauen eine Auszeit und eine Unterstützung recht gern annehmen würde, und nun wird das Ganze als "Wahlgeschenk" umetikettiert, damit die Zustimmung in der Bevölkerung samt sinkender Umfragewerte für Steinbrück eine Erklärung finden.

Wie gesagt, zum Betreuungsgeld selbst habe ich gar keine begründete Meinung, mich interessiert nur die Argumentation. Es wird daran erinnert, daß Steinbrück selbst als Finanzminister ziemlich dasselbe unterzeichnet hat, was er jetzt "Wahnsinn" nennt. (Übrigens wieder ein viel zu krasser Ausdruck, denn das Betreuungsgeld ist schlimmstenfalls ein unzureichender Teil des Flickwerks, das einen wirklichen Familienlastenausgleich ersetzen soll, an den sich niemand ranwagt.)

In den letzten Stunden habe ich mich auch noch einmal gefragt, wie Politiker ticken, die von den Stadtwerken (!) für ein Plauderstündchen 25.000 Euro annehmen – immerhin das Jahreseinkommen vieler anständiger Leute.

Manche glauben wohl wirklich an den Bildungswert der Kinderkrippen, andere tun nur so, als glaubten sie daran.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2012 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21895

Ich weiß schon, daß es eigentlich um Migrantenfamilien geht. Man weiß ja, was die mit den 100 Euro machen. Aber das wagt niemand auszusprechen.

In anderen Familien wird die Sprachentwicklung natürlich besser gefördert als in jeder Kita.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 10.11.2012 um 08.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21894

"Man muß die zugrunde liegenden Annahmen, die für die SPD Axiome zu sein scheinen, deutlich herausarbeiten:

In Kindertagesstätten werden schon Kleinstkinder gebildet, zu Hause nicht."

Dies arbeitet mitnichten eine Annahme oder gar ein Axiom heraus, sondern verhehlt den Mißstand schwindender familiärer Kindesförderung und den Vorzug deutschen Spracherwerbs in Kindertagesstätten. Daß viele Kinder bei der Einschulung nicht Deutsch sprechen, ist eine Tatsache.

"Die Erziehung der eigenen Kinder ist keine achtenswerte Beschäftigung."

Diese Haltung ist wohl die letzte, die ausgerechnet der SPD vorzuwerfen wäre. Dank jahrzehntelanger linker Frauenpolitik sind alleinerziehende Mütter doch heute geradezu Ikonen der Emanzipation. Eine krasse Geringschätzung elterlichen Förderbemühens gibt es zwar, doch sie äußert sich anders. Sie zeigt sich, wenn engagiert erzogene, aufgeweckte, bücherlesende Kinder mitsamt ihren Eltern als privilegiert verunglimpft werden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.11.2012 um 01.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21893

In Steinbrücks Argumentation fehlt auch eine wichtige Konsequenz. Wenn jeder im Beruf bliebe, auch während die Kinder klein sind, macht das unter dem Strich Millionen (oder wie viele?) Personen mehr auf dem Arbeitsmarkt. Will die SPD die Arbeitslosenzahlen in die Höhe treiben? Sobald ein einzelner dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, steigen zwar seine eigenen Chancen auf eine "Berufsbiografie" und mehr Einkommen für den Haushalt. Aber sobald er eine Stelle ergattert, wird dann eben ein anderer das Nachsehen haben und von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe leben.
Das Ganze liefe auf einen Verschiebebahnhof hinaus: kein Erziehungsgeld, dafür mehr Leistungen für Arbeitslose. Und wenn sehr viele Leute zusätzlich auf den Arbeitsmarkt drängen, werden sie sich gegenseitig bei der Konkurrenz unterbieten. Die Arbeitgeber können ihnen größere Zumutungen auferlegen und die Löhne und Gehälter niedrig halten. Letztlich muß man also damit rechnen, daß die Arbeitnehmer insgesamt schlechter dastehen, wenn die Ideologie erfolgreich wäre, daß möglichst niemand der Kinder wegen zu Hause bleibt und alle "arbeiten" sollen.
 
 

Kommentar von MG, verfaßt am 10.11.2012 um 00.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21892

| Man muß die zugrunde liegenden Annahmen ... deutlich herausarbeiten:

| 1. In Kindertagesstätten werden schon Kleinstkinder gebildet, zu Hause nicht.

Das ist in so mancher Migratenfamilie* mit Sicherheit so.
(*Nein, das n fehlt nicht.)

| 2. Frauen lassen sich durch 100 Euro davon abhalten, in ihren
| Beruf zurückzukehren.

Das vermutlich eher nicht, aber für so manches Paar aus obigem Bevölkerungskreis könnte der Betrag hinreichend Anreiz sein, das (oder die) Kleinstkinder aus dem Kindergarten abzumelden. Bei sechs oder acht Geschwistern sind auch zuhause genug Spielkameraden da.

Bei hinreichend viel Nachwuchs kommt allein durch Kindergeld ein flottes Sümmchen zusammen; ab dem 1. August 2013 wird nun die Herdprämie dazukommen.

