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23.07.2012
 

Studenten können nicht richtig schreiben
Umfrage unter Uni-Professoren

Bayreuth – Junge Studenten haben nach Erkenntnissen von Hochschullehrern große Probleme mit der Rechtschreibung. Auch stießen Professoren in schriftlichen Arbeiten häufig auf Grammatikfehler.

Zudem fehlten vielen Erst- und Zweitsemestern die Lesekompetenz sowie die Grundlagen der Satzbaulehre, wie aus einer bislang unveröffentlichten Umfrage unter deutschen Philologie-Professoren hervorgeht. Über das Ergebnis hatte auch der Radiosender Deutschlandradio Kultur berichtet.

“Ein Problem ist auch die mangelnde Fähigkeit mancher Studenten, selbstständig zu formulieren und zusammenfassende Texte zu schreiben“, beklagte Professor Gerhard Wolf von der Universität Bayreuth am Montag in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Nur wenige Studenten seien beispielsweise in der Lage, eine Vorlesung mit eigenen Worten angemessen zusammenfassen. “Viele Studenten können kaum noch einen Gedanken im Kern erfassen und Kritik daran üben“, sagte Wolf.

“Mit der argumentativen Logik haben es die Studenten immer weniger. Diese Fähigkeiten gehen langsam verloren“, fügte der Germanist hinzu, der in Bayreuth deutsche Literatur lehrt. Hier schlage sich anscheinend der schwindende Wortschatz nieder. “Dagegen nimmt die Jargonhaftigkeit zu: Die jungen Studenten verwenden in ihren Arbeiten immer häufiger Begriffe, die sie mal gehört haben, ohne aber zu wissen, was sie eigentlich bedeuten.“

Viele Studenten hätten auch Probleme, einer 90-minütigen Vorlesung konzentriert zu folgen. “Viele gehen offenbar mit der Haltung in die Vorlesung, “die Fakten stehen doch eh' alle im Internet. Ich muss deshalb in der Vorlesung nicht alles verstehen“.“

Wolf sieht nicht nur die Schulen gefordert, die mehr Wert auf die Sprachkompetenz ihrer Schüler legen sollten, sondern auch die Hochschulen. Universitäten sollten überlegen, ob sie für Studienanfänger künftig sogenannte Vorschaltkurse anbieten, in denen Basiswissen vermittelt werde. Wolf räumte allerdings ein, das dies dem Bestreben vieler Politiker entgegenlaufe, die Studienzeit zu verkürzen.

An der Umfrage hatten sich Professoren an 135 deutschen geisteswissenschaftlichen Fakultäten in 62 deutschen Universitäten beteiligt. Sie war im Jahr 2011 vom Philosophischen Fakultätentag, einem Zusammenschluss von 135 deutschen philologischen Uni-Fakultäten, angeregt worden. Die Geisteswissenschaftler an den deutschen Hochschulen verstehen die Umfrage als Beitrag zur Diskussion über neue Bildungsstandards an deutschen Gymnasien, die derzeit von deutschen Kultusministern geführt wird.


Quelle: Münchner Merkur
Link: http://www.merkur-online.de/nachrichten/deutschland/professoren-junge-studenten-haben-probleme-rechtschreibung-2428495.html


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Kommentare zu »Studenten können nicht richtig schreiben«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2015 um 04.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#10210

Man sollte systematische Fehlschreibungen von gelegentlichen Tippfehlern trennen. Kommulitionen mag vorgekommen sein, ist aber ohne Belang. i und u sind benachbarte Tasten, da kann ein Fehlgriff vorkommen (passiert mir täglich), und der Ausgang -ionen könnte eine Fingerroutine sein.
Vorraus usw. hat es schon vor der Reform gegeben. Ungeübte Kinder, die solche Wörter beim Schreiben überdeutlich vor sich hinsprechen, neigen zu einer hyperkorrekten "Plene"-Schreibweise. Die Standardaussprache der Zusammenrückungen (ohne neuen Stimmeinsatz) hat den Bau der Wörter verdunkelt.
Man könnte höchstens untersuchen, ob die neuen Trennungen, die man oft in beflissenen Schulbüchern findet, die Fehlschreibung begünstigt haben.


Kommentar von Legal Tribune Online, 23. August 2012 (Nachtrag), verfaßt am 14.08.2015 um 01.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#10208

(Vor drei Jahren wurde auf diesen Text bereits von Herrn Ickler hingewiesen – siehe unter „Das große Lamento“)


Sprachkompetenz von Jura-Studierenden
"Teilweise eklatante Rechtschreibfehler und mangelhafte Grammatik"

Immer häufiger beklagen Universitäten die mangelnde Sprachkompetenz ihrer Studierenden. Selbst Examensarbeiten litten unter Rechtschreib- und Grammatikfehlern. An der Ruhr-Universität Bochum reagiert man jetzt auf diesen Missstand mit dem Projekt "Lesen bildet (auch Juristen!)". Constantin Körner hat sich für uns informiert.

