03.06.2004


„Dieses Chaos hält kein Deutscher aus“

Offener Brief der Schulbuch-Verlegerin Karin Pfeiffer-Stolz

Karin Pfeiffer-Stolz, Autorin von Lernhilfen für den Schulunterricht (Stolz Verlag) hat sich mit einem Offenen Brief an ihre Verlegerkolleginnen und -kollegen gewandt. In diesem Schreiben beschwor sie die Schulbuchverleger, sich ihrer Verantwortung zu stellen und zur herkömmlichen Rechtschreibung zurückzukehren.

Als erster gab der Verleger Michael Klett eine öffentliche Stellungnahme ab: „Auf die Dauer ... hält das kein Deutscher aus, nicht einmal bei seiner Sprache.“

Wir fragten Karin Pfeiffer-Stolz:

BuchMarkt: Was wird Ihrer Meinung nach jetzt passieren?
Karin Pfeiffer-Stolz: Die Frage bewegt mich selbst. Man wird es sehen. Es geht ja nicht um so lächerliche Dinge wie „Stängel“, „Tollpatsch“ oder „nummerieren“, sondern um die Tatsache, daß hier eine Kultursprache per Erlaß gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit verändert und verschlechtert worden ist. Wieso lassen wir uns das gefallen?

Hängt das Thema inzwischen nicht schon allen zum Hals raus?
Die wenig mit Sprache zu tun oder diesbezüglich ein dickes Fell haben, fragen sich sicher, was das soll. Lehrer, Schüler und Eltern aber wachen gerade erst auf. Sie sehen sich getäuscht. Die Probleme sind nicht mehr zu ignorieren. Unmut und Verzweiflung angesichts der chaotischen Zustände wachsen. Es gilt, diese Gruppe der Betroffenen mit sachlicher Information zu versorgen, damit sie sich gegen die amtlich verbreiteten Beschwichtigungs- und Schönfärbekampagnen wappnen kann. Die Leute dürfen nicht glauben, sie seien allein mit ihrem Unmut, während alle anderen angeblich zufrieden sind. Sie sind es nämlich nicht!

Wie ist die Situation an den Schulen?
Es gärt. Lehrer sind unsicher. Eltern verzweifeln, wenn sie sehen, wie schlecht ihre Kinder inzwischen schreiben. Sie machen sich Sorgen – zurecht. Die neue Rechtschreibung ist nicht lehr- und nicht lernbar. Hier wächst eine Generation heran, die bald schon keine Freude mehr am Lesen haben dürfte. Muß uns das nicht alarmieren? Wir sind auf ein Fehlkonzept hereingefallen. „Setzen, sechs!“, würde ich als ehemalige Lehrerin sagen.

Hier in der Redaktion schreiben wir inzwischen, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Das Alte können wir nicht mehr richtig, das Neue können wir noch nicht...
... werden wir nie können! Das Regelsystem ist einfach zu absurd! Ein organisch gewachsenes Sprachsystem mit Gewalt ändern und stutzen zu wollen, funktioniert einfach nicht. „Man kann nicht reformieren, was man nicht versteht“, das hat Dankwart Guratzsch von der Zeitung „DIE WELT“ gesagt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Und was soll nun geschehen?
Mein Appell an alle Erwachsenen: Sofern Sie Lehrerin oder Lehrer sind: Benutzen Sie die herkömmliche Rechtschreibung! Ignorieren Sie den verdummenden Neuschrieb, er ist weder modern, noch logisch, sondern schlicht falsch. Setzen Sie sich in Ihrer Umgebung dafür ein, daß es die anderen auch so machen. Ignorieren Sie die Beschlüsse der komischen Rechtschreibkommission: Stellen Sie sich vor, wir haben eine Rechtschreibreform, aber keiner kümmert sich um sie!
Und die Presse bitte ich an dieser Stelle herzlich: Kehren Sie zur herkömmlichen Rechtschreibung zurück! Damit würden Sie nicht nur unseren Kindern, sondern auch der Demokratie einen großen Dienst erweisen! Dann wäre der Spuk rasch vorbei, und wir könnten uns wirklich wieder wichtigeren Dingen zuwenden!

Quelle: Buchmarkt-online
Link: http://www.buchmarkt.de

Die Quelldatei dieses Ausdrucks finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=28