01.06.2007


Theodor Ickler

Anmaßung

Grammatik aus der Hand der Orthographen?

„Die früher als Adverbien angesehenen Bezeichnungen für Tageszeiten in Verbindung mit gestern, heute und morgen werden den Substantiven zugeordnet und deshalb großgeschrieben: heute Morgen (...)“ (Duden 9: Richtiges und gutes Deutsch 2007, S. 50)

Außer der Rechtschreibreform, die hier durch Erlaß Großschreibung eingeführt hat, ist keine grammatische Diskussion über die Frage der Wortart geführt worden. Die Reformer haben später das Argument nachgereicht, daß die Wortart der Tageszeitenausdrücke unklar sei und man sich daher nach dem nächstliegenden Homonym (der Abend usw.) richten müsse.
Es ist seltsam, daß hier (wie auch in den neuen Wortbildungslehren) die Rechtschreibreformer zugleich als grammatisch-syntaktische Orakel höchster Autorität betrachtet werden.
Nochmals möchte ich erwähnen, daß die traditionelle Kleinschreibung der Tageszeiten keineswegs von der Richtigkeit der Dudenbemerkung abhing, daß es sich um Adverbien handele. Es sind jedenfalls – nach der eigenen Definition der Reformer – keine Substantive, daher müßte „im Zweifel klein“ gelten.
Daß entgegen der amtlichen Regelung auch heute Früh als richtig dargestellt wird (wenn auch nur fakultativ), habe ich schon in der ausführlichen Besprechung erwähnt.


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