Aber das ist ja eigentlich mehr ein politisches Thema und keine Sprachfrage.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2012 um 16.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21890

An die Argumentation Schwesigs (siehe hier) knüpft auch Steinbrück an:

Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nannte das Gesetz in der Debatte  „schwachsinnig“. Es sei bildungs-, finanz-, gesellschafts- und arbeitsmarktpolitisch falsch. Steinbrück kritisierte, dass das Betreuungsgeld für Frauen Anreize schaffe, nach der Geburt eines Kindes länger dem Beruf fernzubleiben. Das werde ihre späteren Berufschancen mindern. „Weniger Frauen werden eine eigene Berufsbiografie schreiben, weniger Kinder werden Chancen auf frühe Bildungsförderung haben“, sagte der SPD-Politiker. (FAZ 9.11.12)

Man muß die zugrunde liegenden Annahmen, die für die SPD Axiome zu sein scheinen, deutlich herausarbeiten:

1. In Kindertagesstätten werden schon Kleinstkinder gebildet, zu Hause nicht.
2. Frauen lassen sich durch 100 Euro davon abhalten, in ihren Beruf zurückzukehren.

(Steinbrück selbst hat sich freilich selbst durch 2 Millionen nicht davon abhalten lassen, weiterhin Bundestagsabgeordneter zu sein. Wie schätzt er eigentlich die deutschen Frauen ein?)

3. Die Erziehung der eigenen Kinder ist keine achtenswerte Beschäftigung. (Gerade WEIL sie nicht entlohnt wird – oder?)

(In der "Berufsbiografie" läßt man sie am besten unerwähnt.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.11.2012 um 07.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21847

Außer einem erstaunlich pragmatischen Herangehen an solche rhetorischen Aufgaben bietet die Seite auch noch ein grammatisches Schmankerl. Man kann sich die Musterreden herunterladen, aber:

Der Zugang zu diesem Download-Bereich ist den Abonnenten von dem Ratgeber 'Die BESTEN Reden von A bis Z' vorbehalten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.10.2012 um 08.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21690

"Zum Volkstrauertag 2012 liefern wir Ihnen hier 3 fertige Muster-Reden sowie weitere Rede-Entwürfe und Tipps für Ihre Rede zum Volkstrauertag: (...)

Archiv: Reden zum Volkstrauertag

Diese Muster-Reden stammen aus den Vorjahren. Mit leichten Anpassungen (z. B. die geschichtlichen Bezüge) können Sie sie natürlich auch für Ihre Volkstrauertagsrede 2012 nutzen: (...)"

(http://www.reden-und-praesentieren.de/volkstrauertag.php)

Mal sehen, was den Bundestagsabgeordneten dieses Jahr geboten wird.
 
 

Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 14.09.2012 um 21.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21472

Platz zum Spielen

Weißt Du wieviel Kinder spielen?
Auf dem Platz für Kinderspiel?
Sind nicht viele, die da spielen
Nicht mehr wirklich infantil?

Es sind Eltern
Die da kucken
Wie der Hahn und wie die Henne
Über Ihren Kindern glucken

Um sie zu bewahren
Vor vielen Gefahren
Doch ist das Leben nicht bar
Der Gefahr

~

Auf den Spielplätzen, die von muslimischen Einwanderern genutzt werden, können wir es noch beobachten, wie Kinder seit Jahrtausenden lernend aufwachsen:
In der altersgemischten Gruppe ohne Erwachsene.

~

aus: Karl Hainbuch: Gelobt sei Theseus
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 14.09.2012 um 19.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21471

Ich war im Kindergarten. Besonders in Erinnerung sind mir die durchweg stark versalzenen Suppen zu Mittag geblieben. Das Grauen dieses ekeligen Geschmacks kann ich bis heute abrufen! Und, wir mußten über Mittag immer schlafen, was mir überhaupt nicht gefiel. Aufbegehren nutzte nichts, ich mußte mich fügen und wußte nie, wie ich diese Langeweile ertragen konnte, zumal auch viele andere nicht schlafen wollten. Man mußte aber so tun, als schliefe man, sonst gab es Ärger.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 14.09.2012 um 19.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21470

Meine Kinder sind in einen katholischen Pfarrkindergarten mit Klosterschwestern gegangen und fanden den Erziehungsstil schrecklich. Mein Sohn sagte immer, daß er eigentlich gar keine Zeit dafür habe.
Meine Enkelkinder sind in einen evangelischen Kindergarten gegangen und fanden es sehr schön. Sie haben z.B. gelernt, sich mit anderen Kindern zusammenzutun, um sich gegen böse Kinder zu wehren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2012 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21468

Ganz meine Meinung! Aber wir haben ja schon gesehen, daß die Politiker uns einreden, wir vergingen uns gegen die "frühkindliche Bildung", wenn wir die Kinder nicht in pädagogische Einrichtungen geben.
Ich bin nicht in den Kindergarten gegangen, der war damals noch so eine Art Ersatzunterbringung, wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht anders ging. Ich habe mir also auch meine frühkindliche Bildung anderswo geholt. Das scheint ganz gut gegangen zu sein.
 
