06.10.2006


Theodor Ickler

Lügenpropaganda (Fortsetzung)

Die Kultusminister und die Wahrheit

Das hessische Kultusministerium (Brief von Günter Habedank 1997, s. vorigen Tagebucheintrag) spricht ganz ungeniert von den "Lügen" der Reformgegner:

»Die Lüge von tausenden Unterschiedschreibungen zwischen Wörterbüchern.
Zu den Lügen und Fälschungen der Gegner gehören
– das Märchen von den Milliarden Kosten (eine neue Textil- oder Schuhmode kostet auch viele Millionen, aber der einzelne zahlt nur ein paar Mark mehr als bisher.) Wie unter 6. dargestellt: Das Land Hessen bzw. der einzelne zahlt für rechtschreibreformierte Schulbücher 3 bis 5 % mehr. Das entspricht den Preissteigerungen der letzten Jahre ohne Rechtschreibreform.
– das Märchen von der Veränderung der Werke deutscher Schriftsteller (Kein einziges Werk eines Schriftstellers braucht wegen der Rechtschreibreform geändert zu werden!) Werden sie geändert, bleibt der Sinn unverändert erhalten (vgl. "Woche").
– die Lüge von tausenden von unterschiedlichen Schreibweisen. Tatsächlich liegt die Zahl der Abweichungen zwischen den Wörterbüchern z.B. bei dem Buchstaben H bei 36. Vergleicht man zwei frühere Wörterbücher (also: bisherige Schreibweisen), ergeben sich dreißig Abweichungen voneinander.
Die meisten Abweichungen ergeben sich dadurch, daß unterschiedliche, aber zulässige Varianten - z.B. der Trennung - angegeben werden.«


Alle angeblichen Lügen haben sich als zutreffend erwiesen.
Keine Kostenschätzung bleibt unter dem Milliardenbereich. Die mehrmals angefallenen, unvermeidbaren Revisionen haben die Kosten nochmals in die Höhe getrieben. Sie liegen irgendwo im zweistelligen Milliardenbereich – für nichts und wieder nichts.
Viele Werke deutscher Schriftsteller sind zumindest für die Schule bereits umgestellt worden (vgl. Reclam), und in einigen Fällen wird auch der Sinn der Texte verändert (nachgewiesen von Martin String, Stefan Stirnemann und anderen).
Der letzte Absatz bezieht sich auf die gefälschten Ergebnisse einer "Untersuchung" von Heller und Güthert, der jetzigen Geschäftsführerin des Rechtschreibrates. Heller mußte seine Verfehlung indirekt zugeben, indem er unmittelbar nach einem Anruf von mir den Schriftleiter der "Muttersprache" bat, dem Abdruck der "Untersuchung" die Anmerkung anzufügen, daß die bereits an den Duden angepaßte Neuauflage des Bertelsmann-Wörterbuchs zugrunde gelegt worden war.
Die krasseste Lüge der Kultusminister ist die bis heute aufrechterhaltene Behauptung von der Verminderung der Regelzahl (112 statt 212). Gegen Irrtümer und Fehlprognosen ist niemand gefeit, sie unterlaufen auch Reformgegnern, aber die Angelegenheit mit der Regelzahl ist seit 1996 aufgeklärt, die Minister haben kein Recht, die falsche Behauptung dennoch zu wiederholen.


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