Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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30.07.2005
Friedrich Denk
Konrad Dudens doppelter Todestag
Der Münchner Merkur veröffentlicht in seiner heutigen Ausgabe den nachstehenden Beitrag:
Am Montag vor 94 Jahren, am 1. August 1911, starb in Wiesbaden der Vater der einheitlichen deutschen Rechtschreibung, Konrad Duden. Gleichsam zur Feier seines Todestages wird am Montag, da in allen deutschen Behörden und in den meisten Schulen die Rechtschreibreform verbindlich wird, sein Lebenswerk vernichtet. Fast alle deutschsprachigen Autoren und die Mehrheit der Bürger verwenden weiter die bewährte Rechtschreibung: "Der rauhe Gemsenjäger sprang behende über die Schneewächte und schneuzte sich greulich; der 30jährige hatte ganz recht in dieser wohlbekannten Streßsituation." Beamte und Schüler müssen diesen Beispielsatz nun so schreiben: "Der raue Gämsenjäger sprang behände über die Schneewechte und schnäuzte sich gräulich; der 30-Jährige hatte ganz Recht in dieser wohl bekannten Stresssituation."
Und selbst wenn sich alle Erwachsenen gegen ihre wohlbegründete Überzeugung der staatlichen Erpressung beugen und "freiwillig" tun würden, wozu die Schüler gezwungen werden - in Millionen von Büchern in Bücherschränken und Bibliotheken wird die Überlegenheit der klassischen Rechtschreibung und die Zerstörung der einheitlichen Orthographie offenkundig bleiben.
Haben die Kritiker der Rechtschreibreform also umsonst gekämpft? Waren die Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform, die Gründung der Initiative "WIR gegen die Rechtschreibreform" in Weilheim und der Aufruf zum Volksbegehren in Bayern im Herbst 1996 Schläge ins Wasser? Haben Tausende von Bürgerinnen und Bürgern umsonst Zehntausende von Leserbriefen geschrieben, und Hunderttausende bei Unterschriftenaktionen und Umfragen umsonst ihre konstante Ablehnung der Rechtschreibreform bekundet? Waren alle Leitartikel und Kommentare, gerade auch in dieser Zeitung, vergebliche Liebesmüh?
So gut die Argumente auch waren - die Rechtschreibreform war und ist in der Tat überflüssig, milliardenteuer, inhaltlich ungenügend, eine undemokratische Zwangsmaßnahme, ein Angriff auf die Sprache und die literarische Tradition - sie haben das Inkrafttreten dieser Unreform nicht verhindern können. Nun sollen Lehrer Schreibungen als richtig gelten lassen, die grammatikalisch falsch sind (so Recht er hatte, es tut mir sehr Leid, heute Früh), und - außer in Bayern und Nordrhein-Westfalen - als falsch anstreichen, was die Schüler in fast allen literarischen Büchern lesen: ein pädagogischer Irrsinn. Die Kritiker haben also zunächst umsonst gekämpft im Sinn von "vergeblich", aber nicht umsonst im Sinn von "grundlos".
Deshalb würden die meisten von ihnen, da bin ich sicher, in einer ähnlichen Situation wiederum für das Bessere kämpfen. Und die meisten - auch ich - werden sich auch weiter nicht vor dem Gesslerhut der ss-Schreibung verbeugen und weiter "daß" mit drei Buchstaben schreiben. Wir schreiben weiter so wie die bedeutendsten deutschsprachigen Autoren und nicht wie eine Hand voll so genannter Fachleute. Vermutlich wird im Lauf der Jahre ohnehin fast alles wieder zurückgenommen, was 1996 als "neu" angepriesen wurde und in Wirklichkeit ein alter Hut war (Messergebnis, Missstand, zu Eigen, heute Abend, "A-cker" usw.) und vor mehr als 100 Jahren schon einmal aufgegeben wurde. Bis dahin halten wir uns an das Urteil von Loriot: "Die Rechtschreibreform ist ja völlig in Ordnung, wenn man weder schreiben noch lesen kann."
