21.02.2008


Eine Vermißtenanzeige

Frank Müllers Rohrkrepierer über den Buchstaben ß

Vermutlich vom Autor des vorgestellten Werkes selbst stammt der folgende Neuerscheinungshinweis in der März-Ausgabe von literaturkritik.de. – Mittlerweile ist der Neuerscheinungshinweis obsolet, siehe hier. Eichborn hat das Buch zurückgezogen und mitgeteilt, daß es auch keine überarbeitete Neuauflage geben wird.

"Möge der Zankapfel 'Rechtschreibreform' die Eiferer auf beiden Seiten nähren und den Wörterbuchverlagen glänzende Umsatzzahlen bescheren. Mögen muntere TV-Raterunden sich daran laben. Möge Sebastian Sicks in dritter Folge erschienener Unterhaltungsschlager 'Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod' weiterhin die Bestsellerlisten schmücken und sein Autor die bankrotte Rechtschreibung durch flächendeckende Lesungen in klingende Münze verwandeln - uns kann es egal sein."

Die Beschäftigung mit der deutschen Sprache, ihrer orthografischen Rechtschaffenheit, aber auch mit den sie begleitenden Irrtümern hat Konjunktur. Aber kann man ein ganzes Buch über einen einzelnen Buchstaben schreiben? Man muss! "Viel Spass", "barfuss am Strand", "freundliche Grüsse" - nur einige Fundstücke, die vor allem eines belegen: Das "ß" ist in die Klemme geraten. Als prominentestes Opfer der Rechtschreibreform wird es mehr und mehr bedrängt von seinem unheimlichen Doppelgänger, dem "ss". Frank Müller geht der wechselvollen Geschichte des "ß" auf den Grund und schlägt einen Bogen bis zu aktuellen Versuchen von Typografen, es als Großbuchstaben zu etablieren.

Die eloquente Spurensuche beginnt in der Schweiz. Sie inspiziert die Werbung bei ihren halsbrecherischen Versuchen, bewährte Schreibweisen zu "aktualisieren", und zeigt die irritierenden, witzigen oder grotesken Folgen des beflissenen Richtigmachenwollens in Wort und Bild. Dabei kommen ausgewiesene Liebhaber des "ß" ebenso zu Wort wie erbitterte Gegner. Vor den gepflegten Kopfnüssen, die der Autor offenherzig und in alle Richtungen verteilt, ist allerdings niemand sicher. Ein Rettungsversuch mit dem Wissen um dessen Vergeblichkeit und unbändiger Lust an der Sprache.

F.M.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeiter / innen der Zeitschrift sowie Angehörigen der Universität Marburg. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.

Frank Müller: ß. Ein Buchstabe wird vermisst.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
160 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN 3821856688

Link: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=11662

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