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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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18.08.2013
 

„Ein bildungspolitischer Skandal“
Bildungsforscher Peter May über die die Rechtschreibfähigkeiten deutscher Schüler

„Tatsächlich verlassen nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland viele Jugendliche die Schule, die diese Grundfertigkeiten [= Lesen, Schreiben und Rechnen] nicht sicher beherrschen. Das ist ist ein bildungspolitischer Skandal.“

So Peter May im Interview mit Insa Gall in der „Welt am Sonntag“. Daß die Rechtschreibreform folglich ihr Ziel verfehlt hat, wird mal wieder nicht betrachtet.


Quelle: Welt am Sonntag
Link: http://www.welt.de/print/wams/hamburg/article119126514/Ein-bildungspolitischer-Skandal.html


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Kommentare zu »„Ein bildungspolitischer Skandal“«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2022 um 06.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11142

Zu http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10855

„Nicht nur Menschen, Schimpansen und Hunde haben Emotionen, sondern auch wirbellose Tiere wie Hummer Oktopusse und sogar Bienen“ (SZ 14.4.22) Wenn man die Namen der zitierten Autoren liest, weiß man schon, was sie dazu sagen werden. Man soll keinen Hummer in kochendes Wasser werfen usw. Neue Gesichtspunkte gibt es nicht. Kann wegfallen.



Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2020 um 06.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11080

Weitgehend einverstanden, auch wenn ich mich anders ausdrücken würde.

Ich kann, wie gesagt, mit "Materialismus" und "Idealismus" (und erst recht "Dialektik"...) nichts anfangen, aber in der Sache sind wir wohl nicht weit auseinander. Es bleibt ja dabei, daß die Physiker, zu welchem Ismus auch immer sie sich rechnen oder gerechnet werden, genau gleich arbeiten und sich in ihren Fachzeitschriftn austauschen. Also kann es nur ein Streit um Worte sein. Philosophie eben, und die interessiert mich nicht besonders.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.01.2020 um 21.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11079

Sprachlich würde ich dem völlig zustimmen, aber ein Physiker oder auch ein Philosoph gibt sich wohl kaum damit zufrieden, welchen Sinn ein Wort hat. Sie fragen nach den Dingen an sich, nach dem Gegenstand hinter dem Wort (um einmal das Wort referieren zu vermeiden). Sie fragen eben genau danach, ob der "Gegenstand" "existiert".

Für Materialisten ist eigentlich die Frage, ob eine Idee (wie z. B. "der Mann im Mond") als solche (d.h. als Idee) existiert, gar nicht relevant, und ich weiß nicht, ob je ein namhafter Materialist das ausdrücklich so formuliert hat. Auch ich muß mich bei der Frage nach dem Mann im Mond nicht zuerst versichern, daß er "irgendwie", z. B. als Idee, existiert, um dann sagen zu können, daß er real nicht existiert. Die Existenz der Idee an sich ist einfach zu trivial.

Aber da gibt es eben zum Beispiel die Meinongianer, die versuchen, Materialisten damit hereinzulegen, indem sie fragen, wie können wir überhaupt über den Mann im Mond reden, wenn er nicht existiert?

Da antwortet der Materialist nicht etwa, ok, ich gebe mich geschlagen, fortan spielen irgendwelche Existenzen für mich keine Rolle mehr, ich werde jetzt Behaviorist, sondern er sagt, he du, Meinongianer, bring mal deine Begriffswelt in Ordnung, dann klappt es auch mit der "Existenz".


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2020 um 17.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11078

Die Wörter grün, Loch, vier haben Sinn, d. h. man kann gut angeben, wie sie verwendet werden. Es gibt Löcher, grüne Blätter usw. Über "Existenz" und "Gegenstand" braucht man sich keine Gedanken zu machen. Manches gibt es, anderes gibt es nicht. Man muß es aber nicht erst als "irgendwie existierend" annehmen, um dann zu sagen, daß es das nicht gibt. Zum Beispiel den Mann im Mond.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.01.2020 um 13.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11077

Mit der Dialektik meine ich hier vor allem die Gegensätzlichkeit in Form von Zweiseitigkeit, die man in der Natur oder als philosophisches Prinzip so oft findet. Alles hat ja schon sprichwörtlich immer zwei Seiten, noch einfacher geht es kaum.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.01.2020 um 09.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11076

Ich wollte gar nicht zwischen referieren und referenzieren unterscheiden. Falls es da einen feinen Unterschied gibt, hatte ich ihn nicht im Sinn.
Eigentlich halte ich auch immer die einfachste Erklärung für die beste. Aber die zwei Seiten einer Medaille lassen sich nun mal sehr schwer auf eine reduzieren, und dann finde ich auch, daß die Dialektik ebenfalls noch einfach genug ist, um gegen Ockhams Rasiermesser zu bestehen.

Andererseits denke ich, es muß auch noch ein weiteres Prinzip geben, etwas wie Kontinuität oder Widerspruchsfreiheit zwischen verschiedenen richtigen Anschauungen. Mir leuchtet der behavioristische Ansatz durchaus teilweise ein, deshalb meine ich, es müßte möglich sein, beide Sichten auch vom jeweils anderen Standpunkt zu verstehen. Allerdings wird das mit dem absoluten Ablehnen der ideellen Seite nicht gelingen.

Wenn es keine immateriellen Gegenstände gibt, was für Gegenstände sind dann das Loch in der Mauer, die Farbe grün (das Grüne) oder die Zahl vier?




Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2020 um 04.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11075

Referenzieren ist mir ebenso unverständlich wie referieren. Aus meiner Sicht wird der Sprecher durch gewisse Umstände veranlaßt (er reagiert also darauf), sich in bestimmter Weise zu verhalten, also etwa mehr zu artikulieren oder mit dem Finger zu zeigen. Das ist alles ganz "materiell", was denn sonst? Ich setze also keine immateriellen Gegenstände, Ideen usw. an.

Wir befinden uns hier wohl im Bereich von Glaubensbekenntnissen. Immerhin beanspruche ich "Anschlußfähigkeit" (wie man heute sagt) an Naturwissenschaften, vor allem Verhaltensforschung. Und an Ockhams Rasiermesser: Wozu Ideen usw. annehmen, wenn es auch ohne geht?


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.01.2020 um 19.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11074

Die Bedeutung, auf die ein Wort referenziert, muß kein realer materieller Gegenstand sein. Es kann auch etwas Abstraktes, eine Verallgemeinerung, eine Idee (sinnvoll oder nicht sinnvoll), eine Eigenschaft, eine Tätigkeit/einen Vorgang, eine grammatische Funktion, eine färbende (modale) Funktion im Satz sein.

Die drei Wörter noch/weiterhin/mehr sind in diesem Zusammenhang gleichbedeutend, es ist nur eine sprachliche Gepflogenheit, daß man i. a. positiv (es regnet) noch und negativ (es regnet) nicht mehr sagt. Das Wort mehr referenziert also auf die Fortsetzung oder Nichtfortsetzung eines schon begonnenen Vorgangs/einer Tätigkeit..


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2020 um 17.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11073

Ich kann mir unter Referenz nichts vorstellen.

Es ist ja nicht so, daß "Beitrag zur Kommunikation" unerklärt wäre, nur war an der Stelle nicht mehr Platz als für den Hinweis auf die Gebrauchstheorie der Bedeutung.

Nehmen wir Es regnet nicht mehr. Man muß sich natürlich die Umstände der Äußerung hinzudenken, und das können sehr vielfältige sein. Es muß einen Grund geben, überhaupt vom Regen zu sprechen. Dann muß, mit Skinner zu redenn, ein Umstand gegeben sein, der den Sprecher veranlaßt, die Aussage es regnet sozusagen durchzustreichen, "autoklitisch", wie ich mit Skinner ausgeführt habe. Dadurch verändert sich das Verhalten des Hörers in anderer Weise als durch die positive Aussage es regnet (er nimmt vielleicht den Regenschrim, den er schon in der Hand hatte, nicht mit). Das mehr ergibt sich, weil der Sprecher mitbekommen hatte, daß es regnete. Aus komplizierten pragmatischen Gründen wäre es leicht unpassend, diesen Umstand nicht ebenfalls zum Ausdruck zu bringen, obwohl es von der Sache her vielleicht gerade nicht notwendig ist.

Usw. - man kann das beliebig ausmalen.

Übrigens: Worauf "referiert" mehr?


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.01.2020 um 14.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11072

zu 1587#39978:
Die Bedeutung oder Funktion der Wörter besteht in ihrem Beitrag zur Kommunikation, nicht in ihrer "Referenz" auf Gegenstände.

Unter der Referenz auf einen Gegenstand kann ich mir wenigstens etwas vorstellen, und es leuchtet mir ein. Was aber steckt hinter dem Beitrag zur Kommunikation? Für mich ein unklarer, erklärungsbedürftiger Ausdruck. Sind es nicht genau die Referenzen auf (reale oder Rede-) Gegenstände, die diesen Beitrag liefern, die die Kommunikation erst ermöglichen?


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.01.2020 um 21.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11071

zum zweiten Punkt in #701#11067, verschiedene Bedeutungen von „Existenz“:

M. E. reicht es nicht, Existenz nur in zwei verschiedenen Bedeutungen zu betrachten, also etwa konkret/abstrakt oder real/vorgestellt. Es gibt mindestens 4 Sichtweisen, die alle nichts miteinander zu tun haben.

Der Maurer baut eine Wand und läßt ein Loch als Fenster frei. Sowohl die Wand als auch das Loch „existieren“ nun real, man kann sie sehen, ertasten, sich daran stoßen oder durchklettern. Bei der Wand macht das keine Probleme, sie besteht aus Stein und Beton. Woraus aber besteht das Loch? Aus gar nichts, es definiert sich nur dadurch, daß da keine Wand ist. Würden wir es auch über seinen materiellen Charakter definieren, wie die Wand, dann gäbe es das Loch nicht, es ist kein stofflicher Gegenstand. Es ist aber nicht der Inhalt des Objekts, sondern seine Form, die dem Loch eine andere Art von realer Existenz verleiht. Verwandt mit dieser von der Form vermittelten Existenz ist die Information. Man sagt, Information existiert ebenfalls real. Information ist nicht materiell, aber an Materie gebunden, eine allgemeine Eigenschaft von Materie.

Ebenso gibt es zwei Arten der Existenz von Vorstellungen, wie ich schon im vorigen Beitrag geschrieben habe: zum einen ist da die triviale Existenz jeder beliebigen Idee (sobald jemand eine Idee „hat“, „gibt es“ eben diese Idee, d.h. sie existiert, auch wenn sie sonst unsinnig ist), was erklärt, warum man sich auf jeden Fall ganz unparadoxerweise darauf beziehen kann (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1587#39965), und zum andern sprechen wir von der logischen Existenz bestimmter Ideen (ideeller Dinge), weil sie logisch widerspruchsfreie ideelle Phänomene beschreiben (siehe Beispiele in 701#11068).

Paradoxe entstehen nur, wenn man diese 4 grundverschiedenen Arten von „Existenz“ durcheinanderbringt.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.01.2020 um 22.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11069

Korr.: ... spiegelt die Realität korrekt wider


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.01.2020 um 22.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11068

zum ersteren, der Sprachauffassung:
Damit man "über" etwas sprechen oder auch nur nachdenken kann, muß dieses Etwas irgendwie existieren

Das ist auch nicht genau, was ich meine, denn es klingt für mich so, als müßte dieses Etwas zuerst existieren, erst danach könne man darüber sprechen oder nachdenken. Das gilt so nach meiner Auffassung nur für reale (materielle) Gegenstände. Ein ideeller Gegenstand (oder vielleicht sollte man diesen lieber Idee, Konstrukt, Redegegenstand o. ä. nennen) wird erst durch die Sprache definiert. Er existiert also nicht vor, sondern nur durch die Sprache.

Alles, was wir bezeichnen (benennen), ist etwas Bezeichnetes. Das ist dasselbe wie zu sagen, daß es als Idee existiert.

Nicht jede Idee ist logisch widerspruchsfrei zu anderen Ideen oder spiegelt die Realität korrekt wieder. Deshalb sagen wir z. B., es existiert keine größte natürliche Zahl, oder wir sagen, es existiert kein blaues Pferd, obwohl diese Ideen rein als solche geäußert wurden (= als Idee existieren).


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.01.2020 um 16.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11067

Ja, das ist eben der Unterschied zwischen uns. Erstens betrifft es die Sprachauffassung. Damit man "über" etwas sprechen oder auch nur nachdenken kann, muß dieses Etwas irgendewie existieren - so die verbreitete Aufassung (aber nicht meine). Zweitens daß es "Existenz" in verschiedenen Sinn gibt, konkret und abstrakt oder real und ideal oder wie auch immer die historischen Begriffe lauten. Auch nicht meine Meinung, mir nicht einmal verständlich. Ich widme ja einen großen Teil meiner Arbeit der Darstellung einer Gegenposition.

Hierher alles, was ich über "Aboutness" geschrieben habe, vor allem hier: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1587#39965


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.01.2020 um 13.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11066

Ich finde das sogenannte Meinong-Paradox von der Existenz des Nichtexistenten gar nicht so paradox. Ein kreisförmiges Quadrat zum Beispiel, es muß ja nicht als realer materieller Gegenstand existieren, und auch nicht als Idee im Sinne mathematisch-logischer Widerspruchsfreiheit, aber dennoch existiert doch zweifellos der Gedanke bzw. die Idee eines kreisförmigen Quadrats. Wir sprechen ja darüber und beschreiben sie, die Idee ist bekannt. Das scheinbare Paradox entsteht nur dadurch, daß dabei verschiedene Arten von Existenz, die gar nichts miteinander zu tun haben, ohne sprachliche Unterscheidung nebeneinandergestellt werden.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.12.2019 um 09.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11061

"Wenn nur genügend viele Menschen an etwas glauben, existiert es am Ende wirklich."

Das ist hoffentlich nicht ernst gemeint, sondern nur als psychologische Diagnose. Aber denken wir kurz darüber nach: Schon um so etwas sagen zu können, mu8 man aufgeklärt genug sein, um es nicht für wahr zu halten. Es ist also ein pragmatischer Widerspruch, das Geglaubte und das Wirkliche für identisch zu erklären.

Die Konsenstheorie der Wahrheit ist denn auch keineswegs bereit, ihre eigene These für ein Konsensprodukt zu halten.

Die Wissenschaft hält ihren Konsens jederzeit für revisionsfähig. Maßstab ist die Wirklichkeit, deren unabhängige Existenz stets vorausgesetzt wird. Daß jede Erkentnnis nur eine Annäherung sein kann, ist kein Einwand.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.12.2019 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11060

Der Begriff "Materialismus" sagt mir nichts, ich verwende ihn nie, obwohl ich nach Ansicht seiner Verwender wahrscheinlich Materialist bin.
Manchen unserer Ausdrücke entsprechen Gegenstände, die es gibt, andere sind nur Konstrukte (nützliche Fiktionen). Die Familie der Meinongianer ("Gegenstandstheorie"), die ich schon oft besprochen habe, ist meiner Ansicht nach sprachverführt, weil sie glaubt, Sprache funktioniere deshalb, weil sich die Ausdrücke auf etwas beziehen, das dann ja wohl auch "existieren" muß. Daher das Meinong-Paradox von der Existenz des Nichtexistenten. So auch letzten Endes die ganze Phänomenologie. Eine aufgeklärte Semiotik (Wittgenstein, Skinner) braucht sich damit nicht mehr herumzuschlagen.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.12.2019 um 00.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11059

Wenn nur genügend viele Menschen an etwas glauben, existiert es am Ende wirklich: Die Heiligen drei Könige, von denen es sogar Knochen gibt.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.12.2019 um 15.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11058

Müßte man denn nicht, wenn man sagt, dies existiert als materieller Gegenstand und jenes existiert als Idee, auch analog sagen oder zumindest dazudenken, dies gibt es gegenständlich, jenes gibt es ideell?

Vielleicht würde ich an den Eingang meiner Akademie "Eintritt nur für Materialisten" schreiben.
Den alten Griechen kann ich ja ihre Götter- und Ideenwelten noch nachsehen, aber wenn heutzutage immer noch substantielle und ideelle Existenz in einen Topf geworfen werden, fehlt mir dann doch das Verständnis.

Früher glaubten die Astronomen, die Sonne dreht sich um die Erde, heute wissen wir, es ist umgekehrt. Wenigstens gibt es diese zwei Ansichten, von denen eine die richtige ist.

Zwischen materiellen Gegenständen und Naturgesetzen läßt sich aber keine Reihenfolge (Was folgt wem?) ausmachen. Wenn es falsch ist, daß Planeten den Keplerschen Gesetzen folgen, dann heißt das nicht, daß umgekehrt die Keplerschen Gesetze den Planeten folgen. Die Gesetze gehören untrennbar zu den Gegenständen, es sind ihre Eigenschaften. Wir haben gar nicht diese 2 Sichten, von denen eine richtig ist. Deshalb plädiere ich dafür, das Wort folgen bei Naturgesetzen entweder gar nicht oder nur völlig sinnentleert zu verwenden.


Kommentar von R. M., verfaßt am 27.12.2019 um 11.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11057

Aus einem »unterschiedlichen Existenzbegriff« folgt noch nicht, daß es zwei verschiedene Verben geben gibt.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.12.2019 um 07.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11056

Natürlich geht es hier sozusagen um die Mutter aller philosophischen Probleme, das Universalienproblem und den Platonismus. Die Mathematiker oder vielmehr die Philosophen den Mathematik haben hierzu ihre bekannten Positionen, und das ist auch kein beliebiger Spezialfall, weil Platons Interesse an den "Ideen" maßgeblich von den Pythagoräern und der Mathematik herrührte und nicht von den moralischen Begriffen wie bei Sokrates. Daher auch die legendäre Schrift über dem Eingang der "Akademie".

Auch Astronomen sprechen von Sonnenaufgang usw., das ist unschädlich, weil jeder weiß, daß es nicht wörtlich zu nehmen ist. So kann man auch sagen, daß die Planeten den Keplerschen Gesetzen folgen (na ja, so ungefähr, die Periheldrehung des Merkur zum Beispiel hat ja erst später ihre Nicht-Newton-Erklärung gefunden). Solange man weiß, daß es nur eine Metapher ist, wie die Rede von Naturgesetzen überhaupt, ist es harmlos.

Interessant sind Modelle wie das der Doppelhelix. Jeder weiß, daß Moleküle ziemlich verschieden von den Kugeln oder Kalotten sind, aus denen man die schönen Strickleitern baut. Aber die Verdrehtheit und andere Merkmale haben eine reale Entsprechung. Man könnte von einem Bauplan sprechen. Aber die DNS "folgt" diesem Plan nicht, sondern es ist umgekehrt.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.12.2019 um 14.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11055

Daß die Planeten Regeln "folgen", hat für mich gar keinen (buchstäblichen, nichtmetaphorischen) Sinn.

Für mich auch nicht. Ich meine nur, man kann diese Redewendung dennoch gebrauchen, und zwar genau deswegen, weil sie hier keinen wörtlichen Sinn hat. Man drückt dann damit einfach nur aus, daß die Planetenbewegung determiniert ist, entsprechend den Regeln.

Bei Wikipedia unter Naturgesetz wird auch nur von regelmäßig gesprochen, jedoch kein Gegensatz zu regelfolgend erörtert.

Die Frage, ob es Zahlen gibt, halte ich auch für eine Scheindiskussion. Meiner Meinung nach werden in

(1) es gibt den Planeten Mars
(2) es gibt die Zahl 4

unterschiedliche Verben benutzt. Dem entspricht ein unterschiedlicher Existenzbegriff. Es ist sinnlos zu fragen, ob Zahlen wie konkrete Planeten existieren. Beide „existieren“ auf ihre Art.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.12.2019 um 12.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11054

Die Rechtschreibung hat zumindest in Süddeutschland sehr wenig mit der gesprochenen Sprache zu tun. Hochdeutsch ist für Viele die erste Fremdsprache, die eigentlich ein mitteldeutscher Dialekt ist. Zum Beispiel ist Bairisch kein Akzent, sondern eine eigene Sprache. Besiegten Völkern wird die Sprache der Sieger aufgezwungen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.12.2019 um 04.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11053

Ich unterscheide regelmäßig und regelfolgend (rule-fitting vs. rule-governed o. ä.), Sie nicht, lieber Herr Riemer. Daß die Planeten Regeln "folgen", hat für mich gar keinen (buchstäblichen, nichtmetaphorischen) Sinn. Eine ausführliche Erörterung gibt Wikipedia unter "Naturgesetz", wo vor allem die historischen Teile ganz lesenswert sind, auch wenn man am Ende so klug ist wie zuvor.
Die Diskussion ist ähnlich wie die um das Wesen der Mathematik. (Gibt es die Zahlen?)
Aus dem Verhalten entferne ich "regelgeleitet" zugunsten von "kontingenzgeformt" (contingency-shaped).



Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.12.2019 um 01.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11052

Die beiden Wörter „als“ und „angelegt“ in meinem letzten Absatz sollen nichts bedeuten, man kann sie streichen.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.12.2019 um 23.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11051

Ich sehe kein Problem darin, hier einfach von Gesetzen und Regeln zu sprechen. Wir reden ja die ganze Zeit nur über Sprachregeln und Naturgesetze, nicht über soziale Gesetze, deshalb kann es in diesem Kontext auch keine Verwechslung wegen der völlig unterschiedlichen Gesetzesarten geben.

Ebenso kann es gar kein Mißverständnis geben, wenn wir unter Planeten "folgen" dem Gesetz verstehen, daß sich Planeten genau gemäß dem Gesetz bewegen, so wie es eben das Gesetz beschreibt. Dieses "als ob" widerstrebt mir dagegen zutiefst, es insinuiert erst wieder eine Art bewußter Befolgung, die mit "als ob" trivialer- und somit unnötigerweise negiert werden soll.

Die Planeten bewegen sich, "indem" sie den von Kepler entdeckten Gesetzen "folgen", d.h. sie "folgen" den Keplerschen Gesetzen. Darauf möchte ich bestehen. Und da wir über diese Dinge in einem konkreten gegebenen Kontext sprechen, können wir die Anführungszeichen auch getrost weglassen.

Ausgangspunkt dieser Betrachtungen war doch:

"Die Sprachregeln sind Versuche, den Gebrauch zu beschreiben. Sie existieren weder im Himmel noch im Kopf der Sprecher, sondern nur auf dem Papier des Linguisten. (Wie die Keplerschen Gesetze oder die Relativitätstheorie.)" (#11044)

Wie die Keplerschen Gesetze nicht nur auf dem Papier von Naturwissenschaftlern existieren, sondern als eine immanente Eigenschaft der Materie angelegt sind und damit objektiv existieren, so kann es auch nicht sein, daß Sprachregeln nur auf dem Papier von Linguisten existieren. Wie ich schon sagte, die Menschen sprächen auch ohne Linguisten noch genau gemäß der gleichen Regeln. Sie müssen also zwangsläufig auch noch woanders existieren, und zwar im Kopf jedes einzelnen Sprechers, wenn sie auch oft nur reflexartig gebraucht werden. Abgespeichert meinetwegen, wie Ihr schöner Vergleich lautet, lieber Prof. Ickler, eingegraben im Gehirn, ähnlich wie ein Bach seinen bestimmten Lauf im Gebirge nimmt.








Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.12.2019 um 07.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11050

Das ist kein Gegensatz.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.12.2019 um 00.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11049

Gesetze gab es in der Klassischen Physik, in der Modernen Physik gibt es nur Wahrscheinlichkeiten.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.12.2019 um 18.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11048

Zuerst sollte man den metaphorischen, anthropomorphisierenden Gebrauch von "Gesetz" rückgängig machen. "Gesetz der Natur" ist ja offensichtlich aus der menschlichen, sozialen Sphäre übertragen.

"Keine Wahl haben" drückt ja schon aus, daß es nicht um Regeln oder Gesetze geht. Es geschieht eben einfach, was geschieht. Wir erkennen Zusammenhänge, z. B. zwischen Erwärmung und Ausdehnung, und formulieren sie in mathematischen Formeln. Nach Galilei ist das "Buch der Natur" in mathematischen Lettern geschrieben, aber jeder sieht, daß das nur ein Bild ist und kein ernsthaftes Problem aufwirft.
Die Planeten bewegen sich, "als ob" sie den Keplerschen Gesetzen folgten, einverstanden?

Jemand hat eine Wahl oder auch nicht, das ist eine Tatsachenfrage. Aber bei Planeten ist es eine begriffliche Frage, und die Lösung ist, daß hier der Begriff der Wahl nicht anwendbar ist. Ebenso Begriffe wie Regel oder Gesetz.

Der Astronom folgt den Keplerschen Gesetzen, die Planeten aber nicht, das ist schon begrifflich unmöglich.


Kommentar von Manfred Riemer , verfaßt am 24.12.2019 um 12.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11047

Ich denke, beides ist richtig: Die Keplerschen Gesetze beschreiben die Bewegung der Planeten, und die Planeten folgen den Keplerschen Gesetzen. Sie haben ja keine Wahl, die Planeten müssen den Gesetzen folgen. Sie folgten Ihnen schon, d.h. Sie bewegten sich entsprechend, als noch kein Mensch die Gesetze entdeckt hatte.
Auch ich sehe darin die Analogie zu sprachlichen Regeln.

Was heißt denn Regelbefolgung (hier: Regel=Gesetz) überhaupt?

Entweder gibt es sie gar nicht (eine Regel, die nur gilt, wenn sie bewußt befolgt wird, ist keine Regel/kein Gesetz), oder (unbewußte) Regelbefolgung ist das gleiche wie Regelhaftigkeit, Regelmäßigkeit, Regelgemäßheit.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.12.2019 um 07.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11046

Sie verwechseln Regelhaftigkeit, Regelmäßigkeit oder Regelgemäßheit mit Regelbefolgung. Wir hatten das schon mehrmals: Die Planeten folgen nicht den Keplerschen Gesetzen, sondern Keplers Gesetze beschreiben die Bewegung der Planeten.

Für die Regularitäten der Sprache gibt es verschiedene Beschreibungsmöglichkeiten. Das Sprechen ist davon nicht betroffen. Wie schon mehrmals zitiert:

„The model has slipped out of the linguist´s notebook into the speaker´s head.”

Diesen Fehler sollte man vermeiden.


Kommentar von Manfred Riemer , verfaßt am 24.12.2019 um 01.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11045

Wie sollten Sprachregeln nur auf dem Papier des Linguisten existieren? Würde man alle Linguisten umbringen und alle Papiere vernichten, sprächen die Menschen nicht plötzlich anders, sondern immer noch genauso, immer noch nach denselben Regeln. Die Regeln existieren also auch außerhalb des Papiers.

Regeln existieren nicht im Sinne des Vorhandenseins einer Art Regelmaterie, sondern sie „existieren“ in Form der Materieordnung, in Form von Materiestrukturen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.12.2019 um 05.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11044

Zum vorigen: Diese Regelbesessenheit liegt ja auch dem komischen Satz Peter Eisenbergs zugrunde, den ich in meiner Besprechung von "dtv Wahrig Universalwörterbuch" zitiert habe:

"Lesehemmende Trennungen sollten in der Praxis vermieden werden."

Wie alle Reformer glaubt Eisenberg offenbar an Regeln, die auf ehernen Tafeln in einem linguistischen Nirgendwo eingegraben sind und auf Erden mehr oder weniger verwirklicht werden. Das ist immer noch ein Widerschein von Chomskys "Kompetenz vs. Performanz". Ich bin mit den großen Grammatikern wie Hermann Paul, aber auch Skinner immer anderer Meinung gewesen: Die Sprachregeln sind Versuche, den Gebrauch zu beschreiben. Sie existieren weder im Himmel noch im Kopf der Sprecher, sondern nur auf dem Papier des Linguisten. (Wie die Keplerschen Gesetze oder die Relativitätstheorie.)


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.12.2019 um 17.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#11042

Von Bundesland zu Bundesland breiten sich nun (wieder) Rechtschreibwortschätze aus, ganz mit Recht. Die Reformer haben sich - typisch für Linguisten - ausschließlich mit Regeln beschäftigt, die aber für den Schreibenden keine Rolle spielen. Primär ist der Brauch, einzelne Wörter so zu schreiben, wie man sie gelesen hat. Das haben die Reformer nicht zu ermitteln versucht, es interessiert sie bis heute nicht. In der Diskussion hat daher die Frage ein unangemessen große Rolle gespielt, wie leicht die Regeln zu erlernen sind. Das ist aber ganz irrelevant.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2018 um 15.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10936

Ich nehme wie Sie eine Konstruktionsmischung an, passiert sehr oft. (Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18639)


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.02.2018 um 13.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10935

Gibt es für diese Verneinung hier evtl. ähnlich plausible Gründe wie z. B. in "Bevor du nicht die Hausaufgaben gemacht hast, ..."? Oder ist die Warnung "davor, die Schreibschrift nicht zu vernachlässigen" nur als falsch zu bewerten?,


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2018 um 12.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10934

Es ist anzunehmen, daß Spitzer sehr selten mit der Hand schreibt. Darum fließt es bei ihm auch nicht so richtig.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.02.2018 um 00.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10933

Außer dem inhaltlichen Unsinn:
Gemeint war, er warnt davor, die Schreibschrift zu vernachlässigen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.02.2018 um 11.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10932

Hirnforscher: Ohne Schreibschrift verkümmert das Gehirn
Manfred Spitzer gilt als einer der bekanntesten Hirnforscher Deutschlands. Im Interview warnt er davor, die Schreibschrift nicht zu vernachlässigen. Denn: Eine fließende Schrift lasse auch das Denken besser fließen.
(mdr)


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.09.2017 um 09.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10909

Zu meinen ersten Schreibversuchen gehörten auch die eher gemalten als geschriebenen Wunschzettel an den Weihnachtsmann. Da waren natürlich viele Fehler drin, aber nicht bei dem schweren Wort Weihnachten, denn das hatte ich natürlich abgeschrieben. Ich denke, auch Kinder, die erst lernen, sind sich durchaus bewußt, daß nicht alles so geschrieben wie gesprochen wird. Die konkreten Fehler bemerken sie aber nicht, deshalb macht es Spaß und die Eltern freuen sich und loben trotzdem. Das haben wir natürlich auch mit unseren Kindern so gehalten, und im Gegenteil, ein Brief mit Fehlern ist ein Zeichen dafür, daß das Kind ihn "ganz allein" geschrieben hat. Aber in der Schule sollen Kinder was lernen, das wollen sie auch. Da ist kein Platz und keine Zeit für einen Brief an die Oma, in der Schule sollen Kinder das richtige Schreiben lernen. Sie sagen nachher: Das haben wir in der Schule so gelernt! Auch Kinder unterscheiden schon zwischen spielerischer Anwendung in der Freizeit und ernsthaftem Lernen in der Schule. Und wenn sie das nicht lernen, wenn sie das Lernen nicht lernen (was die Methode Schreiben nach Gehör verursacht), dann hat die Schule ihre Pflicht nicht erfüllt.


Kommentar von R. M., verfaßt am 13.09.2017 um 11.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10908

Das Problem ist, daß die ganz selbstverständliche maßvolle Toleranz zu einer übertriebenen Methode des Laissez-faire aufgebauscht worden ist. Gäbe es keine »besorgten Eltern«, wären alle Schulen gleich schlecht.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2017 um 07.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10907

Es ist einfach nicht wahr, daß ABC-Schützen sich falsche Schreibweisen einprägen, wenn man sie nicht von Anfang an korrigiert. Wahr oder sehr wahrscheinlich ist hingegen, daß sie die Lust am Schreiben verlieren, wenn jeder Versuch in orthographische Belehrung mündet. Erste Briefe an die Oma, an den lieben Gott oder an den dicken Tonno (das war bei uns ein abgewetztes Plüschtier) sind tollkühne Unternehmungen, die man nicht gleich abwürgen sollte

Und wie gesagt: In meiner Familie und in vielen anderen liegen die ersten Schreibversuche ja noch vor. Sie haben nicht verhindert, daß wir alle ziemlich gut schreiben können. Das Räsonieren "besorgter Eltern" und anderer Besserwisser zu dieser entscheidbaren Frage nervt.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.07.2017 um 17.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10885

Ich esse jede Woche Seefisch (Seelachs, Makrele oder auch Matjes) und habe noch nichts von nennenswerter radioaktiver Belastung gehört. Fukushima ist natürlich ein epochales Ereignis in anderer Hinsicht.


Kommentar von Pt, verfaßt am 16.07.2017 um 12.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10884

#10877

"Der Allesfresser Mensch vergißt manchmal, wie gesund Seefisch ist."

Nach Fukushima sicher nicht mehr!

http://www.epochtimes.de/politik/welt/fukushima-entsorgung-des-radioaktiv-kontaminierten-wassers-im-ozean-in-vorbereitung-a2167857.html?latest=1

Beachten Sie bitte das Video: Wo bleibt das radioaktive Wasser?

https://www.youtube.com/watch?v=yfjkCG-aNzs




Kommentar von Pt, verfaßt am 18.06.2017 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10879

Wir sind schon auf dem besten Weg in die Sklaverei:

www.kla.tv/10679

"Alles scheint sich auf folgende zwei Möglichkeiten hin zu entwickeln: Entweder lässt sich der Mensch, sozusagen als „moderner Sklave“, in ein zentralgesteuertes System einfügen oder er wird von der Gesellschaft quasi ausgeschlossen. Jeder, der ein fremdgesteuertes Implantat ablehnt, würde in seiner Existenz bedroht sein."


Kommentar von Pt, verfaßt am 17.06.2017 um 15.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10878


Zu #10874:

"Solche verrückten Websites gibt es ja in großer Zahl, vielen Dank für den Link!"

Wenn Sie den Link auf die Webseite http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2017/02/wie-kinderstars-von-satanisten.html meinen, dann, was ist daran verrückt? Alles Schall und Rauch ist ein Nachrichtenblog, der Inhaber der Webseite ist nicht für die in den Beiträgen berichteten Geschehnisse oder Taten verantwortlich.– Oder, was ist verrückt daran, wenn jemand es als seine Aufgabe ansieht, seine Leser umfassend und jenseits der vorgekauten Beiträge der Mainstream-Lügenmedien zu unterrichten,
ohne aufwendige Blue-Screen-Technik, die ein heutiges Nachrichtenstudio wie die Hauptleitzentrale der Justierungswelt eines Sonnentransmitters (siehe Perry Rhodan-Serie) erscheinen läßt? Und der für diese Informationen allenfalls Spenden erbittet und nicht, wie die Mainstreammedien, eine monatlich zu zahlende Rundfunkgebühr, die im Zweifelsfall gerichtlich eingetrieben wird?

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Haben Sie die große Zahl dieser Webseiten alle persönlich gecheckt und bei allen festgestellt, daß diese "verrückt" sind?




Kommentar von Pt, verfaßt am 17.06.2017 um 15.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10877

Zu #10851:

"Was soll an dem Bild so besonders erschütternd sein, daß man an "Mord" auch nur zu denken wagt? Die große Zahl?"

Die große Zahl läßt auf eine erhebliche Umweltverschmutzung/-vergiftung schließen. Im Flußwasser baden oder spielen auch Menschen und daraus wird u. U. auch getrunken bzw. Trinkwasser gewonnen, d. h. davon könnten auch andere Tiere und Menschen erkranken oder gar sterben.

Wir müssen uns von der sachlich falschen Vorstellung lösen, daß Tiere "Sachen" sind. (Das mag für die rechtliche Stellung zutreffen, aber die Juristerei ist sowieso eine Scheinwelt, die sich nur durch staatliche Gewalt Geltung verschaffen kann.)

"Natürlich sind Fische Sachen, darum kann man sie kaufen und essen."

Nun ja, auch Menschen konnte man früher kaufen (Sklaverei) und essen (Kannibalismus). Zumindest die Sklaverei gibt es heute – in leicht veränderter Form – immer noch, in Form von "Lohnsklaverei".
Daraus könnte man schließen, daß auch Menschen "Sachen" sind.

Tiere sind natürlich Lebewesen, wie Pflanzen und Pilze auch. Und im Gegensatz zum Menschen können Tiere nicht "schuldig" an ihrem Schicksal sein. Menschen dagegen tragen in vielen Fällen eine Mitschuld an ihrem Schicksal, z. B. indem sie Tatsachen oder Warnungen ignorieren oder fahrlässig oder schuldhaft falsch handeln, z. B. indem sie Gewässer vergiften. Auf Brunnenvergiftung stand früher die Todesstrafe!

"Der Allesfresser Mensch vergißt manchmal, wie gesund Seefisch ist."

Nach Fukushima sicher nicht mehr!



Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.06.2017 um 21.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10875

Ich kann mir durchaus vorstellen, daß es radikale Feministen gibt, die Frauenrechte höher einstufen als die Rechte von Männern und die deswegen sogar gewalttätig werden. Nicht so recht gelingen will mir jedoch die Vorstellung, daß radikale Tierschützer die "Rechte" von Tieren (Tiere haben natürlich keine Rechte, die sie einklagen könnten, aber ich finde im Moment kein besseres Wort dafür) höher stellen als Menschenrechte. Das heißt, wenn es um Radikalität von Tierschützern geht, dann kann damit überhaupt nur Sprachliches gemeint sein. (Ich hoffe, das ist so.)

Von Mord an Tieren statt von deren Tötung zu sprechen, ist also meiner Ansicht nach genau das, was einen radikalen Tierschützer ausmacht. Mord ist ein Ausdruck, der sich allein auf die absichtliche Tötung eines Menschen (unter bestimmten weiteren Bedingungen) bezieht. Es gibt weitere unterscheidende Bezeichnungen (essen/fressen usw.) Das heißt natürlich nicht, daß Tiere beliebig getötet werden dürfen, aber so etwas wird von Nichtradikalisierten nicht Mord genannt.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2017 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10874

Solche verrückten Websites gibt es ja in großer Zahl, vielen Dank für den Link!


Kommentar von Pt, verfaßt am 10.06.2017 um 11.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10873

Zu #10852:

Leider hatte ich keine Zeit, die Links zu lesen.

"Wir deuten die Reaktionen auch niederer Tiere auf Beschädigung "empathisch" als schmerzhaft, ganz ohne Rücksicht auf die künstliche Kategorie "Wirbeltier"."

Die Kategorie "Wirbeltier" ist nicht künstlich, was "künstlich" ist, ist die Vorstellung, daß nur Wirbeltiere "leidensfähig" wären. Und außerdem die Vorstellung, daß man angeblich (vor dem Gesetz) "nicht leidensfähigen" Lebewesen eben deshalb Schaden zufügen dürfe oder dies straffrei bleibt, weil sie "nicht leidensfähig" sind. Es handelt sich also um ein künstliches, rechtliches Konstrukt.

Ich denke, den Tierschützern geht es nicht um das Konstrukt "Leidensfähigkeit", das von den Rechtsverdrehern mit dem Wirbeltierstatus gleichgesetzt wird, sondern um ein allgemein anderes, faireres Verhalten der Menschen den Tieren gegenüber, unabhängig von einer wie auch immer gearteten "Leidensfähigkeit". Leider kann man mit einer derartigen Haltung in Deutschland keinen Prozeß gewinnen, so daß sich die Tierschützer an das klammern müssen, was am erfolgversprechendsten aussieht.

"In der Harry-Potter-Verfilmung wird sehr schön die "Folterung" eines Gliederfüßlers gezeigt,mit entsprechenden Reaktionen der kindlichen Beobachter."

Die Kinder haben einfach nur Angst vor der Spinne und ihrem tötlichen Gift, schließlich springt sie von einem Kind zum anderen. Daß sie Mitleid mit der unter einem Fluch (Imperio-Fluch?) stehenden Spinne haben, halte ich für unwahrscheinlich. Die Szene wirkt ziemlich künstlich, es sieht so aus, als ob die Spinne an Moodys Zauberstab befestigt ist.

Zu Harry Potter und seinen Darstellern hier noch eine Randnotiz:

Wie Kinderstars von Satanisten missbraucht werden

http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2017/02/wie-kinderstars-von-satanisten.html





Kommentar von Pt, verfaßt am 10.06.2017 um 11.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10872

Zu #10842:

"Für radikale Tierschützer gibt es den Unterschied zwischen Jagd und Mord nicht; das hat sprachliche Folgen."

Offenbar entscheidet Empathie über die Wortwahl, aber das ist wohl auch auf anderen Gebieten so.

Nun ja, letztlich geht es hier gar nicht um Jagd, sondern um Mord! Gejagt wird, um sich und andere zu ernähren, Fürsten taten es früher auch zum Vergnügen, wobei die gejagten Tiere sicher in den Küchen weiterverwendet wurden.

Ihre Aussage ist – auch fachlich – bemerkenswert, zeigt sie doch ein in unserer "modernen Welt" häufig vorkommendes Phänomen: die Täter-Opfer-Umkehrung.

