21.02.2010 Theodor Ickler Protokoll der 15. Sitzung des RechtschreibratesSchmant am DienstagabendHotel Laurin, Bozen, 30.10.2009, 9.00–13.00 UhrAnwesend: Vorsitz: Staatsminister a. D. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair Mitglieder aus Deutschland: Dr. Gisela Beste, Dr. Ludwig Eckinger, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ludwig M. Eichinger, Dr. Sabine Krome, Dr. Bernward Loheide, Prof. Dr. Jakob Ossner, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Norbert R. Wolf Mitglieder aus Österreich: Landesschulinspektor Dr. Karl Blüml, Dir. Georg Glöckler, Mag. Helga Haunschmied, OStR Prof. Dr. Günter Lusser, Obersenatsrat Dr. Kurt Scholz, Prof. Dr. Richard Schrodt Mitglieder aus der Schweiz: Stephan Dové, Dir. Peter Feller, Lic. phil. Margret Schiedt, Prof. Dr. Claudia Schmellentin, Dr. Knut Stirnemann Mitglied aus dem Fürstentum Liechtenstein: Renate Gebele Hirschlehner Mitglied aus der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol: Dr. Rudolf Meraner Mitglied aus der DG Belgiens: s.u. „entschuldigt“ Gäste: Dr. Franz Guber Entschuldigt: Prof. Dr. Werner Besch, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eisenberg, Wolfgang Fürstner, Dr. Edmund Jacoby, Ulrike Kaiser, Dr. Eleonore Kunz, Anja Pasquay, Prof. Dr. Jürgen Schiewe, Prof. Dr. Peter Schlobinski, Dr. Matthias Wermke; Mag. Benedikt Kommenda, Dr. Ludwig Laher, Prof. Franz Mrkvicka; Prof. Dr. Peter Gallmann, Prof. Dr. Thomas Lindauer, Max A. Müller; Prof. Dr. Heinz Bouillon Stimmübertragungen: Besch an Wolf, Eisenberg an Eichinger, Kaiser an Loheide, Kunz an Krome, Schiewe an Beste; Kommenda an Scholz, Mrkvicka an Blüml; Gallmann an Dové, Lindauer an Schmellentin; Bouillon an Gebele Hirschlehner Tagesordnung: 1. Feststellung der Beschlussfähigkeit 2. Genehmigung der Tagesordnung und des Protokolls 3. Beobachtung des Schreibgebrauchs: ........ a) Bericht der AG Korpus ........ b) Bericht der AG schulischer Gebrauch 4. Vorschlag eines Paralleltextes zum amtlichen Regelwerk (AG Linguisten) 5. Umsetzung weiterer Vorschläge des Rats 6. Berichte zur Umsetzungspraxis der amtlichen Regelung bei bestimmten Benutzergruppen (Schweiz) ........ a) Erläuterungstexte für Schule und Bundeskanzlei in der Schweiz (Schmellentin, Schiedt) ........ b) Empfehlungen der SOK (Dové) 7. Verschiedenes Protokoll: Dr. Kerstin Güthert Zu TOP 1: Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung und stellt die Beschlussfähigkeit fest. Er führt Prof. Franz Mrkvicka und Dr. Knut Stirnemann als neue Mitglieder in den Rat ein. Sie folgen dem verstorbenen Bundesminister a. D. Dr. Helmut Zilk bzw. Dr. phil. Roman Looser nach. Zu TOP 2: Die Tagesordnung wird in der vorgeschlagenen Form angenommen. Zum Entwurf des Protokolls liegen Anträge von Krome zu TOP 3a) und von Kunz zu TOP 7 vor. Beiden wird stattgegeben und das Protokoll unter Einschluss der in den Anträgen formulierten Änderungen genehmigt. Zu TOP 3: a) Nach Einleitung durch Güthert berichtet Krome dem Rat über die Weiterarbeit der AG Korpus seit der letzten Sitzung. Sie stützt sich dabei auf Arbeitsunterlagen der AG, die den Mitgliedern im Vorfeld (auszugsweise) zugingen. Dabei handelt es sich um die sog. Tabelle der Einzelauswertungen samt zugehörigen Graphen sowie um den Arbeitsplan der AG Korpus (April bis Oktober 2009). Die AG Korpus hat seit der letzten Sitzung auf verschiedenen Ebenen weitergearbeitet: sie hat das im April vorgestellte Konzept für die