23.02.2005 Walter Lachenmann Ein TrainingsspielPodiumsdiskussion ohne Hans ZehetmairWas tun, wenn der Gegner ausbleibt, die Fans aber im Stadion sind? Man spielt aufs eigene Tor.Einem solchen Spiel fehlt dann zwar die Spannung eines sportlichen Kräftemessens, aber die Fans freuen sich dennoch über das von Gegenangriffen unbehinderte virtuose Können der eigenen Mannschaft. So ähnlich war es denn auch gestern abend, als Hans Zehetmair aus gesundheitlichen Gründen seine Teilnahme an der Podiumsdiskussion abgesagt hatte. Die zahlreich erschienenen Zuschauer bekamen nicht nur in der Argumentation fundierte sondern auch sprachlich brillant vorgetragene Stellungnahmen zur aktuellen Situation der Rechtschreibdebatte und insbesondere der „Arbeit“ des „Rates für deutsche Rechtschreibung“ der auf dem Podium versammelten Gesprächspartner Reiner Kunze, Hans Krieger und Horst Haider Munske zu hören. Diese zu moderieren mag für Peter Horst Neumann fast ein bißchen frustrierend gewesen sein, da es für ihn, der sich für eine salomonische Herausforderung innerlich gewappnet hatte, nicht viel mehr zu tun gab, als neben eigener Bekundung und Begründung seiner Meinung das Wort an den jeweils nächsten Redner zu erteilen. Etwas Spannung kam dann doch auf, als im Publikum ein Angehöriger des „gegnerischen“ Lagers entdeckt wurde: der Leiter der Duden-Redaktion Wermke, der sowohl von den Podiumsrednern als auch aus dem Publikum mit Fragen konfrontiert wurde, von denen man hätte annehmen mögen, sie seien ihm unangenehm. Aber weit gefehlt: Verblüffend war, wie die nun wirklich hochkarätigen und mit großem Ernst vorgetragenen Einlassungen der Diskussion offensichtlich bei ihm nicht die geringste Wirkung hinterlassen hatten. Er brachte es vielmehr fertig, mit fröhlichem Siegerlächeln den Anwesenden zu raten, sie sollten, anstatt zu „lamentieren“, sich an den Diskussionen des „Rates“ beteiligen! Es sei auch nicht wahr, daß er sich gegen jede Änderung der jetzigen Regeln sträube, er sehe vielmehr Handlungsbedarf bei der Zeichensetzung. Fürwahr recht kühn von ihm, das Reformwerk an dieser Stelle nachbessern zu wollen, bliebe davon doch das Wörterverzeichnis des Dudens völlig unberührt und er könnte das Werbeversprechen seines Verlags insofern wahrmachen, die kürzlich erschienene Neuauflage des Dudens enthielte „die neue Rechtschreibung, die laut Beschluss der Kultusministerkonferenz vom Juni 2004 ab August 2005 für Schulen und Behörden allein verbindlich sein wird“. Daß der Duden-Verlag nach diesem vorschnellen Versprechen jede Änderung in der Orthographie selber, die durch den „Rat“ herbeigeführt würde, nach Kräften vermeiden will, nimmt nicht wunder. Seine Dienstherren können mit ihrem Emissär zufrieden sein, und wie es ehrgeizigen Angestelltenseelen eigen ist, wird ihm selbst dies zur Sicherung seines intellektuellen und seelischen Friedens genügen. So ging man nach Hause, wie man es nach dem Training halt tut: die einen gleich, die andern gehen noch einen heben. Und dabei macht man sich Gedanken über das nächste Spiel. +++ Einen weiteren Bericht über diese Veranstaltung (von Reinhard Markner) hat das Neue Deutschland gedruckt.
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