Auf der Petitionsseite wird die Problematik sehr gut zusammengefaßt: https://www.change.org/p/minister-habeck-beweisen-sie-sich-jetzt-stoppen-sie-die-seehundj%C3%A4ger

"Seit 1974 dürfen Seehunde offiziell nicht mehr bejagt werden. Aber ein jeder Seehundjäger kann willkürlich (ohne tierärztliche Untersuchung) entscheiden, ob ein Tier erschossen werden darf, weil es angeblich verletzt, krank oder nicht lebensfähig ist.
Mutterlose oder verletzt aufgefundene Seehunde können und dürfen zwar in den Seehundauffangstationen der Inseln erstversorgt werden, diese müssen aber (IN WELCHEM ZUSTAND AUCH IMMER - auch, wenn von tierärztlicher Seite die Transportfähigkeit nicht gegeben ist) die Tiere nach spätestens 24 Stunden einem Robbenjäger übergeben, der dann selbstständig und unkontrolliert über das Leben des Tieres entscheidet.
Das bedeutet: Töten - oder zur einzig legitimierten Seehundstation in Friedrichskoog überstellen. (Dies ist tierschutzwidrig, weil kein vernünftiger Grund vorliegt und den Tieren unnötige Strapazen zugemutet werden)"

Was Bettina Jung und ihr Team letztlich tun, ist die Einhaltung des Tierschutzgesetzes einzufordern. Und die Petition und die anderen Aktivitäten erscheinen mir nicht gerade unter die Kategorie "radikal" zu passen. Wie kommt es also, daß Sie plötzlich von "radikalen Tierschützern" sprechen? Ist man bereits "radikal", wenn man auf die Einhaltung von Gesetzen pocht?

Die Tiere werden tierschutzgesetzwidrig erschossen bzw. erst einem unnötig langen Transport ausgesetzt und danach ev. erschossen. Der "Robbenjäger" bekommt eine Prämie, es ist fraglich, ob das Fleisch der Robbe bzw. des Robbenbabys zu Ernährungszwecken verwendet wird.

Wieso bezeichnen Sie Tierschützer, die mit legalen Mitteln gegen Gesetzesübertreter und gegen unhaltbare und unfaire Zustände vorgehen, als "radikal", was impliziert, daß dadurch die Täter, die ganz klar außerhalb des Gesetzes handeln, und hilflose Wesen grundlos töten, als Opfer dargestellt werden? Davon abgesehen werden die Seehunde touristisch vermarktet – wir sind ihnen nicht gerade dankbar –, und ihre Zahl geht zurück.

Es ist auch unverständlich, warum das Tierschutzgesetz auf diese Weise ausgehöhlt werden kann.

Auf ähnliche Art und Weise werden z. B. auch Mobbing-Opfer als Täter dargestellt, die sich – angeblich – nur nicht anpassen konnten etc. Ich denke, dieses Phänomen wäre eine Diskussion auch in sprachwissenschaftlicher Hinsicht wert. Offenbar verändert sich der semantische Inhalt des Wortes "radikal" in Abhängigkeit von der jeweiligen Ideologie.

"Ich erinnere noch einmal an den alten Grzimek, der durchgesetzt hat, daß Löwen essen und nicht fressen."

Daran kann ich mich jetzt nicht erinnern, aber an die Aussage von Herrn Grzimek, daß es zuviele Menschen gäbe und daß 1/10 der (damaligen) menschlichen Bevölkerung ausreichen würde. Das erinnert sehr stark an die Georgia Guidestones – www.kla.tv/5872 / https://de.wikipedia.org/wiki/Georgia_Guidestones –, die eine ähnliche Ideologie vertreten (und die nur einige Jahre später errichtet wurden).




Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2017 um 06.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10871

Wie es der Zufall will, wird der gerade erwähnte Eduard Bornemann in einem Leserbrief an die FAZ auch als Übersetzer des "Struwwelpeter" ins Lateinische gewürdigt.
Dazu das hübsche Gedenkblatt seiner Schülerin Eva Demski:
http://www.mittelbayerische.de/zusatz/eva-demski-petrulus-hirrutus-21681-art413081.html


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2017 um 15.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10870

Das ist bestimmt richtig. Ich habe noch die ausgezeichneten Schulgrammatiken aus den 60er Jahren, alle in Fraktur:

Lateinische Grammatik von Rubenbauer und Hofmann

Lateinische Sprachlehre von Bornemann (Vorrede in Antiqua)

Beides sehr praktisch, weil dann die lateinischen Wörter in Antiqua abgesetzt sind.

La vie française: Kurzgefaßte Grammatik

und andere


(Eduard Bornemann war dafür bekannt, daß er alle Regeln in muntere Verse brachte; das hat mir einer seiner Schüler berichtet.)
Dabei fällt mir erst auf, daß offenbar angenommen wurde, alle Schüler könnten ohne weiteres Fraktur lesen.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.06.2017 um 14.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10869

Vor der Währungsreform 1948 gab es nicht einmal Schulhefte zu kaufen. Schulbücher vererbten sich, jedenfalls bei Einheimischen. Die Lehrer wurden auch nicht alle sofort 1945 abgesetzt, sondern erst später, und nach der "Entnazifizierung" wieder eingesetzt. Als wir einen Sommer lang gar keine Schule hatten, waren die Flüchtlinge schon da. Meine Latein-Grammatik hatte die deutschen Texte in Frakturschrift.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2017 um 12.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10868

Daran kann ich mich nicht erinnern, und ich glaube auch nicht, daß die Besatzungsmächte solche Bücher zugelassen hätten. Die Lehrer waren zum Teil noch Nazis, das konnte nicht anders sein, aber die Bücher?


Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.06.2017 um 12.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10867

Nach dem Krieg wurden die "alten" Deutsch-Lesebücher notgedrungen zunächst weiterbenutzt. Aber sie waren voll von Geschichten über Hitlerjungen und "Helden" wie Horst Wessel und anderen. Ähnliches galt für die Bücher in Schulbibliotheken und private Buchsammlungen. Das einzige "neutrale" Schulbuch war das "Realienbuch", das nicht mehr zu kaufen war.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2017 um 05.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10865

Wenn das zuträfe, hätte Rust die Lesebücher in Antiqua nicht 1934 verbieten müssen. (Hitler erklärte sie 1941 zu den allein zulässigen.)

"Tell" und "Glocke" haben wir auch gelesen, letztere auswendig gelernt.

Nach dem Krieg wußten die Schulbehörden nicht so recht, was im Deutschunterricht gelesen werden sollte. Böll, Borchert, na ja...
Kasacks "Stadt hinter dem Strom" hat mir nicht gefallen und ist ja auch verweht und vergessen. Viel Zweitrangiges eben, die nächste Generation mußte Andersch lesen.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.06.2017 um 19.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10864

genauer: Deutsch-Lesebücher für Volksschulen. Als Literatur wurde dort "Wilhelm Tell" und das "Lied von der Glocke" gelesen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2017 um 18.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10863

"Vor dem Krieg gab es nur in Fraktur gedruckte Bücher" - das meinen Sie nicht ernst, oder?


Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.06.2017 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10862

Bei "Mittelständlern" ist das "l" wohl wirklich nötig, um sie nicht mit Gebäudeelementen zu verwechseln.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.06.2017 um 18.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10861

Vor dem Krieg gab es nur in Fraktur gedruckte Bücher und wurde die Sütterlin-Schreibschrift gelehrt. Während des Krieges wurde Kindern zuerst die Latein-Schreibschrift gelehrt, weil es noch keine Latein-Druckschrift-Bücher gab. Nur wer Englisch lernte, brauchte die Latein-Druckschrift. So blieb es zunächst auch nach dem Krieg, bis es Latein-Druckschrift-Bücher gab. Erst als es Fibeln und Deutsch-Lehrbücher in Latein-Druckschrift gab, war es nicht mehr nötig, Fraktur-Bücher lesen können zu müssen und wurden zuerst Latein-Druckbuchstaben gelehrt. Fraktur-Bücher zu lesen lernte man an den Höheren Schulen, heute wohl erst an der Uni.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2017 um 18.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10860

Heute sprach die FAZ von "Mittelbaulern", also Leuten, die im Mittelbau der Universität arbeiten, aber an der Uni selbst heißen sie "Mittelbauern", wobei der scherzhafte Charakter schon dem Ernst des Lebens gewichen ist.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.06.2017 um 17.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10859

Einen ähnlichen Streit gibt es darum, ob es richtig Erzgebirger oder Erzgebirgler heißt. Ich finde es egal, aber manche Heimatvereine bestinne drauf, doß dr Günther Anton ner von de Arzgebirger gesunge hot.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2017 um 09.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10858

Meine Gliederfüßler heißen fachsprachlich Gliederfüßer, wie die Gewerkschaftler lieber Gewerkschafter genannt werden wollen. Daher auch die Tausendfüßer (aber Hand aufs Herz: wer sagt das?). Man hat in das Suffix -ler etwas Pejoratives hineingelesen wie in Kriegsgewinnler.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2017 um 07.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10857

Zu http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10843

Einige Leser haben noch etliche Fehler auf der kalligraphierten Schreibschrift-Seite entdeckt.

Wichtiger ist mir der Hinweis von anderen, daß in der Bundesrepubik bis in die fünfziger Jahre tatsächlich (durchgehend?) mit der Druckschrift begonnen wurde, wie ich es von mir selbst in Erinnerung habe. Allerdings folgt die verbundene Schrift recht bald; daher habe ich nach 5 Monaten Schule meiner Mutter einen Brief ins Krankenhaus schreiben können, wo sie mich gerade um ein Brüderchen bereichert hatte. (Ich äußerte mich darin anerkennend über die Milchmenge, die sie dem Burschen zur Verfügung stellen konnte.)

Wie gesagt, nach einem Jahr "konnten" wir alle schreiben, jedenfalls im Prinzip.

Damals wäre es wohl undenkbar gewesen, auf einem Elternabend die "Methode" des Erstunterrichts zum Thema zu machen. Wie ich heute weiß, gab es dazu zwar schon Fachliteratur, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß die Volksschullehrer davon viel mitbekamen. Wir hatten unsere Schiefertafel mit Griffel und Schwämmchen, dazu dann die Fibel, und damit konnte wirklich jeder schreiben lernen (und lehren).


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2017 um 17.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10856

Also, es ist doch eine Spinne!


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2017 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10855

Durch meine Links hatte ich ja angedeutet, inwiefern es willkürlich ist, die Diskussion (und Gesetzgebung) auf Wirbeltiere zu beschränken.

Habe den Film jetzt länger nicht gesehen. Nach meiner Erinnerung ist es eine Art Skorpion, aber das tut nichts zur Sache. Die Schüler reagieren auf die Folterung, die sogar mit spitzen Jammerlauten des Tiers unterlegt ist; das ist vollkommen eindeutig. Hermione beschwört den trefflich gespielten Mad-Eye Moody aufzuhören.

Überhaupt bekämpfen wir mit dem Tierschutz eigentlich unsere eigen Roheit. Ich habe früher Fliegen die Flügel ausgerissen, um sie besser an meine Lieblingsspinne verfüttern zu können, die denn auch zu enormer Größe heranwuchs. Heute würde ich das nicht mehr machen, obwohl ich weiß, daß die Fliege keine Schmerzen empfinden kann. (Musils "Fliegenpapier" ist - wie die "Affeninsel" - ein Meisterstück, muß ich wieder mal lesen.)


Kommentar von Pt, verfaßt am 06.06.2017 um 11.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10854


"Wir deuten die Reaktionen auch niederer Tiere auf Beschädigung "empathisch" als schmerzhaft, ganz ohne Rücksicht auf die künstliche Kategorie "Wirbeltier"."

Was wollen Sie mit dem letzen Teil dieses Satzes aussagen? Warum "ganz ohne Rücksicht"?
Und Warum sehen Sie die Kategorie "Wirbeltier" als künstlich an?

"In der Harry-Potter-Verfilmung wird sehr schön die "Folterung" eines Gliederfüßlers gezeigt,mit entsprechenden Reaktionen der kindlichen Beobachter."

Ich bin zwar nicht unbedingt ein Harry Potter-Fan, kann mich aber nicht an eine "Folterung" eines Gliederfüßlers erinner. Die einzige Szene, die man so interpretieren könnte, ist die Unterrichtsstunde, in der (damals schon wahrscheinlich falsche) Mad Eye Moody den Kindern eine Spinne vorführt. Die Reaktionen der Kinder sind wohl eher auf ihre generelle Angst vor Spinnen zurückzuführen oder darauf, daß die Spinne giftig ist. Mit Empathie für dieses Tier dürfte das nichts zu tun haben.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2017 um 08.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10853

Wir wären sicher auch bereit, die Michottesche Wahrnehmung von Kausalität so weit zu verfeinern, daß wir eine Petition zum Schutz der Dreiecke vor den Vierecken unterzeichnen würden:

http://cogweb.ucla.edu/Discourse/Narrative/michotte-demo.swf

usw.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2017 um 07.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10852

Zu den Fischen noch dies:

http://www.fv-berlin.de/news/empfinden-fische-schmerzen-1

Außerdem:

http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1539#32423

http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572

Wir deuten die Reaktionen auch niederer Tiere auf Beschädigung "empathisch" als schmerzhaft, ganz ohne Rücksicht auf die künstliche Kategorie "Wirbeltier".

In der Harry-Potter-Verfilmung wird sehr schön die "Folterung" eines Gliederfüßlers gezeigt,mit entsprechenden Reaktionen der kindlichen Beobachter.

Schaudernd denken wir an die Raupe, die durch Wespenlarven von innen her aufgefressen wird usw.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2017 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10851

Was soll an dem Bild so besonders erschütternd sein, daß man an "Mord" auch nur zu denken wagt? Die große Zahl?
Auch ich sehe Fische lieber im Netz als tot im Wasser treibend. Natürlich sind Fische Sachen, darum kann man sie kaufen und essen. Der Allesfresser Mensch vergißt manchmal, wie gesund Seefisch ist. Auch hat er die Preise arg in die Höhe getrieben.
In der indischen Fabel ist oft vom "Gesetz der Fische" die Rede (Matsyanyaya: Große Fische fressen kleine Fische). Der Mensch ist ein großer Fisch, aber manchmal wird er von noch größeren gefressen.


Kommentar von Pt, verfaßt am 05.06.2017 um 14.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10850

zu #10842

Angesichts solcher Bilder wünscht man sich doch etwas radikalere Tier- bzw. Umweltschützer:

https://www.change.org/p/welt-organisationshilfe-unweltverschmutzung-in-vietnam/u/20456423

Ist das nun Jagd oder gilt das schon als Mord? Oder ignorieren wir das, es sind doch bloß Fische, also nach unserem Rechtsverständnis "Sachen"?




Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2017 um 05.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10849

Ein Klatschblatt enthüllt, "was die Wenigsten wissen", nämlich daß Prinz Harry gar nicht Harry heißt, was allerdings Shakespeare-Leser nicht überraschen dürfte. Ein anderes zeigt die Unterschrift des Prinzen, die sich wahlweise als Harry oder Henry lesen läßt (http://www.gala.de/royals/briten/prinz-harry–so-lautet-sein-richtiger-name-21379158.html), woraus man schließen könnte, daß der junge Mann selbst nicht weiß, wie er heißt, und daher zu dem Trick gegriffen hat, den wir in der Schule so erfolgreich angewendet haben. Funktioniert in Schreibschrift besser als in Druckschrift.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2017 um 09.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10846

Es gibt meiner Ansicht nach keine nicht-ideologischen wissenschaftlichen Studien zu den Vor- und Nachteilen von Schreib- und Druckschrift. Die vorhandenen überzeugen mich nicht. Selbst wenn sich geringfügige Verzögerungen oder Beschleunigungen dieser oder jener Begleitfertigkeiten nachweisen ließen, fallen sie nicht ins Gewicht. Natürlich kann jedes normale Kind mehrere Schriften lernen, das ist gar nichts im Vergleich zu mehreren Sprachen, die es ebenfalls lernen kann; mehreren Sportarten, Brettspielen usw.

Es ist eine Frage der Zweckmäßigkeit.

Schon vor fast viertausend Jahren war die Menschheit drauf und dran, nur noch mit der Maschine zu schreiben, also zu drucken (Diskos von Phaistos)...

Die Chinesen haben auch früh mit dem Drucken angefangen, haben allerdings daneben die Kalligraphie auf einen Gipfel getrieben, nur noch mit den Arabern vergleichbar.



Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2017 um 20.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10845

Warum denn?


Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.06.2017 um 18.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10844

Wenn man eine fremde Schrift lernt wie z.B. die kyrillische, fängt man mit den Druckbuchstaben an und freut sich, daß viele von den mittelgriechischen abstammen und daß die Druck-Kleinbuchstaben nur verkleinerte Großbuchstaben sind. Aber anscheinend hatten die Mittelgriechen keine Schreibschrift mehr, denn die Slawen haben ihre Schreibschrift neu erfunden mit teilweise völlig anderen Buchstaben als die Druckschrift, so daß man zwei ganz unterschiedliche Alphabete lernen muß. Die deutsche Schreibschrift sollte einfach aus verbundenen Druckbuchstaben bestehen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2017 um 06.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10843

Wolfgang Krischke bespricht sachkundig ein Buch der Schreibschrift-Petenten Schulze Brüning und Stephan Clauss: "Wer nicht schreibt, bleibt dumm. Warum unsere Kinder ohne Handschrift das Denken verlernen."

Der Untertitel ist natürlich schwer ideologisch und diskreditiert das ganze Anliegen, das ist schade.

Die Besprechung ist in Schreibschrift gedruckt - eine ganze Seite in der FAZ. Allerdings ist es eine ziemlich gemischte Schrift, was die Kalligraphin da zu Papier gebracht hat; außerdem gibt es einen Fehler (Umlaut).


Krischke kritisiert bei allem Wohlwollen das fehlerhafte erste Kapitel über die Geschichte der Alphabetschrift.

Die Verfasser meinen, es sei falsch, zuerst die Druckbuchstaben und dann erst (wenn überhaupt noch) die Schreibschrift zu unterrichten. Darüber haben wir schon gesprochen.

Eigentlich geht es um etwas anderes: Schönschreiben in der Schule. Wir haben, wie gesagt, auch noch Zierschriften gelernt, "Sütterlin" und Fraktur mit verschiedenen Tuschfedern. Das war eine nette und nützliche Beschäftigung, denn meine Generation liest diese beiden Schriften ohne Mühe.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2017 um 04.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10842

Für radikale Tierschützer gibt es den Unterschied zwischen Jagd und Mord nicht; das hat sprachliche Folgen. Ich erinnere noch einmal an den alten Grzimek, der durchgesetzt hat, daß Löwen essen und nicht fressen.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.06.2017 um 12.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10841

Normale Hunde werden erschossen, wenn sie außer Kontrolle geraten. Sie werden auch nicht gegessen oder ihr Fell verwertet.


Kommentar von Pt, verfaßt am 01.06.2017 um 10.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10840

Ist mir gar nicht aufgefallen. Muß wohl daran liegen, daß auch ich den Seehunden bereits Personenstatus gewähre.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2017 um 18.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10839

Das habe ich schon verstanden, aber warum "erschossen" und nicht "geschossen"?


Kommentar von Pt, verfaßt am 31.05.2017 um 14.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10838

Ja, und genau das wollen die Initiatoren dieser Petition beenden!


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2017 um 04.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10837

Zur Seehundspetition:

ES WERDEN JÄHRLICH HUNDERTE SEEHUNDE ERSCHOSSEN!



Kommentar von Pt, verfaßt am 29.05.2017 um 17.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10836

Hier eine Neuigkeit zur Schreibschriftpetition:

https://www.change.org/p/f%c3%bcr-den-erhalt-des-schreibschriftunterrichts-an-allen-grundschulen/u/20398721

Hier noch einiges von allgemeinem Interesse:

Es geht nicht nur um das Unterschreiben von Petitionen, sondern darüber hinaus auch um das aktive Handeln, das sich die Petitionsstarter erbitten:

Autobahn-Privatisierung: SPD täuscht die eigenen Genossen

https://www.change.org/p/bundestag-keine-privatisierung-von-schulen-und-autobahnen/u/20380199

Marianne Grimmenstein hat gerade ein Update zur Petition „Bürgerklage gegen CETA ” veröffentlicht.

http://click.mail.change.org/?qs=0b7e0db16933cc9f2faa46e03fdcfa5b3540b2819fb7 caa992d3ca6616dda3b49d651a28f5cfecfcc3c13effa31f 62e427ec59522c508777666fe0c130c55b27

Neuigkeit zur Petition
Aufruf zur Dokumentation der Heulerfunde

https://www.change.org/p/minister-habeck-beweisen-sie-sich-jetzt-stoppen-sie-die-seehundj%c3%a4ger/u/20397830

Neuigkeit zur Petition
Wer diesem Wanderschäfer hilft, hilft auch dem Wolf!

https://www.change.org/p/wolf-pumpak-muss-weiterleben/u/20397737

Neuigkeit zur Petition
++ Mittwoch, 31. Mai 2017 ++ Letzter Abgabetermin! KEINE #BARGELDOBERGRENZE

https://www.change.org/p/keine-bargeldobergrenze-bargeldk%c3%a4ufe-in-unbegrenzter-h%c3%b6he-beibehalten/u/20395631


Kommentar von Pt, verfaßt am 23.05.2017 um 19.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10834

Mag sein, aber es dürfte auch schwierig sein, eine richtige Schreibschrift zu finden, die als ASCII- Zeichen für die Webgestaltung verwendbar ist. Wenn man im Zeichenvorrat nicht Zeichenvarianten für jede mögliche Verbindung vorsehen will, muß man sich eine "Schreibschrift" eben derartig simulieren.

