05.06.2005 Forschungsgruppe Deutsche SpracheBericht von der Jahresversammlung 2005Am 4. Juni fand in den Räumen der Bayerischen Akademie der Schönen Künste die Jahresversammlung 2005 der FDS statt. Hier unser Bericht:Ein Zitat zur Einstimmung: „Wir müssen gestehen, dass wir oft mit einer Mischung von Amüsiertheit und Entsetzen auf die Haltung Normen gegenüber reagiert haben, die uns in Deutschland immer wieder begegnet und uns aus Schweizer Warte ausgesprochen hysterisch vorkommt.“ So schrieben die Schweizer Rechtschreibreformer Horst Sitta und Peter Gallmann. Der Satz kennzeichnet die Reform der Rechtschreibung: Es wird eine neue Norm gesetzt, die, da sie nichts taugt, dauernd verändert, „präzisiert“ werden muß. Ernst gemeint waren es tut mir Leid und so genannt aber nicht, deswegen kann man die Norm auch wieder ändern. „Rechtschreibung braucht eine gewissse Elastizität,“ schrieb Horst Sitta in der NZZ. Wer all das dennoch ernst nimmt (und der Schule wird vom ersten August an befohlen sein, das ernst zu nehmen), der ist hysterisch. Unter den gegen fünfzig Teilnehmern waren Michael Klett, Reiner Kunze, Karin Pfeiffer-Stolz, Claudia Ludwig, Prof. Dr. Christian Meier, Prof. Dr. Ulrich Knoop (Vorstandsmitglied des größten deutschen Sprachvereins, VDS), Prof. Dr. Christian Stetter, Dr. Johannes Wasmuth, Friedrich Denk, Hans Krieger. Auch die Schweiz war gut vertreten: mit Peter Zbinden, dem Vorsitzenden des Sprachkreises Deutsch und Peter Müller, dem Direktor der Schweizerischen Depeschenagentur. Robert Nef, Herausgeber der Schweizer Monatshefte, mußte sich umständehalber kurzfristig entschuldigen. Erste Gespräche fanden beim gemeinsamen Mittagessen im Franziskaner statt. Wie groß das Bedürfnis ist, die Lage zu besprechen, zeigte sich auch am Nachmittag; natürlich reichte die Zeit nicht aus. Bei einer nächsten Veranstaltung müssen wir versuchen, auch hier vorzusorgen. Die Versammlung begann um 13.15 Uhr. Die Dinge der Vereinsordnung werden satzungsgemäß erst im nächsten Jahr behandelt. Zuerst umriß Reinhard Markner, Vorsitzender der Forschungsgruppe, die Ereignisse der letzten Zeit. Unter den vielen mit großem Anspruch auf unser aller Dank sei unser Techniker Simon Bauer hervorgehoben, der die FDS-Netzseite „Schrift & Rede“ tatkräftig, sorgfältig und uneigennützig betreut. Gegen 14 Uhr begann Theodor Ickler mit seinem Bericht; er hatte später als geplant anreisen können. Von der vortägigen Sitzung des Rates für Rechtschreibung teilte er mit, daß nun, nach Überarbeitung des Paragraphen 34 des Regelwerks, im Bereich der Verbzusätze zu hundert Prozent die vorreformierten Verhältnisse wieder herrschen. Paragraph 36 (wohlbekannt, feuerspeiend) wird folgen. Der Rat wird demnächst auch eine Arbeitsgruppe einsetzen, welche gegen den Willen der Kultusminister die Groß- und Kleinschreibung überarbeiten soll. Für die Schweiz bedeutet dies, daß in absehbarer Zeit von den Kernbereichen der Reform nichts mehr vorhanden sein wird. Die Grundschwierigkeit für den Rat besteht darin, daß er vom neuen Regelwerk ausgehen und gleichsam ein irrtümlich unter Denkmalschutz gestelltes Gebäude vollständig auskernen und im Innern neu bauen muß. Wer sich vor Augen führt, daß bei diesem Umbau etliche einst stolze Reformer und Verteidiger der Reform mitmachen, entweder selber Hand anlegend oder sich überstimmen lassend, der findet sich nach neun Jahren Umgang mit diesem Blödsinn auf einem weiteren Höhepunkt des Staunens. Mitmachen ist wichtiger als siegen. Einige