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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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13.08.2015
 

„Sprachproduktion“
Irreführende Metapher, falsches Modell

Manches Verhalten dient dem Herstellen von etwas, während anderes Verhalten seine Funktion durch den bloßen Ablauf erfüllt. Der Tischler stellt einen Tisch her, aber der Sportler, Schauspieler, Tänzer oder Sänger stellt nichts her, sondern vollzieht seine Darbietung, man sieht oder hört etwas, am Ende ist es vorbei, und es bleibt allenfalls noch eine Erinnerung. Aristoteles dürfte etwas ähnliches mit der Unterscheidung von Poiesis und Praxis gemeint haben.
Nun ist die Frage, zu welchem Verhaltenstyp die Sprache gehört. Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: zu den vollziehenden und nicht zu den herstellenden. In der Fachliteratur ist jedoch überwiegend von „Sprachproduktion“ (speech production) bzw. deren „Ergebnis“ die Rede. Möglicherweise verleitet die Schriftlichkeit dazu, auch beim Reden etwas entstehen zu sehen, den sogenannten Text, worunter die Sprachwissenschaft heute aber ausdrücklich auch die mündliche Rede versteht.
Wie verbreitet das Produktionsmodell bzw. die – meist undurchschaute – Produktmetapher ist, soll eine kleine Zitatsammlung belegen:

„Texte sind sprachliche Gebilde, Hervorbringungen der menschlichen Sprachfähigkeit, und wie alle Produkte einer menschlichen Tätigkeit lassen sie sich von zwei Blickrichtungen her untersuchen. Man kann die Struktur des Produktes analysieren oder aber die Prozesse der Textproduktion und des Textverstehens.“ (Wolfgang Klein in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 86/1992:7)
„Texte sind zunächst einmal Produkte bestimmter Handlungen, genauer gesagt, Produkte des Formulierens, Produkte von Formulierungshandlungen, Resultate der Herstellungshandlung ‚Formulieren‘.“ (Eckard Rolf: Die Funktionen der Gebrauchstextsorten. Berlin, New York 1993:37)
„Immer tun wir etwas, wenn wir sprechen (artikulieren, schreiben etc.); wir beschäftigen dabei bestimmte Körperteile oder -organe (Hand, Stimmbänder), und dabei stellen wir etwas her: Symbole bzw. Reihungen interdependenter Symbole, die wir ‚Sprache‘ nennen.“ (Götz Beck: Sprechakte und Sprachfunktionen. Tübingen 1980:4)
Angelika Ballweg-Schramm definiert sich äußern als „Produzieren semiotischer Einheiten“ (Helmut Henne, Hg.: Praxis der Lexikographie. Tübingen 1979:99). Das ist übergegangen in das umfangreiche Werk „Verben in Feldern“ des Instituts für deutsche Sprache (IDS), wo dem „Produzieren sprachlicher semiotischer Einheiten“ sogar das „Produzieren nichtsprachlicher semiotischer Einheiten“ (nämlich Gesten und Gebärden) gegenübergestellt wird (Helmut Schumacher, Hg.: Verben in Feldern. Berlin, New York 1986:666). Ähnlich rechnen Thomas T. Ballmer und Waltraud Brennenstuhl die Verben der lautlichen Äußerung ohne weiteres unter das „Produktionsmodell“ (Deutsche Verben. Tübingen 1985). Auch die IDS-Grammatik folgt diesem Modell: „Was wir als Sprachlaut betrachten, ist nur ein Ausschnitt dessen, was als Produkt entsteht.“ (Gisela Zifonun et al.: Grammatik der deutschen Sprache. Berlin, New York 1997:163) – Die Ellipse gilt als „Äußerungsprodukt“ der „elliptischen Prozedur“ (ebd. 413) usw.
„‚Äußerung‘ ist Akt-Objekt-ambig, d. h. es kann sowohl die Handlung des Äußerns als auch die hervorgebrachte Zeichenfolge meinen.“ (Dietrich Busse in Friedrich Müller, Hg.: Untersuchungen zur Rechtslinguistik. Berlin 1989:103)
„Das in einer bestimmten Redekonstellation erzeugte Produkt wird Textexemplar genannt.“ (Rainer Rath: Kommunikationspraxis. Göttingen 1979:23)
John Lyons meint, der Begriff Äußerung sei zweideutig, „insoweit man damit sowohl auf einen einzelnen Verhaltensakt referieren kann als auch auf das stimmliche Signal, welches ein Produkt dieses Verhaltensaktes ist“ (John Lyons: Semantik I. München 1980:39f.). Die Alltagsrede kommt dieser Auffassung entgegen, wenn man etwa sagt, daß der Stimmapparat Töne „hervorbringt“, wo in Wirklichkeit nur dessen Bewegungen akustisch wahrgenommen werden, entsprechend der visuellen Wahrnehmung von Gebärden.
Statt vom Produkt spricht man auch vom „Ergebnis“ oder „Resultat“ der Sprechtätigkeit:
„Daß Sätze als Sprachwerke das Ergebnis von Äußerungsakten sind, ist trivial.“ (Clemens Knobloch in HSK 7.1, Berlin 1992:419)
„(Das Sprechen) ist Resultat der Sprachverwendung, Resultat des einzelnen Sprechaktes.“ (Jurij Apresjan: Ideen und Methoden der modernen strukturellen Linguistik. Berlin 1971:36)
„Von der sprachlichen Äußerung als Handlung unterscheiden wir das Ergebnis dieser Handlung, vom Sprechen das Gesprochene.“ (Franz v. Kutschera: Sprachphilosophie. München 1971:17)
„Texte sind allgemein betrachtet das Ergebnis der sprachlich-kommunikativen Tätigkeit des Menschen.“ (Kleine Enzyklopädie Deutsche Sprache. Leipzig 1983:215)
„Sprachliche Äußerungen sind die Ergebnisse spezifischer Handlungen von Akteuren.“ (Theo Herrmann: Sprechen und Situation. Berlin 1982:24)
„Tesnière ist unversehens vom Sprechakt zum Resultat des Sprechaktes, der sprachlichen Äußerung, übergegangen.“ (Richard Baum: Dependenzgrammatik. Tübingen 1976:49)
„Wir gehen davon aus, daß Texte als komplexe sprachliche Zeichen das Instrument und das Resultat des Handlungsvollzugs bilden.“ (Fachsprache - Fremdsprache - Muttersprache. Heft 15/16, 1989:110)
„Daß ‚Sprache‘ uns immer nur in aktualisierter Form als Ergebnis eines Rede- oder Schreibaktes gegeben und beobachtbar ist, stellt die einhellige Auffassung der modernen Linguistik mindestens seit F. de Saussure dar.“ (Maximilian Scherner: Sprache als Text. Tübingen 1984:3)
Für Dieter Wunderlich ist das „Sprechaktprodukt“ das „Resultat“ des Vollzugs eines Sprechaktes (Studien zur Sprechakttheorie. Frankfurt 1976:52)
„Beobachtbar sind für uns vor allem die Resultate unserer sprachlichen Tätigkeit, die Äußerungen bzw. Texte.“ (Wolfgang Heinemann/Dieter Viehweger: Einführung in die Textlinguistik. Tübingen 1991:86) „Ein Gespräch ist das Resultat der sprachlichen Tätigkeit von mindestens zwei Handlungsbeteiligten.“ (ebd. 178)
Brinker und Sager unterscheiden das Gespräch als „Resultat eines interaktiven Prozesses“ und diesen Prozeß selbst, daher Zweiteilung der Gesprächsanalyse in „Ergebnis- und Verfahrensanalyse“ (Klaus Brinker/Sven Sager: Linguistische Gesprächsanalyse: eine Einführung. 2. Aufl. Berlin, S. 19) „Eine umfassende Gesprächsanalyse hat (...) beide Aspekte des sozialen Ereignisses ´Gespräch´ zu berücksichtigen und zu beschreiben: das Handlungsresultat wie den Handlungsvollzug.“ (ebd. 20) Es folgt ein Zitat von Alfred Schütz: „Wir müssen (...) terminologisch scharf zwischen Handeln in seinem Vollziehen als Erzeugen von Handlungen (actio) und der bereits fertig konstituierten Handlung als durch Handeln Erzeugtem (actum) unterscheiden. (Nach Schütz: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Frankfurt 1974:50)



