Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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01.07.2005
Unstrittige Glättungen
Ickler: Notbremse ziehen
dpa auf den Spuren von TASS und ADN: Nachdem bereits Teile der Rechtschreibreform für unstrittig erklärt wurden, ist jetzt von Glättungen die Rede.
Hier das Neueste vom Tage:
»Rechtschreibrat beschließt weitere Änderungen
Mannheim (dpa) - Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat weitere Glättungen der Rechtschreibreform beschlossen. Das Expertengremium schloss bei seiner Sitzung am Freitag in Mannheim den Komplex der Getrennt- und Zusammenschreibung ab. «Wir sind auch heute unserer Grundthematik gefolgt», sagte der Ratsvorsitzende Hans Zehetmair. Nicht das Regelwerk, sondern der Sprachgebrauch solle bei der Getrennt- und Zusammenschreibung entscheidend sein. Das bedeute, wieder mehr zusammenzuschreiben. «Im Rat ist der Konsens da, dass man dem Volk aufs Maul schauen muss.»
Die fünfte Ratssitzung war die letzte vor der verbindlichen Einführung von Teilen der Rechtschreibreform in Schulen und Behörden am 1. August. Bei dem vergangenen Treffen Anfang Juni hatten die Sprachexperten einen Durchbruch in der kontroversen Debatte um Änderungen des Regelwerks erzielt und sich grundsätzlich auf eine stärkere Orientierung nach dem Sprachgebrauch der Menschen geeinigt.«
Über die Verhandlungen des Rats und Theodor Icklers erste Eindrücke schreibt Torsten Harmsen in der
Berliner Zeitung.
Für die F.A.Z. berichtet Heike Schmoll direkt aus Mannheim (auf S. 1 und S. 5):
Beschluß über Getrennt- und Zusammenschreibung
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat am Freitag in Mannheim die gesamte Getrennt- und Zusammenschreibung neu beschlossen. Der Rat habe fast einstimmig beschlossen, berichtete sein Vorsitzender, der frühere bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU). Es ging um die Getrennt- und Zusammenschreibung. Der Rat habe sich darum bemüht, die Regelungen unmißverständlicher als bisher zu fassen. Zehetmair bekräftigte, daß der Rat seinen eigenen Auftrag habe und sich von den Beschlüssen der Kultusminister nicht irritieren lasse. Der Rat lasse sich nicht von den Ministern diktieren, über welche Bereiche er beraten dürfe. Sicherlich werde der Rat sich auch der Eindeutschung von Fremdwörtern widmen. Unterdessen haben der Bertelsmann-Verlag und der Schulbuchverlag Cornelsen für den 1. August 2005 ein neues Rechtschreibwörterbuch angekündigt. Der Rat beabsichtigt nach Aussage mehrerer Ratsmitglieder, die Groß- und Kleinschreibung noch im Jahr 2005 zu prüfen. Trotzdem wird sie am 1. August 2005 in den Schulen notenverbindlich eingeführt. Es ist nicht auszuschließen, daß die Kultusminister sich auch dieses Mal von der Allianz der Schulbuch- und Wörterbuchverlage haben beeinflussen lassen.
"Ur-instinkt" statt "Urin-stinkt"
Rat für Rechtschreibung beschließt Schreib- und Trennweisen
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat am Freitag in Mannheim die gesamte Getrennt- und Zusammenschreibung neu beschlossen. Dabei hat sich der Rat wiederum vom Sprachgebrauch leiten lassen und nicht vom Regelungsbedarf. Der Rat habe fast einstimmig beschlossen, berichtete sein Vorsitzender, der frühere bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU).
Es ging um die Getrennt- und Zusammenschreibung bei Adjektiven, Substantiven und mehrteilige Adverbien, Konjunktionen, Präpositionen und Pronomina. Dazu gehören etwa "von Angst erfüllt" und "angsterfüllt", "durch das Milieu bedingt" und "milieubedingt" und "frühreife Kinder", aber "früh reife Birnen". Insgesamt ist die Tendenz zur Zusammenschreibung zugunsten der Getrenntschreibung zurückgenommen worden. Der Rat habe sich darum bemüht, die Regelungen unmißverständlicher als bisher zu fassen.
