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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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Wolfram Metz zu »Rhetorik«
Dieser Kommentar wurde am 25.04.2025 um 01.08 Uhr verfaßt.

Noch zu #55214:

Man sollte vielleicht daran erinnern, daß die historischen Windmühlen in Holland, die wir heute alle so pittoresk finden, in früheren Jahrhunderten auch nicht aus ästhetischen Gründen in die Landschaft gepflanzt wurden. Vielmehr wurden sie damals als das wahrgenommen, was sie waren: riesige Kraftmaschinen, die vor allem als Schöpfwerk dienten, um die Polder zu entwässern. Da war keine Romantik im Spiel, man nutzte diese technischen Bauwerke, weil man sie brauchte. Das Mühlensterben setzte in den Niederlanden später ein als in anderen Ländern, wohl auch deshalb, weil ein flächendeckender Ersatz der abertausend Mühlen durch Dampfschöpfwerke im 19. Jahrhundert viel zu teuer gewesen wäre. Noch im 20. Jahrhundert wurden Erkenntnisse aus dem Flugzeugbau zu aerodynamischen Verbesserungen der Flügelkreuze genutzt. Die Darstellung einer traditionellen Windmühle, auch mit nichtbespannten Flügeln, eignet sich deshalb schlecht als Symbol für den Niedergang der Windkraftnutzung. Zumindest in Holland kann man moderne Windkraftanlagen als organische Weiterentwicklung einer zeitlosen und, wenn Sie mich fragen, faszinierenden Technik betrachten.

Ob moderne Windräder nun häßlich sind oder nicht, kann niemand entscheiden, das liegt im Auge des Betrachters. Ich selbst finde alleinstehende Windräder oder eine kleine Gruppe meist schön und landschaftsbereichernd, während mich der Anblick ganzer Windparks manchmal erschlägt. Die Einpassung mächtiger Windkraftanlagen in das räumliche Umfeld stellt die Planer vor Herausforderungen, und es gibt weitere, technische Probleme, die noch nicht zufriedenstellend gelöst (allerdings auch Gegenstand emsiger Forschung) sind. Aber wäre es nicht verrückt, wenn wir die immensen energiewirtschaftlichen Möglichkeiten, die uns die immer effizientere und vergleichsweise umweltfreundliche Ausbeutung des Windes – längst auch jenseits kolossaler Windräder – bietet, einfach links liegenließen?


Manfred Riemer zu »Kognitivismus«
Dieser Kommentar wurde am 25.04.2025 um 00.21 Uhr verfaßt.

»"Sprache" ist eine Abstraktion aus dem Sprachverhalten, und dieses ist physisch.«

Ist Sprachverhalten wirklich physisch? Wenn damit die Bewegung physischer Wesen gemeint ist, dann kann man es vielleicht so sagen.

Aber es gibt doch einen wichtigen Unterschied. Über Werkzeuge wie Gabeln, Sägen und Spaten kann man genau sagen, wie sie physisch beschaffen sind, d.h. woraus sie stofflich bestehen, aus Holz, Eisen, Stahl. Aus welchem Stoff besteht das Sprachverhalten?

Aus dieser Sicht kann ich dann der Gegenüberstellung von physischen Werkzeugen und Sprache als einer Art ideellem "Werkzeug" (bildlich gesprochen) schon etwas abgewinnen.






Theodor Ickler zu »Kognitivismus«
Dieser Kommentar wurde am 24.04.2025 um 17.21 Uhr verfaßt.

„Homo sapiens sapiens is arguably the only species which possesses a developed ‘theory
of mind’. By this I mean the ability to attribute the full range of mental states (both goal
states and espistemic states) to ourselves and to others, and to use such attributions to
make sense of and predict behaviour.“ (Simon Baron-Cohen: „Evolution of a theory of mind?“ In
Michael C. Corballis/Stephen E. G. Lea: The descent of mind. Psychological perspectives on hominid evolution. Oxford 1999:261-277, S. 261)

