02.07.2015


Theodor Ickler

Zur Komparation

Wortbildung oder Flexion?

In neueren Grammatiken und Abhandlungen werden die Komparationsformen ziemlich einhellig zur Flexion gestellt, so bei Fleischer/Barz, Eisenberg, Duden Grundwissen, Petersen, Gallmann, Elsen, Thieroff/Vogel.

In den ältern und eher sprachgeschichtlich orientierten Grammatiken gehören sie dagegen zur Wortbildung, genauer zur nominalen Stammbildung, vgl. etwa Grimm, Wilmanns, Paul, Sütterlin, B. Naumann, Seidelmann, dazu auch Hentschel/Weydt.

Blatz diskutiert die Zuordnung I 635f.: Eigentlich gehöre die Komparation unter die Stammbildung, aber § 145 (S. 262) behandelt er sie – als Konzession an das Übliche – unter der Flexion. Als Grund wird auch schon angeführt, daß die Komparation regelmäßig alle Adjektive erfasse und nicht auf einzelne Stämme beschränkt sei. Dieses Argument, das auch Paul bekannt war, wird auch heute noch vorgebracht. Für Paul war entscheidend, daß die Flexion ein Wort in den Satzzusammenhang einpaßt, während die Wortbildung Lexeme schafft. Außerdem findet man sprachtheoretische und -typologische Argumente, breit referiert bei Elsen 2014.

Igor Trost stellt den „absoluten Komparativ“ (eine jüngere Dame) zur Wortbildung, den vergleichenden (Max ist älter als Moritz) zur Flexion – eine abwegige Lösung, die auf einer falschen Annahme über den „absoluten“ Komparativ beruht. (Andere unterscheiden polare und skalare Steigerung und bauen darauf zwei Reihen; das ist ebenfalls abzulehnen.)

Die Vertreter der Flexions-Lösung äußern sich in der Regel nicht zu der Frage, wieso eine bereits flektierte Form nochmals flektiert werden kann. (In der Schülerduden-Grammatik heißt es allerdings:
„Manchmal kann man an eine Flexionsfrom mit einer Endung eine weitere Endung anhängen:
breit – das Kind
breiter – Kinder
eine breitere Straße – den Kindern

Mit demselben Argument könnte man die Pluralbildung zur Stammbildung ziehen; s. u.)

Die Vergleichskonstruktion unterscheidet sich in den einzelnen Sprachen. Es gibt den Ablativ (du bist von mir aus gesehen groß, spätlat. mit ab erneuert, koiné-griechisch mit apo), den Instrumental (du bist durch mich groß), die lexematische Lösung (du bist verglichen mit mir groß).

Das Komparativ-Suffix -tero- (griechisch und altindisch, vgl. lat. dexter, sinister, alter) ist ein idg. Stammbildungssuffix, das auch an Substantive treten kann und einen Vergleich ausdrückt: ahd. mustro „Fledermaus“ (eigentlich „die andere Maus“), ai. ashvatará „Maultier“ („das andere Pferd“) usw. Auch ander- enthält das Komparativsuffix.

Im Deutschen gibt es das Komparativsuffix als ahd. ir und ôr (ersteres umlautend); got. iz und ôz. Die ursprüngliche Bedeutung war wohl ungefähr „eine Art von“.

Vom Komparativstamm werden andere Wörter abgeleitet, was bei Flexionsformen sehr ungewöhnlich wäre. Henzen erwähnt die vielen Verben auf -on, die von Komparativen abgeleitet sind: bessern (bezziron), lindern usw. (215). So auch im Griechischen: elattousthai usw. (Wackernagel Vorl. I:130). (Auch Ableitungen vom Plural kommen vor: blättern usw. – woraus nochmals hervorgeht, daß auch die Pluralbildung eine Art Stammbildung ist.)


Den Beitrag und dazu vorhandene Kommentare finden Sie online unter
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1640