Beraten wurde auch über die Silbentrennung am Zeilenende. Zehetmair zeigte sich in Mannheim überzeugt davon, daß ein Konsens darüber erzielt wird, daß kein einzelner Vokal abgetrennt werden kann (E-sel, Reu-e). Als Beispiel für eine sinnwidrige Trennung nannte Zehetmair das Wort "Urinstinkt" mit den Trennweisen "Ur- instinkt" oder "Urin-stinkt". Im Unterschied zu den bisherigen Regeln wird jetzt die sinnvolle Silbentrennung zur Entscheidungsgrundlage. Sprache sei ein lebendiger Organismus. Über die Interpunktion hat der Rat nicht diskutiert. Zehetmair wiederholte, daß der Rat seinen eigenen Auftrag habe und sich von den Beschlüssen der Kultusminister nicht irritieren lasse. Der Rat lasse sich nicht von den Ministern diktieren, über welche Bereiche er beraten dürfe. Sicherlich werde der Rat sich auch der Eindeutschung von Fremdwörtern widmen. Zehetmair zeigte sich überzeugt, daß sich die Schreibweise "Spaghetti" im Unterschied zu "Spagetti" durchsetzen wird. Beide Schreibweisen sind derzeit möglich. Die Stimmung im Rat habe sich erheblich stabilisiert, anfangs habe seine Aufgabe der eines Dompteurs geähnelt, sagte Zehetmair, davon könne nun keine Rede mehr sein. Die beiden nächsten Sitzungen werden am 28. Oktober und 25. November in diesem Jahr stattfinden. Der Rat ist für sechs Jahre bestellt, eine Wiederwahl ist möglich. Von 2006 an rechnet Zehetmair mit zwei Sitzungen pro Jahr.
Vom 1. August an werden als allein richtige Schreibweisen gelten: "im Allgemeinen, des Öfteren, im Voraus, im Einzelnen, der Letztere, heute Abend, zu Eigen machen, in Sonderheit, jenseits von gut und böse, Primus inter Pares, behände, Stängel, einbläuen, Quäntchen, Zierrat, deplatziert, nummerieren, dass, Missstand, Tipp, Stopp, 30-jährig". Als Fehler gelten die bisher richtigen Schreibweisen "heute abend, jeder einzelne, wie recht du doch hattest, jedesmal, Zierat, behende, Stengel, einbleuen, Gemse, greulich, numerieren, deplaziert, der letztere, das folgende, im voraus, im allgemeinen". Zulässige Formen sind etwa "bei Weitem, seit Langem, die Meisten, du tust mir sehr Leid, Schikoree, Katarr".
Unterdessen haben der Bertelsmann-Verlag und der Schulbuchverlag Cornelsen für den 1. August 2005 ein neues Rechtschreibwörterbuch angekündigt. Es berücksichtige die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 3. Juni 2005 und führe "in den unstrittigen Bereichen Laut- Buchstaben-Zuordnung, Groß- und Kleinschreibung sowie Bindestrich-Schreibung alle Schreibweisen des amtlichen Regelwerks in der Fassung von 2004 auf. In den strittigen Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung und Worttrennung verzeichnet der Wahrig darüber hinaus die alten Schreibweisen, die laut KMK weiterhin toleriert werden sollen", heißt es in einer Erklärung der Verlage. Sie entspricht bis in den Wortlaut hinein dem Wunsch der Kultusminister, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Laut-Buchstaben-Zuordnungen - beide sind sehr umstritten - nicht mehr zur Diskussion zu stellen, da sie für "unstrittig" erklärt wurden. Unter Mißachtung etwaiger Vorhaben des Rechtschreibrates hatten KMK und Ministerpräsidenten bekräftigt, hier seien Änderungsvorschläge des Rates nicht zu erwarten. Der Rat scheint jedoch mehrheitlich anderer Ansicht zu sein, auch sein Vorsitzender hat mehrfach festgestellt, daß das Gremium kein Anhängsel der KMK sei. Der Rat beabsichtigt nach Aussage mehrerer Ratsmitglieder, die Groß- und Kleinschreibung noch im Jahr 2005 zu prüfen. Trotzdem wird sie am 1. August 2005 in den Schulen notenverbindlich eingeführt. Es ist nicht auszuschließen, daß die Kultusminister sich auch dieses Mal von der Allianz der Schulbuch- und Wörterbuchverlage haben beeinflussen lassen. Kritiker der Reform sehen sich an das Jahr 1996 erinnert, als die Kultusminister die Wiener Absichtserklärung erst unterzeichneten, als ein Anwesender darauf hinwies, daß Bertelsmann schon gedruckt habe.