Nach den Erfahrungen am Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum haben Studierende offenbar häufig Probleme mit Rechtschreibung, Grammatik und Lesekompetenz. "Uns fällt das insbesondere im Rahmen der Klausuren der Anfangssemester auf", berichtet der wissenschaftliche Mitarbeiter Jeldrik Mühl. Viele Studierende hätten Probleme damit, Kernaussagen aus Texten und Vorlesungen in eigenen Worten wiederzugeben. Häufig würden Aufgabenstellungen sogar nur mit Schlagwörtern in Stichpunkten bearbeitet. Und dies beschränkt sich nicht nur auf die Anfangssemester: "Selbst die Seminararbeiten, die an unserem Lehrstuhl im Rahmen des ersten Staatsexamens eingereicht werden, leiden teilweise an eklatanten Rechtschreibfehlern und mangelhafter Grammatik."

Diese Schwächen seien insbesondere für Juristen eine "peinliche Angelegenheit". Schließlich, so Mühl, bemühen sich diese doch um die Anwendung von Recht und Gesetz: "Wie soll dies gelingen, wenn sie schon die Regeln der Rechtschreibung und Grammatik nicht beherrschen?" Dies führt nicht nur häufig zu Missverständnissen in schriftlichen Prüfungen. Probleme im Bereich der Lesekompetenz behindern Juristen direkt in ihrem Zugang zum Recht.

Suche nach Schuldigen: Schule, technische Hilfsmittel, Reizüberflutung

Worin liegen die Ursachen dieser Fehlentwicklung? Lesen und Schreiben muss ein Abiturient doch in der Schule gelernt haben, sollte man meinen. Mühl sieht die Verantwortung "nicht allein" bei den Schulen: "Die Bedingungen für ein erfolgreiches Lernen der Sprachregeln werden in unserer Gesellschaft schlechter. Allgemein sind hier Reizüberflutung und Effektivitätsdruck zu nennen und im speziellen neue Kommunikationsformen und technische Hilfsmittel, die uns vermeintlich das Erlernen der Rechtschreibung und Grammatik ersparen."

Bei "Lesen bildet (auch Juristen!)" setzt man auf das klassische Lehrbuch als Lernmethode. Per Zufall werden 30 der rund 600 Teilnehmer der Grundlagenvorlesung Kriminologie ausgewählt. Diese erhalten kostenlos ein Kriminologie-Lehrbuch, mit dem sie den Lehrstoff nachbereiten und sich auf die Abschlussklausur vorbereiten können. Mühl leitet sie dabei didaktisch an und betreut sie: "Unmittelbar ist das Projekt auf die Verbesserung der Lesekompetenz ausgerichtet. Mittelbar wirkt das Lesen fehlerfreier Texte aber auch positiv auf Rechtschreibung und Grammatik. Das Nachahmen ist eine der effektivsten Lernmethoden."

Pilotprojekt: Besser schreiben dank Lehrbuch?

Zu Beginn des Semesters erhalten die Teilnehmer zunächst Tipps zum Umgang mit dem Lehrbuch: "Es werden Lesetechniken zum Bearbeiten wissenschaftlicher Texte vermittelt. Der Gliederung und dem Autor werden besondere Aufmerksamkeit gewidmet als Grundlage für das zusammenhängende Verständnis der Lehrbuchinhalte. Außerdem wird erklärt, wie das Lehrbuch vorlesungsunterstützend genutzt werden kann." Zur Hälfte der Vorlesungszeit erfolgt eine Bestandsaufnahme, um Probleme und Erfahrungen mit dem Lehrbuch auszutauschen: "Anhand von Wiederholungs- und Vertiefungsfragen wird überprüft, ob es den Teilnehmern gelungen ist, Kernaussagen und Zusammenhänge bestimmter Lehrbuchabschnitte zu erfassen." Das letzte Treffen dient der Klausurvorbereitung.

Indem man die Klausurnoten der Teilnehmer mit denen der übrigen Studierenden vergleicht, wollen Mühl und seine Kollegen beweisen, dass Lesen tatsächlich bildet. Auch Juristen. Fällt die Notenbilanz positiv aus, ist es nicht ausgeschlossen, dass Erfahrungswerte des Projekts auf weitere Lehrveranstaltungen an der Fakultät übertragen werden.

"Es müssten Wege gefunden werden, Studierende zur verstärkten Lektüre von Lehrbüchern zu bewegen. Vorlesungsbegleitende Lehrbuchlektüre könnte als Pflichtaufgabe gestaltet werden. Sinnvoll wäre es, zum Studienbeginn Lese- und Lerntechniken, die sich für das Jurastudium eignen, zu vermitteln", so Mühl.

(www.lto.de)


Kommentar von FAZ, 27. März 2014 (Nachtrag), verfaßt am 22.06.2015 um 13.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#10096

Studenten können keine Rechtschreibung mehr

„Vorrausetzung“, „wiederrum“, „Kommulitionen“ - eine genervte Politik-Dozentin berichtet über den abenteuerlichen Umgang mit der deutschen Sprache in Seminararbeiten. Ein Gastbeitrag von Hannah Bethke.


In den Semesterferien gehört es an deutschen Hochschulen zu den Aufgaben der Dozenten, Hausarbeiten von Studenten zu korrigieren, die zu einem Thema des von ihnen besuchten Seminars angefertigt wurden. An einigen Instituten etwas aus der Mode gekommen, gehört das Schreiben einer Hausarbeit, die in einem Bachelor-Seminar in der Regel etwa 12 bis 15 Seiten umfasst, zum Kern wissenschaftlichen Arbeitens. Nur hier wird sichtbar, inwieweit der Inhalt der Literatur tatsächlich verstanden und analytisch durchdrungen wurde und ob die dort (hoffentlich!) gewonnenen Erkenntnisse in einen wissenschaftlichen Text transformiert werden konnten, der selbständig geschrieben worden ist.

