17.12.2010


Theodor Ickler

Besorgnis erregend

Antiantiantisemitismus oder: Die Entlarvung der Heuchler

„Der Einstellungsantisemitismus ist noch immer und seit einigen Jahren schon wieder zunehmend ein Besorgnis erregendes Phänomen.“ (Monika Schwarz-Friesel u. a., hg.: Aktueller Antisemitismus – ein Phänomen der Mitte. Berlin: de Gruyter 2010)

Die Sprachwissenschaftlerin Monika Schwarz hat einige schlechte Bücher geschrieben, seit einigen Jahren widmet sie sich der Erforschung und vor allem Bekämpfung des Antisemitismus. Warum sie sich überhaupt für einschlägig kompetent hält, geht aus folgender Äußerung hervor: „Antisemitismus wird primär über Sprache transportiert.“ (Friedrich-Schiller-Universität Jena. Pressemitteilung 2007) Da sie auch über kognitivistische Metapherntheorie geschrieben hat, müßte ihr auffallen, daß diese Transportmetapher irreführend ist.
Die von ihr aufgespürten Antisemiten in der Mitte unserer Gesellschaft tun zwar sonst nichts Böses (außer daß sie Schwarz-Friesel die finanzielle Unterstützung verweigern, die sie dann vom Sarnat Institute der Brandeis University bekommen hat), aber sie reden antisemitisch. Das findet die Forscherin mit textwissenschaftlichen Methoden heraus. Wenn man allerdings „ca. 5.000 Briefe und E-Mails aus den Jahren 2004-2007, die an den Zentralrat der Juden in Deutschland sowie die israelische Botschaft in Berlin gesandt wurden“ untersucht, sind die Ergebnisse vorhersehbar.
Angeblich ist es ganz leicht herauszufinden, wer antisemitisch und wer nur israelkritisch ist.
„Eine strikte Abgrenzung und klare Trennlinie, die von den ‚Israel-Kritikern‘ stets bestritten wird, ist ohne Probleme möglich: Anti-Israelismus basiert auf einer antisemitisch motivierten Negativ-Konzeptualisierung des jüdischen Staates und hat nichts gemeinsam mit Israel-Kritik. Legitime Israel-Kritik ist nicht destruktiv, sie fordert ausgewogene Lösungen, sie verdammt nicht einseitig und irreal nur Israel, sie berücksichtigt beide Konfliktparteien, sie verzichtet auf Dämonisierung, Doppel-Moral und NS-Vergleiche. Sie wird nicht mit Wut, Hass und überschäumender Empörung vorgetragen.“ (S. 5)
Schwarz-Friesel hält nur „konstruktive“ Kritik an Israels Politik für zulässig, d. h. man muß zugleich mit der Kritik auch Lösungswege für den Nahost-Konflikt vorschlagen. Wahrscheinlich darf man nicht einfach sagen, daß die isrealische Siedlungspolitik gegen das Völkerrecht verstößt.
Natürlich beruft sich Schwarz-Friesel auch auf den Einstellungsforscher Wilhelm Heitmeyer, der ja ebenfalls seit vielen Jahren die fürchterliche Mitte der Gesellschaft im Visier hat, der er zunehmenden Rechtsextremismus nachzuweisen versucht. Schwarz-Friesel spricht auch gern im Plural von "Antisemitismen". Das trägt ebenso zum Verschwimmen des Gegenstandes bei wie die ständige Rede vom „Phänomen“ des Antisemitismus, das es zu bekämpfen gelte.
„Wie kann man das uneingeschränkte Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit erhalten, ohne einen Raum zu gestatten, in dem Antisemitismen legitim sind?“
Das kann man überhaupt nicht. Schwarz-Friesel fordert ausdrücklich und immer wieder die „Tabuisierung“ (bzw. Wieder-Tabuisierung) von Antisemitismus. Wenn man aber in so feinsinniger Weise Antisemitismus aufspürt, der nicht gleich am Textinhalt zu erkennen ist (sonst brauchte man ihn ja nicht „textwissenschaftlich“ aufzuspüren), dann bleibt für die Meinungsfreiheit nicht mehr viel Spielraum. Das zeigt sich gleich am konkreten Beispiel: „Fabian Köhler ist noch heute Chefredakteur des Blattes.“ So Schwarz-Friesel über den in Anführungszeichen als „Redakteur“ bezeichneten Redakteur einer Studentenzeitschrift, der den Hamas-freundlichen Journalisten Khalid Amayreh interviewt und auch sonst schon „einseitige“ Israel-Kritik geäußert habe. Schwarz-Friesel hätte wohl seine Entlassung lieber gesehen. Er hatte etwas nicht „Legitimes“ getan.
Es gibt Gesetze in Deutschland; sie bestimmen, was legal ist. Schwarz-Friesel bestimmt, was „legitim“ ist, und an diesem selbstgesetzten Maßstab mißt sie ihre Mitbürger und möchte ihnen gegebenenfalls den Mund verbieten.
Wenn ich abschließend sage, daß ich Antisemitismus schon immer für einen gemeingefährlichen Wahn gehalten habe (die Leser meines Tagebuchs wissen es), mache ich mich wahrscheinlich verdächtig, denn solche „anti-antisemitischen“ Bekundungen sind für Schwarz-Friesel typische Schutzbehauptungen von heimlichen Antisemiten. Die Entlarvung der Heuchler ist ihrer Natur nach grenzenlos, hat mal jemand gesagt, und der Tugendterror brachte alsbald auch Robespierre selbst aufs Schafott.
Die Herausgeber verstehen ihr Werk ausdrücklich als Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus. (Vgl. den Schluß der Einleitung.) Es ist erstaunlich, daß der Verlag solche pseudowissenschaftlichen Kampfschriften veröffentlicht.


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