10.02.2012


Theodor Ickler

Unzeitgemäßes über Schule

Warum lernen unsere Kinder so wenig?

Eine junge Frau leistet nach dem Abitur ein Jahr soziale Arbeit in einem Dorf in Kenia. Sie gibt auch Englischunterricht in einer Schule, hilft regelmäßig im Waisenhaus.

Wenn sie die Klasse betritt, stehen alle Schüler auf und begrüßen sie im Chor; zum Ende der Stunde bedanken sie sich in derselben Weise für den Unterricht. Disziplinschwierigkeiten gibt es nicht, alle lernen konzentriert und kameradschaftlich.

(Im Krankenhaus, das dürftig genug eingerichtet ist, übernachten auch die Angehörigen der Kranken, denn es gibt keine ununterbrochene Dienstbereitschaft des wenigen Personals.)

Die Schule ist keine Prügelschule, und die Kinder werden auch zu Hause zwar streng, aber nicht brutal erzogen. Das anständige Benehmen ist ihnen selbstverständlich.

Als ich in Berlin Studienreferendar war (Gymnasium Steglitz – Ortskundige wissen, daß das keine prekäre Population ist), ging es in einigen Klassen drunter und drüber, je nach Lehrer. Wer Schwäche zeigte, war schon verloren. Eine Mathematiklehrerin kam oft weinend aus dem Klassenzimmer. Der Direktor schickte mich zur Begleitung mit, ich brüllte mal kurz, setzte mich furchterregend in die letzte Reihe, und es ging so ruhig zu, wie es sich auch die Schüler im Grunde wünschten. Denn alle oder fast alle leiden ja unter dem, was sie anrichten, aber sie können es von sich aus nicht ändern. So vergehen die Jahre.

Ich bin überzeugt, daß ich in diesem System auch untergegangen wäre, denn ich bin überhaupt nicht in der Lage, für Disziplin zu sorgen; das klappte nur einen Augenblick lang, weil mich keiner kannte.

Man ruft nach weiterer Verkleinerung der Klassen, aber das hilft nicht viel. Wenn eines Tages nur noch zwei Schüler in der Klasse sitzen, werden sie es trotzdem schaffen, den Unterricht zu stören und die Lehrerin fertigzumachen.


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