Was sich dem Leser dieser Arbeiten mittlerweile zunehmend darbietet, ist nun allerdings eklatant. Man kann von Glück reden, wenn eine Hausarbeit vorliegt, die Mängel in der wissenschaftlichen Analyse aufweist - denn das setzt voraus, dass das Einstiegsniveau immerhin so hoch ist, dass man überhaupt von einer wissenschaftlichen Arbeit sprechen kann. In erschreckend vielen Fällen lässt sich dies nicht einmal ansatzweise behaupten. Dabei geht es nicht um wissenschaftstheoretische Feinheiten, nicht um „Expertenwissen“ und Scheingefechte im belächelten Elfenbeinturm der Wissenschaft, sondern um eine leider völlig abhanden gekommene Selbstverständlichkeit, die eigentlich bereits mit dem Erreichen der Mittelstufe gegeben sein sollte: die Beherrschung der deutschen Grammatik.

Nun ist es nicht nur so, dass der Konjunktiv I grundsätzlich falsch oder gar nicht angewendet wird („Konjunktiv ist das Gegenteil von Imperativ“, lautete eine der abenteuerlichen Antworten auf meine Nachfrage im Seminar, ob denn jemand erklären könne, worum es sich beim Konjunktiv wohl handeln könnte), die Regeln der Kommasetzung weder verstanden noch umgesetzt werden und die Groß- und Kleinschreibung ein großes Rätsel des Universums zu sein scheint. Es werden vielmehr auch Fehler gemacht, mit denen man nicht einmal einen Hauptschulabschluss kriegen dürfte - und da hilft auch nicht der Hinweis auf die flächendeckende Verwirrung, die die unsägliche Rechtschreibreform hervorgerufen hat: Ein „Beispiel hier führ“ schreibt einer, „ein Probartes Mittel“ eine andere, „vermeidlich“ (die Autorin meint: vermeintlich), „Vorrausetzung“, „wiederrum“, „Kommulitionen“ (gemeint ist: Kommilitonen) - der Kreativität der Rechtschreibfehler sind keine Grenzen gesetzt.

Von „Wiederspruch“ bis „Wiederspiegeln“

Besonders beliebt scheint in diesem Semester auch das „ie“ zu sein. Regelmäßig muss ich lesen: „Wiederstand“, „Wiederspruch“, „wiederspiegeln“. Werden in deutschen Schulen keine Diktate mehr geschrieben? Das gilt auch für den Satzbau, sofern man davon überhaupt sprechen kann, denn oft genug handelt es sich nicht um bloße Fehler in der Satzlogik, sondern schlichtweg um unvollständige Sätze. Eine tiefgreifende Unkenntnis der deutschen Grammatik liefert auch das folgende Beispiel, das bei weitem keine Seltenheit ist: „Zu dem (sic!) liege darin die Gefahr eine Abhängigkeit der personenbezogenen Form der Anerkennung, weg von der erkämpften worden Selbstachtung.“

Das Lesen solcher Arbeiten ist nicht nur nicht erfreulich. Es ist eine Zumutung. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um Studenten, deren Muttersprache Deutsch ist. Oftmals ist es sogar so, dass ausländische Erasmus-Studenten die deutsche Grammatik besser beherrschen als ihre deutschen Kommilitonen. Wird dieser Missstand laut artikuliert, sieht man sich zumeist sofort dem Vorwurf ausgesetzt, man sei zu streng und dürfe die armen Studenten (oder, um es gemäß der grassierenden Partizipienseuche zu formulieren, die politisch angeblich korrekt, sprachlogisch jedoch falsch ist: die „Studierenden“) nicht überfordern. Immer häufiger wird dies auch mit der Belehrung verbunden, dass es eine Krankheit gebe, die sich Legasthenie nennt.

Das argumentative Muster dieser engagierten Kritiker ist bekannt. Hat es sich schon durchgesetzt, allen, die in der Schule nicht aufpassen oder sich durch anderes „abweichendes Verhalten“ vom „normalen“ Durchschnitt unterscheiden - ein Umstand, den jede liberale Gesellschaft eigentlich begrüßen sollte, anstatt jegliche Normabweichung sofort als pathologisch zu klassifizieren -, die Krankheit ADHS zuzuschreiben, gelten nun alle, die der deutschen Rechtschreibung nicht mächtig sind, als Legastheniker. Gibt es auch Tabletten gegen Rechtschreibfehler? Die Pharmaindustrie würde ein Millionengeschäft machen. Dabei liegen die Dinge für jeden, der sehen will, klar zutage: An deutschen Schulen und Universitäten hat eine systematische Niveaunivellierung stattgefunden, die das Ergebnis einer wachsenden Scheu ist, den Lernenden gegenüber Grenzen zu ziehen, schlechte Leistungen als solche zu benennen, Unterschiede zu sehen und zu akzeptieren, anstatt allen - ob sie dafür geeignet sind oder nicht - alles eröffnen zu wollen.

