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07.06.2005
Aptum
Zeitschrift für Sprachkultur gegründet
Die Linguisten Martin Wengeler und Jürgen Schiewe möchten der Sprachkritik ein neues Forum schaffen.
Wie die Rheinische Post berichtet, zählen mangelhafte Übersetzungen und Instrumentalisierungen von Wörtern zu den Themen des ersten Hefts.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.06.2017 um 10.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=273#10876
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Unsere heutigen Rhetoriker haben die "Angemessenheit" wiederentdeckt oder sich gar nicht erst davon gelöst. Letzteres muß man annehmen, wenn man Gert Uedings "Rhetorik des Schreibens" liest. Natürlich ist "Angemessenheit" ein sinnloser Begriff, wenn man seine relationale Natur nicht berücksichtigt. Früher verstand es sich von selbst, daß man von erhabenen Gegenständen im erhabenen Stil zu reden hatte usw., das war "angemessen". Also über Könige in Edelsprache, über Bauerntölpel in Umgangssprache und - schrecklich zu sagen - im Dialekt. Soll das etwa immer noch gelten? (Bei Ueding S. 19 sieht es so aus.)
"Valerio" 18/2016, herausgegeben von Jürgen Schiewe, hat den Titel "Angemessenheit".
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Kommentar von Süddeutsche Zeitung, verfaßt am 12.07.2005 um 09.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=273#1162
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»Aptum stößt die Fenster auf
Seit ein paar Wochen ist Aptum auf dem Markt, die neue „Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur", dem Impressum zufolge gedruckt „mit freundlicher Unterstützung der Berkenkamp-Stiftung Essen und dem Rektoratsfonds der Universität Greifswald". Der Stiftung, dem Fonds? Wer dächte da nicht sofort an Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" und freute sich von Herzen, dass er wieder mal eine Perle der Kasusschlamperei gehoben hat, ein Musterbeispiel für seine sprachkritisch zu beleuchtende Sammlung! Es bleibt ihm aber der Schnabel sauber, denn „vermeintliche Sprachkritik, die linguistisch nicht begründet wird, verdient die Bezeichnung Sprachkritik nicht" (Aptum, Seite 41) - und welcher Laie weiß schon, wie dieser falsche Dativ linguistisch einzuordnen ist, beziehungsweise ob er überhaupt zu den linguistisch relevanten Gegenständen gehört.
Es ist Horst Schwinn vom Institut für Deutsche Sprache, der die Domänen voneinander scheidet und sagt, dass Sprachkritik, die nicht linguistisch betrieben wird, keine Sprachwissenschaft sei, sondern „Unterhaltung, Populismus oder im besten Fall Populärwissenschaft". Dem ist wenig zu entgegnen, allenfalls dies, dass die nicht linguistisch betriebene Sprachkritik, wenn sie ehrlich zu sich selber ist, nie in dem Wahn lebt, sie betätige sich wissenschaftlich. Feuilletonistische Sprachkolumnen rechnen es sich vielmehr als Ehre an, leidlich gute Unterhaltung zu bieten, können insofern auch ganz gut mit der Bemerkung Schwinns leben, ihre Arbeit trüge „teilweise schlicht monetären Charakter". Man muss leben, und von nix kommt halt nix.
Das soll nicht so klingen, als fühlten wir interessierten Laien uns düpiert. Im Gegenteil ist es ja so, dass ausgerechnet die Laien eine starke Sehnsucht nach der Sonne der Wissenschaft haben, dass es ihnen aber meist am Rüstzeug fehlt, um die vor dem Paradies aufgetürmten Hürden zu überwinden - Hürden, in deren Vertracktheit sich gerade die Linguistik von kaum einer anderen Disziplin übertreffen lässt. So heißt es in einer Anmerkung - und wer läse die Anmerkungen emsiger als wir Laien? - zu Siegfried Jägers klugem Aufsatz über den Diskurs, Normalitäts-Dispositive seien kompensierende, „versichernde" Dispositive gegen die tendenziell „exponentiellen" und damit tendenziell „chaotischen" growth-Kurven der Moderne. Wohl wahr, möchte man sagen, hätte man nur den Mut dazu.
Das Schöne an der Sache und damit auch höchst Begrüßenswerte an der neuen Zeitschrift ist die Tatsache, dass die Sehnsucht auf der anderen Seite des Paradieszauns nicht weniger heftig zu sein scheint. Man empfindet es im Innern des Elfenbeinturms als Mangel, dass die Bodenhaftung in einem doch beängstigenden Ausmaß verloren ging, und da der Mangel stets ein Desiderat nach sich zu ziehen pflegt, will man das eine oder andere Fenster des Turms aufstoßen - mag es gleich etwas knarren dabei.
Der klassischen Rhetorik zufolge soll die Rede ihrem Zweck und Inhalt angemessen sein, aptum oder decorum. Davon bezieht die neue Zeitschrift ihren Namen, mit der Maßgabe, dass eine Sprachkritik, wie Aptum sie zu beschreiben und zu fördern gedenkt, die vielfachen Funktionen berücksichtigt, die Sprache erfüllen muss, und dass sie sich deshalb die „jeweilige Angemessenheit des Einsatzes sprachlicher Ausdrucksmittel zur Erreichung verschiedener Kommunikationsziele" zur Richtschnur nimmt.
Neben Schwinn und Jäger schreiben im ersten Heft: Nina Janich über Sprachkultur und Sprachkultiviertheit, Georg Stötzel über das Projekt eines Wörterbuchs der „Vergangenheitsbewältigung" und Ina Karg über „Die Sprache, die PISA spricht". Herausgeber sind Jürgen Schiewe, Greifswald, und Martin Wengeler, Düsseldorf. Verlegt wird Aptum bei Hempen in Bremen, das Jahresabonnement (drei Hefte) kostet 54 Euro. HERMANN UNTERSTÖGER«
( Süddeutsche Zeitung Nr.158, Dienstag, den 12. Juli 2005 , Seite 12 )
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.06.2005 um 06.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=273#913
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Der Ankündigung nach zu urteilen wird die Zeitschrift sowohl in reformierter Rechtschreibung erscheinen als auch politisch korrekt sein. "Sprachkritik"? Ineptum. Übrigens hat Schiewe das Werk "Deutsche Stilkunst" des Meisterplagiators Ludwig Reiners neu herausgegeben, dessen Wirken kürzlich von Stefan Stirnemann gewürdigt wurde. Bin auf Aptum nicht neugierig.
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