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01.08.2018
 

Heike Schmoll
Ein Unglück der Sprachgeschichte
20 Jahre Rechtschreibanarchie

Die Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung ist gründlich misslungen. Es taugt nichts, dass die Orthographie hierzulande von drei Institutionen geregelt wird.

Von Anfang an war klar, dass der Versuch, die deutsche Rechtschreibung zu vereinfachen, schiefgehen würde. Denn sie ist viel besser als ihr Ruf. Selbst die Neuregelung des ß hat mehr Fehler hervorgerufen, als es vorher gab. Von einer Rücknahme der sinnentstellenden Regeln etwa bei der Groß- und Kleinschreibung ist man weit entfernt. Das liegt auch daran, dass die Orthographie in Deutschland von drei Institutionen geregelt wird.

Die Kultusminister, die vom Makel des Reformbeschlusses nicht mehr loskommen, möchten mit dem Thema Rechtschreibung nichts mehr zu tun haben. Dem Rechtschreibrat haben sie deshalb eine so weitgehende Vollmacht gegeben, dass er inhaltliche Änderungen nicht einmal mehr genehmigen lassen muss. Der Rechtschreibrat sollte die gefeuerte Rechtschreibkommission ersetzen. Am Ende der ersten Amtszeit hatte er noch beschlossen, das gesamte amtliche Regelwerk in allen Teilen zu überarbeiten, doch dazu kam es nicht. Seither befasst sich der Rat mit Details, die an den Grundproblemen der Reform nichts ändern. Zwanzig Jahre nach der Neuregelung ist gar nicht zu übersehen, dass die Rechtschreibmisere oder auch Rechtschreibanarchie, die sich inzwischen unter Schülern, Studenten und unter vielen Schreibenden ausgebreitet hat, auf das amtliche Regelwerk zurückzuführen ist. Die für den Herbst geplante Entscheidung über das wortzerteilende Gendersternchen misst dem Rechtschreibrat eine Bedeutung zu, die ihm nicht zukommt. Nähme er seinen Auftrag ernst, hätte er die Befassung mit dem Genderstern ablehnen müssen.

Der Duden als dritte orthographische Instanz hat schon während der Reform alles unternommen, um seine Autorität zu verspielen. Das sogenannte Duden-Privileg, das er seit 1955 genoss, war seit der Unterzeichnung der „Gemeinsamen Absichtserklärung der Neuregelung der Deutschen Rechtschreibung“ durch zehn europäische Länder 1996 dahin. Seither hat der Duden keinen einheitlichen Normbegriff mehr. In Maßen folgt der Rechtschreibduden noch einer Sprachnorm. Doch seit der Duden krampfhaft nach Alleinstellungsmerkmalen sucht und Broschüren wie „Richtig gendern“ herausgibt, biedert er sich nur noch den Sprachmoden an. An dieser Misere wird sich nichts ändern, solange es keinen vernünftigen Referenztext für die Regeln gibt. Das gegenwärtig geltende Regelwerk ist ein Unglück der Sprachgeschichte.


Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Link: http://www.faz.net/aktuell/politik/die-neue-deutsche-rechtschreibung-ist-gescheitert-15717061.html


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Kommentare zu »Ein Unglück der Sprachgeschichte«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.11.2019 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=763#11014

Hans Krieger blickt auf 20 Jahre Rechtschreibreform zurück:

https://sinn-und-form.de/?tabelle=leseprobe&titel_id=6815



Kommentar von ppc, verfaßt am 20.11.2018 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=763#10974

Die Dudenboss*in propagiert das "Gendersternchen" (schon das Wortkonstrukt ist gruselig...).

Der Duden für die Rechtschreibung ist wie die B*ock*öckin zum Gärtnern (Man beachte die geniale Positionierung der Sternchen zur souveränden Bewältigung der Umlautung!)



Kommentar von B.Eversberg, verfaßt am 18.11.2018 um 05.43 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=763#10973

Wohl wahr, ein Unglück, aber nicht schicksalhaft wie eine Sturmflut oder ein Vulkanausbruch. Die Orthographie wurde vielmehr zum Opfer politischer und anderer Ambitionen. "Die Sprache gehört dem Volk" urteilte zwar das Bundesgericht, aber die Reform wurde dem Volk aufgedrückt ohne demokratische Verfahrensweise und Kontrolle. Regelmäßig wird zwar wie eh und je lamentiert über schlechte Rechtschreibleistungen, die Gründe dafür sucht man aber woanders und ignoriert diesbezügliche seriöse Studien. Und Duden hat seinen Ruf zwar ruiniert, schert sich aber nicht drum und verfolgt jetzt andere Ziele. Die Lehrerschaft hat grandios versagt, hatte aber das Aufmucken gegen unsinnige Erlasse vorher schon resignativ aufgegeben und hat ja auch jede Menge andere Sorgen.
Die Duden-Schreibungen freilich, die sind Grundlage der integrierten "Rechtschreibkontrolle", ohne die kaum eine Software noch daherkommt. Wer unter Zeitdruck schreibt, so gut wie jeder also, nimmt die "Korrekturen" dann weitgehend in Kauf. Dieser status quo wird sich wohl weiter verfestigen. Was hier und nicht nur hier verunglückt, das ist nicht nur die Rechtschreibung, das ist die Vernunft.



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