In der erschütternden Unkenntnis der deutschen Orthographie drückt sich nicht nur aus, dass offensichtlich kaum noch Bücher gelesen werden. Sie spiegelt auch ein Problem wider, das mit der Abschaffung des Frontalunterrichts - die, man glaubt es nicht, im Jahr 2014 immer noch als innovativ angepriesen wird - eingetreten ist: Der Verzicht auf Anleitung führt dazu, dass eine Fehlerkontrolle ausbleibt und die Schüler in ihrem oftmals falschen Selbstbild von ihren Leistungen nicht nur bestärkt, sondern paradoxerweise gleichzeitig auch alleine gelassen werden. Allzu oft wird an den Universitäten dieses Problem nicht etwa behoben, sondern durch die (verantwortungslose!) inflationäre Vergabe guter Noten fortgesetzt.

Ich will mich nicht einreihen in den Chor derer, die den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören; wenngleich es zur Bestätigung dieser kulturpessimistischen These sicher lohnenswert wäre, eine Umfrage unter Studenten zu machen, wer von ihnen überhaupt noch weiß, was das Abendland eigentlich ist - und wie man es schreibt. Hier halte ich mich vielmehr mit Kant an das hoffnungsvolle Bestreben, der „langen melancholischen Litanei von Anklagen der Menschheit“ den Appell an die Mündigkeit, an die Freiheit und an die Änderungsfähigkeit eines jeden Menschen entgegenzusetzen. Die angeführten Beispiele zeigen jedoch überdeutlich, dass das deutsche Bildungssystem an gravierenden Stellen versagt. Gymnasien, die nicht einmal in der Lage sind, dafür zu sorgen, dass ihre Absolventen nach Erlangen der allgemeinen Hochschulreife die deutsche Rechtschreibung beherrschen, stellen sich selbst ein Armutszeugnis aus.

Über kurz oder lang wird dieses System, das bei konsequenter Fortführung zu einer nachhaltigen Verdummung der Gesellschaft führen würde, keinen Bestand haben. Es ist zu hoffen, dass der jetzige Bestand eher von kurzer als von langer Dauer sein wird.

http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/sprachnotstand-an-der-uni-studenten-koennen-keine-rechtschreibung-mehr-12862242.html


Kommentar von B.Troffen, verfaßt am 29.05.2013 um 11.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9367

Es gibt ja nicht mehr das simple "richtig" oder "falsch", sondern nun auch "jetzt richtig", "früher richtig", "wieder richtig", "nur zeitweise richtig, jetzt nicht mehr" und ganz besonders "auch richtig".
Das KANN nur dazu führen, daß sich immer mehr Leute von der Vorstellung einer korrekten Orthographie, bzw. daß man diese lernen könnte, verabschieden. Wer hat, verwendet unbesehen die sog. Rechtschreibkorrektur, wer nicht, der macht sich keinen Kopf mehr deswegen. Fazit: Der Stellenwert richtiger Schreibung im kollektiven Bewußtsein ist weg, das war aber eben auch der Plan.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 29.05.2013 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9366

Die Mehrheit aller Lehrer agiert heute in erster Linie so (sicherlich aus gutem Grund), daß sie gesetzlich nicht belangt werden kann. Ein Interesse an einer Zielerreichung seitens ihrer Schüler tritt dabei stark in den Hintergrund. Und wie soll man gute Deutschkenntnisse von Schülern erwarten, deren Lehrer Texte produzieren, die vor Fehlern nur so wimmeln? Aber keine Angst, die Zeit ist nah, in der fehlerhaftes Deutsch niemandem mehr auffallen wird – juristische Konsequenzen hin oder her.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.05.2013 um 04.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9365

Dieser Gebrauch von komplett scheint mir noch nicht sehr alt zu sein. Für mein Gefühl hat das Wort immer noch etwas von "erstebenswerter Vollständigkeit". Ich habe vor Jahren angefangen, mir solche Gebrauchsweisen zu notieren, die das überspielen und die ich daher als verfehlt empfinde, z. B.

Stirbt die AEG, werden komplette Familien arbeitslos. (Nürnberger Nachrichten 9.12.2005)

Wir sind hier wohl Zeugen eines Bedeutungswandels.


Kommentar von ppc, verfaßt am 28.05.2013 um 09.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9364

"vollumfänglich bedeutet komplett"

Der inflationäre Gebrauch von "komplett" ist offenbar immer noch in komplett "in". Wurde früher das gesamte Essen verzehrt, wird heute das Essen komplett verzehrt. Völlig zerstörte Gebäude in ganz unterschiedlichen Städten werden zu komplett zerstörten Gebäuden im komplett unterschiedlichen Städten, und wer das nicht komplett kapiert, ist ein kompletter Idiot, auch wenn das Wort "komplett" häufig im Satz komplett überflüssig ist.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 28.05.2013 um 07.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9363

Jetzt melden sich auch die Juristen zu Wort: www.spiegel.de/unispiegel/studium/sprachkompetenz-von-jurastudenten-das-ergebnis-war-teils-verheerend-a-900387.html

SPIEGEL Online ist sich selbst gegenüber so pietätvoll, die Orthographie erst ganz am Ende zu erwähnen, aber sie ist und bleibt nun mal Teil des Problems. Zehetmair, übernehmen Sie!


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 29.08.2012 um 23.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9074

"Rechtschreibungs-, Interpunktions- und Grammatikfehler beeinträchtigen die Lesbarkeit einer Seminar- oder Diplomarbeit und sind Ausdruck einer gewissen Gleichgültigkeit oder Flüchtigkeit."

