08.12.2007 Theodor Ickler Alles neuSchulbüchereien nach der RechtschreibreformHier habe ich noch einmal einige Meldungen zum Thema "Aussortieren" zusammengestellt, die größtenteils schon auf diesen Seiten erschienen sind:Das Karls-Gymnasium Stuttgart berichtet 2004: „Für die Lernmittelverwaltung war klar, dass die genannten Faktoren [neue Lehrpläne wegen des G8] zu einer enormen finanziellen Belastung werden würden – und dies vor dem Hintergrund, dass erst wenige Jahre zuvor hunderte von Büchern aufgrund der Rechtschreibreform ausgemustert und ersetzt werden mussten.“ Aus Bad Essen wurden ausgemusterte Schulbücher als Spende nach Polen geschickt: „Und da fragte sich Lore Jeschke, was denn eigentlich mit den Lehrbüchern geschieht, die durch die Rechtschreibreform überholt sind. Die Idee war da, und sie ging einen Schritt weiter. Bei den Bad Essener Schulen wurde angefragt. Von dort kam 'grünes Licht'. Man war froh, ausgediente Bücher nicht in den Müll werfen zu müssen.“ (Neue Osnabrücker Zeitung 8.10.2001) Unter dem Titel „Buchangebot auf neuestem Stand“ wird aus Lüneburg berichtet: Dank einer Spende von E.ON Avacon (50.000 €) konnten viele Bücher ausgetauscht werden. „Vor allem sei das Angebot im Hinblick auf die neue Rechtschreibung aktualisiert worden.“ (Landeszeitung 28.4.2006) In Sachsen-Anhalt wurden dem Kultusministerium „für Lehr- und Lernmittel zusätzliche 600.000 Euro bewilligt. Begründet wurde diese einmalig für das Schuljahr 2007/08 für alle Schulformen geltende Aufstockung mit der abschließenden Einführung der Rechtschreibreform. Der erhöhte Verfügungsrahmen ist von den Schulen zum gezielten Austausch veralteter Lernmittelbestände einzusetzen. Staatssekretär Winfried Willems begrüßte diese Entscheidung. 'Nur wenn die Lehr- und Lernmaterialien an unseren Schulen so schnell wie möglich auf den neuesten Stand gebracht werden, werden sich die Schülerinnen und Schüler die geänderte Rechtschreibung wirklich aneignen können und die Diskussionen über dieses Thema werden zur Ruhe kommen.'“ (Pressemitteilung vom 5.12.2006) Von der Hemsbergschule in Bensheim erfährt man im Dezember 2006: „Fünfhundert aktuelle Titel hat der Förderverein für rund 5 000 Euro allein in diesem Jahr angeschafft. Alte Bücher von 'anno tobak' und solche, die nicht mehr der neuen Rechtschreibung entsprachen, wurden ausgemistet.“ Ähnlich an der Alteburgschule in Idstein-Heftrich: „Vor drei Jahren fiel die Spende so großzügig aus, dass fast sämtliche Bücher mit alter Rechtschreibung aussortiert werden konnten. Auch ein Antrag ans hessische Kultusministerium auf finanzielle Unterstützung bewirkte, dass neue Kinderliteratur und Sachbücher zu vielen Wissensgebieten angeschafft werden konnten.“ (Wiesbadener Tagblatt 23.11.2007: „Schule fördert die Leselust“) Aus Geinsheim wird berichtet: „Fast ein Jahr lang war die Schulbücherei geschlossen. In dieser Zeit wurde der Bestand neu katalogisiert und Bücher mit alter Rechtschreibung wurden aussortiert.“ (5.12.07) Im österreichischen Berndorf arbeiten Stadtbücherei und Schulen eng zusammen: „Auch Schulen aus anderen Gemeinden nutzen das neugestaltete Angebot an Medien in der Kinder- und Jugendabteilung: Für jedes Alter wurden Mädchenromane, Krimis, Romane und Sachbücher angekauft. Bücher mit alter Rechtschreibung wurden ersetzt.