weitere Arbeit („Paradigmenpapier“) auf einer Sitzung mit der AG Linguisten am 22.06. arrondiert (a), Untersuchungen entsprechend dem Konzept durchgeführt (b) und die Ergebnisse vereinheitlicht und systematisiert (c). Zu (a): Das Konzept wurde in der Hinsicht arrondiert, dass Fälle ergänzt wurden, die zu den bereits vorgesehenen Fällen eine ähnliche grammatische Struktur aufweisen. Insbesondere betrifft dies Fälle im Übergangsbereich zwischen Wortgruppe und Univerbierung (z.B. kopfstehen). Der eigentliche Schwerpunkt, die Untersuchung von Fällen aus dem Bereich der Laut-Buchstaben-Zuordnungen, bleibt davon unberührt, da sich diese sowohl aus inhaltlichen Gründen (amtliche Schreibung seit 1996 unverändert, Regeln mit hohem Generalisierungsgrad) als auch im Hinblick auf die Anlage der Korpora (vertretbarer Arbeitsaufwand) für eine Erhebung im besonderen Maße eignen. Zu (b): Die seit April durchgeführten Untersuchungen sind im Arbeitsplan der AG Korpus verzeichnet. Zum einen wurden Fälle neu untersucht, und hierbei vor allem Remotivierungen und Fälle von sekundärer Motivation (sog. Volksetymologien), zum anderen einzelne Fälle des Jahres 2008 nachuntersucht. Nachuntersuchungen wurden angesetzt, wenn die Auswertung unter einem bestimmten Aspekt erfolgen (z.B. nach Ländern unterscheidend) oder ein Ergebnis gegengeprüft werden sollte. Zu (c): Die Vereinheitlichung und Systematisierung betraf sowohl die Darstellung der Graphen als auch die tabellarische Auswertung der einzelnen Untersuchungen. Die überarbeiteten Graphen lassen anhand der Farbgebung erkennen, ob und ggf. wann eine Schreibung Norm ist. Bezugspunkt bildet dabei das Jahr 2006, in dem die geltende Regelung in Kraft trat. Rot bezeichnet die geltende Norm (z.B. belämmert), blau eine überholte Norm (d.h. die Schreibung war vor 1996 oder zwischen 1996 und 2006 Norm, vgl. z.B. *belemmert, *überhand nehmen, *abhanden kommen), grün eine Schreibung, die vor 1996 allein Norm war und nach 1996 als Variante weitergeführt wird (z.B. Biographie), und gelb eine Schreibung, die zu keinem Zeitpunkt Norm war (z.B. *zugrundegehen). Im Zentrum der Überarbeitung stand die tabellarische Auswertung der einzelnen Untersuchungen. Neben einer terminologischen Vereinheitlichung wurde insbesondere eine sich an inhaltlichen Kriterien orientierende Sortierung nach „Empfohlen zur weiteren Beobachtung“ bzw. „Nicht empfohlen zur weiteren Beobachtung“ vorgenommen. Die Sortierung unterscheidet bei „Empfohlen zur weiteren Beobachtung“ zwischen „Hoher Grad an Normabweichung“ (Bspl.: Gämse, Tollpatsch/tollpatschig, überhandnimmt), „Schreibwandel durch Integrations- bzw. Grammatikalisierungsprozesse“ (Bspl.: platzieren, eislaufen), „Regelkonflikte“ (Bspl.: Schmant) und „Spezifischer Wortschatz“ (Bspl.: Mammographie/Mammografie, Quäntchen) und bei „Nicht empfohlen zur weiteren Beobachtung“ zwischen „Hoher Grad an Normentsprechung“ (Bspl.: belämmert), „Feste Etablierung beider Varianten“ (Bspl.: Föhn/Fön) und „Spezifischer Wortschatz“ (Bspl.: zu Hause/zuhause bleiben). Krome erläutert anhand der Beispiele beide Sortierungen, deren einzelne Fallgruppen weitgehend einander entsprechen und daher im Folgenden gemeinsam vorgestellt werden. Ein Sortierungsmerkmal ist demnach der Grad an Normentsprechung im Schreibgebrauch. Der Schreibgebrauch kann erheblich von der gesetzten Norm abweichen (z.B. Gämse, Tollpatsch/tollpatschig, überhandnimmt) oder mit ihr weitgehend übereinstimmen (z.B. belämmert). Teilweise können Hypothesen im Hinblick auf den Grund für die Abweichung gebildet werden, wie z.B. bei Tollpatsch (veraltender Wortschatz). Das Pendant zu „Schreibwandel durch Integrations- bzw. Grammatikalisierungsprozesse“ bildet „Feste Etablierung beider Varianten“: der Usus ist im ersten Fall aktuell einer Entwicklung unterworfen, im zweiten liegt er fest (und bedarf keiner weiteren Beobachtung). In der Entwicklung befindlich ist er z.B. bei platzieren: während die bis 1996 zugelassene Schreibung placieren, die im Schreibgebrauch immerhin acht Prozent der Belege auf sich vereinen konnte, seit Ende der neunziger Jahre ohne Relevanz ist, büßt die vollintegrierte Schreibung platzieren in jüngster Zeit an Akzeptanz ein, wobei der Anteil an normgemäßen Schreibungen weiterhin bei knapp 90% liegt. „Regelkonflikte“ wird ausschließlich in „Empfohlen zur weiteren Beobachtung“ vorgehalten. Regelkonflikte meint, dass eine vom System her grundsätzlich mögliche Schreibung normativ ausgeschlossen wird. Die Schreibung Schmant beispielsweise geht auf eine, inzwischen fragliche etymologische Herleitung des 19. Jahrhunderts zurück und Dienstagabend (nicht in der Vorlage) ist im amtlichen Wörterverzeichnis § 37(1.1) zugeordnet, der zwingend die Zusammenschreibung vorsieht, obwohl analog zu heute Abend die Getrenntschreibung eine Option darstellt. Zum Teil läuft bei diesen Fällen der untersuchte Schreibgebrauch gegen die Regel, der das betreffende Lexem zugeordnet ist (wie z.B. bei der Schreibung Schmant, die von jeher nicht praktiziert wird). „Spezifischer Wortschatz“ komplettiert beide Rubriken. Grundsätzlich gehören die hier erfassten Fälle zu den beiden ersten genannten Gruppen (in der Tabelle sind entsprechend Verweise enthalten), sie unterscheiden sich von diesen aber durch ihre (lexikalische) Markiertheit. Diese kann sich in einer Zugehörigkeit zur gehobenen Stilschicht (Beispiel: Quäntchen) oder zum Fachwortschatz (Beispiel: Mammographie/Mammografie) ausdrücken, schließt aber ebenso z.B. regionale Varietäten (Beispiel: zu Hause/zuhause bleiben) ein. Sie kann als Erklärung für eine Abweichung zur Norm herangezogen werden (Normabweichung bei Quäntchen konstant zwischen 40 und 50%) bzw. Anlass für weitere Untersuchungen bilden (Univerbierung zuhause österreichisch, in bundesdeutschen Korpora ohne Relevanz). Mit der tabellarischen Auswertung der einzelnen Untersuchungen wird ein Mittel bereitgestellt, das weit über das oben Skizzierte eine Fülle von Informationen enthält und für Interpretationen offensteht (z.B. kann der sofortige starke Rückgriff auf die Zusammenschreibung bei eislaufen als Indiz für eine Verankerung der Univerbierung im untersuchten Usus der professionell Schreibenden gewertet werden). Der von Krome gegebene Zwischenbericht der AG Korpus gibt dementsprechend Anlass dazu, grundsätzlich über den Umgang mit den Untersuchungsergebnissen, aber auch über den Umgang mit aufgekommenen Zweifelsfällen (z.B. *Dienstag Abend) und neueren Entwicklungen (z.B. G8-Staaten) nachzudenken. Da eine Klärung in Fällen wie diesen nach dem Statut zu den vorrangigen Aufgaben des Rats gehört, wird insbesondere der zeitliche Rahmen diskutiert: es soll kein Vakuum aufkommen, aber die sachlich notwendige Beobachtungszeit gegeben sein. Um dies ergebnisoffen prüfen zu können (d.h. mit der Option, gegebenenfalls im Bericht Anpassungen des amtlichen Regelwerks an den Schreibgebrauch vorzuschlagen), wird