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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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02.03.2006
 

Reinhard Markner
Im Restorant

Es war eine gute Idee von Hans Zehetmair, die Vorschläge des von ihm geleiteten Rechtschreibrats ausgerechnet am Rosenmontag der Präsidentin der KMK zu übergeben.

Warum, lesen Sie in der Jungen Welt. Oder auch im Rheinischen Merkur, im Rahmen eines lauwarmen Themenschwerpunkts. (Beide Zeitungen buhlen übrigens um wohlinformierte Leserbriefe.)



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Kommentare zu »Im Restorant«
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Kommentar von Siegener Zeitung v. 2. 3. 2006, verfaßt am 02.03.2006 um 09.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3143

Auf halbem Wege
Zum ewigen Rechtschreibfrieden

Die Bestätigung der Beschlüsse des "Rates für die deutsche Rechtschreibung" in der zweitägigen Sitzung der Kultusministerkonferenz scheint gesichert. Seit die Konfliktfähigkeit der deutschen Gesellschaft durch die Rechtschreibreform bis zum Überdruss strapaziert worden ist mit dem ernüchternden Ergebnis, dass heute eine fast unverbindliche Rechtschreib-Postmoderne herrscht, ist Deeskalation angesagt. Jeder weiß, dass neuer Streit die Wirrnisse nur vertiefen würde, folglich befindet man sich auf halbem Wege zurück zur alten Schreibweise.

Was immer die Erfinder dieser Reform angestrebt haben, Zweierlei haben sie nicht erreicht: weder eine klare Logik der Rechtschreibregeln noch faktisch eine bessere Rechtschreibung junger Menschen, die neben den Behörden die Reform wie einen missglückten Feldversuch über sich haben ergehen lassen müssen. So sinnvoll noch die - laut Bundesverfassungsgericht - dominierende Veränderung gewesen sein mag, das „ß" durch „ss" bei scharf gesprochenem s nach kurzem Vokal zu ersetzen, sie hat zur Fehlerhäufung geführt. Wer hier auf eine klare Regel setzen und sich folglich auf sein Ohr verlassen will, sieht sich getäuscht: Hätt' man es vorher nicht gewusst, dann schriebe man ja „Lusst" und „Brusst".

Die jüngsten Änderungen durch den Rechtschreibrat kommen nun zwar den alten Gewohnheiten entgegen, dies aber um den Preis, dass man sich neue (alte) Regeln merken soll. So erlaubt jetzt z. B. der einheitliche Wortakzent wieder das Zusammenschreiben von Verben. Kinder, die Wägelchen aneinanderhängen, stehen nach dieser Regel freilich auch orthographisch anders da als zwei ältere Eheleute, die aneinander hängen. Während insoweit (eine nicht unkomplizierte) Klarheit besteht, bleibt für denjenigen, der auf die Regeln achtgibt, alles offen, denn er kann auch auf die Regeln Acht geben. Das spricht folglich doch dafür, dass die Zeit der orthographischen Willkür anhält.

Vielleicht empfiehlt es sich sogar, über eine verstärkte Zusammenarbeit von Soziologen und Germanisten zur allmählichen Beseitigung der eingerissenen Orthographie-Willkür eine neue Hybriddisziplin der Orthographie-Soziologie zu entwickeln und dafür ein paar Lehrstühle einzurichten. Genug Geld scheint ja für derlei immer noch vorhanden zu sein, so dass diese Lehrstühle an Drittmittel herankommen, was jedenfalls ihre Daseinsberechtigung beweist, selbst wenn ihre Forschungen Unfug sein mögen.

Die Orthographie-Soziologen könnten dem Rechtschreibrat sagen, welche Schritte auf dem Weg zum ewigen Rechtschreibfrieden konsensfähig sind. Sie würden damit auch -- sozialpädagogisch -- Hilfen für Familien entwickeln, die orthographisch „zerrissen" wurden, weil Eltern die Rechtschreibung der Kinder nicht mehr zu korrigieren wissen. Viel ist zu tun. Aber fest scheint zu stehen, dass die neue Orthographie-Friedensbewegung jetzt die Fäden in Händen hält und dass sich die Rechtschreib-Revolutionäre auf dem unfreiwilligen Rückzug befinden. Die indes müssen niemandem leidtun und schon gar nicht Leid tun. ewi [Dr. Ewald Winterhager, Chefredakteur]



