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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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03.08.2005
 

Bern verlängert Übergangsregelung
Kanton wartet parlamentarische Entscheidung ab

Der Berner Erziehungsdirektor Mario Annoni hat entschieden, die Übergangsfrist für die neue deutsche Rechtschreibung an den bernischen Schulen zu verlängern.

In seiner Erklärung heißt es, die deutschsprachigen Kantone gingen mit den Empfehlungen der EDK unterschiedlich um. Kantone der Zentralschweiz hätten Diskussionsbedarf. Der Kanton Zürich hingegen habe die neuen Regeln ohne Vorbehalt für alle Bereiche in Kraft gesetzt. Die Entscheidung Annonis nimmt Rücksicht auf eine noch nicht behandelte Motion des Großrats-Vizepräsidenten Christoph Stalder (FDP).



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Kommentare zu »Bern verlängert Übergangsregelung«
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Kommentar von Schaffhauser Nachrichten, verfaßt am 15.08.2005 um 17.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1460

In die Schule - mit Frühenglisch und Pisa-Test

Nach den Sommerferien beginnt heute in vielen Kantonen wieder der Ernst des Unterrichts - mit Änderungen im Lehrplan.


Bern - In 15 Schweizer Kantonen gehen heute Montag die Sommerferien zu Ende. Mit der Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung und Frühenglisch oder mit Massnahmen gegen das Pisa-Defizit stehen in den meisten Kantonen Veränderungen an.

Die Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung bringt den Deutschschweizer Kantonen, mit Ausnahme des Kantons Bern, formell eine Neuerung. Nach der siebenjährigen Übergangsfrist ist die neue Regelung seit dem 1. August verbindlich. Nur noch wenige strittige Schreibweisen werden im Unterricht nicht als Fehler angerechnet. Für Lehrerschaft und Schulkinder ändert sich jedoch laut Anton Strittmatter, Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH), nicht viel: «Die Einführung der neuen Rechtschreibung ist schon lange erfolgt. Nur die Toleranzen verschwinden.»

Kanton Bern im Alleingang

Einzig im Kanton Bern beschlossen die Behörden eine Aufschiebung der definitiven Regelung. Sie sei «nicht praxistauglich» und schaffe weitere Verunsicherung bei Lehrerschaft und Schülern, sagte Johannes Kipfer, Vorsteher der Abteilung Volksschule in der bernischen Erziehungsdirektion, im Juli. «Wir finden das Ausscheren des Kantons Bern nicht gut, es macht die ganze Reform wieder ein bisschen komplizierter», sagte LCH-Präsident Beat W. Zemp auf Anfrage. «Die Schule ist darauf angewiesen, Normensicherheit zu haben. Es ist für Schülerinnen und Schüler nicht hilfreich, wenn es unterschiedliche Rechtschreibregeln innerhalb und ausserhalb der Schule gibt.»

Nicht nur die neue deutsche Rechtschreibung, auch die Einführung einer Fremdsprache auf der Primarstufe sorgte in letzter Zeit für Gesprächsstoff. Im Kanton Zürich starten dieses Schuljahr rund 100 Gemeinden mit Frühenglisch, darunter die Stadt Zürich. Bereits letztes Jahr wurde Englisch in 16 Zürcher Gemeinden an den 2. Primarklassen unterrichtet. Die ersten Rückmeldungen seien positiv, sagte Ruedi Gysi, Sektionsleiter Unterricht im Kanton Zürich. «Es sind erstaunlich viele Gemeinden bereits eingestiegen.» Ebenfalls mit Frühenglisch begonnen wird im neuen Schuljahr in fünf Zentralschweizer Kantonen, die den Unterricht in einer Woche wieder aufnehmen. In den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug wird an allen 3. Klassen Englisch unterrichtet.

Auch die im vergangenen Mai publizierten kantonalen Ergebnisse der Pisa-Studie sorgten in den Kantonen für Veränderungen. «In der Folge von Pisa ist endlich die stossende Chancenungleichheit für grosse Gruppen von Schulkindern ins öffentliche Bewusstsein gerückt», sagte Strittmatter. Bereits nach Bekanntgabe der Ergebnisse kündigten einige Kantone Massnahmen an.

Leistungstest eingeführt

In diesem Schuljahr beginnt etwa der Kanton Aargau zum Niveauvergleich aller 5. Primarklassen mit dem jährlichen Leistungstest «Check 5». Als erste kurzfristige Massnahme wurde im Aargau Deutsch in allen Schulen als Standardsprache vorgeschrieben, sagte Nic Kaufmann, Sprecher des aargauischen Bildungsdepartements.