die AG Korpus damit beauftragt, die Unterlagen unter Beachtung der Diskussion entsprechend aufzubereiten (Berücksichtigung der NZZ in der Kommentarspalte der Tabelle der Einzelauswertungen, Prüfung des Einzelfalls Typographie/Typografie), sonstige Zweifelsfälle listenmäßig zu erfassen und die im Arbeitsplan vorgesehenen Untersuchungen zu forciert eingedeutschten Variantenschreibungen durchzuführen. Darüber hinaus wird das Angebot der AG Korpus angenommen, eine Vorlage zum amtlichen Wörterverzeichnis zu erstellen, in der Vorschläge zu dessen Modernisierung (im Hinblick auf neu aufzunehmende Neologismen) und verstärkter Benutzerausrichtung (z.B. Streichen von stark Fachsprachlichem) gemacht werden. b) Im Gegensatz zur AG Korpus kann die AG schulischer Gebrauch nicht auf eigene Ressourcen zurückgreifen und ist daher bei der Testung der Rechtschreibleistung von Schülern auf Kooperation angewiesen (eine eigene Trägerschaft scheidet aus finanziellen und organisatorischen Gründen aus). Eichinger und Ossner berichten über Gespräche, die zwischenzeitlich von verschiedener Seite mit dem Institut für Qualitätssicherung im Bildungswesen (IQB) und mit dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) geführt wurden, und zeigen vor diesem Hintergrund mögliche weitere Schritte auf. Das IQB hat demnach im Rahmen des im Frühjahr durchgeführten Ländervergleichs im Fach Deutsch Daten erhoben, die zu Aussagen hinsichtlich der Rechtschreibreform berechtigen (s-Schreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung), wird diese aber nicht gezielt daraufhin auswerten. Der Rat sollte daher darauf hinwirken, Einsicht in die Testkonstruktion, Prinzipien der Auswertung und Interpretation der Daten zu bekommen, um Schlüsse für eine eigene Testung zu gewinnen, deren Notwendigkeit weiterhin bestehen dürfte, da aufgrund der anders gelagerten Testanlage nicht davon auszugehen ist, dass die genuinen Fragestellungen des Rats abgedeckt werden. Eine Anfang des Jahres vom damaligen Institutsdirektor, Prof. Köller, gegenüber Eichinger und Eisenberg in einem Gespräch gegebene Zusage, nach Entsperrung der Daten diese dem Rat zur Verfügung zu stellen, wurde jüngst von der seinerzeit ebenfalls anwesenden Verantwortlichen für die Aufgabenentwicklung Deutsch in der Sekundarstufe I, Frau Neumann, bestätigt. Für die Trägerschaft einer eigenen Testung käme neben dem IQB ggf. auch das DIPF in Frage, das in die Fragebogenentwicklung für PISA 2012 eingebunden ist und ebenso wie das IQB seine Bereitschaft hierzu prinzipiell signalisiert hat. PISA böte den Vorzug einer länderübergreifenden Testung, was aufgrund der nicht völligen Vergleichbarkeit der einzelnen Länder sicherlich sehr aufschlussreich wäre (für Südtirol beispielsweise brachte DESI im Bereich der Rechtschreibung signifikant andere Ergebnisse als für Deutschland). In beiden Fällen – beim IQB bestünde die Möglichkeit, eine Untersuchung des Rats in den Ländervergleich 2015 zu integrieren, VERA 8 scheint weniger geeignet – wären die Wirkungen der 2006er-Reform messbar. Die Mindestanforderungen an eine solche Untersuchung sind in einem vorab verteilten Bericht aus der AG schulischer Gebrauch festgehalten, der die u.a. auf einem Treffen der AG in Hannover erzielten konzeptionellen Überlegungen zusammenfasst. So sollen sich bei der anzustrebenden Untersuchung insbesondere Vergleichsmöglichkeiten mit den Untersuchungen der AG Korpus ergeben, alle relevanten Bereiche der