Was soll es heißen, daß Menschen sich und anderen mentale Zustände zuschreiben? Die meisten Menschen haben wenige oder gar keine Ausdrücke für solche Zustände, und das traf in älterer Zeit noch mehr zu. Wir sehen in historischer Zeit das Aufkommen einer naiven Psychologie (folk psychology), und sie ist nirgendwo zu einem konsistenten System ausgearbeitet, sondern dient punktuell der Lösung bestimmter Aufgaben der Handlungskoordination.
„Like language or bipedalism, a theory of mind can be taken as a major milestone in primate evolution.“ (ebd.)
Es wird angenommen, daß Menschen und vielleicht noch andere Tiere (Baron-Cohen erwähnt die Affen, an denen Premack seine Überlegungen zur ToM aufhängte), ihr Verhalten weder freundlich noch feindlich aufeinander abstimmen könnten ohne gegenseitige Zuschreibung von Ansichten und Absichten (Wissen und Wollen als Minimalausstattung des „Geistes“). Diese Annahmen über das Innere bei sich selbst und anderen müssen nicht sprachlich formuliert sein, können es bei Tieren und Kleinkindern auch gar nicht, wenn man nicht zu der exzentrischen These einer Sprache des Geistes greifen will.
Nun ist klar, daß es sich nicht um eine Tatsachenfrage handelt. Die hypothetische Theorie des Geistes ist per def. nicht beobachtbar. Ist es zwingend, sie anzusetzen? Meiner Ansicht nach nicht: Die Daten, die eine solche Annahme motivieren könnten, reichen aus, genau jenes Verhalten zu steuern, das mit Hilfe einer Theorie der Theorie des Geistes erklärt werden sollen. Der Hund, der sich zum Gassigehen vorbereitet, bedarf keiner Annahme über die Absicht seines Herrn, sondern hat gelernt, dessen Verhalten zu einer bestimmten Zeit als Anfang des Gassigehens zu verstehen, d. h. sich schwanzwedelnd an die Tür zu begeben. (Das „Verstehen“ wird nicht benötigt, es ist nur eine anthropomorphe Verzierung.) Beim Menschen ist es – vor allem wegen der Sprache – oft sehr viel komplizierter, aber von gleicher Art. Daß die Verhaltensanalyse ohne metaphysische Begriffe auskommt, ist ein unschätzbarer Vorteil.


Theodor Ickler zu »Die Relevanten melden sich«
Dieser Kommentar wurde am 24.04.2025 um 08.05 Uhr verfaßt.

Über einen deutschen „theoretischen Linguisten“, wie sie in der Nachfolge Chomskys auftraten, heißt es bei Wikipedia: „Er hat mit Methoden aus verschiedener [!] Frameworks gearbeitet, wie Montague-Grammatik, Kategorialgrammatik, Generalisierte Phrasenstrukturgrammatik, Optimalitätstheorie und Konstruktionsgrammatik.“ Das wäre plausibel, wenn die Frameworks einen wissenschaftlichen Fortschritt kennzeichneten, der sich in der wissenschaftlichen Laufbahn des Forschers widerspiegelte. Es sind aber nur einander ablösende Moden, und gerade die bisher letzte, die Konstruktionsgrammatik, ist abgesehen von der terminologischen Maskerade umwerfend traditionell.
Diese Art von theoriefreudiger Linguistik dringt oft gar nicht bis zur Sprache selbst vor, aus der sie allenfalls zu Demonstrationszwecken das eine oder andere (oft selbstgemachte) Beispiel entnimmt. Kein Wunder, daß der sogenannte Linguistik-Boom zu Ende gegangen ist.


Theodor Ickler zu »Trüber Morgen«
Dieser Kommentar wurde am 24.04.2025 um 06.50 Uhr verfaßt.

Noch zum Papsttod: Werner Bartens in der SZ (24.4.25) über die pseudogenauen Todesursachen anstelle von „Alterschwäche“, das er zum letztenmal beim Tod seiner Großmutter vor 30 Jahren gehört habe. Gut beobachtet, erinnert mich an den trefflichen Nuland (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=783#43553)

Inzwischen ist hinzugekommnen, daß auch niemand mehr an einer Krankheit stirbt, sondern an den Folgen einer Erkrankung.

Es ändert aber nichts um Ergebnis, am Ende ist man eben tot.


Theodor Ickler zu »Kognitivismus«
Dieser Kommentar wurde am 24.04.2025 um 04.31 Uhr verfaßt.