Man könnte natürlich auch echte Schreibschrift einscannen, das dürfte aber die Gestaltung der Webseite noch viel schwieriger machen.

Letztlich sind das technische Probleme, die uns nicht davon abhalten sollten, uns über die Sache zu informieren und eventuell auch mitzumachen. Sie geht zumindest in die richtige Richtung und bietet uns die Gelegenheit, auch Werbung für unsere Sache zu machen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.05.2017 um 11.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10833

Die (simulierte) Handschrift auf der genannten Website der "Initiative" ist allerdings weitgehend unverbundene Grundschrift...


Kommentar von Pt, verfaßt am 22.05.2017 um 17.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10832

Heute morgen auf der Post habe ich eine Papiertüte der Inititative Schreiben gefunden, hier die Adresse:

http://www.initiativeschreiben.de/

INITIATIVE SCHREIBEN
Kaiserpassage 11
72764 Reutlingen

Das erklärt vielleicht die vielen Unterstützer der Petition "Für den Erhalt des Schreibschriftunterrichts an allen Grundschulen". Etwas ähnliches wünsche ich mir auch für eine Petition zur Rücknahme der Rechtschreibreform.

22.05.2017, 17:16 – 26.497 Unterstützer/innen auf Change.org

In vielen Kommentaren dieser Petition wird auch die RSR kritisiert.

Neuigkeit zur Petition

Jeder Tag zählt

Marie A. v. Geyr
Deutschland

https://www.change.org/p/f%C3%BCr-den-erhalt-des-schreibschriftunterrichts-an-allen-grundschulen/u/19739033

17. März 2017 — Liebe Freunde der Schreibschrift!
Bitte helfen Sie uns, die Petition weiter bekannt zu machen! Jeder Tag zählt, da jetzt die Zweitklässler, die derzeit nur die Grundschrift lernen, noch umsteigen könnten! Auch für die Drittklässler könnte ein Umstieg in der Grundschulzeit noch funktionieren, um in der weiterführenden Schule gut mitzukommen. Es gibt für die Lateinische Ausgangsschrift sehr gutes Übungsmaterial, was zur Not auch neben der Schule bewältigt werden kann, allerdings muss sehr viel geübt (und gelobt) werden, um sich auch im spontanen Schreiben durchzusetzen. Einen Antrag an die Schulpflegschaft zu stellen, die Lateinische Ausgangsschrift oder die Schulausgangsschrift wieder einzuführen, ist an jedem Elternabend möglich. Dafür muss man nur stimmberechtigtes Elternteil sein. Die Kinder haben ein Recht darauf, richtig schreiben zu lernen! Die beiden oben genannten Schriften ...



Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.05.2017 um 18.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10831

Gute Anregung! Ich habe Braille nur hier mal kurz erwähnt, wegen der dabei irrelevanten Groß- und Kleinschreibung: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=301#20376

Über die Abschaffung der Schreibschrift wurde hier schon oft gesprochen (Stichwort "Grundschrift" zum Beispiel.


Kommentar von Pt, verfaßt am 18.05.2017 um 17.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10830

Es gibt Updates zu den Petitionen. Ich selbst bin auch nur Unterzeichner. Aber wenn es neue Updates gibt, kann ich hier entsprechende Verweise einstellen.

Aktueller Stand:

18.05.2017, 17:20 – 22.961 Unterstützer/innen auf Change.org

Es wäre schön, wenn die auf der Petitionsseite aufgeführten Punkte hier diskutiert würden, schließlich ist es ja ein Thema, das mit Schule und Lernen und auch ein bißchen mit Rechtschreibung zu tun hat. Wenn Schüler schon Schwierigkeiten mit der Schrift/dem Schreiben haben, wie sollen sie dann erst Rechtschreibung erlernen? Dies ist bei der Diskussion um die Rechtschreibreform überhaupt nicht berücksichtigt worden.

Eine weitere Sache, die – meines Wissens – nirgendwo hier diskutiert wurde, ist inwieweit die RSR die Blindenschrift betroffen hat. Es wäre schön, wenn sich Menschen, die die Braille-Schrift verwenden, einmal dazu äußern würden.


Kommentar von Pt, verfaßt am 18.05.2017 um 17.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10829

Es gibt Updates zu den Petitionen. Ich selbst bin auch nur Unterzeichner. Aber wenn es neue Updates gibt, kann ich hier entsprechende Verweise einstellen.

Aktueller Stand:

18.08.2017, 17:20 – 22.961 Unterstützer/innen auf Change.org




Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.05.2017 um 04.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10828

Lassen Sie uns wissen, wenn aus dieser Aktion etwas folgt?


Kommentar von Pt, verfaßt am 17.05.2017 um 13.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10827

17.05.2017, 13:13 – 13.036 Unterstützer/innen auf Change.org




Kommentar von Pt, verfaßt am 17.05.2017 um 11.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10826

17.05.2017, 11:55 – 11.068 Unterstützer/innen auf Change.org

Das heißt mehr als 1000 Unterschriften innerhalb einer halben Stunde!

Bitte lest auch die Kommentare zur Petition!


Laut Bettina Thränhardt, 15.03.2017,

http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/vorgebirge-voreifel/alfter/Protest-gegen-Abschaffung-der-Schreibschrift-article3508411.html

hatten am 15.03.2017 erst mehr als 330 Personen diese Petition unterzeichnet.


Kommentar von Pt, verfaßt am 17.05.2017 um 11.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10825

17.05.2017, 11:25 – 10.005 Unterstützer/innen auf Change.org

So ganz wirkungslos können Petitionen also doch nicht sein!

Mag sein, daß Ihre schlechte Meinung von Petititonen, Herr Ickler, von den offiziellen parlamentarischen Petitionen herrührt, die einen viel höheren Schwellenwert haben, sich zu beteiligen. Bei Change.org ist diese Schwelle aber sehr niedrig.


Kommentar von Pt, verfaßt am 17.05.2017 um 11.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10824

17.05.2017, 11:22 – 9.903 Unterstützer/innen auf Change.org


Kommentar von Pt, verfaßt am 17.05.2017 um 11.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10823

17.05.2017, 11:18 –9.730 Unterstützer/innen auf Change.org


Kommentar von Pt, verfaßt am 17.05.2017 um 11.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10822

Die Petition

Für den Erhalt des Schreibschriftunterrichts an allen Grundschulen
Marie A. v. Geyr Deutschland

https://www.change.org/p/f%C3%BCr-den-erhalt-des-schreibschriftunterrichts-an-allen-grundschulen

scheint in den letzten Stunden sehr viele Unterstützer gefunden zu haben, aktuell nähert sich deren Zahl der 10.000er-Grenze. Aktueller Stand:

17.05.2017, 11:09 – 9.388 Unterschriften


Interessant auch diese Petition:

Wir Eltern kämpfen für den Sorbisch-Unterricht unserer Kinder!

Kathleen Komolka Deutschland

https://www.change.org/p/minister-baaske-witaj-muss-bleiben-wir-eltern-k%C3%A4mpfen-den-sorbisch-unterricht-unserer-kinder?source_location=minibar

Neuigkeit:

Gemeinsam einen Schritt nach vorn: Besuch von Minister Baaske in Burg

https://www.change.org/p/minister-baaske-witaj-muss-bleiben-wir-eltern-k%C3%A4mpfen-den-sorbisch-unterricht-unserer-kinder/u/20285894


Kommentar von Pt, verfaßt am 16.12.2016 um 10.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10677

Ich möchte hiermit auf folgende Petition hinweisen:

Für den Erhalt des Schreibschriftunterrichts an allen Grundschulen

Marie A. v. Geyr Deutschland

Es gibt Grundschulen in NRW und einigen anderen Bundesländern, die den Kindern keine Schreibschrift mehr beibringen. An diesen Schulen wird versucht, eine "Grundschrift" zu etablieren, deren Erfolgschance beim Schriftspracherwerb bis jetzt mit keiner wissenschaftlichen Studie belegt wurde. Es wird an den Kindern getestet, ob und wie gut die Kinder mit der Grundschrift flüssig schreiben lernen (s.o).

Folgende Probleme sind schon jetzt zu beobachten:

Die betroffenen Kinder können keine Schreibschrift mehr lesen.

Die Kinder schreiben wesentlich langsamer, als geübte Schreibschriftschreiber.

Die Kinder haben Schwierigkeiten die Wortgrenzen einzuhalten.

Die Kinder brauchen mehr Platz zum Schreiben als die Schreibschriftexperten.

Die Feinmotorik wird weniger ausgebildet.

Es scheint auch die Fehlerquote (weiter) anzusteigen, da flüssige Schreibschrift auch die Rechtschreibung positiv beeinflußt.

Das Schriftbild ist für die Eltern und Lehrer (der weiterführenden Schulen) schwer zu entziffern.

Die betroffenen Kinder erhalten wesentlich weniger Schriftsprachbildung als die Kinder, die klassischen Schreibschriftunterricht erhalten. Somit entsteht ein echter Wettbewerbsnachteil.

Es gibt mit der Lateinischen Ausgangsschrift und der Schulausgangsschrift zwei potente Schreibschriften, mit denen Kindern -mit Fleiß -aber erwiesenermaßen flüssig schreiben lernen. Diese Schriften müssen im Lehrplan verankert werden. Die Grundschrift wird nie zu einer Schreibschrift, da sich nicht einmal die Hälfte aller Buchstaben verbinden lassen (www.handschrift-schreibschrift.de



Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.07.2015 um 14.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10118

Ich glaube, daß Gymnasiasten deswegen in der deutschen Rechtschreibung schwächeln, weil sie in allen anderen Fächern ihren Verstand benutzen sollen, das aber bei der Rechtschreibung nicht dürfen, was manchen schwerfällt.


Kommentar von Hamburger Abendblatt, 22. Juli 2015, verfaßt am 24.07.2015 um 00.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10117

In diesem Text sind zwölf Fehler

Im Rechtschreiben liegt ein permanenter Zwang, der nur erträglich wird, weil wir ihn so lange einüben, dass wir ihn schließlich nicht mehr oder kaum noch bemerken. Für einige hingegen ist die Alphabetisierung ein lebenslanger Prozess, weil sie immer wieder über das richtige schreiben nachdenken müssen, immer wieder stutzen, und zwar nicht nur bei neuen und unbekannten, sondern auch bei altbekannten Wörtern. Ich gehöre zu diesen unsicheren Alphabeten. Der Schüler aus meiner Grundschulzeit, der die besten, weil fehlerfreihesten Diktate schreiben konnte, leitet heute eine Mülldeponie bei Hamburg und sagt – was ich sofort nachvollziehen kann –, es sei eine wunderbare Beschäftigung, dieses Chaos zu überblicken, diese Dinge, die da weggekippt werden, verbrauchte wie halbverbrauchte, die von Planierraupen hin- und hergeschoben werden, darüber die Möwenschwärme. Vieleicht ist diese Beschäftigung seine Antwort auf den Rechtschreib Zwang, den er fraglos erduldete. Jetzt schreibt und ließt er nicht mehr. Ich sage das ohne jeden Triumph. Er muss nur noch Häkchen machen. Und dann natürlich seine Inizialen, wenn wieder ein Zehntonner den Dreck abkippt. Ich vermute, viele Menschen beantworten die frühe Alphabetisierung mit einer späteren Verweigerung zu Schreiben – und zu Lesen. Andere wiederrum reagieren mit Überanpassung, sie studieren Germanistik, schreiben […] Gedichte oder vergleichen Sprachen. Diese Disziplinierung durch Schreiben, die ich als einen Würgegriff in Erinnerung habe, hat bei mir möglicherweise dazu geführt – und zwar, um Luft zu kriegen –, das ich erzählte, also mit einer an der Mündlichkeit ausgerichteten Form die Schreibübungen beantwortete. Ich bog den Druck durch Erzählen ab, wobei ich, auf die Situation, das Bild konzentriert, die Wörter in der schriftlichen Form varierte, die Schreibweise nach Klang und Rythmus umbaute. Selbstverständlich fand das bei Herrn Blumenthal, meinem Lehrer, kein Verständnis. Seine Antwort waren Fünfer.

Quelle: Uwe Timm: Die Stimme beim Schreiben, München 2005, S. 272-273.

http://www.abendblatt.de/hamburg/article205494735/In-diesem-Text-sind-zwoelf-Fehler.html


Kommentar von Hamburger Abendblatt, 23. Juli 2015, verfaßt am 24.07.2015 um 00.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10116

Bildung
Auch Hamburger tun sich schwer mit dem Rechtschreibtest
Von Peter Ulrich Meyer

Schulpolitiker kritisieren nach verheerenden Ergebnissen in den Vergleichsarbeiten die aktuelle Politik des Bildungssenators.

Hamburg. Die schlechten Ergebnisse der schriftlichen Überprüfungen in Klasse 10 haben eine Debatte über Schulqualität und Leistungsstand der Hamburger Schüler ausgelöst. Wie berichtet betrug die Durchschnittsnote aller 68 staatlichen und privaten Gymnasien im Fach Deutsch 3,7, in Mathematik 3,6. Eine zentrale Ursache für das Deutsch-Ergebnis ist das schlechte Abschneiden der Schüler in einem Rechtschreibtest (...).

Die Zehntklässler fanden im Durchschnitt nur knapp 40 Prozent der Fehler. Doch die Schüler sind nicht die einzigen, die Schwierigkeiten mit dem Text des Schriftstellers Uwe Timm haben, in den die Prüfer der Schulbehörde zwölf Fehler eingebaut hatten. Das Abendblatt hat am Mittwoch in der Innenstadt die Probe aufs Exempel gemacht.

Nico Richter, 27, aus Eilbek und Hendrik Scharnke, 46, aus der Neustadt waren sofort zum Versuch bereit. "In wichtigen Schreiben achte ich sehr auf die Rechtschreibung, im Alltag aber dafür eher nicht", sagte Scharnke, der zugab, immer wieder unsicher zu sein, weil er die alte Rechtschreibung gelernt hat. Die beiden entdeckten ein paar Fehler. Am Ende fehlten lediglich zwei – vermeintlich. Denn einige waren wirklich auch welche, andere dafür nicht. Mit dem Ergebnis waren sie aber trotzdem zufrieden. So erging es auch Olaf Jensen, 56, aus Klein-Borstel, dessen Sicht auf das Thema Rechtschreibung besonders ist. "Wenn ich etwas lese, dann ist mir die Rechtschreibung eigentlich egal, wenn ich den Inhalt verstehe", sagte er. "Und beim Schreiben unterstützen mich heutzutage zum Glück Programme." Auf der Straße halfen diese keinem, vielleicht fand auch deswegen niemand der Befragten alle zwölf Fehler.

Claudia Wackendorff, die Vorsitzende der Elternkammer, fordert, dass der Rechtschreibung, aber auch der schriftlichen und mündlichen Ausdrucksfähigkeit in der Schule ein hoher Stellenwert zugeordnet wird. "Das sind Kernkompetenzen, die nicht für das Abitur, sondern auch beim Finden eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes – ja im Leben allgemein – wichtig sind", so Wackendorff, die die von der Schulbehörde bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtschreibleistung für richtig hält. Allerdings liege der Schwerpunkt in den Klassen eins bis sechs und werde den älteren Schülern daher nicht helfen.

Harte Kritik kommt von FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels. "Schulsenator Ties Rabe muss dringend nachsitzen, um endlich vernünftige Rechtschreiblehre in Hamburgs Grundschulen zu garantieren." Sie lehnt die Lernmethode "Lesen durch Schreiben" strikt ab, bei der die Schüler zunächst unkorrigiert Fehler machen dürfen. "Außerdem sind mehr Stunden in Deutsch und Mathematik, gegeben von ausgebildeten und nicht von fachfremden Lehrern, in den weiterführenden Schulen längst überfällig", so die Liberale weiter. Die Erhöhung der Fachlehrerquote und der Mathematik-Wochenstundenzahl hatte Rabe bereits angekündigt.

Auch Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus hält es für erforderlich, dass Kinder frühzeitiger als bisher auf Fehler in der Rechtschreibung hingewiesen werden müssen. "Es muss darauf geachtet werden, dass alle Kinder gut gefördert werden", sagte Boeddinghaus. "Wenn mehr Kinder Abitur machen, darf es nicht so sein, dass die Qualität des Abiturs sinkt."

"Die Ergebnisse der schriftlichen Überprüfung sind kein Grund zum Jubeln", sagte die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Die Ergebnisse könne man aber nicht allein den Schulen oder der derzeitigen Schulpolitik anlasten. "Gute Rechtschreibung entsteht sehr viel dadurch, dass Kinder und Jugendliche lesen", sagte von Berg. Dies sei aber immer weniger der Fall. Beim Blick aufs (Zentral-)Abitur empfiehlt sie Gelassenheit, sagte aber auch: "Es wäre angezeigt, vor allem die Abiturprüfungen an sich einer strengeren Prüfung zu unterziehen."

http://www.abendblatt.de/hamburg/article205498361/Auch-Hamburger-tun-sich-schwer-mit-dem-Rechtschreibtest.html


Kommentar von Hamburger Abendblatt, 22. Juli 2015, verfaßt am 24.07.2015 um 00.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#10115

Bildungspolitik
Deutschtest überfordert Hamburgs Zehntklässler
Von Peter Ulrich Meyer

Ergebnisse der Vergleichsarbeiten der zehnten Klassen an Gymnasien sind erschütternd. Hier können Sie den Test selbst durchführen.

Hamburg. Das Ergebnis der diesjährigen schriftlichen Überprüfungen in Klasse 10 muss in vielen Familien wie ein Schock gewirkt haben. Die Durchschnittsnote, die die Schüler aller 68 staatlichen und privaten Gymnasien im Fach Deutsch erzielten, betrug 3,7. Vier von fünf Schülern erreichten nur die Note Drei oder schlechter. An 17 Gymnasien lag die Durchschnittsnote bei 4,0 oder schlechter. Das Ergebnis in Mathematik war mit einem Schnitt von 3,6 nur unwesentlich besser.

Interessant ist die Erklärung für das schlechte Abschneiden der Schüler in Deutsch. "Ausschlaggebend war die Rechtschreibaufgabe", so Behördensprecher Peter Albrecht. Die Schüler mussten in einem Text des in Hamburg geborenen Schriftstellers Uwe Timm (u. a. "Die Entdeckung der Currywurst") zwölf eingebaute Rechtschreibfehler entdecken. Die Benutzung eines Wörterbuchs war laut Albrecht erlaubt, ist aber offenbar häufig nicht realisiert worden. Das kann an der knappen Zeit gelegen haben oder auch daran, dass viele Schüler im Umgang mit einem Wörterbuch nicht mehr geübt sind.

"Es wurden im Schnitt nur 4,7 von zwölf möglichen Punkten erreicht, also nur 39,2 Prozent", sagte Albrecht. Die Rechtschreibaufgabe sei deutlich am schlechtesten gelöst worden und habe den Durchschnitt insgesamt deutlich nach unten gezogen. "Es wird offensichtlich, dass ein Großteil der Schülerschaft der Klasse 10 die Rechtschreibung nicht sicher beherrscht", räumt Albrecht ein. Deswegen habe Schulsenator Ties Rabe (SPD) bereits 2014 einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Rechtschreibung präsentiert, der nun an den Schulen umgesetzt werde. Die Schüler sollen einen verbindlichen Basiswortschatz von 800 Wörtern am Ende der Grundschule sicher beherrschen. Regelmäßige verbindliche Rechtschreibtests sowie das Verbot von Lernmethoden wie "Lesen durch Schreiben", bei denen die Schüler jahrelang nicht auf die korrekte Rechtschreibung achten müssen, gehören ebenfalls dazu.

Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien, die mit einer Kleinen Senatsanfrage die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten abgefragt hatte, fordert als Konsequenz insgesamt eine Stärkung der Basisqualifikationen. Außerdem müssten die Bildungspläne mit dem Ziel einer stärkeren Wissensvermittlung überarbeitet werden. Die Kernfächer Deutsch und Mathematik dürften in allen Klassenstufen nur noch von Fachlehrern unterrichtet werden. "In der Sekundarstufe I müssen beide Fächer zwingend ab sofort mit vier Stunden pro Woche gegeben werden", fordert die CDU-Politikerin.

Prien sorgt sich um die Qualität des Hamburger Abiturs, weil die Defizite, die in den schriftlichen Überprüfungen der Klasse 10 offenbar geworden seien, in der verbleibenden Zeit bis zur Reifeprüfung nur noch schwer aufzuholen seien. Dies gelte umso mehr, weil vom nächsten Schuljahr an Teile der Aufgaben der schriftlichen Abiturprüfung für alle Schüler gleich bundesweit zentral gestellt werden.