 

Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 14.09.2012 um 08.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21466

"Man setzt undiskutiert voraus, daß es besser sei, die Kinder in den Kindergarten zu schicken, als sie zu Hause zu erziehen." - Und sie sich selbst erziehen zu lassen. In der altersgemischten Gruppe ohne Erwachsene oder gar Pädagogen. In der verkehrsreichen Großstadt ist das heute schwierig. Man kann es jedoch noch z.B. bei türkischen Kindergruppen beobachten.

So sind auf den von diesen genutzten Spielplätzen nur Kinder, während auf den Spielplätzen der Deutschen häufig mehr Erwachsene als Kinder zu sehen sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2012 um 16.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#21463

„Doch der OECD-Bericht enthält auch gute Nachrichten: Bei Vorschulen und Kindergärten sei Deutschland ausgesprochen gut. So besuchten 2010 rund 96 Prozent der Vierjährigen einen Kindergarten. Die Zahlen variieren innerhalb der Bundesländer kaum. Bemerkenswert auch: Deutschland hat sich gesteigert, denn 2005 waren es nur 93 Prozent. Die deutsche Quote ist weit höher als der internationale Durchschnitt. In Griechenland etwa besucht gerade einmal die Hälfte der Vierjährigen einen Kindergarten, in Polen nur knapp 60 Prozent. Der OECD-Schnitt beträgt 79 Prozent.“ (Verschiedenen Medien am 13.9.12)

Man setzt undiskutiert voraus, daß es besser sei, die Kinder in den Kindergarten zu schicken, als sie zu Hause zu erziehen. Nach eigenen Erfahrungen mit dem Kindergarten möchten wir das bezweifeln.
Die Bertelsmann-Stiftung findet die Entwicklung gut (SZ) - kein Wunder, denn es ist ja ihre Bildungspolitik, die da umgesetzt wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2012 um 16.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#20852

Inzwischen wird auch deutlicher, wie die frühkindliche Bildung aussehen wird. Ministerin von der Leyen will ja die Schlecker-Frauen zu Erzieherinnen umschulen lassen.

„Bundesfamilienministerin Kristina Schröder begrüßte die Ankündigung von der Leyens. 'Es geht hier nicht darum, jemanden in eine Umschulung zu pressen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass unter diesen lebenserfahrenen Frauen viele mit Freude und Engagement diese neue berufliche Chance ergreifen wollen', sagte sie der Süddeutschen Zeitung. 'Bei der Suche nach qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern müssen wir möglichst breit aufgestellt sein', sagte Schröder.“

„Von der Leyen wie auch Bsirske betonten, dass die Standards der Berufe gewahrt bleiben sollten. Niemand rede hier von einer 'Schmalspurausbildung', sagte Bsirske. Die Ministerin wiederum warnte indirekt davor, die arbeitslosen Frauen als untauglich abzustempeln. 'Sie sind selbstverständlich so gut wie jeder andere geeignet, als Erzieherinnen zu arbeiten.'“

Freilich, Kinder erziehen kann jeder, nur die Eltern können es nicht; die enthalten den Kindern etwas vor, wenn sie es selbst versuchen.

Sprachlich bemerkenswert ist noch das schöne Bild von der "breiten Aufstellung" Schröders.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2012 um 18.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#20847

Ich denke an Forschungen, wie sie Annette Leßmöllmann in der ZEIT referiert hat (einer Zeitung, die, wenn ich recht informiert bin, durchaus zum Chor der Fremdbetreuungspropaganda gehört):

„Klann-Delius konnte zeigen, dass die Beziehung zur Mutter Auswirkungen auf den Spracherwerb hat. Eine schlechte Bindung kann bewirken, dass ein Kind weniger Vokabular ansammelt als seine Altersgenossen. Besonders deutlich wird der Effekt aber, wenn es um die Kunst des Kommunizierens und Interagierens geht, auch das will schließlich gelernt sein. Kinder mit einer unsicheren Mutterbindung tun sich da schwer. Wenn auf Mamas Schutz und Behütung kein Verlass ist, zeigt sich das in den Dialogen. »Die beiden reden systematisch aneinander vorbei, wenn es um Gefühle geht«, sagt Klann-Delius. Sie beziehen sich gar nicht richtig aufeinander, und die Mutter-Kind-Gespräche geraten zu einem Quell ständiger Beunruhigung. Sicher gebundene Kinder dagegen lernen, klar zu sagen, wenn sie traurig sind, und die Worte der Mutter können sie trösten.“ (Annette Leßmöllmann in der ZEIT vom 10.11.2009)

Solche Forschungen kann man sich sparen. Die Politik hat entschieden, daß frühe Fremdbetreuung (besser Verwahrung) das Richtige für die Kinder ist, und so wird es also kommen, wie die Rechtschreibreform, bei der auch niemand mehr nachsieht, was wirklich erreicht worden ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2012 um 16.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#20840

SPD-Vize Manuela Schwesig sagte, das Betreuungsgeld wirke wie eine schädliche „Fernhalteprämie“, weil es Eltern ermuntere, Kinder von frühkindlicher Bildung in der Kita fernzuhalten. (HA 6.6.12)

Unterstellt wird, daß die Unterbringung der Kinder in Kindertagesstätten der "frühkindlichen Bildung" dienlich ist. Kinder, die zu Hause erzogen werden, gelten ja im Sprachgebrauch dieser Politiker als "nicht betreut". Nur Fremdbetreuung ist Betreuung (weil sie bezahlt wird, wenn auch schlecht). Eltern, die ihren Kindern solche "frühkindliche Bildung" vorenthalten, sind schon fast kriminell, jedenfalls handeln sie unverantwortlich; man sollte überlegen, ob man ihnen das Erziehungsrecht nicht ganz verweigern müßte.