Kommentar von Ruth Salber-Buchmüller, verfaßt am 02.03.2006 um 10.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3144

FOCUS online kommentiert wie erwartet:

http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=25593


Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 02.03.2006 um 10.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3147


SPIEGEL ONLINE - 02. März 2006, 10:05
URL: http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,403601,00.html

Zwiebelfisch
Die reformierte Reform

Deutschland starrt wie gebannt auf das zähflüssigste Reformwerk aller Zeiten: die Neuordnung der Rechtschreibung. Die Kultusminister der Länder stimmen heute in Berlin über die endgültige Form ab. Die ist ein Kompromiss - aber einer, mit dem sich's leben lässt.

...

| Dass man Mayonnaise jetzt auch Majonäse schreiben kann
| und Ketchup auch mit sch (Ketschup), hat mich nie gestört.

... und nur ein Schelm hätte sich gefragt, warum man denn nicht gleich die Schreibung "Ketschap" verordnet, wenn man das Wort schon in der Schreibung ändern muß.

| Einige Änderungen wurden ja sogar begeistert aufgenommen.
| Zum Beispiel die Abschaffung der Regel "Trenne nie s-t,
| denn es tut ihm weh", für die es keine überzeugende Begründung
| mehr gab, seit Ligaturen aus der Mode geraten sind.

Warum sollte man nicht "Lis-te" trennen und "bas-teln"? Klar, kein Thema. Schon schwieriger zu verstehen sind Trennungen wie "höchs-te" oder "mindes-te". Richtig bitter wirds dann, wenn einer Trennung nach Silben die Zwangstrennung des s-t vorgezogen wird, beispielsweise in "Ins-tanz" (welcher Tanz?).

Man sollte nicht vergessen, daß "Trenne nie s-t" eine einfache und eingängige Regel war, die letztlich durch eine komplexere Regel ersetzt werden wird. "Trenne stets s-t" funktioniert ja nicht.

Da besteht weiter Klärungsbedarf, doch nun, da heute das Abenteuer Staatsschreibung durch Re-Privatisierung beendet werden wird, werden sich die Wörterbuchredaktionen dessen schon annehmen.

Wie sagte Herr Blüml, Vertreter Österreichs in der Zwischenstaatlichen Kommission, Anfang 1998 doch so schön:

"Das Ziel der Reform waren gar nicht die Neuerungen. Das Ziel war, die Rechtschreibregelung aus der Kompetenz eines deutschen Privatverlages in die staatliche Kompetenz zurückzuholen."

Mir scheint, daß dieses Hauptziel der Reform verfehlt worden ist.

Ich wußte übrigens, daß der Zwiebelfisch ein Verehrer der Neuschreibungen ist, insoweit habe ich von ihm keinen anderen Artikel erwartet (und erwarte auch nicht, daß meine gegenteilige Meinung in angemessener Weise zur Kenntnis genommen und res-pektiert wird).


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 02.03.2006 um 11.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3148

Im Zwiebelfischartikel finde ich vor allem die Meinung anstößig, dem Gesetzgeber tue es längst leid, dass er die Rechtschreibung überhaupt je zur Reformsache gemacht hat. Denn der Gesetzgeber hat die Befassung mit der Materie völlig verweigert und sie einer Reihe unbefugter Gremien, die allenfalls beratend oder koordinierend hätten tätig werden dürfen, wie der KMK, der Zwischenstaatlichen Kommission und dem Rechtschreibrat, überlassen.


Kommentar von Berliner Zeitung, 2. 3. 2006, verfaßt am 02.03.2006 um 11.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3149

Stimmen zur Reform:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/530794.html?2006-03-02

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/530796.html


Kommentar von Frankenpost, 2. 3. 2006, verfaßt am 02.03.2006 um 11.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3150

Fauler Friede
Leitartikel des Herausgebers Malte Buschbeck

Nun also soll Friede wieder einkehren. Die Kultusminister werden noch diese Woche den Empfehlungen des Rechtschreibrates zur Reform der Reform ihren Segen erteilen. Und sei es nur, um der elenden Feilscherei und den verbissenen Kleinkriegen um die künftigen Regeln nach der Devise „Gibst Du mir, geb ich Dir“, über die Reformgegner Thomas Ickler in der FAZ anschaulich berichtet hat, ein Ende zu bereiten. Der Ratsvorsitzende Hans Zehetmair beschied die uneinsichtigen Kritiker, alle Empfehlungen seien nun mit mindestens Zweidrittelmehrheit beschlossen worden. Immerhin ein Zweidrittelfrieden also im Sprachenstreit. Aber reicht das?