“ (Dezember 2005) Eine weitere Meldung aus Österreich: „Die Stadtbücherei Neufeld verfügt über ca. 5.800 Bücher, davon ca. 1.400 Kinder- und Jugendbücher, viele Reisevideos, Bildbände und Zeitschriften. An Schulkinder werden nur mehr Bücher mit neuer Rechtschreibung ausgegeben.“ (Dezember 2004) Die IG Autorinnen und Autoren ermittelte 2004 durch eine Umfrage, wie an den österreichischen Schulen verfahren wird. Hier die wichtigsten Ergebnisse, mitgeteilt von Ludwig Laher im Dezember 2004: „Die zentrale empirische Aussage dieser Untersuchung ist zweifellos, daß in 38 % der österreichischen Pflichtschulbibliotheken der Bestand an Titeln, die nicht der neuen Rechtschreibung entsprechen, entfernt wurde bzw. in Kürze entfernt werden wird. Implizit ergibt sich daraus überdies, daß Neuanschaffungen in diesen Schulen an das Kriterium 'amtliches Regelwerk' gebunden sind. Dabei ist allerdings ein signifikanter Unterschied zwischen den Volks- und Hauptschulen zu bemerken: Während gar 50 % der befragten GrundschulleiterInnen die Säuberung der Bibliotheken vornahmen bzw. vornehmen werden, ist dies im Bereich der weiterführenden Pflichtschulen überhaupt nicht der Fall.“ An der Walter-Kolb-Schule in Unterliederbach gibt es nicht nur eine neue Mensa, sondern auch etwas zu lesen: „Von den vorhandenen Büchern 'sind 60 bis 70 Prozent neu', versichert Marion Knöpfel, schließlich 'wollten wir möglichst wenige Bücher mit alter Rechtschreibung.' Bei allen war das natürlich nicht zu schaffen, schließlich 'sind einige Bücher im Bestand, die von Eltern gespendet wurden', so die Grundschullehrerin, und die sind verständlicherweise nicht immer nagelneu.“ Auch die kirchliche öffentliche Bücherei im Kirchenzentrum Wartberg sorgt für die jungen Leser: „Die alten Regale mit Glasscheiben, hinter denen die Bücher verschlossen waren, wurden entfernt. Neue, ansprechende und für Kinder besser übersichtliche Regale wurden gekauft. Zudem wurde der alte Buchbestand aussortiert. Es blieb nur noch ein Drittel der vorhandenen Bücher zurück. Wie es weiter in einem Pressebericht der Bücherei heißt, werde der Buchbestand nun nach und nach mit neuen Büchern, nach der neuen Rechtschreibereform, aufgefüllt.“ (Fränkische Nachrichten 10.9.2004) Das einzige, was die Kinder bei ausgedehnter Lektüre älterer Bücher in nennenswertem Umfang „falsch“ schreiben könnten, ist wohl die reformiert s-Schreibung (daß statt dass und einige andere Wörter). Dieser „Schaden“ scheint vielen Lehrkräften so gewaltig zu sein, daß man deshalb überall im deutschsprachigen Raum ganze Bibliotheken auf den Müll werfen zu müssen glaubte. Da die Reform in den Jahren 2004 und 2006 in wichtigen Punkten geändert wurde, sind die vorher angeschafften neuen Bücher schon wieder veraltet und müßten nochmals ausgetauscht werden. Unterdessen schreiben die namhaften deutschen Autoren weiterhin in nichtreformierter Rechtschreibung und werden auf Wunsch auch so in den neuen Schulbüchern abgedruckt; die Kultusministerien haben nichts dagegen einzuwenden, ebenso wie der Rat für deutsche Rechtschreibung. Immer beliebter werden auch Schulausgaben der Klassiker in historischer Originalschreibweise (Suhrkamp, Deutscher Taschenbuchverlag).
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