„Language is a communicative tool shaped by our brains, just as physical tools, like forks, saws and spades, have been perfectly shaped by cultural evolution to fit our hands, legs and body.“ (Morten H. Christiansen/Nick Chater: The language game. London 2023:166)
Das ist in mehrfacher Hinsicht schief ausgedrückt.
Erstens scheinen die Verfasser Sprache zwar für ein Werkzeug, aber ein nicht-physisches zu halten. Das ist eine Mystifikation. Sprache ist kein Werkzeug, pace Platon und Bühler. „Sprache“ ist eine Abstraktion aus dem Sprachverhalten, und dieses ist physisch.
Zweitens ist die Urheberschaft, hier gleichermaßen durch „by“ ausgedrückt, nicht vergleichbar: Hirn und kulturelle Evolution sind nicht in gleicher Weise Agenten, die Begriffe gehören auf verschiedene Ebenen.
Später heißt es allerdings: „What works for scissors also works for language – both are superbly adapted by cultural evolution to be used by us.“ (167)
Das paßt nicht zusammen, denn zuvor hatten die Verfasser ja gesagt, die Sprache sei durch das Gehirn, das Handwerkszeug jedoch durch die Kultur geformt. Sind nun beide sowohl durch das Gehirn als auch durch die Kultur geformt?
(Für unsere selbstgemachten Werkzeuge gilt etwas Ähnliches wie für unser Verhalten: Man kann nicht von Anpassung an uns (!) sprechen. Daß ein Faustkeil gut in der Faust liegt, ist keine erklärungsbedürftige Entdeckung der Paläontologen. Anpassen mußten wir ihn an die Werkstücke, die wir damit bearbeiten wollten, ebenso wie die Schere ans Papier usw.)



Manfred Riemer zu »Bilder«
Dieser Kommentar wurde am 23.04.2025 um 18.04 Uhr verfaßt.

Schon wieder ein Erdbeben, dessen Epizentrum in 10 km Tiefe lag.
Das meldete heute sogar die Tagesschau, 17 Uhr.


Theodor Ickler zu »Rhetorik«
Dieser Kommentar wurde am 23.04.2025 um 12.34 Uhr verfaßt.

Papst Franziskus wird am Samstag in Rom beigesetzt. Die Trauerfeier ist auch ein gesellschaftliches Ereignis. Nur ein Gast aus Deutschland wird fehlen. (t-online.de)

Merz wird nicht fehlen, sondern einfach nicht dabei sein. Warum sollte er? Putin kommt auch nicht. Dafür Landsmann Milei: Milei beschimpfte das Oberhaupt der katholischen Kirche noch vor seiner Präsidentschaft als "Schwachkopf" und "Hurensohn". Ist doch alles in Ordnung.


Wolfram Metz zu »Rhetorik«
Dieser Kommentar wurde am 23.04.2025 um 12.22 Uhr verfaßt.

In normalen Zeiten hätte ein Präsident ein Statement zum Tod des Papstes in einer anderen Umgebung abgegeben. Dafür haben die Presse- und Protokollabteilungen flexible Lösungen, selbst wenn der Präsident sich in dem Moment nicht in seinem Amtssitz befindet. Aber inzwischen werden Erklärungen von Staats- und Regierungschefs über X verbreitet, da werden wir uns auch noch an menschliche Osterhasen an ihrer Seite gewöhnen. Ich bin allerdings nicht sicher, was ich unangemessener fand, den drolligen Hasen oder die denkbar knappe und nichtssagende Charakterisierung des Verstorbenen mit den Worten »He was a good man, worked hard, he loved the world«.


Theodor Ickler zu »Rhetorik«
Dieser Kommentar wurde am 23.04.2025 um 11.16 Uhr verfaßt.

Ja, aber das war so amerikanisch, daß ich mich nicht darüber lustig machen wollte...


Wolfram Metz zu »Rhetorik«
Dieser Kommentar wurde am 23.04.2025 um 10.59 Uhr verfaßt.

Daß seine Frau neben ihm stand – geschenkt. Es erinnerte mich an die berühmten Balkonszenen, die wir von den Königshäusern kennen. Aber es stand ja noch jemand neben ihm ...
https://www.youtube.com/watch?v=wjZilc9sBao


Theodor Ickler zu »Griechisch für alle«
Dieser Kommentar wurde am 23.04.2025 um 05.52 Uhr verfaßt.

Über den Germanisten Kurt Gärtner heißt es bei Wikipedia rechtschreibreformiert: „1968 promovierte er mit der Arbeit Die constructio apo Koinu bei Wolfram von Eschenbach.“ In Wirklichkeit schrieb Herr Gärtner, der mir auch einmal sein Mißfallen über die Reform ausgesprochen und selbstverständlich unsere Gemeinsame Erklärung unterschrieben hatte, natürlich "apo koinou". S. Haupteintrag.


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