Noch immer kann man nur die Tollkühnheit der Kultusminister bewundern, die offenbar meinten, wenn man die Kiste aufmache und den Teufel herauslasse, werde man den geläuterten Teufel wieder einfangen, zurück in die Kiste packen und das Ganze ordnungsgemäß verschnüren können. Sinnvoller wäre es gewesen, wenn sie sich Schritt für Schritt auf vorsichtige Korrekturen beschränkt hätten, anstatt mit einem großen Donnerschlag einer lebenden, historisch gewachsenen Sprache zu Leibe zu rücken, so wie sie es gemeinsam mit ihren österreichischen und Schweizer Kollegen ohne Not in ihrer „Gemeinsamen Erklärung“ vor zehn Jahren taten. Zehn der Bundesländer konnten es dann gar nicht erwarten und preschten machtbewusst vor mit der Einführung der ersten unausgegorenen und längst nicht ausdiskutierten Reform. Bis sie kalte Füße bekamen und kleinlaut die Kommission unter dem redlichen Hans Zehetmair mit einer Korrektur der unsinnigsten Reformergebnisse beauftragten.

Jetzt können wir uns also aussuchen, ob wir froh sein müssen, dass das Schlimmste verhindert wurde, oder verärgert über all die Schrecknisse, die geblieben sind. Geblieben auch deswegen, weil man nach eigenen Aussagen aus Zeitnot leider vieles nicht mehr durchnehmen konnte. Auch dieses Unerledigte, das manche bissig „die neuen Falschheiten“ nennen, wurde nun verbindlich eingeführt. Das hehre Ziel, die Regeln zu vereinfachen, hat zu einem neuen Durcheinander geführt. Zwar gibt es jetzt weniger Hauptregeln, dafür aber ein Dickicht neuer Unterregeln.

Damit werden nun die 92 Prozent der Bevölkerung, die laut Umfragen die Rechtschreibreform nicht wollten, ihren Frieden damit machen müssen. Viele sind des Streitens müde. Wie es heißt, scheinen auch die meisten Zeitungen, welche sich der Reform verweigert hatten, erschöpft einlenken. Es ist immerhin ein kleiner Trost, dass Zehetmairs Rat noch ein paar Jahre weitermachen soll, um nachträglich das Krümmste wie zum Beispiel die unselige „Gämse“ glattzuziehen. Ohnehin wird es noch einige Zeit brauchen, bis sich der Pulverdampf des großen Sprachstreits verzogen hat. Was bleibt, ist das atemlose Staunen, wie ein Kulturvolk mit seinem überlieferten Sprachgut umgeht, und wie groß die Unfähigkeit war, eine solche Reformdebatte angemessen und im Einvernehmen mit den Betroffenen auf den Wege zu bringen. Am Ende stehen nur Verlierer.


Kommentar von Der Tagesspiegel, 2. 3. 2006, verfaßt am 02.03.2006 um 11.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3151

Zehn Jahre Babel
Die Rechtschreibreform, die es nie hätte geben dürfen, soll nun abgesegnet werden

Von Moritz Schuller

Natürlich kann man morgens aufwachen und sich für Herkules halten. Natürlich braucht man dann einen Stall, den man ausmisten kann. Sich jedoch in einem Land, in dem die Misthaufen überall bis zur Decke reichen, gerade den Sprachstall auszusuchen, in dem es gar keinen Mist gibt – das hätte Herkules auch erst gewagt, nachdem er den Verstand bereits verloren hatte.

Die erste Lehre aus der Rechtschreibreform ist eine einfache. Der Amerikaner kennt sie schon, denn der sagt: „If it ain’t broken, don’t fix it“. Was nicht kaputt ist, sollte man nicht reparieren. Alles andere ist Zeitverschwendung. Die deutsche Sprache war 1996 nicht kaputt, als die Rechtschreibreform beschlossen wurde, sie hat erst durch diesen Beschluss gelitten. Zehn Jahre hat sich dieses Land mit dem Rückbau einer Reform beschäftigt, die nur deshalb nicht vollkommen zurückgenommen wird, weil sonst einige Sozialingenieure ihr Gesicht vollständig verlieren würden.