Auch im Kanton St. Gallen hatte man im Mai Handlungsbedarf im Lesen geortet. Dort gelten für das neue Schuljahr offizielle Weisungen zum vermehrten Gebrauch des Hochdeutschen, wie Felix Baumer, Leiter des St. Galler Amts für Volksschule, sagte.

Genügend Lehrkräfte

Die langjährige Sorge der kantonalen Erziehungsdirektionen über zu wenig Lehrer ist laut Zemp im Moment «weniger problematisch». Eine angespannte Stellenlage herrsche nur noch bei den Realschulen sowie in naturwissenschaftlichen Fächern auf der Sekundarstufe II. «Nach dem Manko von 2001 sind vermehrt junge Leute in den Lehrerberuf eingestiegen. In gewissen Fächern und Regionen haben wir sogar einen leichten Überfluss an Lehrkräften», sagte Zemp.

(sda)


(Schaffhauser Nachrichten, 15. August 2005)



Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 15.08.2005 um 16.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1459

Nachlese

Offensichtlich ist es so, daß sich keiner mehr richtig auskennt,
und so, daß von den "höher Gebildeten" sich nur noch 45 Prozent richtig auskennen,
und so, daß die, die am wenigsten wissen, am meisten dagegen sind,
und so, daß die, die am meisten wissen, am wenigsten dagegen sind.

Aber es ist auch so, daß ich mich ziemlich gut auskenne,
und weil ich mich auskenne,
kann ich gar nicht anders,
als unheimlich heftig dagegen zu sein.

Mir scheint, daß sich künftig "hier zu Lande" jegliche Bildung durch ein Nadelöhr zwängen muß.



Kommentar von Zeitungsmonitor, 10.08.2005, verfaßt am 15.08.2005 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1458

"Amtliche" deutsche Rechtschreibung: Gerade mal ein Drittel der Deutschen hat den Durchblick

Frankfurt am Main, 10. August 2005. Seit Anfang August sind die neuen deutschen Rechtschreibregeln in Kraft getreten. Bayern und Nordrhein-Westfalen, die mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung stellen, halten an den Übergangsregeln fest.

Um den Informationsstand zum neuen Regelwerk ist es trotz Übergangsfristen schlecht bestellt. Nur etwa ein Drittel der Deutschen sind über die neuen Regeln sehr gut bzw. gut informiert. Der Informationsstand zur neuen deutschen Rechtschreibung fällt lediglich bei den Jüngeren und bei Personen mit höherem Bildungsstand etwas besser aus. Aber selbst bei den Höhergebildeten sagen nur 45 Prozent, dass sie sehr gut bzw. gut informiert sind.

Je schlechter der Informationsstand zur neuen Rechtschreibung, desto eher spricht man sich gegen die Verwendung der neuen Regeln aus. Fast drei Viertel der Personen (74%), die einen schlechten Informationsstand haben, wollen nach der amtlichen Einführung nicht nach den neuen Regeln schreiben.

Betrachtet man die beiden Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen, für die die neue Rechtschreibung erst einmal nicht amtlich ist, im Vergleich zu den restlichen Bundesländern, zeigt sich, dass die Bayern und die Nordrhein-Westfalen sogar einen etwas besseren Informationsstand haben.

Auch liegt der Anteil der Ablehner (also Personen, die nicht nach den neuen Regeln schreiben werden), in Bayern und Nordrhein-Westfalen mit 55 Prozent etwas niedriger als in den restlichen Bundesländern (61%).

[. . .]


(Zeitungs Marketing Gesellschaft, Pressemitteilungen - Archiv, 10. August 2005)



Kommentar von Dr. Detlef Gojowy, verfaßt am 15.08.2005 um 12.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1457

Wenn der Tölpel zum Tollpatsch wird

Rechtschreibreform

August 2005. Wir sind jetzt geteilt - durch keinen Limes und keine Berliner Mauer, sondern orthographisch durch die Kraft der Gesetze. Drüben in Nordrhein-Westfalen wollen sie vernünftigerweise noch abwarten, ob man sich nicht doch weiterhin mit einem Taschentuch kultiviert die Nase schneuzen dürfe. Wir in Rheinland-Pfalz schnäuzen uns ab heute die Schnauze. Mit der Bonner Personenschiffahrt gibt es auch ein Problem: ihre Bötchen kommen weiterhin unbehelligt stromaufwärts bis nach Bad Honnef - Unkel liegt aber schon in Rheinland-Pfalz, und ab da braucht die Schifffahrt ein drittes „f", wie es eine ästhetisch denkende Rechtschreibreform um 1919 schon einmal beseitigt hatte. Die wird jetzt rückgängig rereformiert. Frage ist nun, ob die Schiffe jetzt südwärts nach Linz einen Rechtschreiblotsen brauchen, wie weiter droben an der Loreley.