Ich will zur Sache selbst nicht Stellung nehmen, aber es fällt doch auf, daß die pädagogische und entwicklungspsychologische Forschung nun herausfinden mag, was sie will – es kommt nicht gegen die Vorentscheidung an, die in Schwesigs Aussage zum Ausdruck kommt. Der rhetorische Nebel ist fast undurchdringlich geworden.

(Fachleute, die auch viel Erfahrung mit skandinavischen Einrichtungen haben, betonen immer wieder, es komme sehr auf die Qualität der Kitas an.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.06.2012 um 09.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#20832

Rechtsradikale sind gewiß verabscheuungswert, aber was sich einige Zeitungen an rhetorischen Tricks erlauben, ist es auch:

Bilanz nach der Neonazi-Demo: 38 verletzte Polizisten

Randale bei Neonazi-Aufmarsch in Hamburg
Elf Polizeifahrzeuge und Barrikaden in Brand gesteckt. 4500 Polizisten im Einsatz

Neonazis erschrecken Hamburg - Ein Aufmarsch von 700 Neonazis legte den Hamburger Osten einen Tag lang weitgehend lahm
Ein Aufmarsch von Neonazis hat am Sonnabend zu schweren Ausschreitungen in Hamburg geführt.


Usw.

In Wirklichkeit waren es ja nicht die Neonazis, die so getobt haben, sondern deren Gegner. Das wird im weiteren Text nicht verschwiegen, aber dann haben die Überschriften ihre Wirkung schon getan.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.03.2012 um 12.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#20268

Die SZ widmet ihr Jobmagazin Berufsziel (17.3.12) dem Thema Volition bzw. Volitionskompetenz. Das ist, wie auch offen erklärt wird, nichts anderes als Willenskraft. Durch die Nichtübersetzung der englischen Ausdrücke wird der Schein der Fachlichkeit erzeugt. Aber wenn man das Siegerlachen von Prof. Waldemar Pelz auf dessen Homepage sieht, fühlt man sich schon halb gerettet. Er bemüht übrigens auch die "Hirnforschung", als könne die etwas über Volition sagen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.12.2011 um 09.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19756

Ein Germanistentag in München diskutiert über das Thema „Was der Fall ist“: „Dem Bochumer Germanisten Nicolas Pethes war es vorbehalten, die große Frage zu stellen, wann ein Fall ein Fall sei.“ (SZ 19.12.11)

Das ist der Grund, warum ich nicht zu Germanistentagen gehe. Ich will nicht wissen, was der Fall ist, wenn etwas der Fall ist. Natürlich wurde auch Foucault ständig erwähnt.

I demand that the profession go cold turkey on the conferences! There must be an accounting. Every college, every university, we must ask for an accounting. The funds that are being used to send people on plane trips to Monte Carlo and around the world should be going to the students and to development. You should give the money to a young faculty member for course development, not to go to a conference. Do you know the hundreds of thousands of dollars that are wasted on these plane tickets and these hotel reservations and all that? It's appalling. It's a scandal. It's mini-vacations, boondoggling. No more conferences! (Camille Paglia: Crisis In The American Universities. Vortrag 19. 9. 1991)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2011 um 08.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19285

„Ganz ehrlich sprach eine junge Kollegin das Dilemma an. Also, sie brauche mindestens drei Tage, um hinter den Sinn der päpstlichen Rede im Bundestag zu kommen. Sie konnte sich das leisten, weil auch sie für eine Wochenzeitung schrieb.“ (ZEIT 29.9.11)

„Die Abgeordneten hörten und staunten – wenn sie der anspruchsvollsten Rede, die je in diesem Hohen Haus gehalten wurde, überhaupt folgen konnten. Immerhin lernten sie, dass Hans Kelsen, der große Theoretiker des Rechtspositivismus, im Angesicht des Todes den ‚Dualismus von Sein und Sollen‘ aufgegeben und damit von Leugnung einer ‚schöpferischen Vernunft‘ in Gestalt eines Schöpfergottes Abstand genommen habe. Leider ist diese Geschichte zu schön, um wahr zu sein. Der Papst, so hieß es später, war einem Autor aufgesessen, der nicht verstanden hatte, dass Kelsen nicht seine eigene Meinung wiedergab, sondern den Advocatus Diaboli spielte.“ (Daniel Deckers FAS 3.10.11)
(Gemeint ist Wolfgang Waldstein.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.10.2011 um 14.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19283