Reformer im Rat gehen bei ihren Anträgen immer noch vom Regelwerk 1996 aus und haben offenbar vergessen, daß sie selber es im letzten Juni gründlich verändert haben. Michael Klett stellte die Frage, ob man diese doch gute Entwicklung im Rat laufenlassen könne oder ob man noch einmal in die Rüstung steigen und den Helm festzurren solle. Theodor Ickler antwortete, daß die Lage höchst gefährlich sei und daß die guten Kräfte im Rat (er nannte vor allem Hans Zehetmair und Peter Eisenberg) unbedingt Hilfe von außen brauchten, in erster Linie die Hilfe der Verlage und der Zeitungen. Nur mit dieser Hilfe werde der Rat zu wirklich guten Ergebnissen kommen. Ickler betonte, wie verhängsnisvoll der Entschluß der KMK sei, grundsätzlich am 1. August festzuhalten. Christian Meier: „Wenn Kulturvögte Grammatikfehler befehlen wollen, so halte ich es für eine Ehre, vom kommenden 1. August an falsch zu schreiben.“ Reiner Kunze sagte, daß die bisherigen Änderungen, die der Rat vorgenommen hat, wenn man an die Sprache denkt, bei weitem nicht ausreichten. Ulrich Knoop wies darauf hin, daß es in der Geschichte unserer Sprache noch nie gelungen sei, etwas durchzusetzen, was ihrer Entwicklung zuwiderläuft. Michael Klett: „Die Schulbücher für das neue Schuljahr sind jetzt im Druck. Die im letzten Juni veränderte reformierte Rechtschreibung kann deshalb zum Schuljahr 2005/2006 ohnehin nicht verbindlich werden. Und für die Schulbuchverlage fallen angesichts des aktuellen Prozesses die Kosten auch deutlich weitergehender Korrekturen am neuen Regelwerk nicht ins Gewicht.“ Allen Anwesenden war unbegreiflich, daß es für die Kultusminister „unstrittige Teile“ dieser Reform gibt. Sämtliche Bereiche sind strittig, besonders auch die Eszett-Regelung. Und die Neuregelung auf dem Stand von 2004 kann schon deswegen nicht notenwirksam werden, weil es keine Schul- und Wörterbücher gibt, die diesen Stand der Dinge bieten. Etwas andereres, als die Übergangszeit zu verlängern, ist deshalb gar nicht möglich. Eine Presse-Erklärung dieses Inhalts wurde verabschiedet. Im Anschluß an die Aussprache meldeten sich einige Zeitungen und Agenturen telefonisch mit Fragen. Ein erster Bericht erschien in der Welt am Sonntag vom 5. Juni auf der ersten Seite unter dem Titel: „Reformgegner kritisieren ‚zementierte Dummheit.’“ Die Versammlung endete um 16.30 Uhr. Die Ereignisse des letzten Jahres haben bewiesen, daß die Kritik am neuen Regelwerk, die seit neun Jahren mit größtem Einsatz von Zeit und Geld immer wieder geäußert wurde, berechtigt war. Die Kultusminister werden auf ihrem Weg den Rechtschreibfrieden und eine einheitliche Rechtschreibung nicht wiederherstellen. Die Forschungsgruppe Deutsche Sprache hat in den nächsten Tagen und Wochen Arbeit vor sich. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste hat erneut ihre enge Verbundenheit mit unserer Arbeit bewiesen, indem sie uns trotz großer anderweitiger Beanspruchung in diesen Tagen ihre Räume und die Hilfe ihrer Mitarbeiter zur Verfügung gestellt hat. Dafür sind wir ihr sehr dankbar. Unsere Jahresversammlung hat gezeigt, daß die Schar derer groß ist und wächst, die bereit sind, etwas zu tun. In diesem Zusammenhang sei auf unser Spendenkonto verwiesen. Forschungsgruppe Deutsche Sprache Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee BLZ 71152570 Konto Nr. 8590002 Die FDS ist ein gemeinnütziger Verein und kann steuerbegünstigende Spendenquittungen ausstellen.
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