Prien sieht es so: "Nur die in Hamburg besonders laxen Bedingungen zur Einbringung von Kursen, die Abschaffung der verpflichtenden Zweitkorrektur und die Ersetzung von schriftlichen Leistungen durch Präsentationen oder besondere Lernleistungen verhindern noch, dass die Hamburger Schüler im Ländervergleich beim Abitur völlig abgehängt werden." Die "inflationäre" Vergabe des Abiturs unter der Verantwortung der SPD – ein Plus von fast 20 Prozent seit 2012 – werde mit einem "massiven Niveauverlust" erkauft.

Schulsenator Rabe will nicht nur mit einem flächendeckenden Programm zur Verbesserung der Rechtschreibleistungen gegensteuern: Der SPD-Politiker hat auch eine "Mathematik-Offensive" gestartet. Kern der Initiative ist mehr Unterricht. Vom nächsten Schuljahr an sollen die Schüler in allen Jahrgängen der Sekundarstufe I (Klassen fünf bis zehn) mindestens vier Mathestunden pro Woche haben. Dafür wird die sogenannte Wochenstundenzahl (Summe der Wochenstunden der Klassen fünf bis zehn) von 22 auf 24 an allen Stadtteilschulen und Gymnasien erhöht.

Ebenfalls vom kommenden Schuljahr an sollen von Klasse sieben an nur noch studierte Mathematiklehrer das Fach unterrichten. Spätestens vom Schuljahr 2017/18 an soll das auch für die fünften und sechsten Klassen gelten. An den Grundschulen soll eine Fachlehrerquote von mindestens 50 Prozent sichergestellt werden.

Die schriftlichen Überprüfungen in Klasse 10 treten an die Stelle einer von insgesamt vier Klassenarbeiten. In Deutsch umfasste die Überprüfung vier Aufgaben, eine davon war der Rechtschreibtest. Außerdem ging es um Textvergleiche und eine Interpretation. Für die Beantwortung der Aufgaben hatten die Schüler 135 Minuten Zeit, zusätzlich 20 Minuten zum Einlesen.

http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article205494559/Deutschtest-ueberfordert-Hamburgs-Zehntklaessler.html


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2014 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9948

"Hamburg orientiert sich bei dem Katalog an Bayern, wo die Grundschüler schon seit Jahren einen Grundwortschatz einüben müssen. Die Hamburger Liste umfasst sogar 100 Wörter mehr als das bayerische Vorbild, wie Rabe mit gewissem Stolz anmerkte." (HA 5.6.14)

Wäre die Liste doppelt so lang, wäre Ties Rabe doppelt so stolz, das ist eben seine Denkweise. Trotzdem werden die Hamburger Schüler auch in Zukunft zu den schlechtesten gehören, die bayerischen zu den besten. Daran ändert auch die Länge von Wunschzetteln nichts.

Übrigens lernen die bayerischen Kinder nicht nur Fröhlichkeit, sondern sogar Recycling, das auf dem Weg nach Norden (Berlin, dann Hamburg) verlorengegangen ist. Gebt's auf, ihr Nordlichter!


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2014 um 11.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9947

Lieber Germanist, das sind aber zwei verschiedene Probleme. Gibt es eigentlich Untersuchungen, wie leicht oder wie schwer man eine typologisch verschiedene Fremdsprache lernt? Dabei ergibt sich ja noch die Frage, wie man das messen kann: Wann hat jemand ebenso gut Russisch gelernt wie (ein anderer) Englisch?
Das andere Problem ist die Orthographie. Sollte es fürs Einprägen nicht eine größere Rolle spielen, ob die Orthographie "tiefer" oder "flacher" ist? Im Türkischen sind die Wörter ja auch sehr lang, aber orthographisch sind sie nicht besonders schwierig.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.06.2014 um 09.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9946

Ich glaube, Rechtschreibmuster werden als Bilder im Gehirn gespeichert und beim Schreiben als Vergleich herangeholt nach dem Prinzip "das sieht richtig oder falsch aus". Außerdem hängt es davon ab, ob man eine synthetische Sprache wie das Neugriechische mit langen zusammengesetzten und gebeugten Wörtern oder eine analytische wie das Englische mit lauter ungebeugten Kurzwörtern lernt. Deshalb fällt Osteuropäern das Lernen westeuropäischer Sprachen leicht und Westeuropäern das Lernen osteuropäischer Sprachen schwer.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2014 um 06.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9945

Aus der Hamburger Handreichung:

"Der Basiswortschatz ist nicht dazu da, auswendig gelernt zu werden. Ein solches Auswendiglernen ohne Nachdenken über die Rechtschreibmuster wird fruchtlos bleiben. Erst das Erlernen von Rechtschreibstrategien ermöglicht deren Anwendung beim Schreiben neuer, unbekannter Wörter und damit die Beherrschung der Rechtschreibung."

Das ist es wieder, das Herumhacken auf "Auswendiglernen" und die Vorliebe für "Strategien". In Wirklichkeit üben die guten Rechtschreiber einen Kernwortschatz ein und verfahren dann analogisch, unterstützt von ausgedehnter Lektüre. Von Strategien wissen sie nichts. Die Lehrer, die so etwas schreiben, befolgen ja auch keine Strategien, sondern müssen sich solche erst mühsam aus verfehlten Rechtschreibdidaktiken erarbeiten.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2014 um 07.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9944

Was haben die Grundschulen eigentlich bisher getrieben? Das fragt man sich wieder einmal, wenn man das Trara hört, mit dem die Kultusministerien die Wiederentdeckung der Rechtschreibung als Unterrichtsgegenstand feiern. Ehrlich wäre es, die Rechtschreibreform zu erwähnen, ohne deren verwirrende Folgen diese Wiederentdeckung nicht nötig und nicht möglich gewesen wäre. Aber das kann man von den Kultusministerien nicht erwarten, deren Tun ja weithin einer großen Illusionsschau ähnelt. Dort sitzen, ebenso wie in Staatsinstituten für Schulqualität (oder wie immer sie heißen mögen) Hunderte von ehemaligen Lehrern, die sich mit dem Ausstoß von belanglosen, aber überformulierten Texten wichtig tun.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2014 um 07.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9943

Nun hat also auch Hamburg seinen Basiswortschatz:

www.shz.de/hamburg/meldungen/hamburg-basiswortschatz-deutsch-wird-pflicht-id6756971.html

Die Verfasser der Handreichung konnten es nicht lassen, dem schlichten Unterfangen den üblichen Stuß beizufügen:

Die Wortschreibung ist im Deutschen an die Silbenstruktur geknüpft. Die
Schreibsilbe ist eine „informationsreiche, sprachliche Wissenseinheit“ (Hinney
(2010), S. 71).


"Informationsreich" ist nichtssagend, und eine "Wissenseinheit" ist die Silbe nur, wenn man sich der kognitivistischen Mystifikation anschließt.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.01.2014 um 08.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9771

Das Hamburger Abendblatt bringt einen weiteren Artikel über die Pläne des Senators, den Rechtschreibunterricht an den Schulen zu verbessern, dazu wieder einen lobenden Kommentar von Peter Ulrich Meyer. Die Rechtschreibreform wird nicht erwähnt, das ist tabu. (Wie im Rat für deutsche Rechtschreibung, der sein eigenes Hauptthema niemals erwähnt.)


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.12.2013 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9758

Das kann ich nicht beurteilen, aber bitte nicht den Rechtschreibwortschatz mit dem Grundwortschatz verwechseln! Diese Verwechslung hat schon viel unnütze Polemik hervorgerufen. Gewisse Untersuchungen haben ja ergeben, daß Erstkläßler etwa 6000 Wörter kennen, und da will die Schulbehörde nicht mehr als 700 abverlangen usw. – das hat tatsächlich vor Jahren mal die Gemüter sehr erregt.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.12.2013 um 17.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9757

Ohne "Bairischen Grundwortschatz" kann man nicht mehr alle Fernsehsendungen verstehen. Gelegentlich braucht man auch den "Österreichen Grundwortschatz".


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2013 um 17.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9756

Auch Hamburg will sich am bayerischen Rechtschreibwortschatz orientieren.

In keinem der Berichte wird die Rechtschreibreform erwähnt, das ist das große Tabu. Die Zeitungen sitzen im selben Boot wie die Schulbehörden.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.12.2013 um 12.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9755

Hamburg will jetzt auch einen gemeinsamen Rechtschreibwortschatz für die Grundschule einführen. Sonderbar, daß es den dort noch nicht gibt. In Brandenburg umfaßt er 700 Wörter und entspricht dem bayerischen:

http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/.../2011_11_25_GWS_1_WEB.pdf

Dort findet man neben anderem Didaktikergeschwätz auch folgenden Einleitungssatz:

Für einen kompetenten Umgang mit der Schriftsprache müssen, sowohl lesend als auch schreibend, bestimmte Kompetenzen erworben werden.

Ich übersetze: Um lesen und schreiben zu können, muß man lesen und schreiben lernen.

Wer hätte das gedacht!


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.12.2013 um 10.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9753

Wenn man Google nach "Zahl 72" fragt, findet man noch eine ganze Menge anderer Besonderheiten, z.B. daß 72 der ganzzahlige Anteil von 2 * (pi hoch pi) und auch von (pi * e) hoch 2 ist oder daß sich in 72 Jahren der Frühlingspunkt um genau ein Grad verschiebt. Aber die Regel mit der Zinsrechnung ist, zugegeben, die praktischste, kannte ich noch nicht.
Trotzdem ist die 72 keine Ausnahmezahl, denn wenn man nur lange genug sucht, findet man ähnlich Überraschendes für jede Zahl. Ich mag die 76, weil das Produkt von zwei beliebigen Zahlen, die auf 76 enden, immer wieder auf 76 endet (wie sonst nur bei 25 und trivialerweise bei 00 und 01).


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2013 um 08.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9752

Ein befreundeter Mathematiker fragt mich, was es mit der Zahl 72 auf sich habe. Nun, wenn man 72 z. B. durch die Inflationsrate teilt, kriegt man ungefähr heraus, nach wieviel Jahren das angelegte Geld nur noch die Hälfte wert ist. Damit kann man dann die Verzinsung vergleichen. Ich dachte, das macht jeder so, deshalb hatte ich auf eine Erläuterung verzichtet.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.12.2013 um 12.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9751

Zinseszinsrechnung kann ich auch nicht mehr, habe aber inzwischen die Zahl 72 verinnerlicht, von der ich wiederum in der Schule nichts gehört hatte, die ich aber jetzt praktisch jeden Tag anwende.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.12.2013 um 11.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9750

Nach meiner Lebenserfahrung braucht jeder Mensch das kleine Einmaleins, die Dreisatz-Rechnung, die Bruchrechnung (und das Bewußtsein, daß Dezimal- und Zinsrechnung nur Sonderfälle der Bruchrechnung sind und sich auf diese zurückführen lassen,) sowie die Fähigkeit, lineare Gleichungen mit einer Unbekannten aufzustellen und zu lösen. Wenn Grundschüler das Letztere dürften, könnten sie Textaufgaben viel leichter lösen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.12.2013 um 05.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9749

Ein gewöhnlicher Zeitgenosse weiß nichts von "Nachfolger", er weiß nur, wie man die nächste Zahl bildet. Dabei hält er sich an die auswendig gelernte Folge der Grundzahlen, nicht wahr? Darum kann er die Folge auch "im Schlaf" hersagen (zweitausendelf, zweitausendzwölf, ...)

Darum haben so viele Menschen auch Probleme damit, eine Textaufgabe (oder eben eine Aufgabe im täglichen Leben) in die berechenbare Form zu bringen. Ich zitiere in diesem Zusammenhang gern eine sehr einfache Aufgabe aus einem Grundschul-Lehrbuch:

Ein Radfahrer will in 7 Tagen 680 km weit fahren. Während der ersten 5 Tage schafft er täglich 92 km. Wie viele km muß er dann täglich mehr zurücklegen, wenn er jeden Tag die gleiche Strecke fährt?

Wenn erst einmal die berechenbare Formel gefunden ist, geht's in den meisten Fällen hurtig weiter. Die Variabilität der Textaufgaben verhindert jene Automatisierung. Gerade darum können Mathematiklehrer nicht darauf verzichten, denn sie wollen ja Einsicht, nicht Auswendiglernen fördern.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.12.2013 um 00.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9748

Was nützt ein mechanisches Rechnen, wenn man gar nicht weiß, was überhaupt gerechnet werden soll? Da ich gerade beim Skat war – angenommen, ein Spieler hat zum Schluß gegenüber den drei anderen folgenden Punktestand:
–215
+190
–320
Welche Zahl soll man nun von welcher anderen subtrahieren? Die negativen von den positiven oder umgekehrt? Man muß doch wissen, was man tut, was "subtrahieren" bedeutet, erst dann kann man "drei hin, eins im Sinn" überhaupt anwenden.

Jeder, der die natürlichen Zahlen auswendig kennt, weiß auch, daß die 9 genau um 1 größer ist als die 8 usw., er weiß, selbst wenn ihm das so nicht bewußt ist, daß jede Zahl genau einen Nachfolger und bis auf die 0 jede genau einen Vorgänger hat, daß es in der Folge keine Lücken gibt, daß jeder Abstand 1 ist. Damit ist doch schon ein gewisses Verständnis gegeben. Niemand kennt nur eine auswendig gelernte Zahlenfolge.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.12.2013 um 06.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9746

Da habe ich Zweifel. Unser intelligentes Verhalten ruht auf einem breiten Fundament von nichtintelligentem, gewohnheitsmäßigem. Die mathematischen Beweise, die uns in der Schule vorgeführt wurden, waren im Augenblick wohl einsehbar, aber diese Einsicht ist samt Beweis dann doch bald vergessen worden. Ein "mechanisches" Rechnen ("drei hin, eins im Sinn") ist geblieben.

Ganz elementar: Die Reihe der natürlichen Zahlen (ich drücke mich unmathematisch aus) existiert doch überhaupt nur als auswendig gelernte. Darauf bilden wir dann alles andere ab.

Das Dezimalsystem wird einfach benutzt, nie reflektiert.

Die meisten Menschen kommen mit babylonischer Mathematik durchs Leben, nur wenige brauchen die griechische.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.12.2013 um 23.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9745

Lehrer sollten bei 9jährigen nichts darauf geben, womit sie zufrieden sind. Auswendig gelernte, im Grunde rein mechanische Verfahren sind Halbwissen, das man auch schnell wieder vergißt. Ich habe subtrahieren nicht in der Schule, sondern beim Skat gelernt. In der Schlußabrechnung mußten Gewinne und Verluste genau aufgehen. (Natürlich haben wir in dem Alter nicht um Geld gespielt. Wer die meisten Punkte hatte, war einfach Sieger, das war Ansporn genug.)


Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.12.2013 um 16.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9741

Die Borgen-Methode können die Schüler nach der Grundschule gleich wieder vergessen, denn in der fünften Klasse lernen sie, von einem Minuenden mehrere Subtrahenden abzuziehen, und dafür taugt die Borgen-Methode überhaupt nicht. Folglich wird ihnen auf den weiterführenden Schulen als Erstes das Ergänzungsverfahren beigebracht. Nach einiger Übung ist das auch schneller, und Mathematiker suchen immer den kürzesten Rechenweg.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.12.2013 um 13.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9740

Ja, das wäre natürlich am besten. Aber nach meiner Erinnerung (und Erfahrung im Laufe der Schulkarriere von drei eigenen Kindern) ist es fast unmöglich. Die mathematisch Interessierten und Befähigten unterscheiden sich von den anderen so sehr wie vielleicht in keinem anderen Fach. Was den einen spannend vorkommt, ist für die anderen tödlich. Die Frage ist, ob man hier der Neigung und Begabung frühzeitig folgen oder darauf bestehen soll, daß mathematische Einsicht für jedermann unabdingbar ist.
Wie geht man mit musikalischem Talent um? Aber vielleicht ist das kein guter Vergleich, weil ein nennenswerter Musikunterricht ja kaum stattfindet. An meinen Kindern ist er sozusagen spurlos vorübergegangen, an mir eigentlich auch. Meine Jüngste spielt seit ihrem sechsten Lebensjahr Klavier, aber davon hat der Musikunterricht in der Schule keine Notiz genommen, und sie hatte auch keine Lust, es jemals zu erwähnen. So war eben die Atmosphäre. Die Lehrer und die Mitschüler haben es also in den 12 Jahren nicht erfahren. Dies nur als Beispiel, wie ein öder Schulunterricht und eine im Grunde doch gleichgerichtete private Betätigung (mit einem Durchhaltevermögen, das für Schulfächer nur höchst selten aufgebracht wird) nebeneinander herlaufen. Eine andere Tochter schriftstellert, aber ihre Deutschlehrer wären die allerletzten gewesen, an die sie mit ihrem Interesse herangetreten wäre. Die spöttelten schon, wenn sie erfuhren, daß das Mädchen Thomas Mann kannte und eben nicht nur die "Welle" und solchen Mist.


Kommentar von stefan strasser zu 701#9737, verfaßt am 05.12.2013 um 11.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9739

Liest man im Text des Grundschullehrplans Bayern nach, stellt man fest, die Verfasser trauen Schülern schon zu, die Logik von Rechenoperationen auch zu verstehen und dieses Verständnis auch sprachlich auszudrücken.

Im 3. Jahrgang werden im Lehrplan beide Subtraktionsverfahren angeführt, das Abziehverfahren wird mit Beispiel dargestellt, das Ergänzungsverfahren ohne.

Ich vermute, unter den 9jährigen gibt es solche und solche, die einen sind nur zufrieden, wenn sie die Logik verstanden haben und sind keineswegs überfordert, wenn sie mehr als eine mögliche Methode kennengelernt haben; die anderen sind froh, wenn sie "ein" Kochrezept erhalten, wie man vorgeht. Beide Gruppen sollte ein Unterricht bedienen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2013 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9738

Das ist eine interessante Frage. Da es um die Grundschule geht, dürfte mathematische Einsicht (hier in die logische Gleichwertigkeit verschiedener Rechenverfahren) einen großen Teil der Schüler überfordern. Bei den Grundrechenarten ist für den Durchschnittsschüler vielleicht das Einüben eines einzigen Verfahrens günstiger. Man erinnert sich an die Grundlegung der Mathematik in der Mengenlehre: mathematisch befriedigender, aber pädagogisch ein Irrweg. Die meisten Menschen brauchen praktisches Rechnen, nicht mathematische Einsicht. Sie werden daher entgegen den guten Absichten des Lehrers von sich aus auf den Mechanismus zurückgehen, weil sie die Aufgaben des Alltags (Einkaufen, Geld anlegen, also Bruchrechnen, Prozentrechnen, Zinsrechnung) sonst gar nicht bewältigen können. Im Gymnasium mag es anders sein, aber fünf Jahre nach dem Abitur ist nur bei einer Minderheit noch etwas hängengeblieben.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 03.12.2013 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9737

Ich war bisher der Meinung, Schulausbildung hat als Hauptzweck, die Schüler in den vermittelten Gegenständen kompetent zu machen. Neuerdings muß sowas offenbar speziell betont werden.

Nochmals zu SZ vom 2. 12. 13 "Umstrittenes Abziehverfahren bleibt"

Unter Kompetenz verstehe ich etwa, eine Subtraktion durchführen zu können. Dazu würde meiner Meinung nach gehören, einem Schüler beide Standardmöglichkeiten, also Ergänzungsverfahren und Entbündelungsverfahren, zu erklären und es dem Schüler zu überlassen, welche Methode ihm besser liegt. Logisch sind beide identisch, der Übertrag wird entweder auf den Minuend subtraktiv oder auf den Subtrahend additiv weitergerechnet. Gerade das formale Bestehen auf einer einzigen Methode scheint mir nicht das zu sein, was ich unter Kompetenzorientierung verstehe!


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 03.12.2013 um 14.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9736

Was ist bei kompetenzorientierten Lehrplänen anders als bei den bisherigen, offenbar nicht kompetenzorientierten?

SZ-Artikel vom 2.12.13: „Es geht uns vor allem darum, nicht Fehler in der Vordergrund zu stellen, sondern intelligentes Wissen zu vermitteln“, […] Klingt modern, hieße im Umkehrschluß allerdings, bisher wurde unintelligentes Wissen vermittelt und Fehler standen im Vordergrund!?

"Es ist nicht wichtig, dass Kinder alle Verkehrsschilder kennen. Sie müssen verstehen, was sie bedeuten." Das ist in der Tat bahnbrechend! Bisher wurden Verkehrsschilder offenbar nur als bedeutungslose Grafiken vermittelt, jetzt neuartig sollen sie im Unterricht auch Funktionen bekommen, wem das wohl eingefallen ist?

Frage: Haben denn die vermittelten Kompetenzen die gleichen Namen wie die Unterrichtsfächer oder werden ganz neuartige zusätzliche Kompetenzen vermittelt? Ohne diese Information hängt der an Kompetenzorientierung interessierte Leser doch ziemlich in der Luft.

