16.10.2006


Theodor Ickler

Rechtschreibung und schwarze Pädagogik

Wolfgang Mentrup über die Schrecken von Dehnungs-h und Eszett

Die Einheitsschreibung das auch für die Konjunktion war Mentrup ein wirkliches Herzensanliegen, zusammen mit der Kleinschreibung und vielleicht noch mehr als diese (zumal die Kleinschreibung praktisch von allen Reformern verlangt wurde, die Einheitsschreibung von das aber nicht).
Er bietet in seinem Buch von 1993 viel auf, um seine Forderung zu begründen. Daß die Sprachgemeinschaft die Unterscheidungsschreibung vor 500 Jahren eingeführt und unbeirrt durchgehalten hat, daß auch in gedruckten Texten hier praktisch keine Fehler vorkamen, zählt für Mentrup nichts gegen die Erleichterung, die die Nichtunterscheidung für Schreibanfänger darstellen würde: In der Grundschule gäbe es hier keine Fehler mehr, das ist für ihn das Entscheidende.
Natürlich könnte man das Problem der Grundschule auch durch eine bloße fehlerpädagogische Maßnahme lösen, also durch einen vernünftigen Umgang mit dem Anfängerfehler, wie es ja auch tatsächlich längst geschieht. Dagegen mobilisiert Mentrup – wie auch gegen die übrigen Schikanen der herkömmlichen Orthographie – alle Schrecknisse der schwarzen Pädagogik und scheut sich auch nicht, Schilderungen und Abbildungen zur einstigen Prügelstrafe in sein Buch einzuschalten. Der Lehrer (hier ein Pfarrer), der die Rute über dem Gesäß des winzigen Knaben schwingt ("Dir werd ich den Katechismus schon noch beibringen!", eine Karikatur von 1902) – solche Mittel sollen wohl irgendwie die Rechtschreibreform als notwendig erweisen.
Mentrup trägt in diesem Zusammenhang auch die umwerfende Erkenntnis vor:
"Die Qualifizierung des Kindes, das nähmlich statt nämlich schreibt, als 'dämlich' kommt einer Abqualifizierung seiner intellektuellen Fähigkeiten gleich." (S. 149)


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