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28.06.2013
Reclam-Verlag mit Schweizer Rechtschreibung
„Das vernünftigste Rechtschreibekonzept“
Der deutsche Reclam-Verlag druckt seine berühmten gelben Büchlein künftig nach den Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK). Damit hat der Verlag dem Regelwerk Duden eine Absage erteilt. Wie die SOK am Freitag weiter mitteilte, prüft sie ein Wörterbuch.
Zürich. – Die SOK traf sich zu ihrer achten Tagung in Zürich. Ihr gehören Vertreter von Presse, Verlagen, Literatur, Schule und Politik an. An der Tagung verwies sie unter anderem auf die vermehrte Getrennt-, Gross- und «ä»-Schreibung.
Häufig würden Wörter getrennt geschrieben, wo dies nicht einmal die deutsche Rechtschreibereform vorschreibe oder wo es grammatikalisch falsch sei wie etwa bei «Wut entbrannt» oder «kein Mal».
Zudem kam einmal mehr die grosse Verunsicherung in der Schule zur Sprache. Viele Lehrer hätten resigniert und eine Orientierung sei bitter nötig. Wie es weiter hiess, können die SOK-Empfehlungen gerade hier Abhilfe schaffen, denn sie räumen Unsicherheiten und Unsinnigkeiten der seit 2006 gültigen deutschen Rechtschreibereform beiseite. So könne sich wieder eine Normalschreibweise etablieren.
Reclam-Lektoratsleiterin Christine Ruhrberg bezeichnete die SOK-Empfehlungen als das vernünftigste Rechtschreibekonzept. Ihr Verlag halte sich daran, wenn der Autor nicht auf dem Duden beharre. Peter Müller, Vertreter der Nachrichtenagentur sda in der SOK, verlangte gerade in Zeiten sinkender Auflagezahlen der Presse eine Rechtschreibung, welche den natürlichen Lesefluss nicht behindere.
Die Arbeitsgruppe der SOK erhielt den Auftrag, zusammen mit der Konferenz der Chefredaktoren und dem Verband Schweizer Medien die Möglichkeiten für ein SOK-Wörterbuch zu sondieren und dem Rat für deutsche Rechtschreibung eine Zusammenarbeit anzubieten.
Die Konferenz wurde 2006 aufgrund der vielfach als missglückt bezeichneten Rechtschreibereform gegründet. Die Nachrichtenagentur sda hält sich an ihre Empfehlungen. Kopräsidenten der Organisation sind Nationalrat Filippo Leutenegger (FDP/ZH) und Peter Zbinden.
Dieser Artikel beruht auf der folgenden von der SOK herausgegebenen Pressemitteilung (schweiz.: Communiqué):
Donnerstag, 27. Juni 2013, Zürich
Reclam-Verlag folgt den SOK-Empfehlungen
Die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK) traf sich am Donnerstag bei NZZ Folio in Zürich zu ihrer achten Tagung. Über 50 Teilnehmer aus Presse, Verlagen, Literatur, Politik und Schule diskutierten über den Stand der Rechtschreibung, welche Verbesserungen erreicht worden sind und was noch zu tun bleibt. Der deutsche Reclam-Verlag gab bekannt, dass er in neu produzierten Büchern standardmässig den Empfehlungen der SOK folge und sich damit gegen den Duden entschieden habe.
Prof. Rudolf Wachter (Universitäten Basel und Lausanne) wies in seinem Referat auf eine Nebenwirkung der Rechtschreibreform hin, die vermehrt Getrennt-, Gross- und ä-Schreibung vorschreibt. Dies führe dazu, dass häufig Wörter auch dort getrennt oder gross geschrieben würden, wo die Reform dies nicht verlange oder wo es grammatisch falsch sei (Wut entbrannt, kein Mal, Geschänke).
Der Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann erinnerte an das Postulat von Nationalrätin Kathy Riklin vom September 2004, das eine Korrektur der Regeln forderte, damit „die bisher möglichen Bedeutungsdifferenzierungen durch Zusammen- und Getrenntschreibung erhalten bleiben“. Das Postulat wurde überwiesen, aber nicht umgesetzt, obwohl der Bundesrat versprochen hatte, sich dafür einzusetzen. Die SOK habe es dagegen in ihre Empfehlungen eingeschlossen.
