28.01.2008


Müsli, Strudel und szlafmyca

„Ausgewanderte Wörter“

Die Unterwanderung unserer schönen deutschen Sprache mit unnötigen Englischbrocken war schon mehrmals das Thema. Vor vielen Jahren schon fiel mir aber bei einem Besuch bei französisch sprechenden Freunden in Luxemburg das Gegenteil auf. Beim Zmorgen sagte mein Freund nämlich zu seiner kleinen Tochter, die lustlos in ihrem Tellerchen stocherte: «Allez, mange ton musli!» Potz Tausend, unser gutes Schweizer Müesli als Exportartikel. Der Weg von deutschem Sprachgut ins Ausland interessiert auch das Goethe-Institut, die Gesellschaft für deutsche Sprache und den Deutschen Sprachrat. Die drei Institutionen haben letzten Monat ein Büchlein veröffentlicht mit den amüsanten Resultaten einer Ausschreibung über «ausgewanderte Wörter».

Da erfährt man, dass die Finnen «kaffeepaussi» machen, dass Japaner unter «noirooze» leiden, und dass das Schutzsystem für unbefugtes Eindringen in einen Computer, das bei uns «Firewall» heisst, bei den Russen prächtig deutsch «Brandmauer» genannt wird, in kyrillischen Buchstaben natürlich. Die Polen nennen einen faulen Menschen, der nur mit Mühe aus dem Bett zu kriegen ist, «szlafmyca» und die Ungarn bezeichnen einen Verkäufer, der die Klinken putzt, also nach altem Sprachgebrauch einen Hausierer, als «Vigec». Das stammt aus der Zeit, als Ungarn zu Österreich gehörte, und hängt damit zusammen, dass ein solcher Verkäufer, der von Tür zu Tür geht, sehr höflich sein musste und vor dem Verkaufsgespräch in der weit verbreiteten deutschen Sprache nach dem Befinden des potenziellen Kunden fragte mit «Wie geht's?»

In Israel gibt es noch sehr viele Juden, die von ihrer Herkunft her perfekt deutsch sprechen und sich lieber an kulinarische Genüsse als an historische Greuel erinnern. Der Apfelstrudel ist bekanntlich eine süsse Masse, eingerollt in Teig. Israelische Schleckmäuler haben nun entdeckt, dass doch in einer E-Mail Adresse das @ aussieht wie eine solche Teigrolle, und darum verwenden sie an der Stelle des englischen «at» das deutsche Wort «Strudel». Meine E-Mail Adresse heisst also sinngemäss: h.huerlemann strudel bluewin.ch. Toll. Das sollten wir auch einführen.

Hans Hürlemann

(St. Galler Tagblatt, 15. Dezember 2007)

Link: http://www.tagblatt.ch/index.php?artikelxml=1439805

Die Quelldatei dieses Ausdrucks finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=571