25.03.2009 Theodor Ickler Welch ein Schwachsinn!Eine Erinnerung an die österreichischen ReformerBlüml, Karl/Richard Schrodt/Ulrike Steiner/Evelyn Thornton: Warum neu schreiben? Reizworte zur Rechtschreibreform. Wien 1998.Auf dem Einband steht hinten: „Die Schreibung wird endlich leichter: Regeln bekommen größere Gültigkeit, daher weniger Ausnahmen! Klarer Regelaufbau, daher leichtere Lehr- und Lernbarkeit!“ Im Text selbst steht, Rechtschreiben sei im wesentlichen eine Gedächtnisleistung, daher als Intelligenztest ungeeignet (11). Dies hebt jedoch die angeblich entscheidende Bedeutung des regelorientierten Schreibens auf. Die Vermutung, daß durch die Reform rund 8.000 Wörter geändert würden, weist der Verfasser (hier wohl Blüml) energisch zurück: „Was für ein Schwachsinn!“, „völlig aus der Luft gegriffen“ (13). Die Zahl hat sich aber bei Nachrechnung als ziemlich zutreffend erwiesen. Allein von den 12.500 Wörtern des amtlichen Verzeichnisses werden über 1.000 geändert (amtlich mit Sternchen versehen). Die Hochrechnung auf den Duden ergibt rund 8.000, ohne Silbentrennung. Die Verfasser bedauern, daß die Kleinschreibung nicht durchgesetzt werden konnte, Mängel der Reform führen sie auf deren Kompromißcharakter zurück. Im Anhang ist Goethes Ballade „Der Totentanz“ in drei Fassungen abgedruckt. Es zeigt sich, daß die Rechtschreibreform nur zu zwei Änderungen führt: muss und Zierrat. Aber wenn sich so wenig ändert, kann auch die Vereinfachung durch die Reform nicht nennenswert sein. Man könnte allenfalls behaupten, nicht die Schreibweise, sondern deren Darstellung durch die Regelformulierung sei einfacher geworden, aber das wäre angesichts des ungemein komplizierten Textes lächerlich und wird z. B. von den Schweizer Reformern Sitta und Gallmann ausdrücklich zurückgewiesen. Auch Blüml und seine Mitautoren haben die Regeln nicht verstanden. Zur GKS wird in einem besonderen Rahmen gelehrt, aufs Äußerste usw. werde jetzt stets groß geschrieben. Die Autoren weisen ausführlich die Argumente der Reformkritiker zurück. Die Reformer seien nicht aus Steuermitteln bezahlt worden. (Dabei verschweigen sie, daß fast alle Reformer entgegen einer Vereinbarung mit der Reform Geld verdient haben.) Die FAZ von 1996 wird zitiert: 10.000 DM für jeden der 30.000 Schulbuchtitel müßten veranschlagt werden, also „300.000 Millionen DM“. Dazu die Verfasser: „Hoppala: 10.000 mal 30.000 ist allemal nur 300.000 000 (300 Millionen DM), was etwa 2,1 Miliarden Schilling ausmacht. Dennoch wurde ganz in Stil und Tradition der Berichte über die neue Rechtschreibung die Summe von 300 Milliarden DM nachgeplappert und abgeschrieben.“ (13) Ich habe diese Summe damals nirgendwo gelesen oder gehört. Augst und Schaeder schrieben in der SZ vom 14.12.1996: „Die Behauptung, daß die Neuregelung mehr als eine Milliarde DM kosten wird, ist falsch. Zum ersten bleiben alle Texte in herkömmlicher Rechtschreibung weiterhin lesbar. Zum zweiten wird bei Neuauflagen die Rechtschreibung stets der jeweils geltenden Norm angepaßt. Schulbücher müssen schon bisher und auch weiterhin nach etwa acht Jahren überarbeitet werden. Dabei läßt sich auch die Rechtschreibung ändern.“ In der Tat hat die Reform mehrere Milliarden gekostet, wie u. a. Wolfgang Denk in seiner Diplomarbeit gezeigt hat und heute niemand mehr bestreitet. Die Konjunktion daß/dass sei aus dem „Artikel“ (! recte Pronomen) das entstanden und daher in Wirklichkeit kein anderes Wort, hatte daher auch nur das geschrieben werden sollen. In wider (wider die Reform) sehen die Verfasser ein „Adverb“. Einer der Verfasser, vermutlich Schrodt, bekennt sich als „Rechtschreibrevolutionär“ und ruft zum Bruch der Regeln auf. Das kann er sich als Professor leisten, die Opfer der Reform können es nicht. Die polemische Schrift, die aus heutiger Sicht arg überholt anmutet, ist immerhin feministisch korrekt abgefaßt. Die Reformer sitzen heute auf dem Scherbenhaufen ihrer Bemühungen, man könnte fast Mitleid haben, wenn das Ganze nicht so aggressiv wirkte.
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