In abgelegenen Westerwalddörfern mag es auch weiterhin den einen oder anderen „Tölpel" geben. Im Mittelhochdeutschen leitete der sich ab vom „Dörfler" und seinem unhöfischen Betragen. Beim „Tölpel" trennt die Rechtschreibreform zwar noch nicht zwischen Dörfern nördlich und südlich der Ländergrenze. Anders aber, wenn sich der Tölpel - wortverwandt jedenfalls - zum „Tolpatsch" variiert. In Nordrhein-Westfalen darf er derzeit weiterhin unbeanstandet ein tölpelähnlicher Tolpatsch bleiben - in Rheinland-Pfalz aber muss er sich nunmehr mit zwei „l" als „Tollpatsch" von „toll" ableiten.

Die alten Römer können sich zwar nicht mehr wehren, wenn wir ihren „primus inter pares" der deutschen Großschreibung unterwerfen. (Die Engländer finden es ja auch nur komisch, wenn wir für die deutsche Wortbildung „Händi" ihre Orthographie bemühen.) Ein bisschen politisch wird's aber doch schon am Bodensee: Da stoßen gleich vier Länder aufeinander - eines mit gesetzlicher Reform: Baden-Württemberg, und drei, die noch abwarten: Bayern, Österreich und die Schweiz. Bleibt nur zu hoffen, dass es darüber nicht wieder zu einem Dreißigjährigen Krieg kommt, bei dem Bayern seine Unabhängigkeit erklärt, und schließlich die Bundesmarine Lindau von der Seeseite her beschießt wie 1992 die jugoslawische Volksarmee Dubrovnik (und der Bundesaußenminister das normal fand). An dessen Ende stand der Westfälische Frieden, geschlossen zwischen Münster (heute NRW, noch abwartend) und Osnabrück (heute Niedersachsen, reformiert). Beten
wir für einen solchen Frieden, der höher ist als alle Vernunft, vor allem die der Rechtschreibreformer!

Dr. Detlef Gojowy, Unkel

General-Anzeiger Bonn, Leserbriefe, 15. 8. 2005



Kommentar von Badische Zeitung, verfaßt am 12.08.2005 um 19.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1450

»Nur der Kanton Bern schert bei der Reform aus
Rechtschreiben in der Schweiz


BASEL. Wenn die Schweizer Schüler nach den Ferien wieder im Schulunterricht sitzen, werden ihnen – wie den Schülern in Deutschland auch – veraltete Schreibweisen als Fehler angestrichen. Denn bei den Eidgenossen ist am 1. August ebenfalls die Übergangsfrist der deutschen Rechtschreibreform nach sieben Jahren abgelaufen. Allerdings nicht überall: Wie Nordrhein-Westfalen und Bayern hat der Kanton Bern beschlossen, die Übergangszeit zu verlängern – bis in der Rechtschreibung Klarheit herrscht. „Unser Ziel ist es, erst dann die neue Rechtschreibung einzuführen, wenn alle Probleme gelöst sind“, sagt Robert Surrer, Generalsekretär im Berner Erziehungsdepartement, zum kantonalen Alleingang.

Ein solcher scheint das Berner Ausscheren zu bleiben: Bei der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EKD) ist jedenfalls kein Kanton bekannt, der sich Bern anschließen möchte. Dabei hatten die Berner ursprünglich auf Mitstreiter zumindest aus der Innerschweiz gehofft. Trotz föderalistischer Selbständigkeit der Kantone im Schulwesen wolle Bern, so Surrer, „eine einheitliche Lösung“.

Keine Kritik in „gut föderalistischer Tradition“

Analog zur Kultusministerkonferenz in Deutschland hatte die EKD in Absprache mit der Schweizer Delegation im Rat für deutsche Rechtschreibung Ende Juni die Kantone informiert, dass die 1996 beschlossenen und 2004 modifizierten Regeln von August an für den Unterricht an Schulen verbindlich gelten werden – mit Ausnahmen bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Zeichensetzung und der Worttrennung am Zeilenende. Die einzige Reaktion auf diese Verlautbarung kam aus Bern: Die von der EKD vorgeschlagene Regelung sei nicht praxistauglich und schaffe Verunsicherung bei Lehrern und Schülern. Daran hält Robert Surrer fest: „Wir wollen Schüler vor Fehlern bewahren, die in einem Jahr vielleicht schon gar keine mehr sind.“