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Kommentare zu »„Sprachproduktion“«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.08.2015 um 01.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#29710

Dient die Sprache dem Sprecher nicht immer zur Herstellung einer Information?
Ich kann Sprechen nicht auf die gleiche Stufe wie die Darbietung eines Tanzes oder einer sportlichen Betätigung stellen. Das Gesprochene existiert als Information weiter, zwar nicht materiell, aber ich würde auch Information als ein Produkt bezeichnen. Information hat sogar einen Wert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2015 um 03.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#29712

Die Sprache verführt uns, so zu denken, in diesem Fall das Substantiv Information. Information ist nichts Hergestelltes, sondern eine Eigenschaft oder noch besser eine Funktion von etwas. Und warum sollte ein Tanz oder ein Musikstück keine Information enthalten? Ich sehe keinen Unterschied zu Sprachverhalten, was diese Frage betrifft.
Mir kommt es mit Skinner gerade darauf an, den "Inhalt" oder die "Bedeutung" als Begriff zu eliminieren. Sprachverhalten hat eine Vorgeschichte (eine längere, den Spracherwerb, und eine kürzere, den Situationszusammenhang) und eine Nachwirkung (die Funktion in der Gesellschaft), und das ist alles. Zusammengefaßt im ersten Kapitel von Skinners "Verbal Behavior". Weiter bei mir unter "bilateraler Zeichenbegriff".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2015 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#29715

„Moderne Theorien der Sprachproduktion gehen (...) davon aus, dass die Produktion einer sprachlichen Äußerung in mehreren Prozessstufen verläuft: In einer ersten Prozessstufe erstellt der Sprecher eine nicht-sprachliche kognitive Struktur, die die intendierte Botschaft repräsentiert. Diese Struktur wird auch als präverbale Botschaft oder semantischer Input bezeichnet.“ (Herbert Schriefers: „Methodologische Probleme“ in: Theo Herrmann/Joachim Grabowski, Hg.: Sprachproduktion. Göttingen 2003:3-26, S. 5)

Hier ist vieles unklar: Was ist eine kognitive Struktur, wieso ist sie nicht-sprachlich, was ist die Botschaft, die sie „repräsentiert“ (bezieht sie sich darauf? ist sie mit ihr identisch?), warum wird der Sprecher als Täter genannt usw. – pseudowissenschaftliche Umschreibung des naiven „Ich weiß, was ich sagen will“. Der Sprecher tritt als handelnde Person auf, obwohl ein subpersonaler Prozeß modelliert werden soll – ein Beispiel für den heimlichen „Homunkulismus“ solcher Modelle. Was soll daran „modern“ sein?
„Kognitive Struktur“ enthält nur ein Adjektiv, kein Genitivattribut, in dem gesagt werden müßte, wovon es die Struktur sein soll. Das ist das Problem der dimensionslosen und daher unbenannten Größen. (Kritik daran von Wolfgang Prinz in HistWbPhil zu „Kognition“.) Typisch strukturalistisch: die Substanz verschwindet.
[Bearb. 1.3.18]
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.08.2015 um 13.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#29739

Auf manchen Gebieten wird aus einer Idee zuerst eine Zeichnung, dann ein Modell, dann ein Gerät und zuletzt eine Bedienungs- und Reparaturanleitung.
Technische Zeichnungen sind sprachabhängig; z.B. müssen US-amerikanische technische Zeichnungen erst vom Zoll- auf unser metrisches System umgerechnet werden, damit man hier danach etwas bauen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.08.2015 um 04.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#29740

Ist das wahr? Ich meine: Abhängigkeit von der Einzelsprache könnte man doch gerade bei solchen Konventionen wie dem metrischen System bestreiten. Dafür spricht beispielsweise auch die historische Ausbreitung des Dezimalsystems. Das scheint doch eher von der Art Rechtverkehr vs. Linksverkehr zu sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.03.2018 um 11.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#37988

„Planung eines Satzes heißt zunächst nicht mehr und nicht weniger als dies: Ein nicht sprachlicher Gedanke will eine sprachliche Form finden.“ (Helen Leuninger: Reden ist Schweigen, Silber ist Gold. München 1998:108)

So etwas gibt es in alten Schöpfungsmythen: "Ich will eine Form finden", dachte der Gedanke.

Aber kann man heutigen Menschen damit kommen? Und dann auch noch nach einer so bombastischen Einleitung: "nicht mehr und nicht weniger"!

Weiteres dieser Art hier: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1584
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.03.2018 um 19.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38008

Das Vokabelparadox ist anscheinend ungelöst. (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1110#13946 und
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1616#26089)

Wie ist es möglich, aus 100.000 gespeicherten Wörtern in Echtzeit das passende auszusuchen, und warum dauert die Wahl nicht um so länger, je größer der Wortschatz wird?

Antwort: Weder sind die Wörter gespeichert noch werden sie ausgewählt.

Mein alternatives Modell der "Aktualgenese":

Die Nerven des ZNS feuern ständig. Wenn die von ihnen ausgehenden Impulse nicht ganz überwiegend gehemmt würden (prä- und postsynaptische Inhibition), würden sie schließlich in die Muskulatur gelangen und alle überhaupt denkbaren Kontraktionen gleichzeit anregen, also zu Krämpfen führen.
In Wirklichkeit werden die Nervenimpulse schon auf einer frühen Stufe größtenteils unterdrückt; nur die stärksten gelangen weiter, und das setzt sich in Zeiträumen von Millisekunden fort, bis ganze Bündel gleichsinnig feuernder Nerven die Muskelbewegung, beim Sprechen also die Artikulation in Gang setzen. Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1616#31316.
Auf diesem Weg wirken eine ganze Reihe von Faktoren (lernbedingte Veränderungen des inneren Milieus, Wahrnehmungen aus der Umwelt usw.) auf die sich entfaltenden Impulse ein, so daß die resultierende Verhaltensweise an die Umstände angepaßt erscheint. Diese Angepaßtheit ist das, was man den „Inhalt“ der Rede nennt. (Der Inhalt steht also nicht in mysteriöser vorsprachlicher Form am Anfang, sondern am Ende des ganzen Vorgangs.)

Am Anfang ist sozusagen alles möglich; es ist aber so wenig ausgearbeitet, daß die Ansätze in kürzester Zeit und ohne viel Energie gestoppt werden können. Allmählich werden sie immer mächtiger und spezifischer, dann auch auf entstehendes Sprachverhalten eingeschränkt. Nahe der Oberfläche sind mehrere Wörter aktiviert (Priming), weshalb es auch zu Versprechern kommt, und unmittelbar vor der Artikulation sind sie so präsent, daß man oft tatsächlich von einer Wahl sprechen kann (zwischen Synonymen zum Beispiel): Man hat den Eindruck, daß mehrere Ausdrücke „vorschweben“, zwischen denen man sich entscheiden kann. Der eigentliche Vorgang besteht jedoch nicht aus Wahlentscheidungen oder gar Nachschlagen in einem mentalen Wörterbuch.