* Friedrich Denk, Initiator der "Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform", war Deutschlehrer am Gymnasium Weilheim
Link: http://www.merkur-online.de/nachrichten/politik/aktuell/art297,419168.html?fCMS=7b6c1fddc4075379a800365b754887bb
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2011 um 16.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#8702
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Eine Pressemappe des Dudenverlags berichtet von Erfolgen. Seit dem Relaunch mit dem neuen Contentangebot wird der Duden besser gerankt und der Traffic hat sich verdoppelt. So erwartet man es von der „ersten Instanz in Sachen deutsche Sprache“!
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Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 29.05.2011 um 20.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#8625
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Für die Interessierten: Dr. Scholze-Stubenrecht über die Neuauflage des Duden-Universalwörterbuchs im neuesten »Spiegel«:
»RECHTSCHREIBUNG
„Neue Wörter brauchen genug Beweise“
Werner Scholze-Stubenrecht, 62, Leiter der Duden-Redaktion, über die Bewegung der deutschen Sprache
SPIEGEL: Der „Wutbürger“ hat es als Wort des Jahres 2010 nur in die Online-Version des Dudens geschafft. Warum?
Scholze-Stubenrecht: Weil wir bei Redaktionsschluss des neuen gedruckten Universal-Dudens noch nicht sicher waren, ob das Wort Bestand hat.
SPIEGEL: Weniger bekannte Wörter wurden dagegen schon aufgenommen. „Rudelgucken“ zum Beispiel.
Scholze-Stubenrecht: Es werden immer dann neue Wörter aufgenommen, wenn wir genug Beweise haben, dass sie im Sprachgebrauch etabliert sind.
SPIEGEL: Das heißt, es gibt mehr Menschen, die zu Public Viewing „Rudelgucken“ sagen, als solche, die für die neue deutsche Protestkultur den Begriff „Wutbürger“ verwenden?
Scholze-Stubenrecht: Nein, aber Rudelgucken ist schon länger gebräuchlich. Besonders seit der Fußball-WM 2010 ist es in vielen unabhängigen Quellen aufgetaucht. Ähnlich verhält es sich auch mit den Wörtern „Blogosphäre“, der Gesamtheit der Blogs im Internet, oder dem „Exzellenzcluster“, einer Gruppe von hochrangigen Forschern.
SPIEGEL: Wie prüfen Sie diese Wörter?
Scholze-Stubenrecht: Wir haben eine elektronische Volltextsammlung von Zeitungen, Büchern, Online-Texten, aber auch Radiomanuskripten. Wir werten diese Daten dann mit einem speziellen Computerprogramm aus.
SPIEGEL: Wie wird entschieden, wie ein neues Wort geschrieben wird?
Scholze-Stubenrecht: Wir wenden die Regeln der Rechtschreibung an.
SPIEGEL: Aber wenn ein Wort entsteht, kann es dafür keine Regeln geben.
Scholze-Stubenrecht: Doch, Substantive haben ja immer einen großen Anfangsbuchstaben. Und sollte es Spielräume geben, gilt der Schreibgebrauch, der in den Quellen am häufigsten auftritt.
SPIEGEL: Können Wörter auch wieder aus dem Duden herausfliegen?
Scholze-Stubenrecht: Bei der letzten Auflage wurde etwa die „Federbüchse“ nicht mehr gedruckt. Darin bewahrten Schüler früher ihre Schreibfedern auf. Dieser Begriff ist nicht mehr geläufig.
SPIEGEL: Haben Sie ein Lieblingswort?
Scholze-Stubenrecht: Ich mag das Wort „Sommermärchen“ und das Wort „Blitzgneißer“ aus dem Österreichischen.
SPIEGEL: Blitzgneißer?
Scholze-Stubenrecht: Schnellmerker.
„Duden. Deutsches Universalwörterbuch“. Bibliographisches Institut, Mannheim; 2112 Seiten; 39,95 Euro.«
Quelle: »Der Spiegel« 22/2011 vom 30.05.2011, S. 47.
Daß sich die Dudenredaktion am Schreibgebrauch orientieren würde, kann man zumindest von deren Hausorthographie bzw. Variantenempfehlungen nun wirklich nicht behaupten.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2011 um 16.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#8624
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Im selben Duden-Newsletter heißt es auch:
"Besonderheiten von sondern
(...)