Hans Georg Signer, im Erziehungsdepartement Basel-Stadt zuständig für das Ressort Schulen, will zwar „in gut föderalistischer Freundschaft und Treue“ einen anderen Kanton nicht kritisieren. Den Argumenten aus Bern kann er dennoch nichts abgewinnen. Sie seien nicht stichhaltig. Dagegen fürchtet Signer, dass Differenzen zwischen den Kantonen das Vertrauen in die ohnehin von „furchtbarem Wirrwarr“ in Mitleidenschaft gezogene Reform noch mehr beschädigen könnten. Sorgen um verwirrte Schüler und Lehrer kennt Signer ohnehin nicht: An den Schulen sei man die neuen Regeln längst gewöhnt, meint er. Andrea Drescher«


( Badische Zeitung vom Dienstag, 9. August 2005 )


Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 12.08.2005 um 13.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1445

Da hat F. Baumer natürlich recht: Die neuen Regeln sind nicht das Problem der Kinder. Wie auch? Sie sind das Problem der Erwachsenen, zuvörderst der Lehrer, die den Kindern objektiv Falsches beibringen müssen. Sofern sie in ihrem pädagogischen Gewissen noch nicht völlig abgestumpft sind, müßte sich ihnen täglich einmal der Magen umdrehen. Es ist aber zu befürchten, daß die Lehrkräfte in der Ostschweiz mindestens so obrigkeitsgläubig und -hörig sind wie hierzulande, müssen sie doch ihre Anstellung immer wieder bestätigen lassen. Da geht es um die Existenz, und da hilft nur die nahezu unbegrenzte Fähigkeit zu Verdrängung und Bewußtseinsspaltung. - Wie man Fehler zu Erweiterung der Rechtschreibkompetenz nutzen kann, ohne sie zu sanktionieren, also doch mindestens anzustreichen, müßte man den Lehrern dann noch erklären. Oder ist das nur der sattsam bekannte Schmus aus der Schulverwaltung, mit dem noch nie ein Praktiker etwas anfangen konnte?


Kommentar von Südostschweiz online, verfaßt am 12.08.2005 um 10.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1444

«Das Neue ist nicht das Problem der Kinder»

Bild: Schultafel. Text dazu: Nicht aufwändig: Die definitive Einführung der neuen Rechtschreibung erfordert von den Schulen keine zusätzliche Arbeit.

Wie es scheint, ist die definitive Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung nur für Erwachsene ein Problem.

sis.- Seit 1. August beziehungsweise ab Schulanfang am Montag ist die Übergangsfrist zur neuen Rechtschreibung – wenige, noch umstrittene Bereiche ausgenommen – Vergangenheit. Zumindest in Schule und öffentlicher Verwaltung sind die neuen Formen nun verbindlich. Das hat die schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren beschlossen. Kantone wie Bern oder Solothurn verweigern sich der definitiven Einführung noch. Dies mit dem Argument, dass es abzuwarten gelte, bis der Rat der deutschen Rechtschreibung auch die umstrittenen Bereiche wie zum Beispiel das Getrennt- oder Zusammenschreiben geklärt habe.
Ganz anders tönts im Kanton St. Gallen: Die noch nicht geregelten Bereiche seien so klein, dass deshalb nicht mit der weiteren Umsetzung der Reform zugewartet werden müsse.
«Wir liegen mit der neuen Rechtschreibung im Fahrplan», hält Felix Baumer, Leiter des kantonalen Amts für Volksschulen, fest.

So weiter wie bisher

An den Schulen werde seit sieben Jahren gemäss neuer Rechtschreibung unterrichtet. Für die Kinder gehe der Deutschunterricht ab Montag also normal wie bisher weiter. «Nur für Erwachsene sind die definitiven Regeln etwas Neues. Aber das ist nicht das Problem der Kinder», so Baumer.
Und der Umgang mit dem Können der Schüler? «Im Gegensatz zu einst geht es nicht mehr primär darum, Rechtschreibfehler zu sanktionieren. Vielmehr sollen Fehler als Ausgangspunkt für die Erweiterung der Rechtschreibekompetenz genutzt werden.» Dies schreibt Baumer in seinem Leitgedanken im «Schulblatt», das Lehrerinnen und Lehrer zu Schulbeginn erhalten werden.




Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 03.08.2005 um 22.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1422

Zu K.Mrusek allgemein ist noch zu sagen, daß er bis heute zu seinem Gastland ein gespaltenens Verhältnis hat. In der Regel stellt er die Eidgenossen als ein leicht beschränktes, ein bißchen komisches und gleichzeitig bauernschlaues Völkchen dar. In seinen Artikeln über Wirtschaftsthemen dagegen ist er oft des Lobes voll und zeigt auch ein tieferes Verständnis für Schweizer Besonderheiten.