Orthographie eingeschlossen und der ausgewählte Wortschatz schülergerecht (d.h. frequent und in Schülerwelt verankert) sein. Der Rahmen wäre in der AG schulischer Gebrauch unter Teilnahme weiterer didaktisch eingebundener Ratsmitglieder vorzubereiten. Die vorgeschlagenen Schritte stoßen auf allgemeine Zustimmung, Lusser, Meraner, Schmellentin und Stirnemann sichern ihre Mitarbeit in der AG schulischer Gebrauch zu. Der Rat beauftragt die AG, die Zielprojektion zu präzisieren, die für den kommenden, im Hinblick auf die künftige Arbeit des Rats zu führenden politischen Dialog unabdingbar ist. Erstes Ziel muss aber sein, die hinsichtlich der Rechtschreibreform relevanten Daten des IQB zu erhalten und nach den oben genannten Kriterien auszuwerten. Zu TOP 4: Über den Fortgang der Arbeit an dem von Eisenberg eingebrachten alternativen Text zur Groß- und Kleinschreibung, der den Mitgliedern mit Aussendung der Ratsunterlagen zuging, berichtet Eichinger. Der Text war Gegenstand einer Sitzung der AG Linguisten am 22.06. Ihre Mitglieder sprachen sich seinerzeit grundsätzlich für einen solchen Text aus, da der amtliche Regelwerkstext nach ihren Erfahrungen den Erfordernissen eines wesentlichen Benutzerkreises – dem der Multiplikatoren, wie z.B. Regel- und Gymnasiallehrern, Autoren von Wörter- und Schulbüchern, Erstellern von Hausorthografien und Lehrenden an Universitäten – nicht gerecht wird. Kritisiert wird am amtlichen Regelwerk neben seiner extensiven Anlage insbesondere die fehlende Adaption an die seit der Entstehungszeit des Regeltextes gemein gewordene linguistische Terminologie. Der eisenbergsche Text begegnet dieser Kritik, indem er auf eine kleinteilige Regelung verzichtet und von einem gewissen Abstraktheitsgrad ist. Er versucht, dem Benutzer die prinzipiellen Funktionen und Mechanismen der Schreibung zu vermitteln und ihm auf diese Weise zu einer sprachlichen Intuition zu verhelfen. Der vorliegende Text stellt eine überarbeitete Version des im April ausgegebenen Textes dar. Die Überarbeitung setzt die auf der AG-Sitzung ausgelobte Prämisse um, präskriptiv, bei deskriptiver Fundierung zu sein, und enthält darüber hinaus keine inhaltlichen Änderungen mehr, d.h., sie erzeugt dieselben Schreibungen wie das amtliche Regelwerk. In der sich anschließenden Diskussion, die in Ermangelung der Anwesenheit von zwei der vier AG-Mitglieder (Eisenberg, Gallmann) bewusst kurz gehalten wird, werfen die Mitglieder Fragen grundsätzlicher Art auf, zum Beispiel, ob der Rat zu seinem eigenen Regelwerk einen Paralleltext machen kann (Ossner) und ob es nicht sinnvoller ist, zunächst die Ususuntersuchungen abzuwarten und nach 2011 eine verschlankte Version des amtlichen Regelwerks unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Untersuchungen zu erstellen (Krome). Daneben steht die Frage, ob die Umformulierungen frei von Auswirkungen auf die bestehende Schreibung sind. Ohne näher auf einen Zeitrahmen einzugehen, wird der Ansatz einer verschlankten Version allgemein für gut gehalten. Diese sollte allerdings ohne Erläuterung zu verstehen sein und benennungstechnisch nicht den Anschein erwecken, ein amtliches Regelwerk für bestimmte (elitäre) Benutzerkreise darzustellen. Der Rat beauftragt die AG Linguisten, gemeinsam mit der AG Korpus die in der Diskussion vorgetragenen Aspekte zu erörtern. Zu TOP 5: Im Anschluss an die Diskussion unter TOP 3a formuliert Schrodt den Wunsch nach einer aktiveren Rolle des Rats in