Sondern drückt bekanntlich einen Gegensatz aus. Dieser setzt voraus, dass zuvor etwas verneint wurde, beispielsweise durch nicht oder kein: „Uns fehlen nicht nur Teller, sondern auch Gläser. Das ist kein Hamster, sondern ein Meerschweinchen.“ Wenn die Verneinung nicht explizit vorliegt, darf sondern allerdings nicht verwendet werden: „Das war weniger schlau als vielmehr hinterlistig.“
Nun kommt sie aber doch noch, die Ausnahme. Steht nämlich kaum im ersten Teil, darf der Anschluss dennoch mit sondern erfolgen: „Er hat kaum gearbeitet, sondern nur vor sich hin geträumt.“ Wir hoffen, dies war nun weniger verwirrend als vielmehr erhellend."
Das Wort kaum hat viele interessante Eigenschaften, die neuerdings auch stärker beachtet worden sind (z. B. von Marga Reis). Das meiste steht aber schon bei Hermann Paul oder auch bei Blatz ("Satzinversion").
"So tritt denn auch der Fall ein, dass das logische Abhängigkeitsverhältnis geradezu die Umkehrung des grammatischen ist. Die bekannteste hierher gehörige Kategorie, die sich in vielen Sprachen findet, bilden Zeitbestimmungen, meist mit eben, gerade, noch, kaum u. dergl., auf welche der logische Hauptsatz nicht bloss, wie wir § 102 gesehen haben, in der Form des Hauptsatzes, sondern auch in der des Nebensatzes folgen kann; vgl. kaum war ich angekommen, als ich Befehl erhielt; franz. je n'eus pas mis pied à terre, que l'hôte vint me saluer. Einige andere Beispiele sind: franz. le dernier des Bourbons serait tué, que la France n'en aurait pas moins un roi (Mignet) = wenn auch der letzte der Bourbonen getötet wäre, würde Frankreich nichtsdestoweniger einen König haben; mhd. jane gêt er nie so balde, erne benahte in dem 299 walde = mag er auch noch so schnell gehen, die Nacht
wird ihn im Walde überraschen." Vgl. noch:
"Besonders häufig in den verschiedensten Sprachen ist die Form des Hauptsatzes mit entschiedener logischer Unterordnung, wenn ein eben, gerade, kaum, schon, noch u. dergl. beigefügt ist, oder bei Wendungen wie es dauerte nicht lange u. dgl.; vgl. kaum seh' ich mich auf ebnem Plan, flugs schlagen meine Doggen an (Schiller); lat. vix bene desierat, currus rogat ille paternos (Ov.); im Lat. auch mit Verbindung durch eine kopulative Partikel: vix ea fatus erat senior, subitoque fragore intonuit laevum (Virg.); nec longum tempus et ingens exiit ad caelum (id.); am häufigsten und auch in unserer jetzigen Sprache allgemein üblich, erscheint diese Konstruktion mit einem Demonstrativum im Nachsatz: ich war noch nicht eingeschlafen, da hörte ich einen Lärm; es dauerte nicht lange, so kam er wieder etc.
(...)
Dagegen gibt es gewisse Fälle, in denen das Adv. nur als Präd. gefasst werden kann, welches einem sonst schon in sich geschlossenen Satze beigelegt wird. Hierher gehören alle Bezeichnungen für die Modalität der Aussage, wie gewiss, sicherlich, wahrlich, jedenfalls, wahrscheinlich, wohl, vielleicht, schwerlich, kaum, angeblich. Er wird gewiss kommen ist = es ist gewiss, dass er kommen wird. Hierher gehören ferner leider, oft, selten, vorkommenden Falls, andernfalls, sonst, billig (in Fällen wie ich muss mich b. wundern), leicht und schwer (in Fällen wie das brennt, löst sich leicht), unter diesen Umständen, unter dieser Bedingung, bei so bewandter Sache u. dergl.; törichterweise und alle übrigen Bildungen mit -weise, die sich eben dadurch von den einfachen Adverbien töricht etc. unterscheiden; diese gehen auf das Prädikat, jene auf die Beziehung zwischen Subj. und Präd. Indem das logische Verhältnis auch grammatisch deutlich ausgeprägt ist, sind Ausdrucksformen entstanden wie kaum, dass er mich ansieht; vielleicht, dass eine Träne dann von seinem Auge fällt (Matthisson und so häufig im 18. Jahrhundert); vergebens, dass sein Oheim ihn aufmuntern will (Goe. und ähnlich öfters); glücklicherweise, dass die Gemälde so hoch stehen (Goe.); zum Glück, dass der Ring an seinem Finger ist (Wieland); zum Unglück, dass sie auch die Birnbaumscene sahn (id.); vermutlich, dass eine Rose herausgefallen ist (Wildenbruch); vielmehr, dass der eingepfropfte Zweig selbst ausartete (Herder); sogar, dass diese Ergiessung der Seele auch Nebenumstände mit sich fortreisst (id.). Stehen Versicherungen isoliert voran, z. B. gewiss, er wird es tun, so sind sie deutlich Prädikate zu den nachfolgenden selbständig hingestellten Sätzen." (Paul: Prinzipien)
Wie man hier schon sieht, gibt es noch mehr Ausdrücke, die einen nicht sofort erkennbaren negativen Sinn haben. W. Kürschner hat sie mal "Negativoide" genannt und stützte sich auf Unterlagen des verstorbenen japanischen Gelehrten Sekiguchi, von dem übrigens auch der Satz stammt: "Sondern geht von der Verneinung zur Bejahung über, doch kehrt zur Bejahung zurück."
