05.08.2015


Ricarda Barf

Eine Reform mit Fehlern

Prof. Ickler zu zehn Jahren neue Rechtschreibung

Seit zehn Jahren gilt die neue Rechtschreibung. Nur Nordrhein-Westfalen und Bayern ließen sich mit der Einführung bis 2006 Zeit. Der Erlanger Germanist Prof. Theodor Ickler, einer der schärfsten Kritiker der Reform, sprach sich in seinen Veröffentlichungen wiederholt gegen die neue Rechtschreibung aus. Doch wie denkt er heute darüber? (Prof. Ickler hat übrigens nach den alten Rechtschreibregeln geantwortet.)

Zehn Jahre neue Rechtschreibung – ist das Chaos noch größer als von Ihnen befürchtet?

Von „Chaos“ habe ich nie gesprochen, auch nicht von „Weltuntergang“, wie uns unterstellt wird. Aber wir Kritiker haben vorausgesagt, daß die Reformschreibung, die von den bayerischen Schülers übrigens nicht seit zehn, sondern seit 19 Jahren befolgt werden muß, wegen ihrer Fehlerhaftigkeit nie funktionieren, sondern zu einer großen Verwirrung führen wird. Das ist eingetroffen.
 
Die neue Rechtschreibung wird nicht konsequent durchgeführt. Die Zeitung schreibt anders als die Schule und im Internet schreibt jeder wie er will. Wird die Sprache beliebig?
 
Zeitungen und Verlage haben eigenen Hausorthographien entwickelt – wie im 19. Jahrhundert, als es noch keinen Duden gab. Man kann der Neuregelung gar nicht konsequent folgen, ohne sich lächerlich zu machen. Die Reformer haben bis heute auch kein Wörterbuch vorgelegt, nur eine lückenhafte Wortliste, die noch zweimal verändert werden mußte. Im Internet gibt es durchaus sorgfältige Schreiber, so daß ich von dieser Seite keine Gefahr für die deutsche Sprache sehe.
 
Wie halten Sie es persönlich – verwenden Sie die alte oder neue Rechtschreibung?
 
Natürlich die „alte“ (die aber eigentlich moderner ist als die reformierte). Fast alle deutschen Schriftsteller von Rang halten es ebenso. Deshalb fordern wir jetzt auch, daß den Schülern keine Schreibweisen als Fehler angestrichen werden, die vor der Reform üblich waren und noch immer von allen guten Schriftstellern gepflegt werden. Warum sollen die Schüler ausbaden, was selbst Ex-Minister Zehetmair heute als großen Fehler der Politik brandmarkt?


Quelle: Erlanger Nachrichten 5.8.2015: Kurz gefragt



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