Da ich kein Neurologe bin, ist dieses Modell ein reines Verlaufsmodell, es scheint aber bekannten neurologischen Mechanismen nicht zu widersprechen. Mir kommt es hier nur darauf an, das offensichtlich unhaltbare Alternativmodell von mentalem Lexikon und Auswahl grundsätzlich zu überwinden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.03.2018 um 22.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38009

Wenn man das Alternativmodell als mentales Lexikon bezeichnet, womöglich noch mit einem Homunkulus, der darin blättert und dem Sprechenden jeweils das passende Wort zuflüstert, dann zieht man es nur ins Lächerliche, um es also für "offensichtlich unhaltbar" zu erklären. Aber ist es das wirklich? Ich kann mir nicht vorstellen, daß Wörter, Erinnerungen, Bilder, auch Reflexe und Motorik usw. nicht im Gehirn physisch gespeichert sind. In welcher Form, welchen Strukturen, mit welchen Zugriffsmechanismen, darüber mögen sich Biologen und Psychologen den Kopf zerbrechen, aber irgendwie muß es alles gespeichert sein und steht dem Denkenden bzw. Sprechenden zur Verfügung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.03.2018 um 23.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38010

Ein Vokabelparadox (mit dem Wortschatz müßte auch die Zeit zum "inneren Nachschlagen" wachsen) sehe ich noch lange nicht. Dazu wissen wir viel zuwenig darüber, wie dieser innere Speicher aussieht und wie dieses "innere Nachschlagen" funktioniert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.03.2018 um 04.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38011

Lieber Herr Riemer, nicht ich bin es, der das herkömmliche Modell ins Lächerliche zieht, die Lächerlichkeit ergibt sich aus den Zitaten, die ich hier und z. B. hier: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1584
angeführt habe und noch vermehren könnte.

Man denkt: Es MUSS doch alles gespeichert sein! Um die Realisierung sollen sich die Biologen kümmern. Aber ich setze einen Schritt vorher an, begriffskritisch, und zeige, daß das Gerede vom Enkodieren, die undurchschauten Metaphern vom "Lexikon" usw. schon rein begrifflich nicht stimmen können und keine empirische Überprüfung zulassen.

Natürlich verändert sich das Gehirn durch Lernen, es bilden sich Routinen (durch "Bahnung", wie es traditionell heißt, also erhöhte Übergangswahrscheinlichkeiten an den synaptischen "Schwellen"), so daß am Schluß lauter schon bekannte Wörter usw. herauskommen und nicht jedesmal irgendwelche ad hoc selbstgemachten Gebilde. Aber das ist so ähnlich wie bei dem Wassertropfen, der sich hier seinen Weg durch die Wiese "sucht" und dabei auf Wege gerät, die andere Tropfen vor ihm gebahnt haben, und dann geht es in den Tennenbach (hier vor meiner Haustür), dann in die Schwabach, die Regnitz, den Main, den Rhein und ab nach Rotterdam.

Das bedeutet aber nicht, daß die Wörter gespeichert sein müssen - in irgendeinem faßbaren Sinn von "Speichern". Natürlich muß es am Ende darum gehen, daß Sie und ich Deutsch sprechen und nichts anderes, aber wenn es möglich ist, die paradoxen Folgerungen und wahrhaft lächerlichen Redeweisen zu vermeiden, sollte man es versuchen.

Um es zu wiederholen: Die meisten Modelle explizieren auf pseudotechnische Weise die Alltagserfahrung aus dem personalen, sozialen Bereich: Erst weiß ich, was ich sagen will, und dann sage ich es. Das ist sehr überzeugend, man darf es bloß nicht genauer wissen wollen. "Where intentions come from is not a concern of this book." Aber mein concern ist es!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.03.2018 um 04.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38012

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38010 Das werden wir nie wissen, weil es diesen Speicher nicht gibt.

Wir wissen, daß beim Sprechen Dutzende von "Zentren" aktiv sind, und wenn wir noch genauer scannen, sind es vielleicht Hunderte, Tausende, das ganze ZNS. Die sukzessive "Ausarbeitung" der artikulierten Lautgebilde, ihre Anpassung an das zuvor Gesagte, an die Umstände, das Synchronisieren der Komponenten (auch der Prosodie) – gestört bei Aphasie, Müdigkeit, Alkohol –, all das läßt die Frage nach dem Ort des Speicherns unangemessen erscheinen. Anderswo habe ich schon weitere Folgen des Speicherdenkens genannt: Die "Bilder", die gespeichert sein sollen, Gerüche usw. – das kann man doch nicht ernst nehmen.

Heilsam auch die Ausdehnung auf andere Geschicklichkeitsleistungen. Wo ist das Fahrradfahren "gespeichert", der Wurf in den Basketball-Korb, die Klaviersonate (gespeicherte Noten?).

Sogar der Speicher des PC enthält ja weder Bilder noch Musik noch Texte, sondern die entstehen erst zusammen mit einer bestimmten Hardware, also durch "Deutung". (Aber das nur nebenbei, diese Analogie will ich nicht weiterverfolgen, weil das Gehirn anders arbeitet.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.03.2018 um 07.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38013

Ich rücke einen Abschnitt aus einem älteren Manuskript hier ein, trotz Überlappungen mit anderen Einträgen:

