16.03.2010

Die Sache mit dem „Diphtong“

Nur Schweizer haben es ganz einfach

Die NZ läßt nicht locker: „Gemeinerweise ist aber das »ß» keineswegs gänzlich abgeschafft“ – was besonders aus Sicht der Franken gilt, landen sie doch wegen ihrer Aussprache leichter in der „Fehlerfalle“. Letztere geht auf „die wohl am wenigsten umstrittene Neuerung“ zurück.

Wer schon vor der Rechtschreibreform die Sache mit dem »daß» und »das» nicht beherrscht hat, der hat auch jetzt mit »dass» und »das» seine Schwierigkeiten. Denn das Grundproblem wurde durch das Ersetzen des »ß» durch »ss» ja nicht aus der Welt geschafft. Wer früher schrieb: »Das Haus, daß mein Vater baute», wird heute folgerichtig »Das Haus, dass mein Vater baute» zu Papier bringen. Und nicht, wie es richtig ist: »Das Haus, das mein Vater baute.»

Dabei ist es doch recht einfach, »dass» und »das» am Beginn von Nebensätzen unfallfrei einzusetzen. Die Faustregel lautet: Kann man den Nebensatz auch mit »welches» einleiten, hat das »das» nur ein »s». Also: »Das Haus, welches mein Vater baute». »Das» steht also immer am Beginn eines so genannten Relativsatzes, »dass» dagegen ist ein Bindewort (Konjunktion): »Ich glaube, dass mein Vater ein Haus baut.» Etwas komplizierter geht es auch: »Ich glaube, dass das Haus, das mein Vater baut, gut in die Umgebung passt.»

Die Ersetzung des »ß» durch »ss» ist die wohl am wenigsten umstrittene Neuerung in der deutschen Rechtschreibung. Nur noch hartnäckige Literaten halten am »daß» fest; im allgemeinen hat sich »dass» durchgesetzt. Gemeinerweise ist aber das »ß» keineswegs gänzlich abgeschafft: Nach einem lang gesprochenen Vokal oder einem Diphtong (ei, eu, oi, au usw.) bleibt das »ß». Der Franke hat da sein Problem mit dem »Spaß», denn das »a» spricht er kurz aus: »Das hat Spass gemacht» – und schon steckt er in der Fehlerfalle. Ein anderes, in unserem Landstrich oft falsch geschriebenes Wort ist »Fußball», weil der Franke halt gerne vom »Fussballn» redet.

Am leichtesten tun sich die Schweizer: Sie kennen das »ß» überhaupt nicht. So lesen sich Druckwerke aus dem Alpenland stets etwas befremdlich: »ausserdem» steht da statt »außerdem», auch an »heisst» oder »weisst» muss man sich erst einmal gewöhnen. Ja, fleissiges Lesen hilft nur den Eidgenossen; in Deutschland sollte man fleißig lesen, denn auch bei diesem Rechtschreibproblem gilt: Je öfter man etwas bewusst wahrgenommen hat, desto leichter prägt es sich ein.

Gerfried Ernst

Quelle: Nürnberger Zeitung
Link: http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=1190534&kat=317

Die Quelldatei zu diesem Ausdruck finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=165