der öffentlichen Diskussion. Diesen macht er beispielsweise an der Frage des Umgangs mit (geklärten) Zweifelsfällen fest, für die er sich ein FAQ auf der Homepage des Rats vorstellen kann. Ein Weiteres im Hinblick auf eine verstärkte Öffnung des Rats wäre die Veröffentlichung der Protokolle, wozu er die anderen Ratsmitglieder um ihre Meinung bittet. Während der zweite Punkt aufgrund der Tatsache, dass in den Protokollen Zwischenergebnisse enthalten sind, nicht die Unterstützung des Rats findet, stößt der erste Punkt prinzipiell auf Anklang. Es werden allerdings Schwierigkeiten organisatorischer Art gesehen. Der Rat bittet Schrodt um Ausarbeitung eines Vorschlags, wie ein solches FAQ konkret aussehen und umgesetzt werden kann, und vertagt den TOP im Übrigen. Zu TOP 6: a) Erläuterungstexte für bestimmte Benutzergruppen verstehen sich als Paralleltexte zum amtlichen Regelwerk, wie aus den Berichten von Schmellentin und Schiedt hervorgeht. Die beiden Mitglieder zeigen exemplarisch anhand der von der EDK bzw. von der Schweizerischen Bundeskanzlei herausgegebenen Publikationen „Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“ und „Leitfaden zur deutschen Rechtschreibung“ die Charakteristika und Anforderungen auf, die diese vom amtlichen Regelwerk unterscheiden, und schärfen auf diese Weise die Konturen der jeweiligen Textsorten zueinander. Schmellentin stellt die Handreichung der EDK (nicht der Kantone, bei denen die Bildungshoheit liegt) vor, die sich gleichermaßen an Volksschulen wie an die Sekundarstufe II wendet. Die Handreichung enthält als Reaktion an der in der Lehrerschaft weit verbreiteten Kritik an der 2006er-Regelung neben einer Darstellung der von den einzelnen Reformen betroffenen orthographischen Bereichen auch fachliche Empfehlungen für den Umgang mit den Variantenschreibungen. Hierbei wird das Konzept einer regelorientierten Variantenführung verfolgt, bei Akzeptanz der Andersschreibungen in der Korrektur. „Regelorientiert“ bedeutet, dass „dort, wo es im Rahmen der geltenden Orthografie möglich ist, Varianten mit einer leicht zu operationalisierbaren Regel zu erfassen, […] diese Regel vorgeschlagen [wird] für die Vermittlung in der Schweizer Schule“ (ebda, S. 10). So wird bei Verb-Verb-Verbindungen gemäß Grundregel die Getrenntschreibung gelehrt (z.B. kennen lernen) und bei festen Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv die Kleinschreibung (z.B. das schwarze Brett). Die Variantenführung bei Fremdwörtern ist unter Respekt der anderen Amtssprachen erstellt. Im Anhang der Handreichung befindet sich eine Verteilung des Rechtschreibstoffs auf einzelne Jahrgangsstufen. Die Handreichung ist nach Schmellentin dem Anspruch verpflichtet, eine solide Basis in der Rechtschreibung zu schaffen, und versucht dies auf dem Wege des Grundsatzes „reduzieren, ohne zu verfälschen“ zu erreichen. Sie sei in Vorträgen gut aufgenommen worden, wie Stirnemann ergänzt. Die Beiträge der Mitglieder in der sich anschließenden Diskussion betreffen in der Hauptsache die regelorientierte Variantenführung. Zwar wird prinzipiell der Bedarf an einer Variantenführung in der Schule gesehen und eine Vorgabe für sinnvoll gehalten, Gleiches geschähe z.B. in Deutschland über die Schulbücher. Aber das Konzept wird angezweifelt, da die Schüler gemeinhin über eine höhere Sprachintuition verfügten als angenommen. Der Schärfung des Bewusstseins von Bedeutungsunterschieden in den weiterführenden Schulen – auch