Eine funktionale Analyse des Verhaltens erklärt das Verhalten aus der Geschichte seiner Entstehung. Sie folgt damit der „genetischen“ Betrachtungsweise, mit der jede Art von Zweckmäßigkeit naturalistisch erklärt werden kann. Sie verfährt makroskopisch, da sie den Organismus als ganzen in seinem Verhalten beobachtet. Was sich unterhalb dieser Ebene abspielt, bleibt zunächst außer Betracht. Allerdings sind die Grenzen unscharf. So kann mit Hilfe von Apparaten (Röntgen, Kymograph, EEG, EKG, PET usw.) ein Teil von organischen Vorgängen beobachtbar werden, der dem bloßen Auge verborgen ist. Wie weit dies noch als Verhalten bezeichnet werden kann, ist ein vieldiskutiertes Problem des Behaviorismus. Es kommt darauf an, ob sich Verhaltenseinheiten erkennen lassen, die durch Verstärkung verändert (konditioniert) werden können. Von diesem Problem wird hier zunächst abgesehen.
Die heute verbreitetsten Modelle beschränken sich nicht auf diese Sicht, sondern versuchen die „Black box“ mit hypothetischen Elementen zu füllen. Neuronale Ereignisse, die dem makroskopischen Verhalten vorhergehen und die Muskelaktivität vorbereiten, müssen selbstverständlich vorausgesetzt werden. Zum Verhältnis von makro- und mikroskopischer Untersuchung sagt Skinner:
„(Die Physiologie) wird zeigen können, wie ein Organismus verändert wird, sobald er den Kontingenzen der Verstärkung ausgesetzt ist und warum der so veränderte Organismus sich dann – möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt – anders verhält. Was sie entdecken wird, kann die Gesetze der Verhaltenswissenschaft nicht entkräften, aber es wird das Bild menschlichen Verhaltens vervollständigen.“ (Was ist Behaviorismus? Reinbek 1978:242)
Als ein Fenster zur Aktualgenese des Sprachverhaltens werden neben dem Spracherwerb insbesondere „Ver-Leistungen“ (ein Ausdruck von Friedrich Kainz für Versprechen, Verhören usw.), Pausen und Sprechgeschwindigkeit sowie Aphasien genutzt.
Die neurologische Forschung ist einerseits noch weit davon entfernt, komplexes Verhalten im einzelnen erklären zu können. Andererseits kann man sie nicht ganz übergehen. Skinner schrieb bereits 1954:
„Es ist über das Nervensystem genug bekannt, um der Spekulation gewisse dimensionale Schranken zu setzen und Erklärungsfiktionen die Flügel zu stutzen.“ („Kritik psychoanalytischer Begriffe und Theorien.“ In Ernst Topitsch, Hg.: Logik der Sozialwissenschaften. Köln 1993:403)
Zu diesen vermeidbaren Fiktionen gehören handlungsbegriffliche Modellierungen subpersonaler Vorgänge.
In Modellen wie dem der „Mannheimer Schule“ Theo Herrmanns wird die Konditionierungsgeschichte und damit die funktionale Analyse des Sprachverhaltens nahezu vollständig ausgeklammert, die physiologische Ebene allerdings weder erreicht noch angestrebt. Es bewegt sich in einem Zwischenreich der strukturellen Modellierung von Verhaltensweisen, und zwar in Handlungsbegriffen.
Es ist üblich geworden, die Vorbereitungsphase als eine Phase der „Programmierung“ des Verhaltens zu verstehen. Allerdings gibt es noch keine realistische Ausfüllung dieser Konzeption, sondern allenfalls Simulationen in einem anderen Medium oder sogar gänzlich abstrakter Art.
Modelle der Aktualgenese erheben entweder den Anspruch, Hypothesen über neuronale Vorgänge zu sein, oder sie stellen eher logische bzw. strukturelle Rekonstruktionen ohne Rücksicht auf das organische Substrat dar. Meistens werden jedoch zwitterhafte Theorien geboten, deren Anspruch sich nicht genau bestimmen läßt. Oft wird ein neurologischer (oder allgemein: biologischer) Vorbehalt an dieser oder jener Stelle geltend gemacht, je nachdem, welche Befunde ein Autor gerade einzubeziehen für richtig hält. Das Reden über „Mentales“ ist ohnehin oft so unbestimmt, daß sich kein diskutierbares System von Aussagen gewinnen läßt. Man muß die einzelnen Ansätze genauer betrachten, um sich überhaupt ein Bild von den Problemen und Lösungsmöglichkeiten zu machen.
Der gesamte Vorgang der Aktualgenese wird in mehrere Phasen aufgeteilt. Herrmann und Grabowski (1994:321f.) weisen auf die Anziehungskraft dreistufiger Modelle hin und vertreten selbst ein solches. So auch schon Herrmann 1972: „semantische Kodierung, syntaktische Kodierung, phonetische Kodierung“ (Sprache. Frankfurt, Bern 1972:20). Bei Willem Levelt (Speaking - From intention to articulation. Cambridge (Mass.)/London 1989) werden die drei Phasen der Konzeptualisierung, Formulierung und Artikulation unterschieden, bei John R. Anderson (Kognitive Psychologie. Eine Einführung. Heidelberg 1989:350ff.) in sehr ähnlichem Sinne Konstruktion, Transformation und Exekution; weitere Beispiele bei Herrmann/Grabowski. – An Levelt lehnen sich viele weitere Modelle an, im technischen Bereich z. B. Günther Görz, Hg.: Einführung in die künstliche Intelligenz. Bonn u. a.1993:499ff.; ebenso das Projekt Aspekte der Sprachproduktion am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen (vgl. Simone Sprenger 2006). (https://www.mpg.de/456948/forschungsSchwerpunkt1)

Von besonderem Interesse ist der Anfang. Die darauf folgenden Schritte werden meist in der Begrifflichkeit linguistischer Operationen (Transformationen, Substitutionen, Selektionen ...) dargestellt. Aber wie kommt es überhaupt zu einem Material, das sich linguistisch manipulieren läßt, das also seinerseits bereits sprachlicher Natur in irgendeinem Sinne sein muß? Es ist nicht einfach, der Literatur eine klare Auskunft zu dieser Frage abzugewinnen.
Ein großer Teil der Autoren läßt die Aktualgenese mit einer „Idee“, einem „Gedanken“, einer „Vorstellung“, einer „Nachricht“, einem „Bewußtseinsinhalt“ usw. beginnen, von denen meist behauptet wird, sie seien nichtsprachlich oder vorsprachlich. Weitere Ausdrücke, die sich in der Literatur finden, sind: Bedeutung, semantische Strukturen, propositionale Strukturen, konzeptuelle Strukturen, Abbildungen von Sachverhalten, Intentionen, mentale Entitäten, Ausgangsinformationen, geistige Inhalte, Repräsentationen usw.
Die erste Stufe, so liest man, sei ein „pragmatisch-konzeptueller Apparat, der die konzeptuelle Struktur intendierter Sprechhandlungen auf einer vorsprachlichen Ebene aufbaut“. (Gerhard Blanken: Einführung in die linguistische Aphasiologie. Theorie und Praxis. Freiburg 1991:140. - Es folgen der Formulierungsapparat, der die Lexikalisierung und Grammatikalisierung besorgt, und abschließend der Artikulationsapparat)
Der Zusatz „vor-“ oder „nichtsprachlich“ scheint notwendig zu sein, damit die Gefahr eines unendlichen Regresses vermieden wird. Denn wenn der Gedanke seinerseits schon in sprachlicher Formulierung vorliegt, so erhebt sich die Frage, woher diese Formulierung stammt usw. Diese Gefahr wird auch nicht dadurch abgewendet, daß man das Ausgangsmaterial als „nicht-einzelsprachlich“ bezeichnet.
David Crystal hat die beiden Hauptspielarten von Theorien zur ersten Phase mitsamt ihren spezifischen Schwierigkeiten recht gut gekennzeichnet:
„According to one view, we "have an idea" which we wish to communicate, and this first of all exists in our brains independently of the language in which we wish to decide to communicate it. A second separate step gives this idea a linguistic shape – an "inner language", as it is sometimes called. According to another view, these two steps cannot be cleanly separated in this way. The act of thinking involves language, it is argued, and the formulation of ideas in the brain presupposes there being some kind of linguistic identity: there is no separate "ideation".“ (David Crystal: A first dictionary of linguistics and phonetics. London 1980:65)
Es folgen einige Beispiele für die beiden Gruppen von Modellbildungen:

