24.01.2005 Reinhard Markner Ratgeber für den SprachbereichZwei Versuche, das Deutsche zu pflegenDen bitteren Geschmack der Besserwisserei müssen Sprachratgeber mit viel süßer Ironie übertönen. Das weiß auch Bastian Sick, Kolumnist bei „Spiegel Online“.Sein liebstes Stilmittel ist die maßlose Übertreibung. „Man parkt das Auto im Fahrzeugbereich, geht durch den Eingangsbereich in den Bürobereich und verabredet sich für den Abendbereich“ – mit derlei Schreckensbildern warnt Sick vor sprachlichen Entwicklungen, die ihm unbehaglich sind. Und das sind nahezu alle. Sprachwandel ist in seinen Augen eigentlich nur dann gerechtfertigt, wenn er amtlich angeordnet wird. So geht die Ersetzung von „Zyprioten“ durch „Zyprer“ in Ordnung, weil diese terminologische Planierung „vom Auswärtigen Amt gefördert wird“. Die Wendung „Wir bitten um Ihr Verständnis“ ist hingegen nicht in dieser Weise sanktioniert und darf daher als Modetorheit der Privatwirtschaft gegeißelt werden. „Früher sagte man noch ‚Es tut mir Leid‘“, erinnert sich Sick. Und schreibt es, als hätte er den Sinn des Satzes nicht verstanden. Dann doch lieber „Wir bitten um Ihr Verständnis“. Sicks Erfolg kam angeblich überraschend, aber der etwas grobkörnige Witz seiner Texte ist zweifellos dem Thema angemessen deutsch, und für das beruhigende Gefühl, beim Lesen nebenher noch etwas zu lernen, ist auch gesorgt. Wem der Sinn nach mehr Esprit steht, wird zu den gesammelten Glossen des Freiburger Romanisten Hans-Martin Gauger greifen müssen. Bekanntlich geben Linguisten selten überzeugende Sprachpfleger ab, weil ihnen Sprache Untersuchungsgegenstand und nicht Objekt der Kritik ist. Egal, sagt Gauger und erklärt seine Ansichten kurzerhand für „wissenschaftlich ungeschützt“. Den Fatalismus der Forscher hinter sich lassend, erlaubt er sich Urteile. Aber Gauger fällt dabei nicht in jenen Jargon der Eindringlichkeit, der für Warnungen vor einem noch stets drohenden Sprachverfall so kennzeichnend ist, und er hat es auch nicht nötig, sich fortwährend auf die Autorität der Wörterbücher zu berufen. Seine Sprachkritik, mit einem Wort, ist nur ausnahmsweise spießig. Was gerade auf diesem Gebiet kein geringer Vorzug ist. Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Ein Wegweiser durch den Irrgarten der deutschen Sprache. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004. 256 S., 8,90 Euro. Hans-Martin Gauger: Was wir sagen, wenn wir reden. Glossen zur Sprache. Carl Hanser, München 2004. 277 S., 19,90 Euro. Quelle: Berliner Zeitung
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