15.06.2012 Theodor Ickler documentaSprachliches und MächtigesDie Kasseler "documenta" trägt einen Namen, der offensichtlich vom neutralen Plural zum femininen Singular umgedeutet wurde.Wahrscheinlich hat er mit dazu beigetragen, unzählige Ausstellungen und Messen mit Namen auf -a zu versehen: Inhorgenta, Entsorga usw., zum Teil wirklich komisch. Ich selbst habe übrigens schon die allererste documenta sehr aufmerksam besucht, obwohl ich erst elf war und anreisen mußte, denn damals wohnten wir noch nicht in Kassel. Später habe ich natürlich die Stadt, die wunderbare Karlsaue und den Friedrichsplatz sehr genau kennengelernt. (Vieles gefiel mir in den ärmlichen fünfziger Jahren besser, z. B. der Königsplatz, der mir heute arg steril und aufgeräumt vorkommt.) Nun zu Stephan Balkenhol. Dessen Ausstellung in St. Elisabeth, vor allem die Plastik auf dem Turm, stört die documenta-Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev ungemein, und sie hat vonder Kirche verlangt, die Ausstellung zu unterlassen oder gar abzubrechen. Christov-Bakargiev fühlte sich auch prompt "bedroht". Sie sei traurig, weil dieses "äußerst spektakuläre Kunstwerk" die Art und Weise konterkariere, wie die Documenta diesen Platz künstlerisch bespielen wolle. Documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld sprach von "Respektlosigkeit" gegenüber der weltweit bedeutendsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Und Oberbürgermeister Bertram Hilgen verweigerte als Aufsichtsratsvorsitzender der Documenta sogar seine Teilnahme an der Ausstellungseröffnung. Diese Dame will also den riesigen Friedrichsplatz "künstlerisch bespielen" und duldet deshalb keine anderen Spieler. Und der Oberbürgermeister macht mit! Balkenhol fürchtet mit Recht eine Ausweitung dieser Ansprüche. Demnächst könnten ganze Städte bespielt werden, vielleicht nach Evakuierung der störenden Einwohner. Das Wort sollten wir uns merken. (Bisher wurden Bühnen oder Theater bespielt.) Übrigens haben wir hier in Erlangen sehr schätzenswerte öffentliche Kunstwerke von Balkenhol, und sie gefallen mir tausendmal besser als die abstrakten Edelstahlklopse und was sonst so als Kunst am Bau herumsteht. (Hier ist viel gebaut worden, Siemens, Kliniken usw., entsprechend viele Klopse gibt es.)
Den Beitrag und dazu vorhandene Kommentare finden Sie online unter
|