Mündliche Zitate sind heimtückisch, wenn nicht jedem Satz des Zitats vorangestellt wird, daß er nicht die Meinung des Sprechers, sondern eines anderen darstellt. Vermutlich erfaßt das Gedächtnis des Hörers einer Rede immer nur den jeweiligen Satz. (Bei langen deutschen Sätzen ist allein das schon schwierig genug.)
Auch ein deutscher Regierungssprecher ist mit zu langen Nazi-Zitaten darüber gestürzt, daß die Hörer Zitat und Sprecher-Meinung nicht auseinanderhalten konnten.
Bei Zitaten aus der Zeit des Klassischen Islams muß man vorsichtig sein, weil sie nicht dem heutigen Ideologie-Islam entsprechen und deshalb auch von heutigen Muslimen nicht mehr verstanden werden könnten.
Für den Vatikan ist es wohl heute noch unvorstellbar, daß die mittelalterlichen Eroberungskriege der Araber und Türken keine Religionskriege waren und Andersgläubige damals nicht zwangsbekehrt oder getötet und andersgäubige Wissenschaftler nicht verbrannt wurden.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 03.10.2011 um 12.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19282

Unklarheiten scheinen ständige Begleiter des Pontifikats von Benedikt zu sein. Im Jahr 2006 gab es Interpretationsprobleme der Regensburger Rede (siehe hier). Und nun gibt es offensichtlich Probleme bei der Auslegung (Exegese) von zwei Reden.

Lehmann scheint übrigens damals die Rede des Papstes auch nicht verstanden zu haben. Viel mehr als Gemeinplätze hat er danach nicht verbreitet (siehe hier).

Dazu noch eine Randbemerkung, die beim Lesen der Beiträge des Eintrags "Maschinelle Übersetzung" entstand. Seit geraumer Zeit ist ja nun wieder ein Deutscher Papst, dessen Reden und Vorträge in Deutschland deshalb auch in seiner Muttersprache verbreitet werden. Wir sind folglich bei der Interpretation der Texte mit diesen allein. Zuvor hat nicht bereits ein Übersetzer (maschinell oder menschlich) eine erste Interpretation oder doch zumindest Textklärung für uns geleistet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2011 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19281

Nachtrag: Die Freiburger Rede des Papstes war für meine Begriffe viel deutlicher als die Bundestagsrede. Trotzdem diskutieren die deutschen Bischöfe darüber, was er eigentlich gesagt hat. Erzbischof Zollitsch war dabei und kennt den Papst nach eigener Aussage seit 40 Jahren. Auch er kann vorläufig nicht sagen, was der Papst gemeint hat. Dies deutet doch sehr darauf hin, daß Benedikt sich entweder nicht klar ausdrücken kann oder es nicht will. Muß das sein? Wäre es auch in Fragen der "Entweltlichung" indezent gewesen, die Dinge beim Namen zu nennen? Warum bittet niemand um Erklärungen, ist das etwa grundsätzlich unhöflich? Ich finde, es ist ein Menschenrecht. Nun quält sich alles mit Rätselraten ab, und das kann dauern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2011 um 06.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19280

Imkamp, nicht Imhof. Von guilt by association kann keine Rede sein, und das Nichtverstehen der Rede durch die Abgeordneten und viele sonstige Zuhörer ist überwältigend deutlich aus Äußerungen, die ich gesammelt habe. Aber das kann hier nicht ausgebreitet werden, weil es wirklich zu weit wegführen würde. Ich hatte bloß wieder mal die Rhetorik mit einem ihrer glänzendsten Beispiele vorführen wollen; in der theologisch-politischen Sache selbst werden wir uns ja kaum einig werden.

Nur eins noch, weil es mich geradezu vor den Kopf gestoßen hat: Warum sollte der Papst nicht die Dinge beim Namen nennen, an denen ihm gelegen ist und die er ja trotzdem "an den Mann bringen" wollte, um es mal salopp auszudrücken? Ist die Forderung, Europa müsse die katholische Morallehre als ihr naturrechtliches Erbe und Fundament anerkennen, so skandalös, daß man sie aus Höflichkeitsgründen nicht aussprechen darf - oder nur verklausuliert?
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 01.10.2011 um 23.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19278

Man mag ja die Bundestagsabgeordneten und die grünen insbesondere für blöd halten; daß sie aber so blöd wären, nicht zu verstehen, worauf der Papst hinaus wollte, kann ich nicht glauben. Ebensowenig kann ich glauben, daß jemand so blöd gewesen wäre zu glauben, der Papst werde ausgerechnet vor dem deutschen Bundestag eine Umwälzung der nicht von ihm erfundenen katholischen Sexualmoral verkünden.

Es gibt auch gewisse Regeln der Höflichkeit und der diplomatischen Courtoisie. Wenn die Mitglieder des Bundestags applaudiert haben, so sicherlich auch aus Höflichkeit gegenüber einem hohen Gast. Diejenigen, die nicht einmal zu dieser Höflichkeit bereit waren, waren ja gar nicht anwesend - vielleicht sogar eine weise Entscheidung, denn Buhrufe wären ja wirklich ein Eklat gewesen.