Statt des sondern-Tests kann man auch den mit [nicht) brauchen anwenden. sondern heißt ungefähr 'fast nicht', manchmal auch 'mit Mühe', nur heißt ungefähr 'nichts als'. Man erkennt das negative Moment.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2011 um 16.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#8623
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Obwohl die Dudenredaktion arg ausgedünnt ist, dürfte es selbst dort noch einige Personen geben, die sich der Fadenscheinigkeit solcher Argumente bewußt sind - ebenso wie sie damals die Unhaltbarkeit der "Regelverminderung" durchschaut haben und trotzdem ganz zynisch an der Volksverdummung mitwirkten, weil es eben gut fürs Geschäft war.
Die im Newsletter vorgeführte Herleitung ist nicht nur lächerlich, sondern übergeht auch das Zufällige der neuen Auswahl zusammenzuschreibender Verbzusätze. Wie ist es denn mit zunutze, zurande, zurate usw.? Und wenn es um das selbständige Vorkommen geht, fallen einem ja noch viele Wörter ein, die es außerhalb fester Verbindungen nicht mehr gibt: gang und gäbe zum Beispiel. Soll man die auch zusammenschreiben? Eisenberg hat hier viel Schaden angerichtet, der leider die kleinen Verbesserungen durch die Revision 2006 wieder, nun ja, "zunichtemacht" (eine Schreibweise, die dem Duden noch 2004 durchaus falsch vorkam).
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Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 28.05.2011 um 14.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#8622
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Die Dudenredaktion folgt längst einer ganz einfachen Maxime: Was amtlich festgelegt ist, ist logisch; alles andere ist absurd. So einfach kann die Welt sein. Dazu ein ganz nettes Beispiel aus dem gestern erschienenen »Newsletter«:
»Was Sie schon immer wissen wollten
Verben wie abhandenkommen, vorliebnehmen usw.
Einer der großen Problembereiche bei den Verben ist die Getrennt- und Zusammenschreibung. Wir stellen Ihnen heute eine Gruppe von Verben vor, die besonders treu sind und sich mit Elementen verbinden, die es ohne sie gar nicht mehr gäbe. Zu theoretisch?
Ein schönes Beispiel für diese Verben ist abhandenkommen. Das Verb kommen ist ein übliches und sogar recht häufiges Wort. Aber haben Sie abhanden schon mal zusammen mit einem anderen Wort getroffen? Oder gar allein, ohne dass kommen gleich danebensteht? Ziemlich sicher nicht, denn in der Gegenwartssprache hat es sich nur in dieser Verbindung erhalten. So ist es nur konsequent, dass diese Verben zusammenzuschreiben sind. Schließlich wäre es unlogisch, durch die Getrenntschreibung ein Wort zu manifestieren, das es allein gar nicht mehr gibt. Zur Gruppe dieser Verben gehören außerdem noch: anheimstellen, einhergehen, feilbieten, fürliebnehmen, übereinkommen, übereinstimmen, umhinkönnen, vorliebnehmen, zunichtemachen, zuteilwerden.