Die Reform ist missglückt. Denn das, was sie zu erreichen vorgab, eine Vereinheitlichung, wird es nicht geben. Das häufigste Wort in dem neuen Vorschlag des Rates für deutsche Rechtschreibung, der am Freitag endgültig abgesegnet werden soll, ist das Wort „auch“. Man kann etwas nun so schreiben, aber auch so. Zu hoffen, wie die brandenburgische Kultusministerin Johanna Wanka, dass wir damit „bald wieder eine einheitliche Rechtschreibung in Deutschland haben“, ist sinnlos. Fünf „endgültige“ Regelungen hat es seit 1996 gegeben, die Verlage sind zerstritten und die Zeitungen schreiben, wie sie wollen. Auch der Deutsche Elternrat – Kinder wurden ja stets als Opfer der Rückänderung ins Feld geführt – fordert weiterhin die alte Rechtschreibung. Klar ist allen nur das „dass“.

Wer an dem gesamten Prozess etwas Positives finden möchte, kann sich über das freuen, was der lange Widerstand gegen die ursprüngliche Reform erreicht hat; und darüber, dass es diesen Widerstand überhaupt gab.

Einer großen Mehrheit war die Debatte (und womöglich auch die Sprache) offenbar egal. Bei den Interessierten indes überwog am Ende die Zahl der Gegner. Zehn Jahre lang hatten einige reformbegeisterte Sprachwissenschaftler ein Land in Geiselhaft genommen. Der Widerstand gegen die Reform kam dagegen nicht von irgendwelchen akademischen Spinnern, sondern einer breiten Koalition von Sprachliebhabern, Schriftstellern und Laien.

Dass einer, der anfangs mitgetan hat, der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair, nun sagt, er habe sich „mittreiben lassen“, wirft ein erschreckendes Licht auf die Entscheidungsprozesse in diesem Land. Auf Leute, die sich treiben lassen, und das ist die zweite Lehre, sollte man nie hören. Vor allem, wenn sie auch noch in der Minderheit sind.


Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 02.03.2006 um 11.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3152

Bastian Sick schreibt zum einen:

Vor der Arbeit der Reformatoren habe ich großen Respekt. Es ist beileibe nicht einfach, ein jahrhundertealtes Kulturgut zu bearbeiten, noch dazu ein so heiliges wie unsere Rechtschreibung. Um die Regeln der Schriftsprache vereinfachen zu können, muss man sie sehr genau kennen. Das ist bei den Mitgliedern der Kommission zweifellos der Fall - bei ihren Kritikern hingegen nicht immer.

Zum anderen:

Die blindwütige Trennung natürlich zusammengewachsener Wörter war es, die schließlich auch die Intellektuellen der Republik gegen die Reform aufbrachte.

Sowie:

Dem Gesetzgeber tut es längst leid, dass er die Rechtschreibung überhaupt je zur Reformsache gemacht hat. Zwischendurch tat es ihm Leid (mit großem L), und nun doch wieder leid. Die Lehrer und Schüler, die von "leid tun" auf "Leid tun" umdenken mussten und sich nun an "leidtun" gewöhnen sollen, können einem nur leid ... Leid ... also, die kann man nur bedauern.

Ich fasse zusammen: Die zweifellos fachkundigen Kommissionsmitglieder haben blindwütig Wörter getrennt, was den Gesetzgeber und die Schüler zur Verzweiflung brachte. Respekt!


Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 02.03.2006 um 12.04 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3155

Stofffetzen aus Staatsraison

Herr Olbertz hat sich in dem an anderer Stelle schon erwähnten DLF-Interview besonders engagiert für die Beibehaltung der neuen Tripelkonsonanten ausgesprochen - man könne die Schreibweise "Stoffetzen" (er hatte möglicherweise ein anderes Beispielwort gewählt) einem Kind, das erst zu schreiben lerne, doch schlechterdings nicht vermitteln, da sie schlicht unlogisch sei.

Da hat er gleich mehrfach unrecht. Es geht bei der Rechtschreibung natürlich um Logik, aber nicht im Sinne der mathematischen Aussagenlogik, sondern in dem der sprachlichen Folgerichtigkeit.
Hierzu hat die BMBF-finanzierte Guckomobil-Studie eine wichtige empirische Erkenntnis geliefert: Selbst für Schüler, die nur die reformierten Schreibweisen kennengelernt hatten, stellten diese Tripelkonsonanten ein nachweisbares Lesehemmnis dar - nirgends sonst blieben die Schüler so oft hängen. Lesehemmnissse zu erzeugen, kann nicht Sinn von Rechtschreibung sein. Folglich (=logischerweise) sollten diese Hemmnisse wieder entfallen.