Es ist auch eine Regel privater wie staatlicher Gastfreundschaft, bei Besuchen das Gemeinsame und nicht das Trennende hervorzuheben. Das bedeutet nicht, daß man Gegensätze gänzlich verschweigt, sondern nur, daß man sie nicht in provozierender Form vorträgt. Vom Papst zu verlangen, bei einem Staatsbesuch „die Dinge beim Namen zu nennen“, hieße doch, von ihm eine Unhöflichkeit und einen Verstoß gegen die diplomatische Courtoisie zu verlangen.

Man kann auch durchaus geteilter Meinung darüber sein, ob es geschickt war, daß der Bundespräsident ausgerechnet in der Begrüßung des von ihm eingeladenen Staatsgastes gewisse heikle Punkte angesprochen hat, die zudem den Beigeschmack höchstpersönlichen Interesses hatten. Es mag sein, daß diese Äußerungen mehr an eine bestimmt deutsche Öffentlichkeit als an den Papst gerichtet waren. Das macht es aber keineswegs besser.

Daß die Pius-Bruderschaft ein Interesse daran hat, Äußerungen des Papstes in ihrem eigenen Interessen zu vereinnahmen und daß die taz so oder so nichts von christlichem oder jedem andern religiösen Glauben hält, versteht sich von selbst. Als Argumentationshilfen taugen beide nichts.

Über Wolfgang Waldstein und Prälat Imhof weiß ich so gut wie nichts. Jedenfalls ist es nicht zulässig, ihre Haltungen generell mit dem Papst in Verbindung zu bringen. „Guilt by association“ ist kein Argument.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2011 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19273

Tatsächlich ist mir beim "Sarto-Verlag" ein kleiner Irrtum unterlaufen, allerdings macht es keinen großen Unterschied, wo Waldstein veröffentlicht. (Mit seinen Schriften sollte man sich auf jeden Fall befassen!)

Wesentlich scheint mir die richtige Einsicht der Piusbrüder, daß es, hätte der Papst "die Dinge beim Namen genannt", zum Eklat gekommen wäre, während es nun, weil er sich undeutlich ausgedrückt hat, zu allgemeinem Beifall gekommen ist. Die Bundestagsabgeordneten sind regelrecht vorgeführt worden, und das geht denn doch uns alle an.

“Ich muß gestehen: daß ein schönes Gedicht mir immer ein reines Vergnügen gemacht hat, anstatt daß die Lesung der besten Rede eines römischen Volks- oder jetzigen Parlaments- oder Kanzelredners jederzeit mit dem unangenehmen Gefühl der Mißbilligung einer hinterlistigen Kunst vermengt war, welche die Menschen als Maschinen in wichtigen Dingen zu einem Urteile zu bewegen versteht, das im ruhigen Nachdenken alles Gewicht bei ihnen verlieren muß.“ (Kant)

Inzwischen ist es ja bei vielen zu ruhigem Nachdenken gekommen, und die Gesichter werden lang und länger.

Seltsam ist nur, daß der Papst sich über einen Beifall freut, der nur auf einem Mißverständnis beruht (was er natürlich auch genau wußte). Fürchtet er denn gar nicht die Wut der Leute, sobald sie merken, daß sie ausgetrickst worden sind? Die taz fragt mit Recht: „Warum nutzt Ratzinger die Chance nicht, in verständlichen Worten ernsthaft zu den Leuten zu sprechen?“ Leider muß man annehmen, daß auch die Antwort zutrifft: „Weil ihm das Event reicht, weil es ihm gar nicht um die Vermittlung von klerikalen Überzeugungen geht, sondern um den Auftritt an prominenten Orten.“

Sonst hätte er doch in allgemeinverständlichen Worten auf die Fragen antworten können, die der Bundespräsident durchaus stellvertretend für Millionen Katholiken aufgeworfen hat. Und geantwortet hat er ja auch, aber so, daß praktisch niemand ihn verstand. Und der Bundespräsident muß sich nun von einem Prälaten Imkamp abkanzeln lassen, daß es eine Art hat!

Ahi wie kristenliche nu der babest lachet ...(Walther von der Vogelweide)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 30.09.2011 um 08.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19267

Er hat »Frau Bundesratspräsidentin« gesagt. Siehe und höre hier.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 30.09.2011 um 00.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19266

Die offizielle Version der Papstrede vor dem Bundestag ist (mit Anmerkungen) auf der Internetseite des Vatikans hier zu lesen.

Die Version auf der Internetseite des Bundestages weicht davon zumindest darin ab, als es dort in der Begrüßung "Herr Bundesratspräsident" heißt. In der Version des Vatikans heißt es richtig "Frau Bundesratspräsidentin". Was der Papst nun wirklich gesagt hat, geht daraus natürlich nicht hervor. Daß die Bundestagsversion aber kein stenographisches Protokoll ist, geht aus dem Vermerk "Es gilt das gesprochene Wort" hervor. Wahrscheinlich enthielt der ursprüngliche, dem Bundestag zugeleitete Entwurf diesen Fehler. Man kann nur hoffen, daß der Papst rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht wurde.

