30.06.2013


Theodor Ickler

Präsuppositionen

Künstliche Probleme zwischen Semantik und Pragmatik

Der Satz (genauer: die Äußerung des Satzes) Er bereut es, seine Frau geschlagen zu haben setzt im allgemeinen voraus, daß er seine Frau geschlagen hat. Diese Voraussetzung bleibt erhalten, wenn man den Obersatz verneint: Er bereut es nicht, seine Frau geschlagen zu haben.
Solche Voraussetzungen nennt man Präsuppositionen. Sie werden von logischen Implikationen unterschieden.

In der linguistischen und logischen Pragmatik spielt die Aufhebbarkeit von Präpositionen eine große Rolle. Bei Er schaffte das Examen nicht wird normalerweise mitverstanden: Er versuchte es. Man kann aber sagen: Er schaffte das Examen nicht, ja, er versuchte es nicht einmal. Es gibt viele Menschen, die sich nicht zur Prüfung anmelden und es daher auch nicht schaffen, die Prüfung zu bestehen.

Solche Fälle lassen sich auf verschiedene Weise analysieren.

1. Er bereut es, seine Frau geschlagen zu haben, aber er hat sie gar nicht geschlagen.

Hier sagt oder denkt der Mann offenbar, er habe seine Frau geschlagen, und das tut ihm leid oder auch nicht (bei Verneinung). bereuen, bedauern usw. sind zwar faktive Verben, sie haben aber eine zweite Lesart als troponyme Verba dicendi et putandi: „sagen/annehmen“ + Stellungnahme dazu.
Ebenso: Hans bedauert, ein Mädchen zu sein. Man nennt das auch die intensionale Lesart: er glaubt es und bedauert es.


2. Er fuhr nach Moskau.

Man nimmt normalerweise an, daß er auch dort angekommen ist, vor allem dann, wenn die Erzählung sich in Moskauer Ereignissen fortsetzt. Möglich wäre aber auch: Dort ist er aber nicht angekommen. Dann hätte das Prädikat im Ausgangssatz die Bedeutungskomponente „de conatu“. Das ist immer möglich. In Sportberichten liest man oft: X verteidigte seinen Titel. Das kann sich auf den Versuch oder auf den Erfolg beziehen.

3. Ich kann nicht mit dem Rauchen aufhören, denn ich rauche gar nicht.

Man kann nicht fragen, wie schwer es mir fällt, mit dem Rauchen aufzuhören. Das ist hier keine Frage der Anstrengung, sondern eine logische Unmöglichkeit. Ähnlich: Ich bedauere nicht, Medizin studiert zu haben, denn ich habe gar nicht Medizin studiert. (Ich kann es aus logischen Gründen nicht bedauern.)

Solche Äußerungen müssen metasprachlich bzw. logisch geklärt werden, vgl. *Ich weigere mich, mit dem Rauchen aufzuhören; ich rauche gar nicht. Für diesen Satz kann ich mir keine Vorkommenssituation ausdenken, und genau dies sollte man dazu sagen.

4. Er schaffte es nicht, die Prüfung zu bestehen, er versuchte es nicht einmal.

In solchen Fällen wäre es ziemlich irreführend, vom Nicht-Schaffen zu sprechen. Man könnte auflösen: Vom Schaffen oder Nicht-Schaffen kann hier keine Rede sein, er versuchte es ja nicht einmal.


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