Warum erschließt sich dies einem hochgelehrten Minister nicht?

Warum sollte überdies heutigen Kindern nicht mehr zu vermitteln sein, was über Generationen hin keine nennenswerten Probleme mit sich gebracht hat?

"Zwiebelfisch", Frau Erdsieck-Rave oder Frau Schavan, Herr Wulff oder, oder, oder haben wohl ein Verständnis von Staatsraison, das mit »raison« nicht allzuviel gemein hat.


Kommentar von AP, 2. 3. 2006, verfaßt am 02.03.2006 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3156

Wanka hofft auf Endpunkt bei Rechtschreibreform

Berlin (AP) Die brandenburgische Kultusministerin Johanna Wanka hofft auf einen baldigen Schlusspunkt bei der Rechtschreibreform. Im ZDF-Morgenmagazin sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag, sie werde bei den Beratungen mit ihren Amtskollegen am selben Tag für die vom Rat für deutsche Rechtschreibung vorgelegten Änderungsvorschläge stimmen.

Wenn diese sowohl auf der bis Freitag tagenden Kultusministerkonferenz (KMK) als auch später von den Ministerpräsidenten der Länder angenommen werden, könnten sie am 1. August in Kraft treten. Ein Jahr später würden sie dann auch in den Schulen als Fehler angestrichen. Sprache sei lebendig und verändere sich immer. Doch die große Reform werde dann beendet sein, fügte Wanka hinzu.

Die Potsdamer Ressortchefin zeigte sich zuversichtlich, dass die Kultusminister bei den Beratungen am Abend für die Änderungsvorschläge stimmen werden. Sie habe jedenfalls bislang keine anderen Signale bekommen. Mit den Empfehlungen des Rechtschreibrats unter Vorsitz des ehemaligen bayerischen Wissenschaftsminister Hans Zehetmair werde ein Teil der «Unsinnigkeiten» der Rechtschreibreform zurückgenommen. Mit ihr sei man «übers Ziel hinaus geschossen», merkte Wanka kritisch an. Die CDU-Politikerin war 2005 KMK-Präsidentin.


Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 02.03.2006 um 12.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3157

Hat Frau Wanka wirklich gesagt, es werde ein Teil der Unsinnigkeiten der Rechtschreibreform zurückgenommen? (Was ist dann mit dem anderen Teil der Unsinnigkeiten? Wird der dann amtlich?) Gibt es die Äußerung von Frau Wanka irgendwo als wörtliches Zitat?


Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 02.03.2006 um 12.36 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3158

Wenn Frau Professor Dr. J. Wanka tatsächlich das gesagt hätte, was sie laut ap gesagt haben soll: Merkt man als Politiker überhaupt nicht mehr, was man selbst sagt?
Ein Teil der Unsinnigkeiten der Rechtschreibreform würde zurückgenommen - und mit dem Rest an Unsinn könne man "die große Reform" dann an den Schulen verbindlich werden lassen?

In der Medizin haben wir häufig mit Störungen zu tun, die Schmerzen bereiten - das nur als kleine, in diesem Zusammenhang bedeutungslose Zusatzinformation.)


Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 02.03.2006 um 13.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3159

Wenn Frau Wanka das gesagt hat, gibt sie also den Schulen zu verstehen, nun etwas weniger Unsinn machen zu dürfen als zuvor, oder, wie man's nimmt, einigen Unsinn weiterhin machen zu müssen. -
Wenn diese Zustände nicht nach Evaluierung schreien, an Haupt und Gliedern, dann weiß ich's nicht...



Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 02.03.2006 um 13.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3161

„Stofffetzen“ – Vorgestern sagte mir meine Zwölfjährige, sie und andere hätten mit dem Lesen von Dreifachbuchstaben die meisten Schwierigkeiten. Die Lehrerin habe ein Wort mit drei „s“ an die Tafel geschrieben, und die ganze Klasse habe gestöhnt: „Hä, was soll’n das heißen“.