Mündlich gehaltene Reden enthalten im allgemeinen keinen Anmerkungsapparat. Auch nur andeutungsweise von "Plagiat" zu reden, erscheint mir deshalb als unangemessen.

Das zitierte Werk von Wolfgang Waldstein ist nicht im Sarto Verlag, sondern (so die Deutsche Nationalbibliothek) im Sankt-Ulrich Verlag erschienen, so wie auch Bücher von Papst Benedikt, einschließlich seiner Enzykliken. Daß man das Buch von Waldstein "auch im Sarto-Verlag bestellen kann", heißt nicht, daß es dort erschienen wäre.

Daß der "wissenschaftstheoretische" Positivismus "nichts mit Kelsens Rechtspositivismus zu tun" habe, daran kann man füglich zweifeln. Eine gewisse Ideenverwandtschaft liegt jedenfalls durchaus nahe.

Ebenso kann man darüber verschiedener Meinung sein, ob der Papst einem primitivem "naturalistischen Fehlschluß" erlegen sei. Natürlich trennen ihn in der Sexualmoral Welten von den Grünen; was allerdings "Genmanipulation", PID usw. betrifft, liegen beide durchaus nahe beieinander. Der "naturalistische Fehlschluß" ist jedenfalls hierzulande weit verbreitet. Warum sollte es bei "unserem Papst" anders sein?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2011 um 09.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19263

Aber auch hier fehlen die fünf Anmerkungen, von denen drei auf die Quelle (Waldstein) verweisen. Inzwischen bin ich zu der Vermutung gelangt, daß die Rede hauptsächlich von Wolfgang Waldstein verfaßt wurde.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 28.09.2011 um 23.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19260

Als Ergänzung zum Beitrag von Herrn Ickler (1024#19244) sei hier noch der Verweis auf die Bundestagsrede des Papstes gegeben, weil ich mir nicht sicher bin, ob die überregionalen Zeitungen die von Hefty und Prantl so pauschal gelobte Rede überhaupt abgedruckt haben.

www.bundestag.de/kulturundgeschichte/geschichte/gastredner/benedict/rede.html

(Immerhin hat der Bundestag die Rede in der Rechtschreibung veröffentlicht, in der sie womöglich verfaßt wurde.)
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 28.09.2011 um 19.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19259

Die Grünen um den Finger zu wickeln, ist ja auch nicht schwer, die verstehen sowieso nichts mehr. Ich erinnere mich noch, wie eine Bonner Lokalpolitikerin der Grünen mir rundheraus erklärte, sie finde die Rechtschreibreform gut. Das sind die Leute, die auch schon mal (kein Witz!) zu "MitgliederInnenversammlungen" einladen, dort "DelegiertInnen" wählen oder bei einer Angelegenheit im Stadtrat "eine optimalere Lösung" fordern.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 28.09.2011 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19257

Ganz hilfreich zum Verständnis der Reaktion auf die Rede des Papstes im Bundestag ist die Analyse der Freiburger Papstrede von Daniel Deckers in der FAZ. Hier das vermeintliche Lob der Ökologie, dort der Hinweis des Verzichts auf Privilegien. Und alles sehr mißverständlich, wenn man die Vokabeln nur aus dem eigenen Umfeld heraus deutet.

www.faz.net/artikel/C32826/benedikt-xvi-professor-papst-30724320.html
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2011 um 10.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19256

Die Pius-Bruderschaft ist nicht ganz fair gegenüber dem Papst, denn sie deckt den rhetorischen Trick auf:

»Die Bedeutung der Ökologie sei heute unbestritten, sagte der Papst, aber: „Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“
Als Beispiel rief der Heilige Vater die Vorgänge im Dritten Reich an, aber natürlich ging es ihm letztlich um das, was heute fast für selbstverständlich gehalten wird: Homosexualität und empfängnisverhütende Mittel und Praktiken galten von alters her als „Sünden gegen die Natur“. Ebenso sind Abtreibung, Genmanipulation und die Genderideologie mit dem Naturrecht nicht vereinbar. Hätte der Papst diese Dinge beim Namen genannt, wäre es zum Eklat gekommen. So aber wussten selbst die schärfsten Gegner des Papstes zunächst nicht viel mehr, als das zu kritisieren, was ihrer Meinung nach fehlte: der Hunger und die Kriege in der Welt, die Stellung der Frau, der Zölibat, die Missbrauchsfälle usw.
In den Anmerkungen zur Rede beruft sich Papst Benedikt übrigens mehrmals auf das Buch von Wolfgang Waldstein: Ins Herz geschrieben, das man auch im Sarto-Verlag bestellen kann.«