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Kommentare zu »Unstrittige Glättungen« |
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 21.04.2006 um 08.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#3963
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Michael Praetorius, Termini Musici (1619),
S. 54: So habe ich doch nur allein diese nachfolgende/ so auch noch jetziger zeit in etlicher vornehmen Musicorum Neotericorum compositionibus gefunden werden/ guter Wolmeynung/ vnd insonderheit denen/ die es nicht wissen/ zum besten/ allhier gar kürtzlich berühren/ vnd die darzu gehörige Exempla zugleich mit einsetzen wollen.
S.133/134: Solche Capellen aber können vnterschiedlich/ ein/ zwo oder drey aus einem jeden Concert heraus gezogen/ ein jede insonderheit nur mit vier oder mehr Personen/ wenn man die haben kann/ besetzet/ vnd an abgesonderte örther in der Kirchen gestellet;
Vorrede Johann Gottfried Herders zum Weimarischen Gesangbuch (1795):
Man stellte sich vor, daß mitten im Vorrath alter Gesänge es uns oft wirklich an Liedern fehle, die unseren Zeitumständen, oder einzelnen Materien, insonderheit praktischen Lehren, dergestalt angemessen seyn, wie jene alten Lieder ihren Zeiten waren...
Schon damals wurde „insonderheit" als ein Wort aufgefaßt. Im sparsamen Wörterverzeichnis der „Amtlichen Regelung gibt es dagegen den Eintrag: Sonderheit; in Sonderheit* § 55(4). Offensichtlich ist das antiquierte Wort „Sonderheit", das bei Google als „die Sonderheit“ derzeit nur 277mal angezeigt wird, aus dem einzigen Grund in das Verzeichnis aufgenommen worden, um es bei „in Sonderheit" als gespaltene Form verwenden zu können.
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Kommentar von Frankfurter Rundschau, 2. 7. 2005, verfaßt am 02.07.2005 um 23.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1124
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Experten-Rat für mehr Zusammenschreibung
Mannheim · 1. Juli · ap · Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat am Freitag in Mannheim die Beratungen über den Komplex Getrennt- und Zusammenschreibung abgeschlossen. Der Ratsvorsitzende Hans Zehetmair sagte, nicht das Regelwerk solle im Vordergrund stehen, sondern der Sprachgebrauch. Künftig sollten wieder mehr Wörter zusammengeschrieben werden. Im Rat sei der Konsens da, dass man dem Volk "aufs Maul schauen muss". Zehetmair sagte, der Rat habe die Änderungen weitgehend einstimmig beschlossen.
Als Beispiele nannte der Rat die Begriffe eislaufen, fertigmachen, heiligsprechen und leidtun. Die Kultusministerkonferenz hatte das Gremium eingesetzt, um die strittigen Punkte der Rechtschreibreform zu überprüfen.
Alle Schüler müssen sich ab 1. August bis auf wenige Ausnahmen an die neuen Regeln halten. Von da an müssen Lehrer es ihren Schülern als Fehler anrechnen, wenn sie die alten Regeln verwenden. Bislang mussten sie es den Kindern und Jugendlichen lediglich kenntlich machen. Ab 1. August sind die Regeln dann auch unwiderruflich verbindlich für alle öffentlichen Einrichtungen Deutschlands.