Es dauerte ein wenig, bis ich glauben konnte, was ich soeben gelesen hatte. Zunächst:

a) Daß am Kieler Pädagogik-Institut die Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung "der jeweils aktuellen Ausgabe des DUDEN entsprechen" sollen bzw. "müssen", ist für eine wissenschaftliche Institution blamabel: Sprachwissenschaft muß als solche deskriptiv sein; eine Vorschrift, einen staatlichen Eingriff in die Sprache zu unterstützen, sagt viel über den (un)wissenschaftlichen Charakter des Instituts - und sicher auch über seinen Pädagogik-Begriff.

b) Daß Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung nicht etwa dem Amtlichen Regelwerk entsprechen sollen, sondern der Interpretation desselben ausgerechnet durch den DUDEN, ist wohl kein Zufall, sondern Ausdruck ideologischer Festigkeit.

c) Schier unglaublich ist aber die oben zitierte Aussage: Die Aussage, Orthographie-, Interpunktions- und Grammatikfehler beeinträchtigten die Lesbarkeit eines Textes, trifft grundsätzlich ja durchaus zu, wie die Kritiker der RSR immer wieder an konkreten Beispielen nachgewiesen haben; aber zu suggerieren, es sei das Festhalten an konventioneller, bewährter Schreibung, welches das Textverständnis verhindere, und die RSR (im Umkehrschluß) fördere sie - das wurde nie bewiesen, es läßt sich nicht beweisen, und es kann, wenn nicht als ideologisches Dogma, dann getrost als Lüge bezeichnet werden.

Daß Pädagogik eine wissenschaftliche Disziplin sein soll, fällt mir nach der Lektüre eines solchen Merkblatts nicht leicht ...


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2012 um 16.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9072

Aus dem Kieler Institut für Pädagogik wird wohl niemals eine lesenswerte Arbeit hervorgehen, insofern sind die Vorschriften zur reformierten und sexbesessenen Schreibweise unschädlich. Übrigens entspricht durchnumeriert nicht dem selbstgesetzten Maßstab.


Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 28.08.2012 um 20.22 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9071

Die Formulierung „jeweils aktuelle Ausgabe des DUDEN“ lehnt sich unverkennbar an die Vertragsbedingungen im Ingenieurwesen an, in denen auch die Einhaltung der jeweils aktuellen Normen gefordert wird. Mitunter wird dort sogar die Einhaltung geplanter Vorschriften der Normentwürfe gefordert.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.08.2012 um 18.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9070

Wenn man heutige indoeuropäische Sprachen vergleicht, erscheint z.B. die deutche "Ingenieurin" schon hervorstechend modern zu sein, denn in sehr vielen dieser Sprachen gibt es nur den Ingenieur. Das wäre ein Fall für die Europäische Kommission. Man glaubt gar nicht, welche europäische "Macho-Sprachen" es gibt.
Das deutsche "Fräulein" gehört abgeschafft, denn es geht nicht an, daß es kein Geschlecht hat.


Kommentar von Marco Niemz, verfaßt am 28.08.2012 um 16.24 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9069

Hier zur Abwechslung etwas recht Amüsantes, nämlich das "Merkblatt zur Anfertigung von Seminar- und Diplomarbeiten" des Instituts für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität Kiel (www.uni-kiel.de/paedagogik/brouer/grafik/merkblatt.pdf). Das Thema Rechtschreibung wird recht kurz abgehandelt, wobei der Hinweis auf die jeweils neueste Ausgabe des Duden ein wenig komisch wirkt:

"Sprache, Stil und Interpunktion
Seminar- und Diplomarbeiten werden in deutscher Sprache abgefasst. Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung müssen der jeweils aktuellen Ausgabe des DUDEN entsprechen, es gelten die neuen Regeln der deutschen Rechtschreibung. Rechtschreibungs-, Interpunktions- und Grammatikfehler beeinträchtigen die Lesbarkeit einer Seminar- oder Diplomarbeit und sind Ausdruck einer gewissen Gleichgültigkeit oder Flüchtigkeit. Eine unvertretbare Häufung sprachlicher Mängel führt zu Konsequenzen bei der Bewertung der Prüfungsleistung."

Sprachliche Mängel sind also anscheinend nicht weiter tragisch, wenn man es nicht übertreibt. Dafür wird auf Seite 8 bis 11 (von nur insgesamt 13 Seiten) dem Thema "Geschlechtsneutrale Schreibweise in wissenschaftlichen Arbeiten" die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Offenbar ist an diesem Institut die "geschlechtersensible Formulierung" das Hauptkriterium bei der Beurteilung einer Arbeit. Dies könnte ein ganz neues und lukratives Beschäftigungsfeld für "geschlechtergerechte Korrektoren" eröffnen.


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 28.08.2012 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9068

"Hier kann Zivilcourage unerwünscht sein." Vor allem, wenn die Machthabenden denken, daß sie mit der Macht auch den Verstand dazu bekommen haben. Und gerade deshalb ist etwas Wesentliches faul im Zustand der Vierten Gewalt und damit eben überhaupt in unserm Staate.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.08.2012 um 11.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9067

Jeder hat das Recht, so zu schreiben, wie er es für den Leser am verständlichsten hält. Aber gegenüber Vorgesetzten oder Beurteilenden ist es manchmal besser, herauszufinden, welche Form erwünscht ist. Hier kann Zivilcourage unerwünscht sein.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.08.2012 um 06.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9066

Mir ist nicht klar, wo hier ein Eingriff in die Gegebenheiten (den "Markt") ansetzen sollte. Man kann Hochschullehrer nicht zwingen, höhere Anforderungen an die Rechtschreibung in Qualifikationsarbeiten zu stellen, nur damit die Korrektoren besser verdienen (oder die Verfasser sich mehr Mühe geben; Rechtschreibung ist schließlich kein Geheimwissen, und eigentlich sollte es Korrektoren in diesem Bereich überhaupt nicht geben!).


