06.08.2004


faz.net

Süddeutscher Verlag folgt Spiegel und Springer

Die Lawine rollt

Nach dem Spiegel-Verlag und der Axel Springer AG führt auch die „Süddeutsche Zeitung“ die bewährte Rechtschreibung wieder ein. Und noch weitere Medien erwägen, dem Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu folgen.
„Wir sagen ja, aber intern wird noch über Details gesprochen“, sagte ein Verlagssprecher der „SZ“ am Freitag. Die Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“ sei von Anfang an in die Gespräche mit der Axel Springer AG und dem Spiegel-Verlag eingebunden gewesen. Intern werde derzeit unter anderem diskutiert, von welchen Regelungen man wieder abrücken wolle und von welchen nicht. Offen sei auch der Zeitpunkt für eine Rückkehr zu alten Rechtschreiberegeln.

Bauer: Wir unterstützen die Initiative

Der Hamburger Bauer-Verlag hat die Rückkehr der Verlage Springer und Spiegel zur alten Rechtschreibung begrüßt. „Wir halten diese Initiative für positiv und unterstützen sie“, sagte Bauer-Sprecher Andreas Fritzenkötter. Man wolle dem Beispiel aber noch nicht sofort folgen. „Voraussetzung für konkrete Schritte hin zur alten Rechtschreibung ist für uns, daß möglichst viele Verlage diesem Beispiel folgen“, betonte der Sprecher.

dpa: Machen uns ein Meinungsbild

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) will nun die Meinung ihrer Kunden erfragen. dpa-Chefredakteur Wilm Herlyn sagte am Freitag, die dpa habe die neue Rechtschreibung nach eindeutiger Absprache mit den Kunden und den anderen deutschsprachigen Agenturen übernommen. dpa als Dienstleister werde sich „jetzt zeitnah ein Meinungsbild bei unseren Kunden machen“. Auf der Grundlage dieser Meinungsbildung werde dpa dann auch in Zusammenarbeit mit den anderen deutschsprachigen Nachrichtenagenturen eine Entscheidung fällen.

AP: Prüfen Kundenwünsche

Der deutsche Dienst der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) will zunächst die Reaktion seiner Kunden auf diesen Schritt abwarten. Trotz der Aufforderung beider Verlage an die Nachrichtenagenturen, sich ihnen anzuschließen, sieht AP-Chefredakteur Peter Gehrig keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. „Die im deutschsprachigen Raum tätigen Agenturen haben sich in einem langen und schwierigen Prozeß auf eine Umsetzung der Rechtschreibreform mit Beibehaltung eigener Schreibweisen geeinigt“, sagte Gehrig am Freitag. „Diese Abweichungen sind letztlich auch im Reformwerk insgesamt berücksichtigt und akzeptiert. Solange nicht eine große Mehrheit unserer Kunden eine Änderung verlangt, sehe ich keine Notwendigkeit zum Handeln.“

Burda und „FR“: Alles bleibt beim neuen

Der Burda-Verlag wird sich der Initiative dagegen nicht anschließen. „Wir werden nicht teilnehmen, weil wir der Auffassung sind, daß wir nach sechs Jahren neuer Rechtschreibung nur zur Verunsicherung beitragen würden,“ sagte ein Sprecher in München. Diese Vereinbarung gelte für alle Burda-Zeitschriften, darunter „Focus“, „Bunte“, „Freundin“ und „Superillu“. Die Festlegung sei aber „kein Bekenntnis für die Rechtschreibreform“. Ein Sprecher von „Focus“ betonte, das Magazin schreibe weiter so, wie in der Schule gelehrt werde: „Wir wollen den Kampf um die Rechtschreibreform nicht auf dem Rücken unserer jungen Leser austragen.“

Die „Frankfurter Rundschau“ bleibt ebenfalls bei der neuen Rechtschreibung. „Millionen haben sich auf die neuen Regeln eingestellt, da ist es nach meiner Meinung nicht an den Verlagen, jetzt Druck aufzubauen“, sagte FR- Geschäftsführer Günter Kamissek am Freitag. Dies führe nur zu „endgültiger Verwirrung“. Die FR werde erst zur alten Rechtschreibung zurückkehren, wenn dies von den Kultusministern beschlossen werde.

Voß plant ARD-Initiative

Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR), Peter Voß, begrüßt die Rückkehr des Axel Springer Verlags und des „Spiegel“ zur alten Rechtschreibung. Auch der SWR prüfe diesen Schritt und wolle diese Überlegung in die ARD einbringen, erklärte Voß am Freitag. Er verwies darauf, daß der SWR zwar auf dem Bildschirm die neue Rechtschreibung verwende, um vor allem bei Schülern, die darin unterrichtet würden, keine Verwirrung zu stiften. Voß selbst hatte bei seinen Publikationen an der alten Schreibweise festgehalten und dies bei der ARD-weiten Einführung der neuen Rechtschreibung auch den SWR-Mitarbeitern ausdrücklich freigestellt. Der SWR-Intendant hatte zudem in Interviews die Rechtschreibreform wiederholt als „kulturpolitische Barbarei“ kritisiert.