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 02.07.2005 um 16.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1122
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Eigentlich sollte nun der Duden-Verlag aus rein marktwirtschaftlichen Gründen auf weitere Änderungen der Reform drängen. Um Bertelsmann auszuhebeln.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 02.07.2005 um 11.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1119
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«Im Rat ist der Konsens da, dass man dem Volk aufs Maul schauen muss.» Martin Luther meinte gewiß nicht die Rechtschreibung, sonst hätte er wohl "auf die Pfoten schauen" gesagt. Damals wäre dabei nichts Gutes herausgekommen, und auch heute ist von dem Versuch abzuraten. Über Gerhard Augsts Behauptung, das Volk schriebe längst "belämmert", "schnäuzen", "Tollpatsch" und "Portmonee" oder werde es mit Sicherheit demnächst tun, ist genug gelacht worden. Theodor Ickler, der späte Begründer der empirischen Orthographieforschung, läßt bewußt alle "privaten" Texte unberücksichtigt. Hans Zehetmair hat freilich seine eigenen Ansichten in bezug auf orthographische Volkssouveränität. «Wir sind auch heute unserer Grundthematik gefolgt», sagte der Ratsvorsitzende. Nicht das Regelwerk, sondern der Sprachgebrauch solle bei der Getrennt- und Zusammenschreibung entscheidend sein. Das bedeute, wieder mehr zusammenzuschreiben.» Der Anarchist als Despot soweit haben wir es nun gebracht.
Niemand kommt in diesem unseren Lande auf den naheliegenden Gedanken, die deutsche Rechtschreibung für unregelbar zu erklären. Die meisten Schreibungen lassen sich ohnehin nur sprachgeschichtlich begreifen. Wer da angebliche Grundregeln stärken will, öffnet die Büchse der Pandora. Bleiben also die Randphänomene, an denen sich in den letzten hundert Jahren berufene und unberufene Tüftler versucht haben. Das Ergebnis sind alte, neue und allerneueste Ungereimtheiten. Den Vogel schießen diejenigen ab, die das Chaos für ein Zeichen der überlegenen Ausdrucksfähigkeit unserer Schriftsprache halten. Das orthographisch makellose Bild der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts verdanken wir vor allem den Cheflektoraten der großen Literaturverlage, weniger der Rechtschreibkompetenz der Autoren. Anderenorts wachten erfahrene Korrektoren über die Schreibrichtigkeit, die nun durch die noch unvollkommenen Rechtschreibprogramme der Computer ersetzt sind.
Dabei hat sich bei uns die Natur des eigentlichen Schreibvorgangs in den fünfhundert Jahren vor Martin Luther und in den fünfhundert danach nicht geändert: Der Schreibende formuliert einen Satz, der ihm ganz oder in seinem Entstehen innerlich als lautliches Phänomen präsent ist, und schreibt ihn nieder. Eigentlich handelt es sich also um Transkription. Solange die entsprechenden Einzelheiten als graphische und motorische Komplexe zur Verfügung stehen, läuft der Vorgang unbewußt ab. Nur wenn dies punktuell nicht gelingt, sind bewußte Entscheidungen nötig. Woran orientiert sich der Schreibende in dieser Situation? An diese Frage sollten sich alle halten, die sich theoretisch zur Rechtschreibung äußern oder Leitfäden für das richtige Schreiben verfassen. Das bedeutet übrigens die Abkehr von linguistischen Moden. Vor einigen Jahrzehnten verstanden die frühen Strukturalisten ihren Verzicht auf alles grammatische Vorwissen als kopernikanische Wende. Eine solche Haltung wäre heute in der Krise der deutschen Rechtschreibung wieder angebracht.
Theodor Ickler hat gerade in einer übersichtlichen Liste vorgeführt, mit welchen Zumutungen die neue deutsche Schulrechtschreibung am 1. August 2005 eingeführt wird. Sie wäre natürlich leicht zu ergänzen. Schreibungen wie "im trüben fischen" oder "ins reine schreiben" sind in Kürze ebenso falsch wie "ein Fest für jung und alt". Vermutlich unterlaufen diese "Fehler" niemandem, denn sie waren auch vor 1996 nur "Regelwerk", und nicht "Sprachgebrauch". Niemand kann heute sagen, wie es weitergehen wird. Das war Anfang 1998 schon einmal so. Damals sagte Gerhard Augst: "Außerdem ist es gut, wenn die Deutschen merken, daß die Rechtschreibung nicht sakrosankt ist." Steckt darin nicht doch ein Stückchen Wahrheit?
