10.12.2007


Der Tagblatt-Aufpasser

Schwere Vorwürfe gegen den St. Galler Merker

In einem Leserbrief wird der „gegenreformatorische Eifer“ von Stefan Stirnemann aufs Korn genommen – wodurch dessen Anmerkungen erneut Wirkung entfalten:

Seit langem hat unser Tagblatt Aufpasser bestellt, die ihm jeweils einen Monat lang auf die Tastenfinger schauen und wenn nötig darauf klopfen. Eine Art Selbstkasteiung. – Stefan Stirnemann ist gegenwärtig einer dieser Merker. Ende des vergangenen Monats hat er seine November-Kritik geäussert, formuliert aufgrund der Untersuchung eines einzigen Tages, des 20. Novembers. Er hat diese Ausgabe, die, seiner Aussage nach, über 360 000 Buchstaben enthielt, mit argwöhnischem Blick untersucht und – sage und schreibe – mehr als ein Dutzend Regelverstösse gefunden (orthographische, grammatikalische, stilistische u.a.) und ausgebreitet. – Dabei konnte er es nicht lassen, mit seinem Steckenpferd eine Attacke zu reiten gegen die Antichristen der Orthographie-Reform. In gegenreformatorischem Eifer kämpft Stirnemann schon lange gegen die Freveltaten der Reformer, ein Don Quichotte gegen die Windmühlen der Neuerungen. Das «geistige Gewicht der neuen Rechtschreibung» ist für ihn gleich gross wie das eines Spitzmäusleins, sagt er, J. P. Hebel zitierend. Dass es einen Elefantenfuss oder 30 Text-Zeilen braucht, um das Spitzmäuslein zu zerquetschen, ist erstaunlich.

Dabei lobt er ja das Tagblatt, das nach alter Regel «ein Quentchen» schreibe und nicht «Quäntchen», wie die Reform es will. «Quäntchen» sei falsch im Sinne der Sprache, denn «Quentchen» komme von lateinisch «quintus» (und nicht von «Quantum») und bezeichne den 5. Teil, «also eine kleine Menge». (Zwischenruf: Wenn ich den 5. Teil des Vermögens des reichsten St. Galler Unternehmers besässe, käme ich mir finanziell nicht sehr klein vor.)

Tja: «Quäntchen», das gehört halt in die Niederungen der Volksetymologie und soll keinen Einlass finden in die altphilologisch abgesicherten Hochburgen der Korrektheit.

Apropos «falsch im Sinne der Sprache»: Auch die Einsicht, dass Sprache sich nur durch Fehler entwickelt, scheint vergeblich vor den Pforten dieser Burgen zu warten.

Martin Wettstein, St. Gallen


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