Kommentar von ddp, 2. 3. 2006, verfaßt am 02.03.2006 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3162

«Die eklatantesten Unebenheiten sind geglättet»
Zehetmair erwartet Zustimmung zu Rechtschreibreform-Korrekturen

Passau (ddp). Der Vorsitzende des Rates für Deutsche Rechtschreibung, Hans Zehetmair, erwartet, dass die Änderungsvorschläge seines Gremiums bald Gültigkeit erlangen. «Ich gehe davon aus, dass die Kultusminister den Vorschlägen zustimmen», sagte Zehetmair der «Passauer Neuen Presse» (Donnerstagausgabe). Zehetmair betonte: «Wir haben uns um moderate Korrekturen bemüht und damit auf die Kritik der letzten Jahre reagiert. Die eklatantesten Unebenheiten sind geglättet.»

Trotz der Verunsicherung und Mischschreibweisen in den vergangenen Jahren sei er zuversichtlich, dass «wir uns mittelfristig wieder in Richtung einer allgemein akzeptierten Schreibweise bewegen werden", sagte Zehetmair. Im Laufe der Jahre werde die Akzeptanz der Rechtschreibreform wachsen.


Kommentar von Arndt Brünner, verfaßt am 02.03.2006 um 16.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3163

Frau Wanka hat das im ZDF-Morgenmagazin gesagt. Sie hat damit klar eingeräumt, daß die Rechtschreibreform einen Haufen Unsinn darstellt, daß man aber nur einen Teil davon zurücknimmt. (Leider wurde sie nicht gefragt, warum der restliche Unsinn bleiben soll.) — Und sie hat erläutert, warum die Unterscheidung von stehenlassen und stehen lassen Sinn macht. (Gehört denn das überhaupt zu den neuen Ausnahmen der Regel Verb-Verb stets getrennt?)


Kommentar von FDP, 2. 3. 2006, verfaßt am 02.03.2006 um 16.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3164

Otto: Der Staat darf sich nicht an der Sprache vergreifen
Pressemitteilung

BERLIN. Anlässlich der heutigen Sitzung der Kultusministerkonferenz in Berlin, auf der unter anderem Korrekturen der Rechtschreibreform beschlossen werden sollen, erklärt der kulturpolitische Experte der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim OTTO:

Mit der heutigen Entscheidung der Kultusministerkonferenz, die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung anzunehmen und die Rechtschreibregeln ein weiteres – aber immer noch nicht letztes – Mal zu ändern, ist der Rechtschreibfrieden mitnichten wiederhergestellt.

Die Arbeit des Rates war von Anfang an und trotz des tapferen Einsatzes von Hans Zehetmair nicht sehr erfolgversprechend, weil sie nur die „eklatantesten Unebenheiten glätten“ sollte und konnte. Letztlich besteht die Reform der Reform nun vor allem im Zulassen immer weiterer Varianten, die mehr denn je vom Ziel einer einheitlichen Rechtschreibung wegführen.

Die Besetzung des Rates mit einer Mehrheit von Reformbefürwortern, der immense Zeitdruck, die Beschränkung auf bestimmte Regelbereiche und das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit für alle Entscheidungen ließen eine tatsächliche Reform der Rechtschreibreform von vorneherein nicht zu.

Das Fiasko der Rechtschreibreform ist ein schlagender Beweis dafür, dass der Staat sich an der Sprache nicht vergreifen darf. Solange die Kultusministerkonferenz an der so genannten Rechtschreibreform beteiligt ist, kann und wird es nicht gelingen, die Einheit der deutschen Rechtschreibung wiederherzustellen. Nie waren wir weiter von einer Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung entfernt als heute, nach diesem gescheiterten Versuch staatlicher Sprachlenkung. Nur durch eine behutsame Aufzeichnung der Sprachentwicklung durch unabhängige Wissenschaftler auf der Basis der bewährten Rechtschreibung kann es gelingen, dass Schüler, Journalisten, Schriftsteller und alle Bürger wieder die gleiche Sprache schreiben.

http://www.fdp-fraktion.de/webcom/show_websiteprog.php/_c-649/_lkm-84/i.html?wc_id=6116&bis=


Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.03.2006 um 16.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3165

Frau Wanka scheint als einzige Kultusministerin sich wirklich inhaltlich mit der Rechtschreibung beschäftigt zu haben: Sie sagte, die Reform werde nur aus Gründen der Staatsräson durchgedrückt. Sie sagte, ein Teil des Unsinns sei jetzt bereinigt. Sie bestätigt den Bedeutungsunterschied zwischen Getrennt- und Zusammenschreibung bei Ver-Verb-Kombinationen mit "lassen", wie ihn Prof. Ickler im "Schildbürgerstreich" und im "Kritischen Kommentar" bewiesen hat.