1. Nichtsprachlicher Anfang
„... der zu verbalisierende "Gedanke", das "Worüber" des Sprechens. Diese Vorform ist (...) noch nicht einzelsprachlicher Natur, sondern hat "gedanklichen", "konzeptuellen" Charakter.“ (Theo Herrmann/Joachim Grabowski: Sprechen. Psychologie der Sprachproduktion. Heidelberg 1994: 286)
Die „Ausgangsinformation“ wird in einer bestimmten Auswahl dem „Enkodiermechanismus zur Versprachlichung“ übergeben (ebd. 98), ein Vorgang, dessen Natur unerklärt bleibt. Distanzierende Anführungszeichen und technizistisches Vokabular tragen nicht zur Aufklärung bei. Übrigens bezeichnet Herrmann 1982 die Prädikat-Argument-Schreibweise als ein „metasprachliches Darstellungsmittel“, womit implizit doch wohl der sprachliche Charakter der mentalen Propositionen anerkannt sein dürfte, denn eine Metasprache bezieht sich definitionsgemäß immer auf eine Objektsprache. Herrmann & Grabowski stellen den „Protoinput“ der Sprachproduktion nicht nur mithilfe von Propositionen (d. h. logisch standardisierten Sätzen) dar, sondern beanspruchen ausdrücklich, daß er selbst „als Proposition oder Propositionsstruktur“ aufzufassen sei (1994:367). Wird der Protoinput ohne besondere Markierungen (z. B. die Emphase betreffend) an den „Enkodiermechanismus“ übergeben, so führt er zu Standardformulierungen – offenbar weil er selbst schon eine solche ist. (1994:368)
„Moderne Theorien der Sprachproduktion gehen (...) davon aus, dass die Produktion einer sprachlichen Äußerung in mehreren Prozessstufen verläuft: In einer ersten Prozessstufe erstellt der Sprecher eine nicht-sprachliche kognitive Struktur, die die intendierte Botschaft repräsentiert. Diese Struktur wird auch als präverbale Botschaft oder semantischer Input bezeichnet.“ (Herbert Schriefers in: Enzyklopädie der Psychologie: Sprache 1 - Sprachproduktion. Hg. von Theo Herrmann und Joachim Grabowski. Göttingen u. a. 2003:5)
Man beachte, daß der Sprecher hier als Agens auftritt, obwohl ein subpersonaler Prozeß modelliert werden soll – ein Beispiel für den heimlichen „Homunkulismus“ solcher Modelle.
„Wenden wir uns nun dem Vorgang der Übersetzung gedanklicher in sprachliche Inhalte zu.“ (Hans-Georg Bosshardt in: Enzyklopädie der Psychologie: Sprache 1 - Sprachproduktion. Hg. von Theo Herrmann und Joachim Grabowski. Göttingen u. a. 2003:449-482, S. 458)
„Planung eines Satzes heißt zunächst nicht mehr und nicht weniger als dies: Ein nicht sprachlicher Gedanke will eine sprachliche Form finden.“ (Helen Leuninger: Reden ist Schweigen, Silber ist Gold. München 1998:108)
„Ziel all meiner Bemühungen soll sein, den Weg unserer Gedanken zu den Äußerungen nachzuzeichnen.“ (Helen Leuninger: Reden ist Schweigen, Silber ist Gold. München 1998:77)
„Ausgangspunkt eines Sprechaktes ist die Vorstellung oder der Gedanke, der hier zunächst sprachfrei konzipiert ist. Er wird übersetzt in Sprache, in ihr Regelsystem oder ihren Code.“ (Ute Schönpflug: Psychologie des Erst- und Zweitspracherwerbs. Stuttgart 1977:15)
„Ideas, I assume, have some kind of electrochemical existence in the nervous systems of individuals.“ (Wallace Chafe: Meaning and the structure of language. Chicago 1970:16)
„Unter "Sprachproduktion" wird (...) die Planung und Erzeugung sprachlicher Äußerungen von der vorsprachlichen Intention bis zur Artikulation verstanden.“ - „Der Prozeß des Formulierens und Artikulierens muß mit der Auswahl und Erzeugung einer Botschaft beginnen. (...) Über diese mentale Einheit der "Botschaft" und die Prinzipien ihres Zustandekommens ist recht wenig bekannt; es muß sich aber offensichtlich um ein vorsprachliches, der Redesituation, dem Vorwissen und der Intention des Sprechers angemessenes Objekt handeln.“ - „Die "Botschaft" kann man in kognitiver Perspektive als eine propositionale Struktur bestimmen, in motivationspsychologischer Sicht als eine Intention, und in sprechakttheoretischer Terminologie vielleicht als Perlokution (die angestrebte Wirkung beim Hörer).“ (Richard Wiese: „Psycholinguistik der Sprachproduktion“. In: Gerd Antos/Hans P. Krings, Hg.: Textproduktion. Tübingen 1989:197-219, S. 198 ff.)
„The writer converts the abstract concept he has created into a linguistic form. This operation is usually called encoding.“ (Juan C. Sager in Hartmut Schröder, Hg.: Subject-oriented Texts. Berlin, New York 1991:245)
„Gemeinsam muß allen Beschreibungsarten sein, daß am Anfang – als Anstoß für den Spracherzeugungsprozeß – der Redeinhalt steht (...) Dieser Redeinhalt, das Gemeinte, ist möglicherweise nicht universell, aber zweifellos übereinzelsprachlich organisiert.“ (Ulrich Engel: Syntax der deutschen Gegenwartssprache. 3. Aufl. Berlin 1994:33)
„Sprachliche Kenntnisse vermitteln (...) die systematische Möglichkeit, konzeptuell strukturierte gedankliche Strukturen auf extern manifestierbare Signale abzubilden, ihnen also eine äußere, sinnlich wahrnehmbare Manifestation zu geben. Verkürzt ausgedrückt: Die Sprache ist eine systematische Möglichkeit, Gedanken auszudrücken.“ (Manfred Bierwisch in: Wolfgang Motsch/Dieter Viehweger, Hg.: Richtungen der modernen Semantikforschung. Berlin 1983:24)
„It ist assumed by all writers that the generation of an utterance involves the translation or transduction of an intended thought into articulate speech via a hierarchy of levels of linguistic description.“ (Brian Butterworth: „Speech errors: old data in search of new theories“. In Anne Cutler, Hg.: Slips of the Tongue and Language Production: Berlin 1982:627-662, S. 628)
„I make the fundamental assumption that the speaker has an initial idea, which he intends to communicate.“ (John Laver: „The detection and correction of slips of the tongue“. In: Victoria Fromkin, Hg.: Speech errors as linguistic evidence. The Hague/Paris 1973:132-143, S. 134)
„Encodieren und Decodieren sind Übersetzungsvorgänge – in die Sprache und aus der Sprache.“ (Hans Hörmann: Psychologie der Sprache. Berlin 1977:21)
„Konzeptualisierung ist das Umsetzen solcher kommunikativen Intentionen in präverbale Botschaften, d. h. konzeptuelle Strukturen, die sich als Eingabe für den Formulator eignen.“ (Ton Dijkstra/Gerard Kempen: Einführung in die Psycholinguistik. Bern u. a. 1993:65)
„Every theory must cope with the fact that production begins with an idea, a conceptual entity, and ends with speech, a linguistic entity. (This is on the assumption that thought and language are not identical, and that thought does usually precede speech to some extent.) Thus, there must be stages in production, during which concepts are "translated" into structured speech.“ (Virginia Valian: „Talk, talk, talk. A selective critical review of theories of speech production“. In: Roy O. Freedle, Hg.: Discourse production and comprehension. Norwood 1977:107-139, S. 108)
„(The present book) will consider the speaker as a highly complex information processor who can, in some still rather mysterious way, transform intentions, thoughts, feelings into fluently articulated speech.“ (Willem J. M. Levelt: Speaking - From intention to articulation. Cambridge (Mass.)/London 1989:1) - „Each speech act begins with the conception of some intention. Where intentions come from is not a concern of this book.“ (ebd. 59)
„Ausgangspunkt unserer Untersuchung ist die Annahme, daß A eine "Idee", einen "Gedanken", einen "Inhalt" an B weitergeben möchte. (Wieso es dazu überhaupt erst kommt – das ist das schwierigste Problem, das uns hier aber nicht zu berühren braucht. Als Sprachschüler brauchen wir also – glücklicherweise! - nur anzunehmen, daß A eine Idee hat, und wir verfolgen sie erst von diesem Zeitpunkt an.)“ (William Moulton/Reinhold Freudenstein: Wie lernt man fremde Sprachen? Dortmund 1972:39)
„A language is a system for translating meanings into signals, and vice versa.“ (James R. Hurford: The Origins of Meaning. Oxford 2007:3)
„Der Prozeß des Sprechens beinhaltet die Umsetzung oder Enkodierung einer Mitteilung (Idee) von einer nicht-linguistischen Form in eine linguistisch strukturierte Äußerung.“ (Angela D. Friederici: Neuropsychologie der Sprache. Stuttgart 1984:44)
„daß das, was in einen Oberflächensatz "transformiert" wird, nicht ein anderer Satz (...), sondern wohl eher ein kognitiver Zustand ist, der seiner Natur nach nicht sprachlich ist und doch seine eigene komplexe semantische Struktur hat.“ (Charles Osgood in Helen Leuninger et al., Hg.: Linguistik und Psychologie. Frankfurt 1974:164)
„Sprechen besteht im Verschlüsseln von Informationen nach einem bestimmten Code.“ (Eugen Hill: Einführung in die historische Sprachwissenschaft des Deutschen. Darmstadt 2013:27)