wenn diese dort nach Schmellentin thematisiert würden – laufe dies tendenziell zuwider, eine Ausblendung sei nach Erfahrungsberichten aus dem Bereich auch nicht gewünscht. Der Leitfaden zur deutschen Rechtschreibung richtet sich primär an die Schreibenden in öffentlichen Verwaltungen. Er wurde von der Bundeskanzlerin genehmigt und stellt die verbindliche Hausorthographie in der Schweizer Bundesverwaltung als auch in der Staatskanzlei des Fürstentums Liechtenstein dar, wo er übernommen wurde. Schiedt umreißt die Notwendigkeit eines solchen Erläuterungstextes mit den drei Schlagworten „Instrument“, „Einheitlichkeit“ und „Qualitätssicherung“. Der Leitfaden ist insofern ein Instrument, als er durch seine Verlässlichkeit in der Information den Nutzern eine Zeitersparnis bringt und diese sich allein auf das Wesentliche, die Inhalte konzentrieren können. Er dient der Einheitlichkeit, was er insbesondere durch die Priorisierung von Varianten erreicht: Diese sorgt bei den Publikationen des Bundes für ein einheitliches Erscheinungsbild und stellt sicher, dass bei der in rechtsetzenden Texten häufig anzutreffenden Varianz mit Nuancen in der Bedeutung (z.B. rechtsetzende vs. Recht setzende Behörde) einheitlich verfahren wird. Er bedeutet eine Qualitätssicherung, da er zur Formulierung verständlicher, sachgerechter Texte beiträgt, indem er die „Nebensächlichkeit“ Rechtschreibung als Streitpunkt herausnimmt. Der Leitfaden besteht aus einem Regelteil und einem Wörterverzeichnis. Im Regelteil werden schwierige Bereiche der deutschen Rechtschreibung sowie die Variantenwahl dargelegt und die Fälle punktueller Abweichung vom amtlichen Regelwerk begründet (eine solche besteht auf Regelebene ausschließlich bei der Schreibung von Eigennamen aus mehreren Wörtern, bei denen neben dem ersten Wort allein noch die Substantive großgeschrieben werden, vgl. z.B. „das Institut für innere Medizin der Universität Bern“). Das Wörterverzeichnis erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und schließt wichtigen Wortschatz von Recht, Verwaltung und Politik ein. Die Reaktionen auf den Leitfaden sind nach Schiedt in der Verwaltung durchweg positiv. Ein Korrekturbedarf besteht nur in wenigen Fällen. b) Die Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK) betreffend, verweist Dové auf die Seite der Gesellschaft. Er charakterisiert die Empfehlungen als im Wesentlichen mit der Hausorthographie der NZZ konform gehend und führt sie auf jene zurück. Die SOK beziehe ihren Einfluss hauptsächlich aus den sieben Gründungsmitgliedern, die sich stark für ihren konservativen Ansatz verwenden. Sie wird von der Konferenz der Chefredaktoren und dem Verband Schweizer Presse unterstützt. Die NZZ ist ihr nach Maßgabe des Chefredakteurs beigetreten. Im August 2009 hat sich die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-N) mit der in „manchen Fachkreisen“ geäußerten Kritik an der Neuregelung befasst und dazu Vertreter von der SOK, von der EDK und vom LCH (Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer) angehört. Die WBK-N kam zu dem Schluss, dass „diesbezüglich kein Handlungsbedarf bestehe“. Zu TOP 7: Für 2010 sind insgesamt drei Sitzungstermine vorgesehen, davon einer in der Schweiz (Bern) und einer in Liechtenstein (Vaduz). Festgesetzt ist zum jetzigen Zeitpunkt der Termin der sechzehnten Sitzung, die am 23. April 2010 in Bern stattfindet, mit Anreise am Vortag.
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