Kommentar von Marco Niemz, verfaßt am 26.08.2012 um 23.13 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9065

Wie zu erwarten war, verschwand das Inserat (150 Franken für die Korrektur einer Masterarbeit) nach kurzer Zeit, der arme Student (oder die arme Studentin) hat also einen anderen armen Studenten gefunden, der entweder derart in Existenznot war, daß er a) eine gute Arbeit sozusagen für Gotteslohn machte oder aber b) seinen Auftraggeber dreist reinlegte, indem er die Arbeit zu einem für ihn akzeptablen Stundenhonorar schnell zurechtpfuschte. Ich tippe auf die zweite Möglichkeit.

Ob man auf derartige Arbeiten, bei denen das gewünschte Ergebnis, in diesem Fall eine einwandfreie Orthographie, vom Auftraggeber gar nicht definiert werden kann, weil er es selbst nicht kennt, das ökonomische Kriterium des Marktpreises anwenden kann, bezweifle ich. Der Marktpreis bezieht sich ja auf den niedrigsten Preis am Markt für eine qualitativ identische Arbeit und nicht auf den niedrigsten Preis für die schlechteste Arbeit. Sagen wir es mal so: "Die Festsetzung von Mindestqualität durch die Auftraggeber dürfte, wie jeder Ökonom wissen sollte, zu erhöhter Arbeitslosigkeit unter Geringqualifizierten führen".


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 26.08.2012 um 16.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9064

Zur "Korrektur von Studentenarbeiten" (#9053, #9063) etwas Ähnliches: Ich sagte meinen Studenten in Deutsch, 2. Jahr immer, daß sie bei allen Übersetzungsersuchen 5 Cent pro Wort verlangen sollten, mit Mindestgebühr $5.– (Postkarten, aber auch einzelne Sätze), und gezählt werden die Wörter in der Sprache, in der es mehr sind. Allerdings müßte die Übersetzung auch formal sauber sein und über der Unterschrift den Satz enthalten: This is a true translation of the German original. Dazu sagte ich ihnen auch noch, ich selbst verlange 50 Cent pro Wort, und einen Dollar pro Wort, wenn der Text schwer ist. Und die Definition von "schwer" ist: Ich muß dazu in die Universitätsbibliothek gehen.
Das Resultat war natürlich, daß niemand mehr zu mir mit unangebrachten Anliegen kam. Aber bei besonderen Fällen (Rechtsfällen) wurde ich schon mal zu Rate gezogen, und da ließ ich mich nach Stundensätzen honorieren, wie die Rechtsanwälte selbst das ja auch tun (jede angebrochene Viertelstunde wird als volle Viertelstunde gerechnet, usw., wo dann einer am Telefon sogar tatsächlich mal sehr schnell sprach). Den armen Studenten mit ihren 150 Franken würde ich raten, dann doch dahin zu gehen, wo sie's für 150 Franken gut gemacht bekommen. — Ansonsten allerdings gilt sowieso #9048, wonach "die beurteilenden Doktorväter die Rechtschreibung entweder selbst nicht mehr beherrschen und/oder aber ihnen das alles völlig egal geworden ist."


Kommentar von R. M., verfaßt am 25.08.2012 um 14.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9063

Wenn sich jemand findet, der die Korrektur einer solchen Arbeit für 150 Franken übernimmt, dann ist das eben der Marktpreis, Herr Niemz. Die Festsetzung von Mindestlöhnen führt, wie jeder Ökonom weiß, lediglich zu erhöhter Arbeitslosigkeit unter Geringqualifizierten.


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 24.08.2012 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9061

Sowas (#9059, #9060 u.a.) sollte in Briefform an die Zeitungen gehen und nicht bloß hier angeboten werden. Geschieht das? (Ich kann das von hier aus natürlich nicht nachprüfen; aber ich meine wirklich, man sollte denen immer wieder in den Ohren liegen, d. h. es ihnen schwarz auf weiß auf den Schreibtisch legen.)


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 24.08.2012 um 16.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9060

Rechtschreibreform – was bleibt?

Ich kenne niemand, der sagt, er beherrsche die reformierte Schreibung intuitiv. Sowohl bei Profis als auch bei Gelegenheitsschreibern entstehen laufend die abenteuerlichsten Phantasiekonstruktionen, die mit dem reformierten Regelwerk nichts gemein haben (s-Schreibung, GKS, GZS, aber auch Einzelschreibungen).

Lesestolpersteine durch früher weitgehend vermiedene Dreifachbuchstaben wurden eingeführt.

Neue willkürliche Mehrdeutigkeit, wo früher Eindeutigkeit herrschte.