In einer von der Kulturjournalistin Monika Schärer moderierten Podiumsdiskussion wies Gisela Meyer Stüssi, Dozentin für Fachdidaktik an der Universität Freiburg und der Pädagogischen Hochschule Bern, darauf hin, dass in der Schule in Sachen Rechtschreibung eine enorme Verunsicherung herrsche. Viele hätten resigniert, und eine Orientierung sei bitter nötig. Daniel Weber, Redaktionsleiter NZZ Folio und Vorstandsmitglied der Chefredaktorenkonferenz, verwies auf die Notwendigkeit, die Empfehlungen der SOK weiterzuverbreiten, damit wieder eine Normalschreibweise etabliert werden könne. Nur so könne die verlorene Möglichkeit, mit individueller Schreibweise kreativ zu wirken, wieder zurückgewonnen werden.
Peter Müller (sda) forderte eine Rechtschreibung, die den Lesefluss nicht störe und dem Leser den Zugang zu den Texten erleichtere und nicht erschwere. Die sei in einer Zeit, da Zeitungen mit Auflagerückgängen kämpften, besonders wichtig. Christine Ruhrberg, Lektoratsleiterin beim Verlag Philipp Reclam jun., bezeichnete die Empfehlungen der SOK als das vernünftigste Rechtschreibkonzept. Wenn der Autor einverstanden sei, folge der Verlag daher ihnen und nicht den Empfehlungen des Dudens.
Die Arbeitsgruppe der SOK liess sich zum Schluss von der Tagung beauftragen, zusammen mit der Konferenz der Chefredaktoren und dem Verband Schweizer Medien die Möglichkeiten für ein SOK-Wörterbuch zu sondieren und dem Rat für deutsche Rechtschreibung die Zusammenarbeit anzubieten.
In der 2006 gegründeten SOK sind Vertreter der Presse, der Literatur und der Sprachwissenschaft vereinigt. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Sprachrichtigkeit und Einheitlichkeit der Rechtschreibung in Presse und Literatur zu fördern. Kopräsidenten sind Nationalrat Filippo Leutenegger und Peter Zbinden.
Quelle: www.suedostschweiz.ch
Link: http://www.suedostschweiz.ch/kultur/reclam-verlag-mit-schweizer-rechtschreibung
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Kommentare zu »Reclam-Verlag mit Schweizer Rechtschreibung« |
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Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 29.06.2013 um 07.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=695#9414
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Na, das sind doch mal ermutigende Nachrichten. Herzlichen Dank an die SOK und den Reclam-Verlag!
Was aus dem Text nicht hervorgeht:
– Wird der Reclam-Verlag den Schweizer Verzicht auf das ß übernehmen?
– Fürchtet sich der Reclam-Verlag nicht vor Repressalien aus den deutschen Kultusministerien?
– Wird ein SOK-Wörterbuch auch die Interessen der Schreibenden außerhalb der Schweiz berücksichtigen? Damit meine ich nicht nur das ß, sondern auch den Wortschatz und die Grammatik.
– Wie frei sind Deutschlehrer in der Schweiz, sich aus dem Sitta/Gallmannschen Spinnennetz zu befreien und sich an den SOK-Vorgaben zu orientieren?
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.06.2013 um 11.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=695#9415
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Schweizer Wertarbeit ist doch besser als Pfusch made in Germany.
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Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 29.06.2013 um 14.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=695#9416
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So erfreulich das auch ist, Chr. Schaefer hat schon die richtigen Fragen gestellt. Ergänzen kann man, ob denn die Unsitte aufhört, Klassiker der deutschen Literatur hauptsächlich im Original zu belassen, aber die Geßler-Hüte der Reform einzupflegen, also Heyse und Sachen wie "im Allgemeinen". Da kann es passieren, daß vom "Schloss im Thore" die Rede ist.
Grundsätzlich hat die SOK schon alleine dadurch gute Chancen, ihre Empfehlungen durchzusetzen, weil in der Schweiz eben das ß nicht gebraucht wird; dadurch wird Heyse gegenstandslos, und es fällt einfach nicht mehr so schnell auf, ob ein Text so oder so geschrieben ist. Langfristig kann das dazu führen, daß sich die Reform dadurch in Wohlgefallen auflöst, daß das ß komplett wegfällt und der andere Quatsch sich nach und nach ausschleicht.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2013 um 05.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=695#9418
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Die FAZ hat es bisher nicht für nötig gehalten, über die Tagung der SOK zu berichten. Sie hält es aber für berichtenswert, daß die 26. Auflage des Duden, für den sie kaum verhüllt Werbung macht, das Wort "Shitstorm" aufgenommen habe (und 5000 weitere, wie gewohnt). Als Ziel des Rechtschreibdudens wird weiterhin unterstellt, den deutschen Wortschatz abzubilden, nicht etwa die deutsche Rechtschreibung.
Ob auch "Drohnenmord" drinsteht, weiß ich nicht, die FAZ war eine der ersten Zeitungen, die es zu gebrauchen wagte. Das hat mich ein bißchen überrascht.
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