Ganz so genau nehmen es die Verben mit der Treue dann allerdings doch wieder nicht, denn sie sind alle trennbar. Das bedeutet, dass sie nur im Infinitiv, im Partizip und am Ende von Nebensätzen zusammengeschrieben werden. Ansonsten sind auch Verben der Ansicht, dass ein bisschen Abstand nicht schaden kann.«
Nun war man bislang im Deutschen allgemein und auch die Dudenredaktion bis 2006 der Auffassung, daß abhanden kommen durchaus nicht unüblich, sondern die einzig »zulässige« Schreibweise im Deutschen sei. Daß die Getrenntschreibung der obengenannten Verben durch die Reform von 1996 sogar noch ausgeweitet wurde (nämlich auf anheim stellen, fürlieb nehmen, vorlieb nehmen u. a.) und dies im »Newsletter« 2001 als großer Fortschritt und Erleichterung (weil »vereinfachend«) gefeiert wurde, wirkt im Lichte der heutigen Stellungnahme (»wäre [,,,] unlogisch«) geradezu bizarr.
Im Klartext: Sollte der Rechtschreibrat in Zukunft die Getrenntschreibung der Substantivkomposita (»Schach Spieler« usw.) beschließen, hätten wir kurz danach einen Aufsatz der Dudenredaktion zu erwarten, in dem die bisherige Regelung als schlechterdings abwegig bezeichnet werden würde.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2011 um 11.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#8621
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„Der Todestag Konrad Dudens jährt sich am Montag, 1. August, zum 100. Mal. Dies soll Anlass sein, seines Lebens und Wirkens in der Stadt ebenso zu gedenken, wie seinem Rechtschreibwerk. Dieses benutzen seit Generationen Schulkinder, um die regelgerechte Rechtschreibung zu lernen.“ (Hersfelder Zeitung 26.5.11)
Holprige Grammatik, aber mir geht es um etwas anderes: Es ist zwar die Wunschvorstellung der Kultusminister, daß nach der Rechtschreibreform der Duden (oder Wahrig) auf jede Schulbank gehört und die Schüler gemeinsam mit dem Lehrer unentwegt nachschlagen, aber mit der Wirkllichkeit hat das wohl nicht viel zu tun. Ich weiß nicht, wie hoch der Anteil der Schüler an den Dudenbenutzern ist, aber ganz gewiß lernen sich nicht in nennenswertem Maße die Rechtschreibung aus dem Wörterbuch. Meine Töchter sind ziemlich sprach- und schreibgewandt, ich kann mich aber nicht erinnern, daß sie jemals im Duden nachgeschlagen haben.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.07.2010 um 18.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#8235
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Inzwischen hat die Redaktion die Sache mit "selbständig" geändert. Jetzt wird nach der Dudenempfehlung gefragt (selbstständig), nach der sich allerdings fast niemand richtet – außer den devoten Germanisten natürlich.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.07.2010 um 10.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#8234
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Zum 130. Jahrestag des "Orthographischen Wörterbuchs" legt sich der Bayerische Rundfunk mächtig für das Pleite-Unternehmen Duden ins Zeug. Dazu bringt er auch gleich noch ein Quiz, bei dem man leider Pech hat, wenn man etwa selbständig für eine zulässige Schreibweise hält. (Womit die Verfasser gleich doppelt irren, denn dieses Wort ist ja wie sein gleichbedeutender, aber anders gebildeter Doppelgänger von der Rechtschreibreform gar nicht betroffen.)
Als "Kuriosität" wird berichtet: "Kaiser Wilhelm II. bestand 1901 darauf, dass bei der Eliminierung des Buchstabens "h" aus Wörtern wie "Noth" und "Thor" der "Thron" unangetastet blieb. Das gilt – trotz der Rechtschreibreform von 1996 – bis heute."
www.br-online.de/wissen/rechtschreibung-duden-geburtstag-ID1278403812379.xml
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 10.08.2005 um 09.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#1436
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Um der Reform etwas Positives abzugewinnen: sie ist ein Großversuch, der viele interessante Einsichten ermöglicht. Psychologen, Politologen, Medienforscher, Soziologen, Historiker und Linguisten können daran noch mancherlei Untersuchungen anknüpfen. Insofern tun wir der Welt damit einen Dienst.
