17.07.2008


Theodor Ickler

Geld wie Heu

Das IDS auf der Suche nach Beschäftigung

"Welche Einstellungen und Gefühle hegt die in Deutschland lebende Bevölkerung – Deutsche wie Migranten – gegenüber der deutschen Sprache? Welche Ansichten bestehen zu Fragen der Mehrsprachigkeit, hinsichtlich Sprachpflege und Sprachpolitik?
Diesem Themenkomplex stellt sich jetzt ein Wissenschaftlerteam in einem von der VolkswagenStiftung mit rund 275.000 Euro geförderten Vorhaben. Geleitet wird das Projekt "Erkundung und Analyse aktueller Spracheinstellungen in Deutschland" von Professor Dr. Ludwig Eichinger vom Institut für Deutsche Sprache (IDS) Mannheim und Professorin Dr. Dagmar Stahlberg vom Lehrstuhl für Sozialpsychologie der Universität Mannheim. Beteiligt ist auch der Deutsche Sprachrat, ein Zusammenschluss von IDS, Gesellschaft für deutsche Sprache, Goethe-Institut und Deutschem Akademischem Austauschdienst.

Kern der Untersuchung sind eine Repräsentativumfrage bei 2000 Personen sowie mehrere vertiefende Studien zu vier zentralen Fragestellungen (dazu später mehr). Interviewt werden auch Nichtmuttersprachler des Deutschen. Damit betritt das Projekt Neuland, denn eine umfassende Erhebung und Analyse aktueller Spracheinstellungen in Deutschland gibt es bisher nicht.

"Das Vorhaben ist sowohl in politischer als auch wissenschaftlicher Hinsicht von großer Bedeutung", betont der Generalsekretär der VolkswagenStiftung Dr. Wilhelm Krull: "Zum einen ist es für Deutschland von hoher gesellschaftspolitischer Relevanz, da die Ergebnisse etwa mit Blick auf die sprachliche Integration anderssprachiger Zuwanderer ebenso bedeutend sein können wie für die breite, auch in der Öffentlichkeit geführte Diskussion über den 'Verfall der deutschen Sprache' beziehungsweise den daraus möglicherweise sich ergebenden Bedarf an sprachschützenden Maßnahmen." Zum anderen sei der Wert der geplanten Forschung auch in wissenschaftlicher Hinsicht als hoch einzuschätzen. So zeichnet sich das Vorhaben dadurch aus, dass sozialpsychologische Einstellungsforschung und neuere soziolinguistische Erkenntnisse gleichermaßen den wissenschaftlich-methodischen Rahmen setzen.

Durchführung des Vorhabens
Im ersten Teil des Projekts ist eine bundesweite Repräsentativumfrage bei 2000 Personen vorgesehen. Einbezogen werden sowohl die deutschsprachige Bevölkerung als auch Bevölkerungsanteile mit anderen Erstsprachen beziehungsweise mit Deutsch als Zweitsprache. Gefragt werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwa nach ihrer allgemeinen Einstellung zur Sprache Deutsch, nach dem "heutigen" Deutsch, seiner Entwicklung und Sprachpflege; ebenso interessieren sich die Forscher für regionale Sprachvarianzen und Mehrsprachigkeitsverhältnisse – und sie eruieren Meinungsbilder zu Themen wie der Bedeutung von Fremdsprachen und Fremdsprachenlernen.

Der zweite Teil des Projektes umfasst acht weiterführende Studien, die vier zentrale Fragen vertiefen. Der Blick der Forscher richtet sich hier auf die Einstellungen von Studierenden beziehungsweise auf türkischstämmige Personengruppen. Im ersten Fragenkomplex ist es das Ziel, ein allgemeines Instrument zur Erfassung von Spracheinstellungen auf affektiver und kognitiver Ebene zu entwickeln, das Skalen wie Klang, Struktur und Wertigkeit sowie Skalen für positive und negative Emotionen integriert.

Fragenkomplex Nummer zwei vergleicht die Einstellungen zur deutschen Sprache mit jener zu anderen Sprachen; Vergleichssprachen sind das Englische und Französische. Darüber hinaus sollen Eigen- und Fremdstereotype gegenüber Sprechern der drei Sprachen erfasst werden. Zudem wollen die Forscher prüfen, inwieweit die "Haltung zum Deutschsein" die Einstellung zur deutschen Sprache beeinflusst.

In einem dritten Fragenkomplex geht es um Meinungen und Ansichten zu Sprachmerkmalen und um die Bedeutung regionaler Varietäten. Am Beispiel des Bayerischen, Pfälzischen, Sächsischen und Schwäbischen möchten die Wissenschaftler die Ergebnisse von Vorstudien überprüfen, denen zufolge Dialekte positiver bezüglich des Klangs, das Hochdeutsche hingegen positiver hinsichtlich der Struktur und der Wertigkeit beurteilt werden.

Der letzte Komplex betrifft die Einstellungen gegenüber Mehrsprachigkeitsverhältnissen in Deutschland. Am Beispiel deutsch-türkischer Nachbarschaften wollen die Forscher zum einen die Haltung zur Mehrsprachigkeit ermitteln als auch andererseits die Vermittlung und Aufrechterhaltung von wechselseitigen Stereotypen durch systematische sprachliche Verzerrungen untersuchen.

Ausblick
Die Ergebnisse des Vorhabens sollen in einem Statusbericht über "Die deutsche Sprache im Inland – ihre Stellung und Bewertung" veröffentlicht werden. "Die Stiftung hofft zudem, dass nach der Initialzündung diese hochkarätige Erhebung regelmäßig wiederholt und damit verstetigt wird", sagt Stiftungs-Generalsekretär Wilhelm Krull."



Das personell stark überbesetzte IDS weiß nicht, womit es sich beschäftigen soll. Schon vor der Rechtschreibreform wandte sich der Direktor an mich mit der Bitte, Ideen für Anschlußprojekte zu entwickeln. Damals war das abstrus mißlungene, millionenteure Werk "Verben in Feldern" erschienen und das ebenso mißlungene, inzwischen vollkommen vergessene Buch "Brisante Wörter". Ich schlug vor: eine große distinktive Synonymik. Das ist nämlich ein Desiderat seit langem. Über Ansätze kam man nicht hinaus. Was nun? Erstaunlicherweise gibt die VW-Stiftung eine ungeheure Summe für ein Projekt, das gerade mal für eine Zeitungsmeldung gut sein wird und dann niemanden mehr interessiert. Einstellungen zur Sprache sind schon oft untersucht worden und ändern sich auch ständig. Was soll's? Ich muß jetzt schon gähnen, wenn ich an die allenfalls möglichen Ergebnisse denke ...


Den Beitrag und dazu vorhandene Kommentare finden Sie online unter
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1029