11.06.2013


Theodor Ickler

Standardsprache

Das gute Deutsch ist nicht an soziale Schichten gebunden

Wahrscheinlich fehlt uns die Distanz, um etwa gegen 1950 den Beginn einer neuen Epoche des Deutschen ansetzen zu können. Das erwägt Joachim A. Bär in einem Aufsatz von 2004 über das Nachkriegsdeutsch. Er schreibt:

"Auch in der Sprache spiegeln sich die Veränderungen im sozialen Gefüge. Nicht mehr eine bestimmte, einer sozialen Schicht oder Gruppe mit besonderem sozialem Prestige zugeordnete Art des Sprechens und Schreibens wird für die beste gehalten, sondern es existiert eine Standardsprache, an der unterschiedliche soziale Schichten und Gruppen teilhaben und die in verschiedenen regionalen Färbungen, in verschiedenen funktionalen und situativen Varianten erscheinen kann. Diese Varianten sind nicht mehr (allenfalls noch in Ansätzen) auf einer vertikalen Werteskala angeordnet, sie existieren vielmehr im Bewusstsein der Sprachgemeinschaft gleichberechtigt und gleichwertig neben einander." (Germanistische Mitteilungen 59, 2004)

Mir kommt das schief vor. Die deutsche Standardsprache war auch früher nicht die Sprache einer bestimmten Schicht oder Gruppe. Die allgemeine Schulpflicht festigte einen bestimmten Sprachgebrauch, der in unterschiedlichen Texten gegeben war. Welcher Schicht sollte man die alten Lesebücher zuordnen?

Einem ähnlichen Geist entspringt die hier bereits diskutierte Vorstellung, Lesen und Schreiben seien Privilegien einer Oberschicht gewesen. Das sind Geschichtskonstruktionen a priori.


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