Österreich wartet ab

Für die österreichische Presse ist die Rechtschreibung zur Zeit „kein Thema“. Keine der großen Tageszeitungen in Wien hat bisher entschieden, ob sie dem Beispiel der deutschen Medien folgen wird. „Wir warten erst einmal ab“, meinte zum Beispiel der geschäftsführende Chefredakteur des „Standard“, Gerfried Sperl, auf dpa-Anfrage: „Wenn alle umstellen, stellen wir natürlich auch um.“ Auch bei der Wiener Tageszeitung „Die Presse“ hieß es: „Wir haben definitiv noch keine Entscheidung getroffen.“

Schweiz: Jedes Blatt hat eigene Regeln

Die großen Schweizer Verlage wollen dem Aufruf der deutschen Axel Springer AG und des Spiegel-Verlages zur Rückkehr zur alten Rechtschreibung nicht folgen. „Unsere Zeitungen und Magazine sind schon bisher nicht einfach nach der neuen Rechtschreibung gegangen“, sagte Myrta Bugini, Sprecherin des größten Schweizer Medienverlag Ringier („Blick“), am Freitag. Jeder Titel des Hauses habe seine eigene Regelung. Eine Verlagsanweisung gebe es nicht. „Wir werden dies nicht einfach verordnen, sondern schreiben so, wie es der Leser braucht.“

Für Kari Schnellmann vom Korrekturat beim „Tages-Anzeiger“ in Zürich kommt der Vorstoß nicht überraschend. Beim TA-Media-Verlag werde aber vorläufig nichts geändert, so lange die neue Rechtschreibung „noch amtlich ist“. Die „Neue Zürcher Zeitung“ sieht im Vorstoß aus Deutschland eine „unkluge Handlung“, wie Chefkorrektor Stephan Dové sagte. Die Zeitung übernehme nur das, wo der Sinn verständlicher werde. „Im Zweifel entscheiden wir uns eher für die alte Rechtschreibung“, sagte der Korrektor.

„Spiegel“ und Springer: Einheitliche Rechtschreibung das Ziel

Der Spiegel-Verlag und die Axel Springer AG hatten am Freitag morgen bekanntgeben, in allen ihren Medien die bewährte Rechtschreibung wieder einzuführen. Sie folgen damit dem Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die als einzige Zeitung nach kurzer Zeit wieder zur klassischen Schreibung zurückgekehrt war.

Das Ziel der Umstellung ist es, nach dem durch die Reform verursachten Chaos wieder zu einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung zu finden. Zugleich appellieren Spiegel-Gruppe und Springer an andere Verlage und an Nachrichtenagenturen, sich ihrem Schritt anzuschließen und dem Beispiel der F.A.Z. zu folgen.

Die technische Umsetzung in sämtlichen Print- und Online-Publikationen soll „schnellstmöglichst“ erfolgen. Veranlaßt sahen sich der Spiegel-Verlag, der neben dem „Spiegel“-Magazin und „Spiegel Online“ unter anderem auch das „Manager-Magazin“ herausbringt, und der Springer-Konzern, zu dem unter anderem die Zeitungen „Bild“, „Bild am Sonntag“, „Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie Zeitschriften wie „Hörzu“, „Sport Bild“ oder „Maxim“ gehören, durch die „mangelnde Akzeptanz und die zunehmende Verunsicherung bezüglich des vorgegebenen Regelwerks für die deutsche Schriftsprache“, wie es in der Presseerklärung heißt. Die Reform habe weder für professionell Schreibende noch für Schüler Erleichterung oder Vereinfachung gebracht.

„Staatlich verordnete Legasthenie“

Da auch die Mehrheit der deutschsprachigen Schriftsteller, von Grass bis Enzensberger, es ablehne, ihre Werke in neuer Schreibung erscheinen zu lassen, tue sich „eine verhängnisvolle, immer breitere Kluft zwischen gelerntem und gelesenem Deutsch auf“. Nachdem versucht worden sei, die gravierenden Mängel der ersten Reformversion durch eine Vielzahl von Ergänzungen zu beseitigen, seien die „orthografischen Konventionen in einem Maße erschüttert, daß auf absehbare Zeit die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung verloren scheint“. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Reform, wie zahlreiche Umfragen belegen, ab.

„Die deutsche Sprache braucht keine kultusbürokratische Überregulierung. Spätestens die neuerliche Reform einer ohnehin unausgegorenen Reform führt ins völlige Chaos. Wir wollen dazu beitragen, diese Fehlentwicklung zu korrigieren“, sagen der „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust und der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner in der gemeinsamen Erklärung. Die „staatlich verordnete Legasthenie“ müsse ein Ende haben.

Trotz der Rückkehr zur bewährten Schreibung wollen die beiden Verlage Neuerungen nicht gänzlich ausschließen. „Sinnvollen Veränderungen“ werde man sich nicht verschließen. Dies gilt auch für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Rechtschreibreform war zum 1. August 1998 an den Schulen eingeführt worden, am 1. August 1999 übernahmen die Agenturen und die Zeitungen die neuen Regeln. Am 1. August 2000 war die Frankfurter Allgemeine Zeitung zur bewährten Schreibung zurückgekehrt.

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