Worin dieses Transformieren, Umsetzen, Enkodieren oder Konvertieren besteht, bleibt rätselhaft, und die begriffliche Schwierigkeit wird nicht geringer, wenn man eine „Übersetzung“ annimmt, denn übersetzen kann man nur Texte, also bereits sprachlich Formuliertes. Diesen Schritt geht die zweite Gruppe mentalistischer Sprachpsychologie, indem sie eine Gedankensprache (language of thought, mental language, mentalese) annimmt:

2. Sprachlicher Anfang

„The approach advocated here is similar to that taken by Fodor, Bever and Garrett (1974) and Garrett (1975). They view speech production as a translation process, in which a message in a mental computational "language" is translated into speech.“ (Valian a.a.O. 137)
Beim Hörer soll der umgekehrte Prozeß ablaufen.
Der entschiedenste und bekannteste Vertreter einer Language of thought ist Jerry Fodor.
„(The) propositional language of thought (is) very much like a natural language.“ (J. Fodor, zit. bei Levelt 1989:74)
Es gibt auch hier wieder eine Fülle unterschiedlicher Bezeichnungen für diese Gedankensprache: conceptual language (Apresjan), genotypischer Code, universaler semantischer Code (Schaumjan), oratio mentalis (Wilhelm von Ockham), lingua mentalis (Anna Wierzbicka nach Leibniz; Wierzbicka vertritt aber keine psychologische Theorie der Aktualgenese), central computing language, internal code (Fodor) usw. – wobei natürlich Unterschiede im jeweiligen theoretischen Zusammenhang zu beachten sind.
Popularisiert wurde diese Theorie vor allem von Steven Pinker:
„Knowing a language then is knowing how to translate mentalese into strings of words and vice versa. People without language would still have mentalese, and babies and non-human animals presumably have simpler dialects. Indeed if babies did not have a mentalese, to translate to and from English, it is not clear how learning English could take place, or even what learning English would mean." (The Language Instinct. New York 1994:82)
Auch der ursprüngliche Sinn von Code führt auf eine Gedankensprache hin, denn ein Code im technischen Sinn ist keine Sprache, wie man heute oft annimmt, sondern eine Vorschrift, nach der man zwei Zeichensätze einander zuordnet, zum Beispiel das lateinische Alphabet und den Morsezeichensatz.
Eigentlich gehören Auffassungen wie die von Hans Hörmann ebenfalls hierher. Denn wenn er sagt: „Encodieren und Decodieren sind Übersetzungsvorgänge – in die Sprache und aus der Sprache“, dann schweigt er zwar darüber, aus welcher anderen in die natürliche Sprache und in welche andere Sprache aus der natürlichen übersetzt wird, aber ein genaueres Nachfragen hätte vielleicht ebenfalls auf eine Gedankensprache geführt. Hörmann trägt in das graphische Kommunikationsmodell an der fraglichen Stelle „intentionales Verhalten des Sprechers“ bzw. „interpretierendes Verhalten des Hörers“ ein. An einer späteren Stelle spricht er vom „Übersetzen von Gedanken“ „in den Code sprachlicher Zeichen“ (1977:39). Dietrich Dörner hält das Mentalesische für nichtsprachlich, was aber der Definition bei Fodor und anderen widerspricht („Sprache und Denken“. In Joachim Funke [Hg.]: Denken und Problemlösen. Göttingen 2006).
In vielen Fällen läßt sich nicht entscheiden, ob Autoren einen sprachlichen oder nichtsprachlichen Anfang der Aktualgenese annehmen. Man spricht von „Begriffen“ und „Propositionen“, als seien es vorsprachliche, gedankliche, logisch Einheiten, aber bei genauerer Betrachtung sind es nur Verdoppelungen von Wörtern und Sätzen in ein unbestimmtes Medium hinein. Der Psychologe Johannes Engelkamp zum Beispiel folgt diesem Modell: „Sprache spiegelt das begriffliche Wissen.“ (Das menschliche Gedächtnis. Göttingen u.a. 1990:18) Die „Propositionen“ als Einheiten des konzeptuellen Systems bestehen aus Prädikatkonzepten und Argumentkonzepten und können versprachlicht werden. Die Argumentkonzepte sollen wiederum als Thema oder als Spezifikatoren des Prädikats dienen können, ganz wie Nominalphrasen in der Sprache. Die Versprachlichung geht aber noch weiter, wenn Engelkamp von „nominalen Konzepten“ (66) spricht, also dem scheinbar Vorsprachlichen sogar Wortarten zuordnet.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.03.2018 um 01.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38024

zu #38012:
"Das werden wir nie wissen, weil es diesen Speicher nicht gibt."

Meine Frau sagt am Morgen zu mir, gerade als ich ins Büro will, das Brot sei alle, ich möge doch am abend eins mitbringen. Auf dem Hinweg muß ich wegen Stau einen Umweg fahren, komme nicht beim Bäcker vorbei. So verstreichen bis zum Abend noch mehrere Möglichkeiten, bevor ich endlich auf dem Heimweg das Brot besorge.

Das "Verblüffende" an dem Vorgang ist, wieso mußte ich nicht mehrmals am Tag meine Frau anrufen und sie bitten nachzusehen, ob evtl. irgendwelche Lebensmittel fehlten, die ich vielleicht bis zu meiner Rückkehr besorgen könnte? Irgendwie besaß ich die Information (das Wissen) über das fehlende Brot und vergaß es den ganzen Tag nicht.

Kürzlich war ich wieder in Finnland. Nicht, daß ich besonderen Ehrgeiz an den Tag lege, Finnisch zu lernen, aber yksi-kaksi-kolme (eins-zwei-drei) kannte ich schon, klingt ja auch recht lustig, und jetzt habe ich noch die nächste Zahl gehört, neljä, und bis nach Hause nicht vergessen.

Wo befindet sich das Wissen über das fehlende Brot oder die finnische Zahl vier? Ich sauge es mir doch nicht aus der Luft, als wenn es irgendwie in einer geistigen Wolke über mir schwebte. Es kann mir auch nicht einfach so erneut zufliegen, nur weil ich dieses Wissen früher schon einmal hatte. Es kann doch gar nicht anders sein, als daß das Wissen um das fehlende Brot bzw. um die finnische Vier irgendwo in meinem Körper physikalisch-chemisch-biologisch-psychologisch (wie auch immer) eingraviert ist. Mehr oder weniger vergänglich, klar, aber doch für eine gewisse Zeit in meinem Körper abgespeichert. Wo soll es sonst herkommen? Natürlich liegen da nirgends in meinem Kopf die Buchstaben
n e l j ä (f i n n .) = v i e r
herum, und auch kein Foto von einem leeren Brotschrank und keine Aufnahme des gesprochenen Satzes meiner Frau (obwohl ich den Ton noch genau im Ohr habe). Wir wissen nicht, wie, aber es kann nur im Körper gespeichert sein, andernfalls würde doch diese Information, dieses Wissen zu jeder Zeit der Erinnerung neu aus dem Nichts entstehen müssen.

Sprache ist ein sehr geordnetes menschliches Verhalten, das kann ich durchaus gut einsehen, aber wie jedes sinnvolle menschliche Verhalten kann es doch nur im Zusammenhang mit einem körperlichen Wissensspeicher funktionieren. Wo holen wir das erlernte Wissen, die Erinnerung, sonst her?