Trotz der häufigen Klage, daß selbst Abiturienten auf breiter Basis früher übliche Standards verfehlten, ist für die maßgebende Politik die Reform trotzdem ein Erfolgsprojekt, warum – das wissen nur die Götter …

Mein Resümee: die Masse wird durch die Politik gegen besseres Wissen einfach nur angelogen (und fast alle fressen es, nicht nur in diesem Fall)!
Oder: die Politik glaubt wirklich, was sie sagt, dann wird daraus ein Fall von Realitätsverweigerung!


Kommentar von Germanist, verfaßt am 23.08.2012 um 23.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9059

Wenn die deutsche Grammatik tatsächlich zu schwierig ist, muß eben eine Grammatikreform her. Z.B. Wegfall aller Substantiv-Deklinations-Endungen wie im Italienischen und Spanischen und neuem Einheits-Plural-s wie im Spanischen. (Spanisch hat nach Englisch die zweit-leichteste Grammatik.) Die Artikel genügen doch.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.08.2012 um 16.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9054

Durch die Reform ist die Rechtschreibung erst wirklich zum Herrschaftswissen geworden.
Gefordertes häufigeres Nachschlagen im Wörterbuch ist praxisfremd.
Es erinnert an den im lateinischen Frühmittelalter notwendig gewordenen Beruf des Schreibers, weil durch die Abschaffung des klassischen, aber "heidnischen" allgemeinen Schulsystems des Römischen Reiches in Westeuropa nicht einmal mehr Könige und Kaiser schreiben konnten. Vorher konnten auch Sklaven schreiben.


Kommentar von Marco Niemz, verfaßt am 22.08.2012 um 02.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9053

Hier zum Thema Korrektur von Studentenarbeiten noch ein hübsches aktuelles Beispiel (es stammt aus der Rubrik "Jobangebote" auf der Internetseite einer schweizerischen Universität):

"Um meine Master-Arbeit (Phil I) im Umfang von 60 Seiten orthografisch korrigieren zu lassen, suche ich jemanden, der darin Übung hat und in der Rechtschreibung/Interpunktion sehr sicher ist. Ich biete dafür CHF 150.- [umgerechnet 125 Euro]"

Bereits die Angabe von 60 Seiten ist windig. Es kann sich dabei nämlich durchaus um 120 Standardseiten (30 Zeilen zu 55 Zeichen einschließlich Leerschlägen) handeln. Neben den mittlerweile üblichen vielen Fehlern bei Orthographie, Grammatik und Stil muss man nach meiner Erfahrung zusätzlich durchgehend mit Fehlern in der Bibliographie (beispielsweise falsche Buchtitel, Autorennamen, Erscheinungsjahre und -orte) sowie mit inkorrekten Zitaten, technischen Problemen mit der Datei (Instabilität, Fehler bei der Generierung von Inhaltsverzeichnis und Index) und diversen weiteren bösen Überraschungen rechnen.
Als seriöser Korrektor sollte man sich zumindest nach meiner Auffassung mit allen diesen Fehlern beschäftigen. Nimmt man nur schon den schweizerischen Mindestlohn von ca. 3200 Franken (für Hilfsarbeiten) als Basis, dann sollten alle Korrekturarbeiten samt der Anfertigung von Ausdrucken, dem Verfassen einer Liste mit den unumgänglichen Fragen und dem Eintragen der Korrekturen in die Datei in ca. sechs Stunden erledigt sein. Bei einem hierzulande üblichen Stundenlohn für freie Korrektoren von mindestens 80 Franken müsste man sogar bereits nach kaum zwei Stunden fertig sein.
Beim Angebot, die Arbeit zu einem angemessenen Stundenhonorar und nach Aufwand zu berechnen, dürfte das übliche Gejammer losgehen ("Ich bin ein armer Student, ich habe doch kein Geld, das ist einfach unfair" usw. in diesem Stil).
Der Student (vielleicht handelt es sich auch um eine Studentin; die sind übrigens im Jammern und Erregen von Mitleid besonders talentiert) wird vermutlich trotz allem jemanden finden, der diese Korrekturarbeit für nur 150 Franken erledigt, denn andere arme Studenten auf der Suche nach irgendeiner Verdienstmöglichkeit gibt es in einer Universitätsstadt reichlich, und das zu erwartende desaströse Ergebnis (denn welcher Student beherrscht heutzutage noch eine einigermaßen fehlerfreie Orthographie?) wird dann von den beurteilenden Dozenten vermutlich gnadenvoll schweigend akzeptiert werden. Denn man will ja auf gar keinen Fall pedantisch erscheinen, Inhalt und Einstellung sind eh wichtiger als Äußerlichkeiten, und durch die Rechtschreibreform weiß sowieso keiner mehr, was richtig und was falsch ist (und deshalb interessiert es auch nicht mehr).


Kommentar von Rubbeldiekatz, verfaßt am 19.08.2012 um 15.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9049

Ich kann dies nach meinen eigenen Erfahrungen voll und ganz bestätigen. Aber auch die Schreiberzeugnisse von Behördenmitarbeitern (weibliches Personal eingeschlossen) oder jüngeren Selbständigen mit Hochschulabschluß (oft promoviert) sind voll von Fehlern, von denen ich annehme, daß sie eine Konsequenz der Rechtschreibreform(en) sind. Ich erhielt jüngst ein Rundschreiben einer kommunalen Verwaltung, bei dem ich mich als Verantwortlicher geschämt hätte, wenn es so nach draußen gegangen wäre. Was mich am meisten beim Lesen irritiert, ist neben der Großschreibung von adverbialen Ausdrücken wie "vor Kurzem" (Duden-Empfehlung) die Getrenntschreibung von Verben mit übertragener Bedeutung, die ja im Duden als Variante gegenüber der Zusammenschreibung empfohlen wird – oder es wird die Zusammenschreibung gelb markiert; eine Logik kann ich dabei nicht erkennen.


