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25.09.2009
Hans Krieger
Abwrackprämie für die Entsorgung des Sprachgefühls
Konjunkturspritze für den Markt der Rechtschreibwörterbücher: Nach nur drei Jahren gibt es einen neuen Duden. Abwrackprämien werden nicht gezahlt für den so rasch als veraltet erklärten Vorgänger, aber das Wort „Abwrackprämie“ steht nun drin im Duden als eines von rund 5000 neu hinzugekommenen Stichwörtern.
Nur wenige dieser Wortschatzbereicherungen wie etwa „Twitter“ sind wirklich neu; auf viele andere, wie etwa „Ehrenmord“, „Herdprämie“, „Angsthäsin“ oder „abbusseln“ könnte man ohne Not verzichten. Doch sie sind der einzige Grund für eine Neubearbeitung, denn orthographisch hat sich überhaupt nichts geändert, seit 2006 die vom Rat für deutsche Rechtschreibung erarbeitete Teilreform der Reform die damals neuen Wörterbücher nötig gemacht hat.
Auch seine Obstruktionspolitik gegen die Intentionen des Rates hat der Duden nicht aufgegeben. Wo Varianten zur Wahl stehen, empfiehlt er weiterhin, durch Gelbmarkierung hervorgehoben, sinnwidrige Getrenntschreibungen, wo der Rat die altbewährten Zusammenschreibungen wiederherstellen wollte – auch dort, wo die Getrenntschreibung ungrammatisch ist („das ist nicht Erfolg versprechend“). Hier endlich Vernunft zu zeigen, wäre ein guter Grund für eine Neuauflage gewesen.
Wer braucht diesen neuen Duden? Niemand braucht ihn und am allerwenigsten die Schulen. Wie soll ein Lehrer seinen Schülern begreiflich machen, dass man „Furcht einflößend“ schreiben soll, aber „furchterregend , „Energie sparend“ aber „zeitsparend“, „Staaten bildend“ aber „klassenbildend“, „Profit bringend“ aber „gewinnbringend“, „nichts ahnend“ aber „nichtssagend“ , „allgemein verbindlich“ aber „allgemeingültig“? Wie soll sich bei solcher Willkür ein Sprachverständnis entwickeln? Und wie soll der Lehrer die notenrelevante Fehlerbewertung verantworten?
Das Problem verschärft sich noch durch die erheblichen Diskrepanzen zwischen dem Duden und dem Konkurrenzwörterbuch Wahrig, das ebenfalls an den Schulen zugelassen ist und jetzt auch mit einer Neuauflage aufwartet, die immerhin den Text der aktuellen amtlichen Regelung enthält, den man im neuen Duden vergeblich sucht. Schreibt man „Rat suchend“ oder „ratsuchend“, „leer stehend“ oder „leerstehend“, „minuziös“ oder „minutiös“, „Dränage“ oder „Drainage“? Kommt ganz darauf an, in welches Wörterbuch man guckt. Wie sich orientieren, woran sich halten? Die Kultusministerien ignorieren das Problem und lassen die Schulen im Regen stehen.
Wer den neuen Duden kauft, zahlt seine persönliche Abwrackprämie für die Entsorgung des Sprachgefühls. Viele Sprachwidrigkeiten („bei Weitem“, „heute Abend“, „Er war der Erste, der das Problem erkannte“) sind freilich politisch verschuldet. Denn der Rat für Rechtschreibung hat sich 2006 von den Kultusministern zwingen lassen, die Reform der Reform auf halbem Wege zu beenden, als wichtige Teilgebiete wie die Groß- oder Kleinschreibung noch gar nicht erörtert waren. Jetzt will der Rat nur noch die Sprachentwicklung beobachten und keine Empfehlungen mehr geben. Er erklärt sich also für überflüssig.
Der saarländische Germanist Uwe Grund hat unlängst mit eingehenden Analysen nachgewiesen, dass in Schülertexten seit der Rechtschreibreform erheblich mehr Fehler gemacht werden als vorher. Und zwar gerade dort, wo die Reform regulierend eingegriffen hat. Die Reform hat also gerade denen geschadet, für die sie angeblich als Erleichterung ins Werk gesetzt wurde.
Was tun? Uwe Grund sagt es mit volkstümlicher Spruchweisheit: „Der Teufel muss zu dem gleichen Loch wieder hinaus, zu dem er hereingekommen ist.“
Quelle: Bayerische Staatszeitung
Link: http://tinyurl.com/BStZ-Abwrackpraemie
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