Nachtrag: In manchen Wiedergaben der Papstrede fehlen die fünf Anmerkungen, von denen sich drei auf Waldstein beziehen, dessen Buch im Verlag der Pius-Bruderschaft erschienen ist und auch erklärt, warum Benedikt ausgerechnet Hans Kelsen so sehr in den Mittelpunkt stellt. Man könnte Benedikts Rede geradezu in die Reihe der Plagiate stellen, aber wie gesagt: er gibt ja seine Quelle ausdrücklich an. Den Sarto-Verlag konnte er in seinem Vortrag auch nicht gut erwähnen, sonst wäre es vielleicht tatsächlich zum Eklat gekommen. Die Rede und ihr Hintergrund gehören zur extremsten konservativen Seite des katholischen Spektrums.
Es bleibt dabei: Die meisten Abgeordneten wußten wohl wirklich nicht, welchen Thesen sie da Beifall spendeten, und die Journalisten haben größtenteils überhaupt nichts verstanden, weshalb sie die Rede vorsichtshalber erst einmal als "tief" bezeichneten.
(Waldstein wurde erst kürzlich vom Papst empfangen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.09.2011 um 06.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#19244

Wenigstens als rhetorische Meisterleistung soll doch auch die Rede des Papstes vor dem Bundestag erwähnt werden. Benedikt brachte immerhin die Grünen dazu, der katholischen Sexualmoral zu applaudieren. Sie haben nämlich vor lauter Freude über das Lob der ökologischen Bewegung gar nicht verstanden, was mit dem Hinweis auf die unabänderliche Natur des Menschen gemeint war.
Außerdem beruhte die Rede, typisch rhetorisch, auf zwei Äquivokationen: Der Positivismus als wissenschaftstheoretische Position hat nichts mit Kelsens Rechtspositivismus zu tun. Die zehnmalige (!) Erwähnung des Positivismus hat diesen Unterschied ein wenig zugedeckt. Und der Naturbegriff der Naturrechtsphilosophie ist ein ganz anderer als der Naturbegriff der Naturschützer.

Insofern könnte die Rede im Schulunterricht behandelt werden, als lehrreiches Beispiel rhetorischer Sprachbehandlung.

(Der naturalistische Fehlschluß, den Benedikt mitsamt dem Naturrecht zu rehabilitieren versuchte, wird in der Oberstufe der Gymnasium bereits behandelt, bei meiner jüngsten Tochter ist die Erinnerung noch ganz frisch, und die Papstrede ist die erste Gelegenheit, den langweiligen Ethikunterricht überhaupt mit dem Leben zu verbinden.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2011 um 10.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#17860

Der Vorsitzende des Verbandes der Redenschreiber hat vor zwei Jahren wissenschaftlich ("semiometrisch") bewiesen, daß Westerwelle ein ausgezeichneter Redner ist. Zugleich ist Westerwelle aber, wie wir heute wissen, einer der erfolglosesten Politiker aller Zeiten.
Irgendwie auch tröstlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.07.2008 um 18.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#12550

Ergänzend möchte ich dazu einladen, sich einmal die Personen näher anzusehen, die zum Beispiel in unserer Region von den Hochschulleitungen dazu eingeladen werden, den Professoren usw. Didaktik und Rhetorik beizubringen: siehe dazu hier.

Man kann natürlich verstehen, daß die Universitäten selbst etwas ratlos sind, was die plötzlich über sie gekommenen "Schlüsselqualifikationen" betrifft. So sieht man sich eben auf dem blühenden Markt um.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 07.07.2008 um 23.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#12526

Lieber Herr Ickler,

Sie schrieben "Nun, mich betrifft es nicht, ich werde bald pensioniert und ändere mich sowieso nicht mehr." Das ist einerseits sehr sympathisch, andererseits aber auch Wasser auf die Mühlen derer, die das Problem des Protests gegen die NDR vornehmlich als ein rein biologisches betrachten. Seien Sie versichert, daß es auch Nachkommen geben wird, die im Kampf gegen den Anfängerschrieb nicht lockerlassen werden. So gesehen könnten Sie ruhig in den wohlverdienten Ruhestand treten. Nicht nur ich, wir alle haben Ihnen viel zu verdanken. Hoffentlich bleiben Sie uns noch eine lange Weile erhalten.

Grüße
Ph.

PS: Himmel, das klang jetzt fast schon wie ein Nachruf. Dabei ist Herr Ickler lebendiger denn je.
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 07.07.2008 um 18.28 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#12522

Bei uns in Erlangen heißt es klipp und klar, daß alles im Dienst der "Employability" steht.

Ob's ein Engländer oder Amerikaner versteht? Ich habe da so meine Bedenken...
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 07.07.2008 um 08.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#12507

Ein wenig gleicht das auch der Autolegitimation des Fundraisings, einer auch in Zeiten stagnierender Spendeneinnahmen stets prosperierenden Branche.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 06.07.2008 um 21.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1024#12504

Dies scheint mir aber auch eine Folge der durch Picht angestoßenen Akademikervermehrung zu sein. Wozu werden die vielen Hochschulabsolventen denn wirklich gebraucht? Die "Intelligenzia" schafft sich mangels echter Betätigungsfelder eigene Wolkenkuckucksheime. So wächst unerbittlich der Wasserkopf der Gesellschaft. Dabei werde ich unwillkürlich an "Das Riesenspielzeug" von Adelbert Chamisso erinnert. Na gut, so lange wir es bezahlen können und trotzdem satt werden ...
 
 

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