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Kommentar von Süddeutsche Zeitung, verfaßt am 02.07.2005 um 10.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1118
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»Getrennt und zusammen
Der Rat für Rechtschreibung empfiehlt den Sprachgebrauch
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat auf seiner Sitzung am gestrigen Freitag in Mannheim die Arbeit an seiner Empfehlung für die Getrennt- und Zusammenschreibung abgeschlossen. Gleichzeitig hat er aber erklärt, sich bei der Gestaltung künftiger Revisionen der Reform stärker an den tatsächlichen Sprachgebrauch binden zu wollen. Die Sitzung war die bislang fünfte und ist die letzte vor dem formellen Inkrafttreten der Rechtschreibreform am 1. August dieses Jahres.
Unklar ist jedoch nach wie vor, wie sich die weitere Arbeit des von den Kultusministern eingesetzten Rates gestalten soll. Im Beschluss der Kultusminister vom 17. Juni ist lediglich davon die Rede, dass sich der Rat um "Änderungen in den Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Fremdwörter und Interpunktion" bemühen solle. Die Bereiche der Rechtschreibung, mit denen der Rat sich noch nicht hat beschäftigen können, darunter vor allem die Groß- und Kleinschreibung sowie die Silbentrennung, werden im Beschluss der Kultusminister nicht genannt. Angesichts dessen ist der Verdacht laut geworden, die Kultusminister wollten den Rat -- nachdem er nicht, wie vorgesehen, zu einem Instrument der Akklamation geworden ist -- an seiner weiteren Arbeit hindern. Einer solchen Behinderung scheint der Rat durch die Berufung auf den Sprachgebrauch entgegentreten zu wollen. tost«
( Süddeutsche Zeitung vom 2.7.2005, Seite 15 - Feuilleton )
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Kommentar von Mannheimer Morgen, verfaßt am 02.07.2005 um 09.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1117
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»Vielversprechend
RECHTSCHREIBUNG: Rat gibt weitere Empfehlungen
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Groß
Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist wieder einen Schritt weiter. Bei der gestrigen Sitzung in Mannheim hat das Expertengremium erneut Vorschläge für eine Modifikation des besonders umstrittenen Reformbereichs Getrennt- und Zusammenschreibung verabschiedet. Der Kultusministerkonferenz wird empfohlen, diesen Teil der Rechtschreibreform entsprechend umzuarbeiten, um dann wieder dem Sprachgebrauch und dem Wortsinn den Vorrang vor dem Regelwerk zu geben, wie Ratsvorsitzender Hans Zehetmair nach der Sitzung in Mannheim sagte.
Konkret bedeutet dies, dass künftig wieder mehr zusammengeschrieben werden soll, wenn dies der Wortsinn nahe legt. Zehetmairs Lieblingsbeispiel dafür: Der "vielversprechende" Politiker soll von seinem "viel versprechenden" Kollegen klar unterschieden werden; das Regelwerk der Rechtschreibreform lässt dagegen grundsätzlich beide Schreibungen zu. Dass Zehetmair den aktuellen Bundeskanzler nur mit der zweiten Schreibung charakterisiert sehen möchte, ist indessen eher der parteipolitischen Herkunft des ehemaligen bayerischen Wissenschaftsministers geschuldet als seiner Sorge um die Sprache. Zusammenzuschreiben wären etwa auch wieder "eislaufen" oder "nottun". Und wenn der Geldbeutel es zulässt, soll der Autofahrer ebenso wieder "volltanken".
Beschlüsse des Gremiums bedürfen einer Zweidrittelmehrheit. Die Ergebnisse seien aber "fast einstimmig" gefasst worden, so Zehetmair. Ein Durchbruch bei der Getrennt- und Zusammenschreibung war bereits Anfang Juni erzielt worden, gestern stand vor allem noch Detailarbeit auf der Tagesordnung.
Beraten wurde gestern noch der ebenfalls strittige Reformbereich der Silbentrennung am Zeilenende, weitere Vorschläge hierzu erarbeitet eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Direktors des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache, Ludwig M. Eichinger. Dabei, so Eichinger, gehe es grundsätzlich darum, dass die Silbentrennung nicht den Sinn entstellen oder der Lesbarkeit eines Textes abträglich sein sollte. Die nach dem neuen Regelwerk mögliche Trennung "A-bend" oder "E-sel" wird wahrscheinlich zurückgenommen. Beide Wörter wären dann wieder untrennbar.