Möglicherweise ist die Kompetenzorientierung aber auch nur ein Zeitgeistattribut der Didaktiker, um ihr Wirken zu dokumentieren und damit ihr Dasein zu rechtfertigen …


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.12.2013 um 07.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9734

Bayern stellt seinen neuen Grundschullehrplan vor. Er sei "kompetenzorientiert". Anscheinend waren Lehrpläne bisher nicht kompetenzorientiert, d. h. was die Schüler am Ende konnten, war gleichgültig. Ich kann mich nicht erinnern, daß es tatsächlich so war.

Ein zentraler Punkt stellt daher auch der Bereich Schrift dar. In Deutsch müsse noch mehr Wert darauf gelegt werden, dass Kinder von Beginn an richtig schreiben, sagt Wilhelm. "Fehler werden daher künftig schon früher korrigiert. Die Kinder sollen noch früher lernen, Silben richtig zu schreiben", sagt Wilhelm. Die Grundschrift, eine vom Grundschulverband entwickelte Variante der Druckschrift, die in mehreren Bundesländern erprobt wird, werde es indes auch künftig in Bayern nicht geben, sagt Spaenle: "Bayern favorisiert die Ausgangsschrift", also eine Form der Schreibschrift. (SZ 2.12.13)

(Der Grammatikfehler am Anfang ist weithin üblich, eine Folge des Synonymenzwangs: "darstellen" statt "sein", aber der Nominativ wird beibehalten.)


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.11.2013 um 15.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9724

Auch die begrenzten Rechtschreibwortschätze der Schule (800 bis 1000 Wörter) können nicht in nennenswertem Maße als motorische Programme eingeübt werden, sondern werden unter Kontrolle durch das Auge geschrieben (um es mal kurz und ungenau auszudrücken). D. h., man schreibt so, daß es "richtig aussieht", also vertraut, also so, wie man es gelesen hat.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.11.2013 um 15.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9723

Entweder man läßt die Schüler Tausende verschiedene Wörter lernen oder zeigt ihnen, daß es Wortfamilien gibt, in denen aus einer Wortwurzel sehr viele verwandte Wörter abgeleitet sind. Natürlich gibt es auch einige isolierte oder dissoziierte Wörter, die man speziell lernen muß. Ich sehe Sprache als Baukasten, und ich glaube, Kinder würden das gerne auch so sehen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.11.2013 um 10.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9722

"Ganz genau so?" Damit es nicht ein Streit um Worte wird, möchte ich bloß wiederholen, daß die Kenntnis einer Wortschreibung aufgrund von Lesen (Gesehenhaben) meiner Ansicht nach etwas vollkommen anderes ist als die Beherrschung einer motorischen Fertigkeit durch Üben. Natürlich kann man alles unter "Üben" subsumieren, aber das ist dann kein besonders nützlicher Begriff mehr.
Üben ist, wenn man dreißigmal MAMA schreibt oder dreißigmal die C-Dur-Tonleiter aufwärts und abwärts spielt. Aber die wenigsten Schreibweisen werden auf diese anderswo durchaus sinnvolle Weise eingeübt. Man schreibt nicht dreißigmal widerspiegeln, Kammmolch, pleitegehen oder verwandt, nicht wahr? Wenn wir uns darauf einigen können, dann sind wir auch einig, daß die "Übungsaufgaben" jeweils verschieden gestellt werden müssen, und das ist dann doch praktisch ziemlich wichtig.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 24.11.2013 um 09.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9721

Wieso ist das "offensichtlich falsch"? Rechtschreiben muß geübt werden, ganz genau so wie das Spielen eines Instrumentes oder das Fußballspielen. Nichts anderes sagt die Lehrerin.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2013 um 06.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9720

„Rechtschreiben muss trainiert werden wie Klavierspielen oder Fußball.“

Offensichtlich falsch. Das bloße Schreiben erfordert am Anfang das Einüben einer motorischen Fähigkeit, aber das Rechtschreiben kommt in der Hauptsache vom Lesen. Natürlich muß der Lehrer darauf bestehen, daß so geschrieben wird, wie man es gelesen hat, also wie die anderen schreiben. Aber wer mit dem Stift richtig schreiben kann, kann es auch mit der Tastatur, und er kann sogar Korrektur lesen, obwohl all diese Dinge motorisch ganz verschieden sind. Wie wäre es mit "Schreiben durch Lesen"?


Kommentar von www.zvw.de, 22. November 2013, verfaßt am 22.11.2013 um 21.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9719

Schorndorf
Methoden gegen die Rechtschreibkatastrophe

Schorndorf und Umgebung. „Die Rechtschreip-Katerstrofe“ – so titelte unlängst „Der Spiegel“ und gab der Methode „Lesen durch Schreiben“ die Schuld am sinkenden Rechtschreib-Niveau. Doch so einfach ist’s nicht, wehren sich Grundschullehrerinnen und -lehrer aus Schorndorf, die Erstklässler auch erst mal ganz kreativ drauflosschreiben lassen. Schließlich berichten auch Anhänger der klassischen Fibel-Methode von schlechter werdenden Rechtschreibfähigkeiten.

(siehe www.zvw.de/inhalt.schorndorf-methoden-gegen-die-rechtschreibkatastrophe)

(Ende des Textes:)

Die in den Klassen 5 und 6 der beiden Schorndorfer Gymnasien Deutsch unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer sind sich nicht einig, ob und inwieweit die in verschiedenen Grundschulen angewandten Methoden die spätere Rechtschreibung beeinflussen. Sie sind sich aber einig und beschreiben’s als das grundlegendere Problem, dass Rechtschreibung heutzutage einen geringeren Stellenwert hat und weit weniger wertgeschätzt wird, als das bei früheren Schüler- und Lehrergenerationen der Fall war. Und da kommen dann, unabhängig von der Methode, die Grundschullehrerinnen und ihre wenigen männlichen Kollegen ins Spiel. „Es kommt mehr auf die Lehrerpersönlichkeit an als auf die Methode“, glaubt Deutschlehrerin Katharina Loheide vom Max-Planck-Gymnasium, die genauso wie ihre Kollegin Saskia Waiblinger vom Burg-Gymnasium zu wissen glaubt, dass für jüngere Kolleg(inn)en an den Grundschulen eine gute Rechtschreibung weniger wichtig ist als für ältere. Entscheidend aus Sicht von Katharina Loheide, die am MPG einen von immerhin 17 Schülerinnen und Schüler besuchten Deutsch-Förderkurs betreut, ist, wie sehr Rechtschreibung geübt wird, denn: „Rechtschreiben muss trainiert werden wie Klavierspielen oder Fußball.“

Rechtschreiben gilt als unfein

Die unterschiedlichen Methoden, wie Rechtschreibung (und übrigens auch Schreiben) heute gelehrt und gelernt werden, fasst Lothar Klering (MPG) so zusammen: „Keine Grundsätze, viele individuelle Ansätze.“ Und die Opfer solcher Trends an den Gymnasien sind Schüler und Lehrer gleichermaßen. Die Lehrer, die, wie Noreen Aehlich-Bleßmann (BG) sagt, zur Korrektur eines von einem Fünftklässler geschriebenen Aufsatzes mittlerweile genauso lange brauchen wie zur Beurteilung eines Zehntklässler-Aufsatzes. Und sich dann noch, wie Dorothea Schlink-Zykan ergänzt, vor die schwierige Entscheidung gestellt sehen, was sie denn bei der Note abziehen sollen bei einem eigentlich gut und fantasievoll geschriebenen Aufsatz, der vor Rechtschreibfehlern strotzt. „Ich kann nicht eine 1 oder 2 geben, wenn ein Aufsatz voller Fehler ist“, sagt die Pädagogin in Übereinstimmung mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom MPG, die auch wissen, dass sie bei diesem von der Schulleitung gedeckten Verhalten – „Es ist kein unfreundlicher Akt, die Note in solchen Fällen zu ändern“, sagt Fachschaftsleiter Eckehard Ermert - nicht nur bei den Schülern, sondern auch bei vielen Eltern auf Unverständnis stoßen. Er vermisse „die Motivation, Fehler abzustellen“, sagt Ermert, der immer wieder feststellt: „Es gilt als unfein, sich mit Rechtschreibung zu befassen.“ Was ein Problem spätestens beim Abitur werden kann, weil dort, wie Ermert zu bedenken gibt, der Rechtschreibung künftig wieder mehr Gewicht gegeben werden soll. Was wiederum im krassen Widerspruch dazu steht, dass, wie Ermerts Fachschaftsleiterkollege Harald Bay vom BG berichtet, eine extreme Rechtschreibschwäche in Klasse 5 und 6 auch ohne per Attest nachgewiesene Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) nur einen bedingten Einfluss auf die Note haben darf, während das von Klasse 7 an ohne besagten Nachweis nicht mehr gilt. Aber: „Bei vielen tut sich was nach der Pubertät“, sagt Bay aber auch und bestätigt die Feststellung seiner Kollegen vom MPG, wonach die Rechtschreibung – von Grammatik gar nicht zu reden – in den Klassen 8, 9 und 10 den niedrigsten Stellenwert hat. Der ist fast so niedrig wie der Stellenwert des muttersprachlichen Unterrichts in Deutschland. Und der, sagt Ermert, ist so niedrig wie in keinem anderen europäischen Land.

Trend zur Sprachvereinfachung

„Die Schwachen sind schwächer als früher und die Schere zwischen denen, die gut, und denen, die schlecht rechtschreiben, geht weiter auseinander“, fasst Katharina Loheide ihre Erfahrungen zusammen. Was zur Folge hat, dass sich Deutschlehrerinnen und -lehrer auch ein Stück weit von ihren Idealen verabschieden und teils selbstkritisch, teils resignierend feststellen, dass sie ihre Ansprüche herunterschrauben und zum Beispiel Diktate gezielt vereinfachen (müssen). Erst recht, wenn es ihnen nicht gelingt, ihre andere Fächer unterrichtenden Kollegen dazu zu bringen, Rechtschreibfehler wenn schon nicht zu werten, dann doch wenigstens anzustreichen. Manche tun’s, andere nicht. Wie weit der Trend zur Sprachvereinfachung schon fortgeschritten ist, zeigt ein Blick auf die Fremdsprachen. Auch da kommt’s inzwischen nicht mehr drauf an, dass jedes Wort und jede Endung richtig geschrieben sind und jeder Akzent sitzt, auch da wird bei der Notengebung schon unterschieden zwischen relevanten und nicht relevanten Fehlern.


Kommentar von R. M., verfaßt am 09.11.2013 um 19.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9672

Im Rheinland sagt man »Fluchzeuch«.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 09.11.2013 um 14.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9671

Warum noch niemand auf die Idee kam, Schwimmen, Radfahren, Autofahren oder Schachspielen nach dem Prinzip „Lesen durch Schreiben“ zu vermitteln? Vermutlich deshalb, weil bei konsequenter Vorgangsweise Ersoffene, Verunfallte und total Schachunkundige absehbar wären …

Üblicherweise erlernt doch nicht nur der Mensch all seine Basisfähigkeiten durch Nachahmung nach Vorbild. Der Nachahmer versucht dabei, das Vorbild möglichst gut zu kopieren und das Vorbild achtet auf Fehler beim Nachahmer und bessert sie ggfs. aus. Das ist angeboren, dazu braucht man keine Didaktiker.

Die Frage daher, wieso soll es ausgerechnet beim Schreiberwerb ganz anders sein?

Oder gibt es tatsächlich eine der Methode „Lesen durch Schreiben“ äquivalente Lehrmethode in irgend einer anderen Disziplin?


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 09.11.2013 um 08.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9670

Nehmen wir das Wort Butter.

Nehmen wir doch einmal ein ganz anderes Allerweltswort, das fast ausschließlich aus Rechtschreibfallen besteht: Flugzeug.

Viele Kinder, vor allem wenn deren Artikulationsfähigkeit noch nicht voll ausgebildet ist, neigen dazu, ein anlautendes "f" (ich erspare mir hier die phonetische Transkription) als "pf" zu sprechen: "pfür", "pfort" usw., und wenn man heutzutage Radio hört, dann stellt man fest, daß viele dies bis ins Erwachsenenleben beibehalten. Ein gutes Beispiel ist die amtierende Bundesfamilienministerin.

Der Übergang vom "f" bzw. "pf" zum aleovolaren "l" ist ebenfalls schwierig, und viele Kinder sprechen so etwas wie "pfnug". Es dauert eben ein wenig, bis die Nachahmung rein mündlich funktioniert.

Als nächstes kommt der lange Vokal "u". Bekanntlich gibt es im Deutschen mehrere Möglichkeiten, die Vokallänge in der Schrift anzuzeigen, und häufig wird sie überhaupt nicht markiert. Beim Buchstaben u kommt ein lernendes Kind noch relativ glimpflich davon, denn die einzig wahrscheinliche Längenmarkierung wäre ein folgender Buchstabe h. Das setzt natürlich voraus, daß Kinder in der Lage sind, all die Regeln zu befolgen, die den Reformern so wichtig waren.

Aber weiter im Text bzw. Wort: Auf das lange "u" folgt, gesprochen, die Auslautverhärtung, also k oder ck? Keineswegs, denn hier greift das Stammprinzip: g.

Die meisten Kinder und viele Erwachsene durchschauen Zusammensetzungen in Allerweltswörtern wie "Flugzeug" nicht, weshalb nach dem ersten Bestandteil der Zusammensetzung die nächste Falle lauert: ds, s, ts, tz oder z? Ginge es nach den Reformern, müßte man dazu Regeln lernen.

Im Fortgang wird es nicht leichter für die regelgeplagten Kleinen: eu, äu oder oi? Oder aber etwas, das sich die Reglementierer nicht vorstellen wollten, aber tagtäglich in deutschen Klassenzimmern geschrieben wird?

Am Ende der Rechtschreibfalle "Flugzeug" steht wieder die in der Schriftsprache ignorierte Auslautverhärtung.

Meine (rhetorische) Frage an die Didaktiker: Ist es nicht leichter, die Schreibweise eines Wortes einzuüben und zu memorieren, anstatt von Regeln auszugehen?


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2013 um 07.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9669

Buchstabensuppe kann ein Anreiz sein, sich mit dem Alphabet zu beschäftigen, daher ja auch das satirische Schächtelchen "Dudelsuppe" (in Duden-Aufmachung), das ich noch in meinem Wörterbuchregal habe (woher eigentlich?)

In einer Besprechung des neuen Buches von Amos Oz erinnerte die ZEIT kürzlich an einen jüdischen Brauch:

"Nach uralter jüdischer Tradition bekommen in Israel die Erstklässler von ihren Lehrern am ersten Schultag Kuchen oder Schokolade. Eine Geste, die anknüpft an ein altes Ritual aus Diasporazeiten. Da durften die Kinder Honig von der Tafel schlecken, als Zeichen, dass sich das Studium der heiligen Buchstaben als genauso süß erweisen würde." (ZEIT 2.10.13)

Das war mir auch bekannt, und irgendwo hatte ich auch gelesen, daß das beliebte "Russisch Brot" auf solche Bräuche zurückgeht. Als Unterrichtsmittel könnte Russisch Brot gut verwendet werden, und nebenbei könnte man was für die Firma Bahlsen tun, natürlich abzüglich Mengenrabatt für das Kultusministerium.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2013 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9668

(Die peinliche Nichterwähnung der Rechtschreibreform hat schon wieder was Erheiterndes.)

Steinig benennt selbst das methodische Problem mit Aufsatztexten anstelle der hier offenbar zwingend gebotenen Diktate:

"Wenn ich auf Nummer sicher gehen will, schreibe ich häufiger Wörter, die ich kann, zum Beispiel Haus und nicht Bungalow. Wenn Fehler nicht so wichtig sind, traut man sich eher an seltene Wörter."

So läßt sich also entgegen der Behauptung gar nicht feststellen, ob der Wortschatz der Schüler größer geworden ist.

Dasselbe kennen wir aus dem Fremdsprachenunterricht: Man beschränkt sich auf die sicher beherrschten Wörter. Eine systematische Verzerrung der Fehlerdiagnose.

Muss die Schule dennoch zurück zum klassischen Fibelunterricht?
Nein, es kann kein Zurück in die Methodik der siebziger Jahre geben, wo oft so lange geübt wurde, bis man die Wörter nicht mehr sehen konnte.


War das nicht die Zeit der Ganzwortmethode beim Lesenlernen? Die Formel "Es kann kein Zurück geben" wird oft sehr pauschal angewandt, und der Fortschritt hat bekanntlich das Eigentümliche an sich, daß er größer ausschaut, als er ist. Aber gerade darauf bauen die Pädagogikprofessoren ihre Existenzberechtigung.

Noch einmal: Wir haben alle ziemlich schnell und sicher lesen und schreiben gelernt, obwohl das damals keineswegs die ganze Unterrichtszeit ausfüllte. Wenn früher die Ergebnisse besser waren, wie Steinig ja selbst feststellt, warum sollte man dann die früheren "Methoden" perhorreszieren?


Kommentar von Thüringer Allgemeine, 8. Oktober 2013, verfaßt am 08.11.2013 um 21.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9667

Wolfgang Steinig: "Die Schule muss Kindern mehr zutrauen"

Der Germanist Wolfgang Steinig zum richtigen Weg, schreiben zu lernen, zur Nachsicht bei Rechtschreibfehlern und zu den Erwartungen an gute Lehrer.


Machen Schüler im Jahr 2012 in der vierten Klasse mehr Rechtschreibfehler als Kinder, die früher in Klasse vier lernten?

Ja, zu diesem Ergebnis kommen wir in unserer Studie zum Schreibsprachwandel an der Grundschule über 40 Jahre, die übrigens weltweit einmalig ist.

Wie viele Fehler sind es denn?

Im Jahr 2012 sind es rund 16 Rechtschreibfehler auf hundert Wörter. Im Jahr 2002 waren es ungefähr zwölf und im Jahr 1972 nur rund neun Fehler.

Wie haben Sie das herausgefunden?

Ich habe einen kleinen Film von zwei Minuten Länge gedreht. Darin streiten Kinder um eine Puppe, eine Frau greift ein. Diesen Film haben annähernd tausend Viertklässler angeschaut und dann dazu einen Text geschrieben. Im Jahre 2002 wiederholten wir das in vierten Klassen an denselben Schulen wie 1972 und noch einmal 2012, wobei da noch vier Schulen hinzu kamen. Die Texte haben wir ausgewertet.

Können Sie denn die deutliche Zunahme von Rechtschreibfehlern erklären?

Da muss man vorsichtig sein, es gibt nicht nur einen Grund.

Welcher ist für Sie der wichtigste?

Die größere Toleranz gegenüber diesen Fehlern beim Lernen ab der ersten Klasse. Kinder lernen, was von ihnen gefordert wird. Sollen sie nach Gehör schreiben, entstehen recht früh bereits längere Texte. Wenn man sich nicht um die Rechtschreibung kümmern muss, ist das sehr angenehm. Man schreibt munter drauflos.

Aber spätestens ab Klasse drei wird Rechtschreibung plötzlich ganz wichtig. Die Kinder wundern sich, dass nun überall so viel Rot in ihren Heften ist. Die Motivation geht dann in den Keller. Es fällt schwer, ihnen nach dem unbeschwerten Schreiben nach Gehör plausibel zu machen, warum die Rechtschreibung jetzt aber unbedingt beachtet werden muss. Viele haben sich auch Falschschreibungen eingeprägt und müssen nun mühsam umlernen.

Verteufeln Sie das Lernen mit der Anlauttabelle?

Nein, das tue ich nicht. Es gibt einige wenige gute Anlauttabellen, mit denen die Kinder in den ersten Schulwochen erkennen können, dass es einen Bezug zwischen Lauten und Buchstaben gibt. Nur: Wenn man länger damit arbeitet, erkennen Kinder nicht, dass man nur wenige Wörter genau so schreiben kann, wie man sie hört.

Nehmen wir das Wort Butter. Nach dem Gehör würde man buta schreiben, denn man hört nicht, dass das Wort groß geschrieben wird, man hört auch nicht das doppelte t und auch die Endung -er kann man nicht hören. All das muss man lernen und kann nicht früh genug damit anfangen.

Damit das leichter geht, sprechen Lehrer an der Grundschule in einer etwas überbetonten Pilotsprache. Wie finden Sie das?

Mit der Pilotsprache versucht man, jeden Laut übernatürlich deutlich zu sprechen. Aber wie wollen Sie das mit einem Wort wie Butter machen? Wenn Sie das u deutlicher sprechen möchten, wird es automatisch lang, so wie das u in Bude. Und das t könnten Sie sowieso nicht zweimal sprechen. Wer das macht, meint den Kindern eine Eselsbrücke zu bauen, aber diese Brücke ist bei vielen Wörtern sehr wackelig.

Gibt es trotz der Fehler wenigstens einen Grund zur Freude?