Kommentar von Junge Welt, 3. 3. 2006, verfaßt am 03.03.2006 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3245

Rechtschreibreform wurde reformiert

Berlin. Die Rechtschreibreform soll in strittigen Bereichen geändert werden. Die Kultusministerkonferenz (KMK) stimmte am Donnerstag in Berlin den Änderungsvorschlägen des Rats für deutsche Rechtschreibung zu. Die Änderungen betreffen Regelungen in der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Groß- und Kleinschreibung, der Zeichensetzung sowie der Worttrennung am Zeilenende. Ungeachtet der erneuten Reform bleibt die junge Welt bei der alten Rechtschreibung. (AFP/jW)


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 03.03.2006 um 18.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3247

> Ungeachtet der erneuten Reform bleibt die junge Welt bei der alten Rechtschreibung.

Danke für diesen klaren Satz. Haben wir aus den Zeitungen des Axel-Springer-Verlages Vergleichbares? Nach der Klarstellung der Schirrmacher-Äußerungen können wir uns auch auf die FAZ wohl noch verlassen.


Kommentar von R. M., verfaßt am 03.03.2006 um 19.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3249

Richten Sie den Dank bitte an die Redaktion . . .


Kommentar von Siegener Zeitung v. 4. 3. 2006, verfaßt am 04.03.2006 um 09.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3265

"Schreib-Zierrat"

Zum Leitartikel "Auf halbem Wege" (SZ vom 2. März)

In der SZ vom 13. 11. 1996 brachten "Dudi und Dudeline" von der Realschule des Freien Grundes den "Reform-Dschungel" in Sachen Rechtschreibung auf den Punkt: "Ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Wege zu beschreiten bereitet offenkundig sogar einigen Spaß, ... weil bisher Richtiges nunmehr falsch und Falsches plötzlich richtig ist." Die Realschüler von damals gehören zu den Jahrgängen, die wahrscheinlich nie mehr wissen werden, was orthographisch richtig und was falsch ist. Das ist die traurige Bilanz eines Schildbürgerstreichs, den die Kultusministerkonferenz auch heute noch nicht ganz aus der Welt schaffen will - aus Gründen der "Staatsräson", wie jemand aus dem illustren Kreis einfältig-offenherzig meint.

Ohne jeden Zweifel falsch sind nun dagegen alle Wörterbücher, die besorgte Eltern seit 1996 gekauft haben, von den Kinder- und Jugendbüchern in "reformierter Rechtschreibung" ganz zu schweigen. Ein Trost: Die Kinder dürfen in den Briefen an die Oma wieder "Du" schreiben, aber natürlich bleibt es bei "unstrittigen" Schreibungen wie im folgenden Merksatz: "Unser grässliches Känguru, frisst eine Hand voll raue Stängel, schnäuzt sich behände und wird morgen Früh die gräulich belämmerten Tollpatsche verbläuen".

Solcher "Schreib-Zierrat" ist übrigens auf dem Haardter Berg zu Weidenau erfunden worden, und unsere Siegerländer Grundschullehrerin im Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft warnt gerade eindringlich vor der "Narretei", die Rechtschreibung wieder in Ordnung bringen zu wollen. Die Köpenickiade geht also weiter - so ist das eben "hier zu Lande".

Prof. Dr. Helmut Jochems, Kreuztal



Kommentar von jW, 28. 2. 2006, verfaßt am 05.03.2006 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=423#3297

Zitat des Tages

„Wenn das Volk weitere zehn oder zwanzig Jahre warten muß, bis es wieder der Souverän sein darf, werden wir tun, was wir können, damit die hochentwickelte Schreibung, die bis 1996 verbindlich war, nicht in Vergessenheit gerät.“

Der Dichter Reiner Kunze in der neuesten Ausgabe der zur Leipziger Buchmesse erscheinenden Deutschen Sprachwelt anläßlich der am Montag vom Rechtschreibrat an die Kultusministerkonferenz übergebenen Vorschläge zur Reform der Rechtschreibreform



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