15.09.2005


Theodor Ickler

Das Schröder Kanzler bleibt

In der heutigen FAZ ist als Anzeige ein Wahlaufruf für die SPD abgedruckt

Angeführt wird die Liste der Unterzeichner entgegen der alphabetischen Ordnung von Prof. Detlev Ganten von der Charité. Am Ende steht übrigens unser Freund Wernstedt.

Ganten ist Verfasser eines recht guten Buches: Leben, Natur, Wissenschaft. Eichborn 2003. Das Buch ist viel besser als das von Ernst Peter Fischer, dessen Mystifikationen Ganten mit Recht kritisiert. Um so bedauerlicher die reformierte Rechtschreibung:

Die hohe Übereinstimmung zeigt uns, dass Genome in der Evolution ein paar Jahrmillionen benötigen, um sich deutlich auseinander zu entwickeln. (41)
In einer Hand voll Dreck kann man eine Fülle von genetischen Ressourcen vermuten. (103)
ausreichende Mengen der Bakterien tötenden Substanzen (104)
Insofern ist die Übertragung durchaus nahe liegend (105)
es war eigentlich nur eines nahe liegend (322)
Diphterie (mehrmals)
jedes Einzelne dieser Gene
bei Eier legenden Tieren (137)
Fleisch fressende Jäger, bei Staaten bildenden Insekten (140)
weiter gehenkann (sic 271) – weitergeht (272)
1 Milliarde Mal größer (281)
Damit hatte er vollkommen Recht (282)
plancksches Wirkungsquantum (passim)
Von 100 Milliarden Neutrinos bleibt nur ein Einziges .. (296)
Bismuth (302, 2mal)
Diese Vorstellung vom Heil bringenden Aderlass (336)
andererseits ist das wissenschaftliche Potenzial so viel versprechend (380)
Cyborgs sind nicht so Besorgnis erregend (387)
müs-sten, Mit-ochondrien, Atmos-phäre, sech-sten

Leider äußert sich der Molekularbiologe nicht nur über Naturwissenschaft, sondern greift auch auf das ihm doch eher fremde Gebiet der Kulturwissenchaften über:
„Würde bei einer Rechtschreibreform die Unterscheidung zwischen 'dass' und 'das' wegfallen, gäbe es keine Probleme beim Satzverständnis, da (wie beim englischen 'that') aus dem Zusammenhang klar hervorgeht, wann 'das' als Konjunktion und wann als Relativpronomen gebraucht wird. Den Kindern blieben einige Fehler beim Diktat erspart und sie könnten ihre kostbaren Neuronen mit wichtigeren Dingen beschäftigen.“ (459)

Die Nützlichkeit der Unterscheidung ist von Linguisten nachgewiesen, s. Munske. Warum das kaum vergleichbare Englische heranziehen? Das erinnert an die Reformer, die auf das französische "avoir raison" verwiesen, um die Großschreibung von "Recht haben" zu begründen. Ganten macht sich die Argumente Wolfgang Mentrups aus den 80er Jahren zu eigen, ohne mit der Fachdiskussion vertraut zu sein.
Die kindlichen Neuronen sind so reichlich vorhanden und warten darauf, mit Informationen jeder Art gefüttert zu werden, daß Ganten eigentlich wissen müßte, wie schlecht sein Argument auch vom neurobiologischen Standpunkt aus ist. Die Unterscheidung zwischen Konjunktion und Artikel/Pronomen gehört sicherlich zu den wissenswerteren unter den vielen Millionen Einzelheiten, die das Kind aufnimmt.


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