Unbedingt. Zwar machen die Viertklässler 2012 mehr Fehler als die Viertklässler 1972, aber der Wortschatz ist deutlich gewachsen. Die Kinder schreiben kreativer. Vor allem Kinder aus bildungsstarken Familien haben hier einen großen Sprung nach vorne gemacht. Wenn ich auf Nummer sicher gehen will, schreibe ich häufiger Wörter, die ich kann, zum Beispiel Haus und nicht Bungalow. Wenn Fehler nicht so wichtig sind, traut man sich eher an seltene Wörter.

Werden seit 40 Jahren immer wieder die gleichen Rechtschreibfehler gemacht?

Nein, auch die Art der Fehler hat sich verändert. Die Fehler in der Großschreibung und bei der Konsonantenverdopplung wie im Wort Butter haben unverhältnismäßig stark zugenommen, teilweise sind sie um das Fünffache gestiegen. Das geschieht sicher nicht, weil die Kinder in den letzten 40 Jahren dümmer geworden sind, sondern weil ihnen dies nicht ausreichend vermittelt wurde.

Die Zahl der Fehler bei Wörtern und Buchstabenfolgen, die man nach Gehör korrekt schreiben kann, Wörter wie gut und rot, hat sich in den letzten zehn Jahren nicht erhöht. Kein Wunder, denn so lernen es viele Kinder ja mit der Anlauttabelle.

Muss die Schule dennoch zurück zum klassischen Fibelunterricht?

Nein, es kann kein Zurück in die Methodik der siebziger Jahre geben, wo oft so lange geübt wurde, bis man die Wörter nicht mehr sehen konnte. Aber der Deutschunterricht sollte beim Schreiben nach orthografischen Regeln von Anfang an konsequent sein. Er muss den Kindern mehr zutrauen.

Rechtschreibung müssen Kinder lernen, sie wird nicht mühelos erworben wie das Sprechen. Es ist eine Kulturtechnik, die man am besten lernt, wenn sie von Anfang an von einer kompetenten Lehrerin vermittelt wird. Und das muss keineswegs ein langweiliger Drill sein.

Gibt es im Hinblick auf die soziale Herkunft Unterschiede bei den Rechtschreibfehlern?

Ja. Wir unterscheiden hier drei Gruppen: Kinder aus der unteren Schicht, der unteren Mittelschicht und der oberen Mittelschicht. Bei allen drei Gruppen haben die Fehler zugenommen. Aber 1972 gab es kaum Unterschiede zwischen den sozialen Schichten. Das war schon 2002 deutlich anders. Und im Jahr 2012 machten Viertklässler aus der unteren Schicht im Schnitt knapp 19 Rechtschreibfehler, die aus der unteren Mittelschicht knapp 15 Fehler und die aus der oberen Mittelschicht reichlich 11 Fehler.

Auch beim Wortschatz geht die soziale Schere auseinander. Kinder aus unteren Sozialschichten schreiben weniger flexibel und interessant.

Würden Sie so weit gehen, zu sagen: Das Auseinanderdriften der Gesellschaft zeigt sich bereits in der Rechtschreibung?

Ja, ganz eindeutig! Die soziale Schere öffnet sich nicht nur im Ökonomischen, sondern auch in der Kultur. Um an unserer Schriftkultur partizipieren zu können, sollte man die Rechtschreibung beherrschen. Hier besteht die Gefahr, dass Menschen aus bildungsfernen Schichten abgehängt werden.

Muss Schule da nicht entgegenwirken?

Unbedingt. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Nach unseren Beobachtungen bekommen Kinder, die rasch kleine Texte schreiben, oft mehr Aufmerksamkeit als Klassenkameraden, die nur mühsam wenige Wortruinen zu Papier bringen. Das unterscheidet sich nicht sehr vom Sportunterricht, wo eigentlich wesentlich intensiver mit Kindern gearbeitet werden müsste, die bereits bei der zweiten Kniebeuge ins Schwitzen geraten, gewöhnlich aber sportlichen Kindern größere Aufmerksamkeit zuteil wird.

Erwarten Sie von den Lehrern da nicht zu viel?

Nein, wenn ein Kind schwach ist, dann muss es wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Förderung bekommen als starke Kinder. Die Lehrperson entscheidet über die Qualität des Unterrichts. Sie muss die Starken fordern und die Schwachen fördern. Es darf nicht länger von der sozialen Herkunft der Familie abhängen, wer gut und wer schlecht ist.

Leider begünstigt unser selektives Schulsystem eine fatalistische Haltung: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen, als ob das ein Naturgesetz sei.

Wie meinen Sie das?

Wenn ein Kind in der Grundschule schwach ist, wird es oft nicht intensiv genug gefördert. Denn es gibt ja schließlich ab Klasse fünf eine Schule für die Schwächeren und eine Schule für die Stärkeren. Da wird einfach selektiert und man ist das Problem los. Aber das ist, gesellschaftlich gesehen, die schlechteste Lösung.

Ein Lehrer darf seine Schwachen nie abschreiben, er muss sich darum mühen, dass die Starken die Schwachen mitziehen. In Finnland wird für jedes schwache Kind im Kollegium ein spezielles Förderprogramm entwickelt, damit es nicht abgehängt wird.

Wie sollte ein guter Lehrer denn sein?

Er muss durchsetzungsstark und zugleich sensibel sein und eine stabile Psyche und Gesundheit haben. Wichtig ist eine hohe fachliche und didaktische Kompetenz. Und er sollte viel Humor haben. Er übt einen der anstrengendsten und anspruchsvollsten Berufe aus, die es gibt.

Viele Lehrer klagen wegen der Überlastung oder werden krank.

Viele Lehramtsanwärter machen sich überhaupt nicht klar, was dieser Beruf bedeutet. Manchen fällt kein anderes Studium ein, da werden sie dann Lehrer. Diesen Beruf meinen sie zu kennen, aber das ist ein Irrtum. Universitäten und Schulbehörden müssen stärker darüber nachdenken, wer für diesen Beruf überhaupt geeignet ist. In Finnland werden die besten Abiturienten nicht Arzt oder Jurist, sie werden Lehrer.

Schüler simsen, mailen und chatten immer früher. Haben die neuen Medien Einfluss auf die Rechtschreibung?

Dieser Einfluss ist noch nicht eindeutig nachzuweisen. Eine neuere Untersuchung mit schweizerischen Schülern aus der Sekundarschule ergab keinen Zusammenhang. Sie wussten genau zu unterscheiden, ob sie privat mit elektronischen Medien oder einen Aufsatz in der Schule schreiben.

Aber sie schrieben schon verschieden. Was ist in elektronische Medien bei der Rechtschreibung anders?

Das kommt auf den Bereich an: Eine Kurznachricht per SMS, Mail oder Chat kann durchaus Tippfehler vertragen. Aber wer eine nicht private Mail schreibt oder eine eigene Homepage erstellt, sollte tunlichst darauf achten, dass er sich nicht durch dumme Fehler lächerlich macht. Das gilt auch für Online-Bewerbungen oder bestimmte Börsen im Internet. Wer fehlerhaft schreibt, hat bei Elitepartner sicher keine Chance.


Warum die Studie auch für Thüringen gilt

Die Bildung steht unter Länderhoheit. Schule unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland daher schon etwas. Das ist bekannt und in den Fähigkeiten der Schüler, die regelmäßig verglichen werden, auch bestätigt.

Daher könnte man leicht meinen: Was die Forscher in Siegen über Grundschüler in Nordrhein-Westfalen heraus fanden, gilt vielleicht kaum für Thüringen. Es gilt auch für Thüringen wie übrigens für ganz Deutschland. Alle Kinder sollen schließlich so viele Wörter wie möglich, Sätze und Texte in ihrer Muttersprache richtig schreiben können. Letzten Endes unterscheiden sich die

Lehrpläne kaum in den Lernzielen und angestrebten Fähigkeiten. Das macht ein Vergleich deutlich. Die Erwartung an Kinder, die das zweite Schuljahr abschließen, ist nach dem Lehrplan von Nordrhein-Westfalen, dass sie "formenklar und flüssig in Druckschrift schreiben sollen".

Im Thüringer Lehrplan steht für Schüler am Ende der Klasse zwei als erwartete Grundleistung: "flüssiges, formklares und leserliches Schreiben in der Druckschrift". Am Ende von Klasse vier ist das Kompetenzziel nach dem Lehrplan in Nordrhein-Westfalen: "Die Schüler schreiben flüssig in einer gut lesbaren, verbundenen Handschrift."

Von Thüringer Kindern wird am Ende der vierten Klasse "eine gut lesbare, individuelle Handschrift" erwartet. Damit ist offen gehalten, ob es eine Schreibschrift, also ebenfalls eine verbundene Handschrift sein soll, oder ob die je nach Können veränderte Druckschrift ausreicht.

(www.thueringer-allgemeine.de)


Kommentar von news aktuell / Stern TV, 24. Oktober 2013, verfaßt am 08.11.2013 um 21.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9666

Trotz schlechter Leistungen deutscher Schüler: Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verteidigt im Streitgespräch bei stern TV moderne Lehrmethoden der Rechtschreibung

"Die modernen Methoden sind gut, weil sie die Kinder dort abholen, wo sie stehen", sagt Marlis Tepe live bei stern TV. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft machte im Gespräch mit Steffen Hallaschka deutlich, dass Kinder heute mit sehr unterschiedlichem Vorwissen in die Schule kommen: "Die einen können schon lesen, die anderen kaum sprechen", sagte sie. Und deshalb sei die Art, wie Kindern heutzutage Rechtschreibung beigebracht wird, genau richtig. "Man hat nach einer Methode gesucht, die alle abholt"

Thema der Sendung war das sogenannte "Lesen durch Schreiben"-Prinzip, das der Schweizer Reformpädagoge Jürgen Reichen entwickelt hat. Es sieht vor, dass Kinder beim Einstieg in die Schriftsprache keine Regeln lernen, sondern ausschließlich so schreiben, wie sie hören und sprechen. Wie ein Wort wirklich geschrieben wird, spielt zunächst keine Rolle. Auch Fehler werden in der ersten Zeit nicht korrigiert.

Zu Gast zu diesem Thema war auch der CDU-Politiker Henryk Wichmann, der vor kurzem mit Entsetzen feststellen musste, dass seine zehnjährige Tochter überhaupt nicht in der Lage ist, orthographisch richtig zu schreiben. "Mit dieser Methode wird die Schere in der Klasse noch weiter auseinandergehen", sagt er im Studiogespräch bei stern TV. "Die Methode gehört mindestens eingeschränkt, wenn nicht verboten."

Kinder schreiben immer schlechter

stern TV hatte zuvor darüber berichtet, dass die Leistungen von Schülern in Rechtschreibung in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen haben: Laut einer Langzeitstudie der Universität Siegen machten Viertklässler vor 40 Jahren sieben Fehler bei 100 geschriebenen Wörtern. Im Jahr 2012 waren es mehr als doppelt so viele - nämlich durchschnittlich 16 Fehler.

Seit den 1990er Jahren wird das umstrittene "Lesen durch Schreiben"-Prinzip an deutschen Schulen eingesetzt. Inzwischen sehe man die Folgen bereits an den Universitäten, sagt Dr. Peter Kruck, der an der Ruhr-Universität Bochum lehrt. Er bemängelt, dass immer mehr Studenten die Orthographie nicht richtig beherrschen. Bei stern TV berichtet er von "haarsträubenden Fehlern in den Haus- und Examensarbeiten" seiner Studenten. Und: "Wir haben ein Riesenproblem in der Lehrerausbildung. Die stehen am Ende ihres Studiums da und sagen: Wir haben keinen Plan, wie Rechtschreibung funktioniert", so Kruck. "Die meisten Lehramtsstudenten schaffen es nicht, zwei bis drei Sätze fehlerfrei zu schreiben."

(www.finanznachrichten.de)


Kommentar von NDR Fernsehen, 28. Oktober 2013, verfaßt am 08.11.2013 um 21.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9665

"Willkommen im Chaos"

Wie sollen Kinder Rechtschreibung lernen?
von Melanie Thun

Richtig schreiben und lesen lernen in der Grundschule - das war einmal. Eine Rechtschreibkatastrophe - die haben wir angeblich. "Die neue Schlechtschreibung", "Grundschüler im Feldversuch", "Ein bildungspolitischer Skandal" schreibt die Presse. Was ist da los?

"Lesen durch Schreiben" heißt die Methode, nach der Kinder heute häufig unterrichtet werden. Ausgedacht hat sie sich Jürgen Reichen, ein inzwischen verstorbener Reformpädagoge aus der Schweiz. Er wollte vor allem eins: weniger belehren. "Es gibt natürlich eine Menge von Kindern, die eigentlich klüger sind als ihre Lehrerinnen und Lehrer", sagte er 1992. Deshalb entwickelte Reichen eine Methode, bei der Kinder sich das Lesen und Schreiben selbst beibringen: mit der sogenannten Anlauttabelle, einer Buchstaben-Tabelle mit Bildern. Lesen sollen die Kinder dabei auch automatisch lernen.

Wie funktioniert Lesen durch Schreiben?

"Ganz genau weiß kein Mensch, wie die Methode funktioniert, warum es auf einmal geht", sagt Lehrerin Conni Kastel. "Aber es ist tatsächlich so, dass die Kinder über das ständige Abhorchen von Wörtern, über das Isolieren von Lauten und Hinschreiben auf einmal Lesen können." Zu "furchtlosen Schreibern" sollen die Kinder herangezogen werden. Daher wird erst einmal nur korrigiert, wenn hörbare Wort-Teile fehlen. Sonne mit einem "n": Das ist erst einmal in Ordnung.

Genau so etwas ist Astrid Schulz-Evers ein Dorn im Auge. "Wir bekommen Berichte, dass viele Eltern zu Hause doch helfen, korrigieren, versuchen, dem Kind das richtig zu zeigen", sagt die Vorsitzende des Elternvereins in Schleswig-Holstein. "Da sind Familien von vornherein benachteiligt, in denen Eltern dazu nicht in der Lage sind oder sich eine entsprechende Nachhilfe finanziell auch nicht leisten können. Aus diesem Grund lehnen wir die Methode strikt ab."
Wissenschaftler sind sich uneins

Agi Schründer-Lenzen ist Professorin für Grundschulpädagogik an der Uni Potsdam: "Ein Prinzip der Reichen-Methode ist das der minimalen Hilfestellung. Und mit minimaler Hilfestellung kommen viele Kinder gerade aus bildungsfernen Familien nicht zurande. Sie brauchen unsere maximale Unterstützung." Auch Hans Brügelmann ist Grundschulpädagoge, befürwortet diese Methode aber: "Es geht nicht um richtig und falsch. Es geht darum: 'Du steigst ein, du praktizierst Vorformen, und ich sage dir, wie die Erwachsenen es schreiben, aber es ist nicht schlimm, wenn du das anfangs nicht kannst.' Kinder krabbeln erst und dann gehen sie. Niemand würde sagen: 'Das ist falsch, was du machst.' Sondern das ist für eine bestimmte Phase angemessen."

Studien haben allerdings gezeigt, dass diese Methode nicht besser ist, als irgendeine andere. Kinder, die sich quasi selber lesen und schreiben beibringen - schön nur in der Theorie? "Das ist eine schöne Utopie, die aber für die Praxis einer ganz normalen Schule und dann auch einer Schule der heutigen Zeit, in der wir ganz viele Schwierigkeiten bei vielen Kindern beobachten können, überhaupt die deutsche Sprache zu erlernen, einfach nicht günstig ist und von der ich sagen würde, man darf sie auch nicht weiter praktizieren", sagt Schründer-Lenzen.
Keine Einheitlichkeit an den Schulen

Tatsächlich kann jede Schule machen, was sie will. Kein Deutschunterricht gleicht dem anderen. Wann etwas korrigiert wird, ist jedem Lehrer selbst überlassen. Und so mag es Schulen geben, die von Anbeginn verbessern, andere, die es zwei Jahre lang nicht tun. Der Vorwurf dabei: Die Falschschreibung verfestigt sich dann im Gehirn der Kinder. Ist Schule ein Experimentierfeld mit Kindern als Versuchskaninchen? Die zuständige Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, Waltraud Wara Wende, müsste es wissen. "Ich glaube, Schule ist ein lebendiger Organismus. Ich kann Schule an dem Ort a und Ort b nicht identisch definieren. Weil die jeweiligen Schüler und Lehrer unterschiedliche Charaktere sind, muss man auch Individualität der Didaktik zulassen."

Lehrer, die begeistert sind, Eltern, die verzweifeln, Experten, die sich streiten, Bildungsminister, die für Lehrfreiheit plädieren. Deutschunterricht im Jahr 2013. Jeder, wie er lustig ist. Willkommen im Chaos.

www.ndr.de/fernsehen/sendungen/kulturjournal/rechtschreibung139.html (mit Link zu einem Audiobeitrag)


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2013 um 06.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9631

In Silben- und flachen Alphabetschriften führt Schreiben nach Gehör zu guten Ergebnissen, da es dem Wesen dieser Schreibsysteme entspricht. Vor allem wenn die Lernenden schon die Standardsprache (= "Schriftsprache") beherrschen, die oft karikierten Fehler der Kinder sind ja meist Dialektformen. Bei tiefen Alphabetschriften muß zusätzlich eine Menge gelernt werden, und das kann praktisch nur durch Lesen geschehen. Man lästert gern über die alte "Fibel-Methode" des Erstunterrichts, vergißt aber regelmäßig, daß mit dem ersten Schreiben das erste Lesen einherging.
Die nicht sehr gehaltvollen, aber jederzeit als zweckmäßig anerkannten Texte über OMA, MAMA und MIMI, die wir in der ersten Klasse sowohl lasen als auch selbst verfaßten, führten uns alle zusammen innerhalb weniger Monate zu einer grundlegenden Schreib- und Lesefähigkeit. Vielleicht habe ich es damals nicht mitbekommen, aber mir ist auch kein Fall von Legasthenie in meiner riesigen Volksschulklasse in Erinnerung. Nicht alle durften nach der vierten Klasse auf die Mittelschule oder gar das Gymnasium, aber die Rechtschreibleistung war, wenn überhaupt, nur ein ganz untergeordnetes Kriterium.
Natürlich habe ich fil statt viel geschrieben. weil ich dieses Wort in der Schule noch nicht hatte und es mir mangels Lektüreerfahrung auch noch nicht untergekommen war, aber das hat mir selbstverständlich nicht geschadet.

Jeder weiß das, der ganze Streit um die "Methode" hat etwas Unwirkliches.

In den Biographien und Autobiographien vieler Menschen steht, daß sie sich das Lesen selbst beibrachten. Wahrscheinlich hatten sie schon fremde Hilfe, haben es aber vergessen. Jedenfalls wollten sie so bald wie möglich lesen, in der richtigen Ahnung, daß die Bücher eine Wunderwelt enthielten. (Das Vorlesen wirkt unfehlbar in diesem Sinne.) Hier sollte man anknüpfen. Wie weit ist die Weisheit unserer Schulpädagogikprofessoren davon entfernt!


Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.10.2013 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9629

Schreiben nach Gehör scheint mir eine willkommene Methode zu sein, das von der Schulaufsicht geforderte Soll an schlechten Noten zu erfüllen, mit dem Grundschullehrer in Großstadt-Vororten mit vielen Akademikerkindern Schwierigkeiten haben. Manche Schüler schaffen nach einem Jahr Hauptschule doch noch den Weg in die Realschule, aber sie beurteilen dieses Jahr als "schrecklich".


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 16.10.2013 um 14.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9628

Diese Lesen-durch-Schreiben-Methode haut doch lediglich die Kinder in die Pfanne. Bis zum Ende der Grundschule glauben sie, es gehört so, wie sie es machen, und in den anschließenden Schulen wird ihnen klipp und klar gesagt, vieles sei falsch, was sie bisher gelernt haben.

Wie man so ein Konzept seitens der Schulverantwortlichen überhaupt praktizieren kann, bleibt unverständlich! Offensichtlich gibt es keine Stelle, die sich darum kümmert, ob der Abschluß des einen Schultyps zum Anschluß an den weiterführenden paßt?


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.10.2013 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9627

Beim "Stern" kann man wieder einmal einen Rechtschreibtest online machen. Der sichere Weg zum Nichtbestehen sind die reformierten Schreibweisen von 1996. Gerade mit diesen bestücken die Verfasser boshafterweise die Hälfte ihrer Testfragen:

jenseits von gut und böse
sich zu Eigen machen
Pleite gehen
aufeinander beißen


usw.

»Er sagte, dass er in die Kneipe gehen wolle und dass er Kai mitnehmen wolle ist die Lösung. Nach dem "und" folgt kein vollständiger Satz, daher gehört an diese Stelle kein Komma.«

(Aber 1996 war ein Komma nach § 73 möglich: Es war nicht selten, dass er sie besuchte(,) und dass sie bis spät in die Nacht zusammensaßen, wenn sie in guter Stimmung war.)