Warum muß Naturalismus unbedingt "unter Ausschluß alles Mentalen, Geistigen" bedeuten? Ist denn das menschliche Bewußtsein nicht genau so ein Bestandteil der Natur wie das Physische, und muß es nicht deswegen auch prinzipiell den Naturwissenschaften zugänglich sein?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.03.2018 um 01.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38025

Den Vergleich in #38012, daß der mentale Speicher jedes Menschen von ihm selbst erst "gedeutet" werden muß, so wie auch Bilder, Musik, Texte usw. im Computer erst durch "Deutung" erkennbar werden, finde ich recht passend und einleuchtend, trotz aller Unterschiede von Gehirn und Computer. Zumindest wird damit grundsätzlich bejaht, daß dieser mentale Speicher existiert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.03.2018 um 05.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38047

Das "Mentale" ist eine überflüssige und schädliche Zutat. Interessant ist für mich nur, wie dieses Konvolut von transgressiven Metaphern entstanden ist und wie es von Sprachgemeinschaften ausgebaut wird.
Diese Art des Ausbaus nenne ich "Kultivierung", um sie vom Ausbau wissenschaftlicher Begriffssysteme zu unterscheiden.
Wenn jemand eine "transgressive" Einheit ins Vokabular der alltäglichen Verständigung einfügen will, kann er das nur als Versuchsballon starten. Er unterbreitet sozusagen der Sprachgemeinschaft eine Ausdrucksmöglichkeit. Zum Beispiel das Wort Einbildung. Wenn die Gemeinschaft es übernimmt, wie in diesem Fall, dann ist das okay. Die Mystiker haben aber auch viele erfolglose Versuche dieser Art gemacht. Und wenn die Gemeinschaft das Wort übernommen hat und mit seiner Hilfe bestimmte Verhaltensweisen koordiniert, dann geht es seinen Weg der ständigen "Kultivierung", und niemand hat es in der Hand,welche Bedeutungsnuancen es aufnehmen und wieder verlieren wird. Das ist dann Gegenstand der historischen Semantik.
Als Gegenbeispiel habe ich eine hypothetische Einheit wie die Synapsen angeführt. Sie wurden zuerst postuliert, dann gefunden und seither eingehend erforscht. Durch und durch empirische Naturwissenschaft und keine semantische Arbeit.
Die neuronale Entsprechung zu mentalistischen Konstrukten dagegen wird man niemals finden, weder Eccles "Liaison-Hirn" noch Bunges "Psychonen".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.03.2018 um 05.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38048

Um meine poetische Anwandlung (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38011) fortzuführen: Die Fließgewässer ändern ja nur noch selten ihr Bett, sie lernen sozusagen nichts hinzu. Aber nehmen wir einen großen Sandhaufen, wie man ihn an Baustellen sieht. Es regnet darauf, und das Wasser "sucht" sich seinen Weg. Die Schwerkraft lenkt es durch das "Gelände", das sich zuerst nur in winzigen Unebenheiten mehr oder weniger empfiehlt. Aber das Rinnsal gräbt sich selbst tiefer ein, so daß nachfolgendes Wasser immer dieser selbstverstärkenden Bahnung folgt. Man könnte sagen, die "Täler" speicherten Informationen über die Schwerkraft usw. – aber wozu? Es geht sparsamer.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.03.2018 um 13.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38057

Wie kommt der Artikel auf natürliche Weise vor das Substantiv, von dem er regiert wird? Wenn ich in der Lautkette beispielsweise bei die angelangt wäre, gäbe es immer noch 30.000 mögliche Fortsetzungen, eben sämtliche femininen Substantive. So geht es also nicht. Vielmehr fällt mir das Zielwort Ziege ein, aber nun ist es zu spät für den Artikel, der ja davor stehen soll. Macht nichts, mir fällt nach Ziege das richtige Artikelwort die ein, und dieses ist nur der Auslöser für ein nochmaliges Ziege, das nicht etwa zwischengespeichert ist, sondern unter den nun gegebenen Umständen aufs neue erzeugt wird, diesmal grammatikgerecht nach dem Artikel. Die "gegebenen Umstände" sind die überwältigende Einstellung der Mikroumgebung des inkrementellen Vorgangs. Das Substantiv wird also nicht "gewählt", weil sich alles schon darauf zugespitzt hat, so daß mir im Augenblick gar nichts anderes einfallen kann als Ziege. (Es lag mir auf der Zunge, und da liegt es immer noch.) Dann wird alles gelöscht (Briefkastenphänomen).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.03.2018 um 09.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38068

Unter dem irreführenden Schlagwort "Sprachproduktion" (es wird nichts produziert) führt Wikipedia nur das Modell von Willem Levelt an:

Nach Willem Levelt (1989) werden vier verschiedene Phasen des Sprachproduktionsprozesses unterschieden: Konzeptualisierung, Formulierung, Artikulation und Selbst-Überwachung (engl. self-monitoring).[2] Zu Beginn überlegt sich der Sprecher, welche Nachricht übermittelt werden soll; daraus wird in einem nächsten Schritt ein grammatischer Plan erstellt (Zugriff auf das Mentale Lexikon: Wörter und Phrasen werden ausgewählt und angeordnet, die phonologische Form der Wörter wird aktiviert), der im dritten Schritt von den Muskeln des Artikulationsapparates ausgeführt wird. Außerdem wird das Gesagte überwacht, um sicherzustellen, dass auch das gesagt wurde, was beabsichtigt war.[3]

Ich will das nicht im Ganzen kommentieren, habe ja auch anderswo schon diesen ganzen Unsinn kritisiert. Man beachte nur die Modellmischung (um es milde auszudrücken): Am Anfang tritt der Sprecher, also eine Person, als Agent auf, aber der Rest ist ein bewußtseinsfremder Prozeß in einem Apparat, der auch ein Computer sein könnte (nach Levelt selbst ausdrücklich ein Computer der von-Neumannschen Art). Kurz gesagt: In einem Schaltplan können keine Personen verzeichnet sein, folglich auch keine Absichten, Propositionen und sonstige Größen aus dem sozialen Verkehr von Personen. – Levelt klammert ausdrücklich aus, wie der Sprecher am Anfang dazu kommt, sich "eine Nachricht zu überlegen". Die Psychologie dieses Sprechers interessiert ihn nicht. Kann man das psychologisch ernst nehmen? Der allgemeine Beifall sollte seinem Herzen bang machen, aber weit gefehlt!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.04.2018 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38597

"Ist denn das menschliche Bewußtsein nicht genau so ein Bestandteil der Natur wie das Physische, und muß es nicht deswegen auch prinzipiell den Naturwissenschaften zugänglich sein?" (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38024)

So denken in der Tat nicht wenige überaus angesehene Autoren, z. B. John Searle. Die Kritik richtet sich auf die begriffliche Unvereinbarkeit. Die Konstrukte "Bewußtsein" usw. lassen sich nicht in Naturbeobachtung einbauen, sie sind ganz anders entstanden und funktionieren semiotisch ganz anders.

Die Lehre von vier oder fünf Elementen war einmal ein Versuch, die Welt zu verstehen. Er hatte eine schwache empirische Grundlage und ist überholt. Nach solchen Elementen konnte man suchen, hat sie aber so wenig gefunden wie den langlebigen "Äther". Der Astralleib (s. Wikipedia) oder die Chakren der Esoteriker sind innerhalb gewisser Kreise durchaus funktionierende Verständigungsgrundlagen, aber finden wird man sie mit naturwissenschaftlichen Mitteln nicht Es sind keine "hypothetischen Einheiten" (im Sinne Theo Herrmanns), sondern Konstrukte, Redeweisen. Nicht Forschung, sondern Begriffskritik (Philosophie) macht ein Ende damit.

Das Bewußtsein
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.04.2018 um 09.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38609

Ich möchte das einmal zusammenfassen: Das Bewußtsein ist nur eine Verständigungsgrundlage, mit naturwissenschaftlichen Mitteln nicht nachweisbar. Nicht Forschung, sondern Begriffskritik (Philosophie) macht ein Ende mit der Auffassung von der Existenz des Bewußtseins.