Außerdem will sich der Rat für Rechtschreibung noch mit der ebenfalls umstritten Reform der Zeichensetzung befassen. Dabei soll die Tendenz laut Zehetmair wieder dahin gehen, ein Komma dann zu setzen, wenn es die Lesbarkeit erleichtert, auch wenn das neue Regelwerk ein solches nicht mehr vorschreibt. Vor erweitertem Infinitiv wäre dann ebenso wieder ein Komma zu setzen wie vor "und", wenn das Bindewort am Anfang eines Hauptsatzes steht.
Eichinger ergänzte zur Getrennt- und Zusammenschreibung, dass künftig wieder die Schreibung selber den Grund dafür deutlich machen soll, warum etwas getrennt oder zusammengeschrieben wird. Er hofft, dass dann auch falsche Schreibungen wie "Angst erfüllt", die weder die alte noch die neue Rechtschreibung vorsieht, aber anscheinend eines falschen Verständnisses des Regelwerks wegen zuweilen gebraucht werden, wieder verschwinden.
Der Plan des mit Befürwortern und Gegnern der Reform besetzten Rats sieht vor, bis zum Jahresende eine komplette Vorschlagsliste für die umstrittenen Teile der Rechtschreibreform vorzulegen. Danach folgen Anhörungen von Eltern- und Lehrerverbänden, ehe die Kultusministerkonferenz zusammen mit Österreich und der Schweiz ihre Zustimmung geben kann. Als nächste Sitzungstermine des Rats für deutsche Rechtschreibung wurden der 28. Oktober und der 25. November genannt.«
( Mannheimer Morgen - 02.07.2005 )
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Kommentar von R. M., verfaßt am 02.07.2005 um 01.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1116
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Duden 2004 sieht für Instinkt gemäß §112 sowohl die Trennung In|stinkt als auch die Trennung Ins|tinkt vor. Vgl. In|s|tanz, In|s|t|ru|ment usw., aber in|stabil. Das Beispiel Urin|stinkt hat mit alldem nichts zu tun, sondern fällt unter §111 E2. Der Verdacht liegt nahe, daß die Illustration dessen, was unter »irreführenden Trennungen« verstanden wird, immer schon nur dem Amüsemang der Lexikographen gedient hat.
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Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 01.07.2005 um 22.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1115
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»Als Beispiel für eine sinnwidrige Trennung nannte Zehetmair das Wort "Urinstinkt" mit den Trennweisen "Ur- instinkt" oder "Urin-stinkt".«
Das ist allerdings ein sehr seltsames Beispiel, denn mit neuer oder alter Rechtschreibung hat es eigentlich nichts zu tun. Auch nach alter Rechtschreibung ist die Trennung »Urin-stinkt« durchaus möglich und korrekt, wurde aber aus Gründen der Unmißverständlichkeit selbstverständlich immer vermieden, und nach neuer Rechtschreibung sollte sie gar nicht mehr vorkommen, da nun ja zu trennen wäre »Urins-tinkt« - so bescheuert diese Trennung sicherlich auch ist.
Wichtiger wäre gewesen, daran zu erinnern, daß es Wortbestandteile gibt wie »in«, »re«, »prä«, »per« usw., die als solche bei Trennungen erhalten und wiederzuerkennen bleiben sollten, etwa bei »In-stinkt«, »Re-spekt«, »Prä-skription« oder »Per-spektive« usw.
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 01.07.2005 um 21.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1114
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Auch bei manchen dpa-Leuten fällt ab und zu mal ein Groschen, wenn schon mit einer für den Beobachter quälenden Langsamkeit. So war heute in der "Vorausmeldung" von den "als unstrittig definierten" Teilen der Reform die Rede, die am 1. August an Schulen und Behörden in Kraft träten. Das ist doch immerhin ein kleiner Fortschritt gegenüber den "unstrittigen Teilen", von denen bislang bei der Agentur meist die Rede war.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.07.2005 um 20.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=288#1113
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Wie würde das auch aussehen, wenn sie es richtig geschrieben hätten?
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat weitere Aufrauungen der Rechtschreibreform beschlossen.
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