Kommentar von R. M., verfaßt am 03.08.2005 um 20.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1421

Konrad Mrusek und Reinhard Olt verbreiten seit Jahren, daß es in der Schweiz und in der Republik Österreich keinen nennenswerten Widerstand gegen die Reform gebe. So steht es eben in den offiziellen Mitteilungen, auf deren Grundlage sie ihre Berichte verfertigen.


Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 03.08.2005 um 20.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1420

Schon daß K. Mrusek unbesehen das Gerede von den "unstrittigen" Teilen der Reform übernimmt, disqualifiziert ihn eigentlich als kritischen Berichterstatter. Wenn der Erziehungsdirektor des Kantons Bern aus Respekt vor der anstehenden Debatte im Parlament, obwohl selbst Reformanhänger, einen Aufschub anordnet, so zeugt das von untadeligem demokratischem Geist. Wie anders bei uns, wo systematisch die Parlamente überfahren, Volksentscheide brutal kassiert wurden und in totalitärstaatlicher Manier den Schülern falsches Deutsch augezwungen wird.



Kommentar von F.A.Z., verfaßt am 03.08.2005 um 18.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1419

»Der Kantönligeist
Bern verzichtet auf die neue Rechtschreibung / Von Konrad Mrusek


BERN, 3. August. Die Schweizer haben sich jahrelang lustig gemacht über das deutsche Hin und Her bei der Rechtschreibung, weil zwischen Basel und Bern die Reform kaum strittig war. Zeitungen und Behörden wechselten ohne öffentliches Grummeln zu den neuen Regeln. Und obwohl in diesem Land sonst über alles Mögliche abgestimmt wird, so gab es doch nie ein nationales Volksbegehren darüber, ob man die Gemse mit "ä" schreiben dürfe, oder ob es statt "wohldurchdacht" wohldurchdacht heißen sollte. Ein viersprachiges Volk ist gelassener beim Lesen und Schreiben, weil keine der Sprachen geistiges Symbol einer Willensnation sein kann. Trotzdem wird es auch in der Schweiz nun regionale Unterschiede in der Schreibung geben - anders als in Deutschland liegt das aber nicht an der Parteipolitik, sondern am altbekannten Kantönligeist.

So hat jetzt der Kanton Bern beschlossen, die Übergangsfrist um ein Jahr zu verlängern. Er wird - entgegen einer Empfehlung der kantonalen Erziehungsdirektoren - an der Praxis festhalten, weiterhin die neuen Regeln an den Schulen zu lehren, sämtliche alten Schreibweisen aber nicht als Fehler zu betrachten. Damit geht es Berner Schülern ähnlich wie denen in Bayern und Nordrhein-Westfalen, wobei die politische Lage eine andere ist: Der Erziehungsdirektor des Kantons, Mario Annoni, ist für die Reform. Den Alleingang machte er nicht, weil er die in Deutschland erwogene Teil-Reform der Reform abwarten will, sondern weil im Kantonsparlament im September über die Reform diskutiert werden soll. Dem wollte er nicht vorgreifen.

Es könnte sein, daß die Situation noch kurioser wird. Die Erziehungsdirektoren schlugen den Kantonen Ende Juni vor, die unstrittigen Teile der Reform von August an für verbindlich zu erklären und damit veraltete Schreibweisen als fehlerhaft zu ahnden. Nur bei dem, was strittig ist, also etwa der Getrennt- und Zusammenschreibung, sollte man noch keine Verbindlichkeit vorschreiben. Doch Zürich, der größte Kanton, hielt sich nicht daran. Hier ist die gesamte Reform ohne Vorbehalt in Kraft gesetzt worden. Und in den Innerschweizer Kantonen wird noch diskutiert, wie man vorgehen soll. Da die Urschweiz oft die widerborstige Schweiz ist, was sich etwa bei Volksabstimmungen zeigt, könnte die Reform auch in der Deutschschweiz zum bürokratischen Schildbürgerstreich werden.«


( F.A.Z., 04.08.2005, Nr. 179 / Seite 4 )


Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 03.08.2005 um 13.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=321#1418

Wieder einmal ein schönes Beispiel für Schweizer Nüchternheit und Wirklichkeitssinn. Fern allem Dogmatimus und aller Durchzwängerei ("Duurestiere") entscheidet hier ein vernünftiger Mann kraft kantonaler Souveränität. Und ganz bestimmt steht nun keiner auf und bezeichnet die föderale Ordnung als überholt.



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