Kommentar von Marco Niemz, verfaßt am 18.08.2012 um 20.38 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9048

An diesem Rechtschreib-, Grammatik- und Stildesaster tragen die Hochschullehrer eine wesentliche Mitschuld. Wenn ich sehe, was alles an Diplom- oder Doktorarbeiten akzeptiert wird (im Internet sind in Form von PDF-Dateien wahre Prachtexemplare davon zu finden), dann wird für mich deutlich, daß die beurteilenden Doktorväter die Rechtschreibung entweder selbst nicht mehr beherrschen und/oder aber ihnen das alles völlig egal geworden ist.

Auch die Verlage, die diese Arbeiten dann drucken, begnügen sich mit den Dateien (nach Unterzeichnung einer scheinheiligen Versicherung, daß der darin enthaltene Text fehlerfrei sei) und verzichten auf ein teures Lektorat. Und auch jene einsichtigen Studenten, die ihre Arbeiten zur Korrektur geben, behandeln den Korrektor meist mit einer gewissen Hochnäsigkeit, die an Verachtung grenzen kann. So wird auf die Forderung nach einem halbwegs angemessenen Honorar zuerst oft mit Erstaunen, ja sogar Fassungslosigkeit reagiert ("Ja soll ich denn etwa dafür bezahlen? Aber ich habe doch überhaupt kein Geld!"). Oder aber es wird ein unrealistisch geringer Aufwand zugrunde gelegt (es handelt sich dann durchgehend um drei- bis viermal soviel Arbeit).

Einige dieser erbärmlich jammernden armen Studenten, deren Arbeiten ich teilweise völlig überarbeiten musste, um sie vor dem Durchfallen zu retten, gingen dann wenig später lustig und fidel auf teure Reisen in andere Kontinente. Angesichts all dieser schlechten Erfahrungen korrigiere ich keine Diplom-, Lizentiats- oder Doktorarbeiten mehr.


Kommentar von Hamburger Abendblatt, 23. Juli 2012, verfaßt am 09.08.2012 um 19.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9042

Auch dort dieser "das-Fehler", der damit wohl auf das Konto von dpa geht:
"Wolf räumte allerdings ein, das dies dem Bestreben vieler Politiker entgegenlaufe, die Studienzeit zu verkürzen."

www.abendblatt.de/vermischtes/article2347691/Professoren-beklagen-Orthografie-...

(Bei Welt online dagegen einen Tag später in korrigierter und leicht ergänzter Fassung.)


Kommentar von www.n24.de, 23. Juli 2012, verfaßt am 09.08.2012 um 18.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9041

"Massive Lücken bei Studienanfängern": www.n24.de/news/newsitem_8088024.html

"Professoren beklagen sinkendes Niveau": www.n24.de/news/newsitem_8088563.html


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 04.08.2012 um 12.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9032

Häufig hört man derzeit, Studienanfänger hätten wenig Ahnung von Rechtschreibung und Grammatik.
Vermutlich handelt es sich um jene Jahrgänge, bei denen die Verwirrung durch die Reform groß war und wo die Lehrer die Sache vielfach sich selbst überließen. Man hörte seinerzeit zwar, die Umsetzung der Reform laufe problemlos; wie problemlos, kristallisiert sich jetzt halt langsam heraus.
Aber natürlich sieht man keine Versäumnisse in der Vergangenheit, man akzeptiert den Status quo einfach und fordert die Unis auf, nach unten zu nivellieren, damit die Uniabsolventen ihre Schwächen in Rechtschreibung und Grammatik auch als Akademiker weiterhin behalten können!?


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 27.07.2012 um 00.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9019

Das Interview zum Thema gibt es hier: www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1818985


Kommentar von PW, verfaßt am 24.07.2012 um 16.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9018

zu #9017:
Laut der SÜDWEST PRESSE vom 24. Juli 2012 bescheinigen Professoren Studienanfängern massive Probleme mit der deutschen Sprache. Eine bisher unveröffentlichte Umfrage an 135 geisteswissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland komme zu einem erschreckenden Ergebnis: Studenanfänger wiesen massive Lücken in Rechtschreibung und Grammatik auf. Jürgen Wertheimer, Professor für Neuere deutsche Literatur an der Uni Tübingen, wird zitiert, für den der Fehler im System liege. Man dürfe sich nicht beklagen, wenn die deutsche Sprache sich nach "zweieinhalb durchgeführten Rechtsschreibreformen" selbst auflöse. (www.swp.de)


Kommentar von B.Troffen, verfaßt am 24.07.2012 um 08.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=680#9017

Jetzt hat auch die WAZ (und einige andere) was entdeckt:

"Relative Reife - Abiturienten haben Probleme mit der Rechtschreibung"

Ein Alarmruf aus der Professorenschaft mal wieder (genauer: der "Philosophische Fakultätentag"). Von einer gewissen Reform ist allerdings nicht die Rede, aber vielleicht ist ja deren Anteil an der Problemlage tatsächlich eher gering.



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