Der Test wird aber keineswegs als Gelegenheit benutzt, die Verfehltheit der ganzen Reform aufzuzeigen. Vielmehr wird der gutwillige Leser in die Pfanne gehauen, weil er die neuesten Wendungen der Reformer nicht so brav verinnerlicht hat wie die Neuregelung von 1996.


Kommentar von WDR.de, 29. September 2013, verfaßt am 15.10.2013 um 22.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9626

WESTPOL:
Das Rechtschreibchaos

Anfang der 1970er Jahre haben Kinder in der vierten Klasse bei 100 Wörtern sieben Rechtschreibfehler gemacht. Heute machen sie 16. Warum hat sich die Rechtschreibung so verschlechtert?

"PipiLankschrumf macht ser fil unsen", "Muta", "farat fan", "Bis SCHPETA". So wird in der Grundschule mitunter geschrieben. An der weiterführenden Schule kommt für viele Schüler der Schock. Was lange an der Grundschule geduldet wird, ist am Gymnasium nicht mehr erlaubt. Deutschlehrer Ingo Köhne ist entsetzt, wie viele Rechtschreibfehler seiner Schüler er anstreichen muss: "In der Praxis zeigt sich, dass viele Schüler Nachholbedarf haben. Wir wünschen uns eine frühzeitige Aufklärung der Kinder darüber, was richtig ist und falsch ist. Wenn wir das an unserer Schule leisten müssen, ist es eigentlich zu spät."

[. . .]
Wozu das Schreiben durch Hören langfristig bei den Schülern führt, ist allerdings bis heute nie wissenschaftlich untersucht worden.

FDP will eine Änderung, Ministerin Löhrmann hält dran fest

Die FDP-Landtagsfraktion fordert deshalb, die Methode auszusetzen. Ingola Schmitz, Bildungsexpertin der Landtagsfraktion: "Gerade die Kinder aus bildungsfernen Schichten und die Kinder mit Migrationshintergrund werden hier zu Verlierern unserer Gesellschaft gemacht, weil die Eltern nicht die Möglichkeit haben, die Fehler der Kinder zu Hause zu korrigieren." Aber Schulministerin Sylvia Löhrmann (B‘90/Grüne) will den Unterricht nicht ändern: "Ein Verbot von Methoden ist absolut nicht hilfreich. Zum einen gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die eine solche Vorgehensweise rechtfertigen. Zum anderen wäre dies für mich ein nicht akzeptabler Eingriff in die Eigenverantwortung der Schulen und die selbstständige Gestaltung des Unterrichts durch die Lehrkräfte." Die Schulministerin vertraut also weiter einer Methode, die höchst umstritten ist, nicht erforscht wurde und an der es berechtigte Zweifel gibt.

Die Grundschüler können am wenigsten dafür. Sie schreiben einfach unbekümmert weiter, so wie’s ihnen gefällt: "Fater", "BUTA", "Abentojer".

(www.wdr.de/tv/westpol)


Kommentar von Welt online, 13. Oktober 2013, verfaßt am 15.10.2013 um 22.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9625

"Van gen vir vidder tsum Tso bite?"

Rührende Kinderbriefe mit extravaganter Schreibweise: Schuld ist die Methode "Lesen durch Schreiben" des Schweizer Reformpädagogen Reichen. Mit dieser Chaos-Orthografie sind wir auf dem Holzweg.

Von Hildegard Stausberg

Siehe hier.

(Die Autorin ist diplomatische Korrespondentin der "Welt"-Gruppe)


Kommentar von BamS, 13. 10. 2013, verfaßt am 14.10.2013 um 01.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9624

Brief einer Viertklässlerin an ihren „Fata“
Rechtschreibschwächen dank falscher Lehrmethode?

Siehe hier.


Kommentar von Hamburger Abendblatt, 2.September 2013, verfaßt am 20.09.2013 um 19.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9595

Hamburger Kritiken
Wir essen Opa
Wenn ein falsches Komma uns zu Kannibalen macht. Von Hamburger Bildungsreformern und dem anarchischen Schreiben

Richtiges Deutsch ist der Wachtelkönig unter den Sprachen – man hört beide nur noch selten, ihr Zuhause ist die Rote Liste. Zumindest wird man den Eindruck nicht los, wenn Berufsjugendliche, Werber oder Politstrategen drauflosdichten: Ihr Hang zur englischen Sprache oder dem Kauderwelsch namens Denglisch ist so bekannt wie peinlich. Manche gehen mit unserer Sprache um, als sei sie eine in zufällige Ordnung gebrachte Buchstabensuppe.

Vermutlich kann man auch nur so erklären, wie die gefühlt 42. Generation der Hamburger Bildungsreformer auf die weltfremde Idee kommen konnte, Grundschüler lernten die Rechtschreibung am besten, wenn sie ohne Regeln einfach schreiben, was sie hören. Was Rechtschreibreformern nicht gelungen ist, führen Bildungsreformer nun durch die Hintertür ein: anarchisches Schreiben. Wohin das führt, beklagen in unschöner Regelmäßigkeit Lehrer und Professoren, Arbeitgeber und Eltern. In der Vergleichsstudie KESS von 2004 landeten die Hamburger Schüler dort, wo sie in Bildungsrankings ihren Stammplatz haben: knapp vor Bremen auf dem vorletzten Platz. Der Grundschulverband gibt auch frank und frei zu, an die Stelle von Rechtschreibung seien "inhaltliche Fragen und der sprachliche Ausdruck getreten". Hübsche Idee. Nur stellt sich die Frage, ob Inhalt und Ausdruck ohne Orthografie denkbar sind.

Spitzen wir es mal zu: Rudimentäre Deutschkenntnisse schaden der Gesundheit und dem Geldbeutel: Ja, ein falsches Komma macht uns schnell zu Kannibalen. Der Ausruf "Wir essen Opa" sollte jeden Großvater schocken, ein kleines Komma macht aus der Lebensgefahr eine Einladung.

Mitunter mache ich mir ernsthafte Sorgen, was aus Menschen werden soll, die mit der deutschen Sprache, Rechtschreibung und Zeichensetzung auf Kriegsfuß stehen – also aus der halben Jugend, wenn wir Kulturpessimisten glauben dürfen. Sie werden auf die Nepper, Schlepper und Bauernfänger im Internet hereinfallen, weil ihnen die Fehler gar nicht mehr auffallen. Längst schreiben auch Muttersprachler so, als hätten sie mit einer koreanischen Gebrauchsanweisung oder dem Microsoft-Übersetzer Deutsch gelernt.

Kürzlich hatte ich eine obskure Mail im Postfach, die das Dummdeutsch auf den Höhepunkt trieb. Es ging um anatomische Wundermittel für die Körpermitte, die auch sonst geradezu erstaunliche Wirkungen für das Sexualleben entfalten sollten. Um den Verkauf anzukurbeln, hatte der Verfasser ein paar Fragen formuliert, die das Übersetzungsprogramm offensichtlich überforderte. Da fragte doch der Absender zum Beispiel: "Jeder drückt die Freude des Geschlechtsverkehrs?" Oder: "Groß genug für Ihre Genitalien?" Aus dieser Perspektive hatte ich die Sache noch gar nicht betrachtet. Aber alle Zweifel räumt der Absender mit der rhetorischen Frage ab: "Er glaubt nicht, dass seine Ohren?"

Man muss gar nicht unter die Gürtellinie rutschen, um sich die Frage zu stellen, wie blöd man eigentlich sein muss, um diesen Lockangeboten zu erliegen. Oder wie schlecht gebildet.

Offenbar sind es viele. Denn so häufig wie ein Stau im Elbtunnel warnen Verbraucherschützer vor sogenannten Phishing-Mails, die mit richtigem Banklogo und falschem Deutsch um die Eingabe von Kontonummer und Geheimzahl bitten oder auf seltsame Seiten locken. Gerade der Umlaut, den einige Zeitgenossen als Kniefall vor der Globalisierung längst aus dem eigenen Namen tilgen, hat so manchen Muttersprachler vor einem wüsten Virus bewahrt. Oder wer drückt schon auf den Link, wenn angeblich die Deutsche Post dichtet: "Ein Fehler in der Leiferanschrift. Sie konnen Ihre Postsendung in unserer Postabteilung personlich kriegen." Entweder man kriegt die Krise oder hat sich den Computerabsturz redlich verdient. Rechtschreibkenntnisse schützen auch vor Enttäuschungen. Ein gewisser Brandon Elliott versprach mir kürzlich per Mail: "Sie haben als glückliche Person eines Pauschalbetrags von 1.500.000,00 ausgewählt worden." Auch den ganzen anderen vermeintlichen Nigerianern und Südafrikanern, die mir glorreiche Geschäfte vorschlagen, den libyschen Soldaten, die noch einen Schatz in Sirte verstecken, oder angeblichen Anwälte, die mit mir Erbschaften teilen möchten, rufe ich zu: Lernt gefälligst Deutsch. Bis dahin werde ich euer Kauderwelsch in den Papierkorb schieben.

Um noch einmal die freundliche Mail von oben zu zitieren: "Danke fur Ihr Verstandnis."

(www.abendblatt.de)


Kommentar von NDR 90,3, 29. August 2013, verfaßt am 29.08.2013 um 13.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9565

Deutschunterricht kommt auf den Prüfstand

Die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft haben sich am Mittwoch mehrheitlich für eine Überprüfung des Deutschunterrichts ausgesprochen. Vor allem die Lehrmethoden im Bereich Rechtschreibung sollen auf den Prüfstand, wie NDR 90,3 berichtete.

CDU: Schulbehörde ist ahnungslos

CDU-Schulexpertin Karin Prien sagte, der eigentliche Skandal sei, dass die Hamburger Schulbehörde nicht wisse, nach welcher Methode in Hamburg Rechtschreibung unterrichtet werde. Ebenso wie die Grünen will die CDU mit einer Expertenanhörung die Methoden für die Rechtschreibung überprüfen.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) beugte sich dem Druck und zeigte sich offen für die Kritik der Opposition. Man stehe am Anfang einer Debatte. Rechtschreibung habe etwas mit einem ganz primitiven Element in der Schule zu tun: mit üben, üben, üben, sagte der Senator. Im Schulausschuss soll weiter debattiert werden.

FDP mit radikalem Vorschlag

Keine Zustimmung fand der Vorschlag der FDP, die Lehrmethode für die Rechtschreibung komplett zu ändern. Nach dem Willen der Liberalen sollen Grundschüler künftig nicht mehr nach Hören schreiben, sondern gleich eine fehlerfreie Rechtschreibung erlernen. Drauflosschreiben sei keine vernünftige Lerngrundlage, so die Abgeordnete Anna von Treuenfels. Der SPD war dies zu wenig differenziert, auch Grüne und CDU mochten sich dieser Forderung nicht anschließen.

(www.ndr.de)


Kommentar von Hamburger Abendblatt, 29. August 2013, verfaßt am 29.08.2013 um 13.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9564

Rechtschreibung: Hamburg prüft Lehrpläne
Bürgerschaft will Anträge von CDU und FDP im Schulausschuss beraten. Kinder sollen besser schreiben lernen. Schulsenator Ties Rabe attestiert den Lehrern grundsätzlich gute Arbeit.

Von Peter Ulrich Meyer

Die Hamburgische Bürgerschaft wird sich intensiv mit den schwächer gewordenen Rechtschreibleistungen der Schüler beschäftigen. Der Schulausschuss wird dazu voraussichtlich zu einer Expertenanhörung einladen. Am Ende könnte eine Änderung der Bildungspläne mit dem Ziel stehen, dem korrekten Schreiben wieder mehr Gewicht zu geben und erwiesenermaßen erfolgreiche Methoden zum Erlernen von Lesen und Schreiben verbindlich festzuschreiben.

Den Anstoß hatte die FDP-Opposition geliefert, die in einem Antrag von einer "Rechtschreibkatastrophe" gesprochen und verbindliche methodische Vorgaben für die Schulen gefordert hatte. Die Liberalen verlangen außerdem, dass das umstrittene Verfahren "Lesen durch Schreiben" an Grundschulen nicht mehr angewendet werden darf. Die FDP stieß mit ihrem Vorstoß grundsätzlich auf offene Ohren auf der Senatsseite. Mit der Mehrheit der SPD-Abgeordneten wurden der FDP-Antrag und ein CDU-Antrag mit ähnlicher Zielrichtung am Mittwochabend zur weiteren Beratung in den Schulausschuss überwiesen.

"Dass wir an den Schulen große Probleme mit der Rechtschreibung haben, ist offensichtlich. Deswegen müssen wir jetzt genau hinsehen, was da geschieht", begründete der SPD-Schulpolitiker Lars Holster die eher seltene Überweisung eine Oppositionsantrags in den zuständigen Ausschuss. "Es lohnt sich, die Bildungspläne genau anzusehen und möglicherweise Veränderungen zu beschließen." Voraussetzung sei allerdings eine breite Zustimmung der Fraktionen. Holster lehnt die Methode "Lesen durch Schreiben" nicht grundsätzlich ab. "Es kann als Ergänzung vor allem für leistungsstarke Schüler eingesetzt werden, aber nicht allein als Lerngrundlage für alle Erstklässler", sagte der SPD-Abgeordnete.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) attestierte den Lehrern grundsätzlich gute Arbeit. "Dennoch müssen die Leistungen der Schüler weiter verbessert werden", sagte der Senator. Die Rechtschreibleistungen seien in den vergangenen zehn Jahren etwa gleich geblieben. Rabe: "Allerdings verweisen Experten darauf, dass das Niveau zuvor in den 90er-Jahren in ganz Deutschland deutlich gesunken ist."

Der SPD-Politiker forderte eine sorgfältige Aufklärung der Ursachen. "Vorschnelle Verbote bestimmter Schulbücher oder Lernmethoden helfen nicht." Allerdings sagte Rabe auch: "Kein Schüler kann sich die deutsche Rechtschreibung nur durch Ausprobieren und Kreativität aneignen. Gute Rechtschreibung kann ohne ständiges Verbessern und Üben nicht gelingen." Das darf als indirekte Kritik an der Methode "Lesen durch Schreiben" verstanden werden, die unter anderem darauf setzt, dass Schüler Worte so schreiben, wie sie sie hören. Der Lehrer korrigiert zunächst nicht.

Die FDP-Bildungspolitikerin Anna von Treuenfels ging dagegen hart mit der umstrittene Methode ins Gericht. "Hinter Lesen durch Schreiben verbirgt sich letztlich das muntere Drauflosschreiben der Kinder ohne vernünftige Lerngrundlage und ohne sinnvolle Fehlerkorrektur", sagte von Treuenfels. Aus der Senatsantwort auf eine Treuenfels-Anfrage ergibt sich, dass keine Grundschule ausschließlich nach der Methode "Lesen durch Schreiben" unterrichtet. Offen ist allerdings, wie viele Schulen das Verfahren als Ergänzung nutzen.

Die CDU-Bildungspolitikerin Karin Prien kündigte an, sich differenzierter mit dem Problem auseinandersetzen zu wollen, als es der FDP-Antrag nahelege. "Es ist ein unerträglicher Zustand, dass in einer Schule auf einer Klassenstufe nach unterschiedlichen Methoden unterrichtet wird", sagte Prien. Stefanie von Berg (Grüne) warnte davor, "das Kind mit dem Bade auszuschütten". Dora Heyenn (Linke) forderte, dass Schüler wieder mehr von Hand schreiben müssten, anstatt nur am Computer zu sitzen. Doch auch Grüne und Linke stimmten der Überweisung der Anträge von FDP und CDU zu.

(www.abendblatt.de)


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2013 um 14.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9560

"Die Relevanz von Rechtschreibung ist in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend infrage gestellt worden", sagt Schründer-Lenzen. "In den 70er- und 80er-Jahren, als reformpädagogische Ansätze populär wurden, sind die formalen Fertigkeiten von Schülern wie richtig schreiben und rechnen in den Hintergrund getreten. Beigetragen zu der Entwicklung habe zudem die Rechtschreibreform, die eigentlich als Vereinfachung gedacht, doch vielfach auch zu Verwirrungen geführt habe – und zu dem Gefühl, eigentlich sei es doch auch egal, wie man schreibe, wenn alle paar Jahre neue Regeln kämen. "Durch die Orientierung an Vergleichsarbeiten und die Standardisierung von Abschlüssen bricht jetzt jedoch etwas auf", hat Schründer-Lenzen beobachtet. Eltern begehrten auf: Sie beklagten sich über die schlechten Rechtschreibleistungen ihrer Kinder. (aus einem Bericht des Hamburger Abendblatts; siehe hier)


Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.08.2013 um 16.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9558

Was ist "Bildung"? Die einen können "alles außer Hochdeutsch" und die anderen "nicht alles, aber Hochdeutsch". Scolae aut vitae discimus?


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.08.2013 um 11.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9557

Dabei heißt es schon extra bildungsfern und sozial schwach statt ungebildet und arm, damit es weniger diskriminierend und derb klingt.

Sind die Bezeichnungen ungebildet und arm eigentlich wirklich diskriminierend? Sie treffen zu oder auch nicht, und in diesem Artikel steht ja nicht, wer nicht Hochdeutsch kann, ist ungebildet und arm, sondern da steht, daß Ungebildete und Arme oft nicht gut Hochdeutsch können. Das ist etwas anderes.

Das Problematische an diesem Artikel ist, daß arm sein und ungebildet sein hier gleichsetzt werden, womit im Grunde zugegeben bzw. akzeptiert wird, daß manche sich Bildung nur nicht leisten können. Das sollte man überdenken und ggf. ändern.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.08.2013 um 00.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9556

Ich halte es für unangemessen, alle Elternhäuser, die die hochdeutsche Schriftsprache nicht oder noch nicht perfekt beherrschen, unter bildungsfern und sozial schwach einzuordnen. Damit würde z.B. in Bayern eine ganze alteingesessene Bevölkerungsschicht diskriminiert.


Kommentar von Hamburger Abendblatt, 19. August 2013, verfaßt am 19.08.2013 um 21.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=701#9555

Experte: Lernmethode benachteiligt sozial Schwache
Bildungsforscher schaltet sich in Debatte um das Programm "Lesen durch Schreiben" ein. Er sieht Probleme in Stadtteilen wie Wilhelmsburg, wo Kindern oft familiäre Unterstützung fehlt.

Von Insa Gall

Nach Auffassung des Hamburger Bildungsforschers Peter May benachteiligt die umstrittene Methode "Lesen durch Schreiben", nach der die Schüler an einigen Grundschulen in der Hansestadt die Rechtschreibung lernen, Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern.

Sie bei diesen Schülern einzusetzen, sei "pädagogisch falsch", sagt der promovierte Pädagoge, der als wissenschaftlicher Direktor am Institut für für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) tätig ist. Die Methode verlange, "dass andere als die Lehrkraft selbst als unterstützende Instanz auftreten". Und: "Das ist bei bildungsfernen Elternhäusern nicht immer gegeben."

Er habe in den 1990er-Jahren bei einem Projekt mit seinem Team die Leistungen von Schülern, die nach der Methode unterrichtet wurden, mit denen verglichen, die nach traditionellen Rechtschreiblehrgängen gelernt haben. " Vor allem Klassen aus sozial schwierigen Stadtteilen waren durch den ,Lesen durch Schreiben'-Lehrgang im Nachteil. Die Studien zeigen, dass die Anfangsmethode die Kinder mit ungünstigen Lernvoraussetzungen in der frühen Phase, in der sie besondere Unterstützung brauchen, eher verwirren", so May. Insofern sei es pädagogisch falsch, eine solche Methode bei Kindern einzusetzen, die sich der Schriftsprache nicht sehr selbstständig widmen können.

Das Erlernen der Rechtschreibung nach dem Prinzip "Lesen durch Schreiben" ist bei den Bildungspolitikern der Opposition in der Bürgerschaft stark in die Kritik geraten. Bei der Methode dürfen die Schüler zunächst die Wörter so schreiben, wie sie sie hören, ohne dass die Lehrer sie korrigieren – in der Hoffnung, dass sich die Kinder allmählich die korrekte Rechtschreibung aneignen.

Der Schreibkurs folge einem Prinzip, das der pädagogischen Philosophie der 80er- und 90er-Jahre entspricht, sagt May. Damals sei man dazu übergegangen, die formale Bildung, die sich in wiederholenden Übungen zeigte, zu überwinden mit intelligenten, kreativen, selbst gesteuerten Methoden.

Verboten wissen will May die Methode allerdings nicht, so wie es die FDP verlangt. Denn während sie die Kinder in Wilhelmsburg oder Rahlstedt-Ost möglicherweise überfordere, könnten Schüler in Wellingsbüttel oder Blankenese hervorragend damit die Rechtschreibung lernen. Entscheidend sei, so May, dass die Lehrer über die diagnostische Kompetenz verfügten, einschätzen zu können, was für ihre Klasse das Richtige ist.

(www.abendblatt.de)



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