Aber zu den Fragen von GL:
1.
Das ist ihr letztes verbleibendes Motiv. Sie glauben immer noch, ihr Ansehen nur durch ein Durchknüppeln der Reform auf Gedeih und Verderb bewahren zu können. Sie empfinden keinen Ansehensverlust, aber leiden an Realitätsverlust.
2.
Eins der Reformer-Argumente ist doch, daß eine Rückkehr zu teuer ist. Pfusch hin oder her, hier stehen wir und können nicht mehr anders.
3.
Nicht um die Sprache ging es (angeblich), nur um die Schrift. Deren esoterische Struktur war Herrschafts- oder Elitewissen, das es abzubauen galt, außerdem mußte das "Duden-Monopol" gebrochen werden.
4.
Darüber steht einiges im letzten SPIEGEL-Beitrag (Heft 30 dieses Jahres)
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=309
aber auch in vielen anderen Beiträgen von Ickler und anderen.
Wissenschaftlich gesehen war/ist das Unternehmen natürlich in jeder Hinsicht eine unglaubliche Stümperei. Schon allein daß und von wem dies kaum wahrgenommen wird ist hochinteressant.
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Kommentar von Konrad Duden würde sich im Grab umdrehen !, verfaßt am 09.08.2005 um 20.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=316#1435
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In der NZZ am Sonntag vom 7. August 2005 ist auf Seite 15 unter Meinungen von Herrn Prof. Dr. Theodor Ickler von der Universität Erlangen-Nürnberg (D), Mitglied im Rat für die deutsche Rechtschreibung, ein Leserbrief erschienen. Unter anderem schreibt dieser Reformkritiker folgendes:
"Nun wird es also an den meisten Schulen Pflicht, die Muttersprache falsch zu gebrauchen. Und der richtige Gebrauch wird als Fehler bestraft - das ist in der Geschichte einmalig."
DEUTSCHE SPRACHE - SCHWERE SPRACHE !!
Weder bin ich als Sprachbenutzerin verpflichtet, die m.E. missratene Rechtschreibreform anzuwenden noch lasse ich mich durch diese terrorisieren. Allein schon die unterschiedlichen Schreibweisen in Zeitungen und Bücher ärgern unsagbar und würden eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung rechtfertigen!
Wie soll ich mich nun in dem bereits angerichteten Chaos verhalten? Eine korrekte Rechtschreibung der deutschen Sprache beizubehalten darf sicher verlangt werden, gehört diese doch zum Kulturgut eines Landes mit ihren Bewohnern. Bei sprachlichen Unsicherheiten folge ich noch immer dem Ruf eines Duden aus dem Jahr vor 1995, der trotzdem noch nicht ruiniert ist und mir bis heute sehr gute Dienste leistet.
Eine anspruchsvolle Tageszeitung wie z.B. die Neue Zürcher Zeitung, die sich noch um ein korrektes und stilsicheres Deutsch bemüht, ist auch nicht zu verachten.
Meine sechsjährige Nichte kommt Mitte August nach je einem Jahr Kindergarten und Vorschule in die erste Schulklasse. Ich kann nur hoffen, dass ihr dieser verordnete Wahnsinn erspart bleiben wird. Verarschen kann ich mich selber, aber gegenüber einem Kind möchte man wenigstens den Respekt und die Glaubwürdigkeit nicht verlieren!
Erschreckend ist neben der fehlenden Ehrlichkeit die kaum zu ertragende Lobhudelei allerorts rund um das Ringen der Rechtschreibreform. Für den Bürger und Steuerzahler wären auf folgende Fragen die entsprechenden Antworten sicher aufschlussreich:
1. Haben sich die Verantwortlichen der Reformkommission einmal Gedanken über Ihren Ansehensverlust gemacht?
2. Wie hoch werden die Kosten den Steuerzahler kommen durch den "Pfusch", welcher nun entsprechend korrigiert werden muss?
3. Gibt es einen Rechtfertigungsgrund, weshalb die Verantwortlichen die deutsche Muttersprache unbedingt zerstören mussten?
4. Was war das Motiv und der politische Hintergrund dieser unsinnigen Rechtschreibreform?
Mit guten Wünschen aus der Schweiz
GL
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