Aber sind es nicht gerade die wenigsten Philosophen, die die Existenz des Bewußtseins rundweg ablehnen? Von Materialisten wird das Verhältnis von Materie und Bewußtsein geradezu als Grundfrage der Philosophie herausgestellt, Bewußtsein als eine Eigenschaft der Materie, während Idealisten das Bewußtsein sogar als primär ansehen, es soll einige geben, die überhaupt nur die Existenz des Ideellen anerkennen.

Ist nicht die Psychologie die Naturwissenschaft, die das Bewußtsein untersucht? Es gibt natürlich gewisse Schwierigkeiten, die in der Natur des Gegenstands liegen, so kann man das Bewußtsein nur indirekt über das menschliche Verhalten untersuchen. Darüberhinaus kennt jeder Mensch sein eigenes Bewußtsein, was den Psychologen doch zumindest ein anschauliches Hilfsmittel sein kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.04.2018 um 10.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38610

Ich bestreite nicht die "Existenz des Bewußtseins", sondern die Brauchbarkeit dieses Begriffs jenseits der folk psychology, in der er seinen beschränkten Nutzen hat. Als Verlängerung dieser naiven psychologischen Redeweise (innerhalb unserer Kultur) muß man die ganze mentalistische Psychologie ansehen, insbesondere gerade den Satz, daß jeder sein eigenes Bewußtsein unmittelbar kennt usw. (vgl. "letzte Gewißheit").
Die naturwissenschaftliche Psychologie erforscht nicht das Bewußtsein, sondern interpretiert ihren Gegenstand manchmal in solchen Begriffen, mit üblen Folgen. Die behavioristische Psychologie erforscht das Verhalten und kann problemlos durch Physiologie (Neurologie) ergänzt werden. Der Gegensatz vom Materialismus und Idealismus sagt mir nichts, aber ich erinnere mich, daß er in der Vergangenheit eine Rolle spielte.
Um dies genauer zu erklären, müßte ich noch einmal ganz von vorn anfangen. Lieber verweise ich noch einmal auf den Strang, der hier beginnt: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1587

Und noch einmal: Skinners verhältnismäßig späte Schrift "About Behaviorism" (Was ist Behaviorismus?) ist eine ausgezeichnete Zusammenfassung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.04.2018 um 11.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38611

Wenn ein Standardwerk der mentalistischen Psycholinguistik wie Levelts Buch gerade den entscheidenden Puinkt "rather mysterious" nennt, dann kann ich darin keinen Erfolg erkennen. Und das pseudokybernetische Modell von Theo Herrmann, an das er wohl selbst nicht glaubte (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1240#21839) enthält auch fast nur Unsinn, verfällt im übrigen dem Verdikt Herrmanns von 1982 (in "Sprache & Kognition", wo später meine Besprechung erschienen ist).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.04.2018 um 23.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38614

Lieber Prof. Ickler,
ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie Sie das mit der Existenz meinen. Man muß ja selbst beim Begriff der Existenz eine Domäne vereinbaren, auf die das Wort angewendet werden soll. Zum Beispiel frage ich, gibt es ein eierlegendes Säugetier, nun, das gibt es, das Schnabeltier. Aber gibt es auch die eierlegende Wollmilchsau? Nein, die gibt es im Tierreich natürlich nicht, sie ist nur ein scherzhaftes gedankliches Konstrukt.
Jemand anders sagt aber, selbstverständlich gibt es die eierlegende Wollmilchsau, zwar nicht als reales Tier, aber sie existiert doch als Idee, da ist sie in aller Munde.
Oder die Frage, existiert eine gerade Primzahl? Ja, selbstverständlich, sagen Mathematiker, sie existiert, denn die 2 ist eine solche. Nun aber sagt jemand anders, wo bitte existiert denn die Zahl 2? So ein Objekt gibt es nicht in der realen Welt, die 2 ist nur eine Idee, sonst nichts, also existiert sie nicht.

Wenn wir nun vom Bewußtsein sprechen, welche Art von Existenz gestehen Sie ihm zu?

Existiert es real, wie eine objektive Eigenschaft der Materie, die von meinem Denken völlig unabhängig ist, etwa wie die Masse eines realen Gegenstands? Ist also das Bewußtsein immer an ein Stück Materie gebunden?
Oder existiert das Bewußtsein im gleichen Sinne wie die eierlegende Wollmilchsau, oder wie die Zahl 2, man kann es sich zwar vorstellen, es sind nützliche Denkhilfen, aber letztlich nur Ideen, nichts Reales?

Wenn ich von der Existenz des Bewußtseins spreche, meine ich natürlich das erstere, aber ich habe den Verdacht, daß Sie mit Existenz das zweite meinen, es sei halt ein "existierendes" manchmal nützliches gedankliches Konstrukt, aber eben nur eine Idee.

Wenn man weiß, daß etwas im ersteren Sinne existiert, dann hat man es entweder bereits praktisch gefunden, oder man kann seine Existenz theoretisch beweisen, oder es handelt sich um eine philosophische Grundannahme. Man kann aber nicht behaupten, etwas existiere (im ersteren von mir genannten Sinne), es sei aber naturwissenschaftlich nicht nachweisbar. Da Sie das aber sagen, meinen Sie die schwächere Art der Existenz, nur als Idee, also letztlich doch, daß es in Wahrheit (objektiv gesehen) kein Bewußtsein gibt bzw. daß wir nicht wissen können, ob es ein Bewußtsein gibt.

Ich halte das für eine sehr pessimistische Weltanschauung. Könnte der Mensch ein bewußtloses Wesen sein, das nur eingeübten Reflexen folgt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.04.2018 um 08.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38619

Lieber Herr Riemer, das sind viele Probleme auf einmal.

Den letzten Satz übergehe ich erst einmal, nicht nur wegen der "eingeübten Reflexe". Wenn das gelernte Verhalten nicht einigermaßen naturgesetzlich erfolgte, könnten wir es gleich ganz aufgeben, nicht wahr? Mit einem Menschenbild hat das für mich nichts zu tun; es ändert ja auch nichts an unserem Gespräch, ob ich Sie insgeheim für eine Maschine halte oder für beseelt.

Mathematische Existenz werden die Mathematiker definieren, wie sie es für richtig halten.

Von Informatikkollegen habe ich gelernt, daß sie eine "Ontologie" ansetzen, die aber praktisch gar nichts mit dem gewöhnlichen philosophischen Begriff zu tun hat.

Es gibt (!) Gegenstände, die operational definiert sind, wie z. B. der Schwerpunkt eines Körpers. Man kann ihn nicht sehen oder riechen, aber die Verfahren, mit denen man ihn bestimmt, sind genau definiert. Das ist also ein nützliches Konstrukt.

Der Astralleib der Esoteriker oder die Meridiane gewisser alternativer Mediziner sind auch definiert, aber nicht operationalisiert. Sie spielen eine ähnliche Rolle wie Placebos. Ich würde sagen, diese Gegenstände existieren nicht, nur das Reden darüber ist in beschränktem Umfang nützlich.

Der ungeheure Seelenapparat der Psychoanalyse ist auch so ein okkultes Konstrukt mit Placebo-Nutzen.

Mit all diesen Erfindungen kann man sich über das undurchschaubar komplexe Verhalten verständigen und es auch teilweise steuern, obwohl die postulierten Gegenstände nicht existieren.

Man kann solche Konstrukte nicht widerlegen, sie können aber überflüssig werden, wenn man etwas Besseres findet.

Für Theorien der Sprachproduktion bedeutet das: Mit der Annahme, der Inhalt stehe am Anfang, kann man allerlei schöne Bücher füllen, aber die begrifflichen und empirischen Schwierigkeiten stören sehr.
Die Annahme, der Inhalt stehe am Ende, vermeidet diese Schwierigkeiten und macht die ausdrücklich als "mysteriös" bezeichneten mentalistischen Konstrukte überflüssig, außerdem aber anschlußfähig an unser sonstiges naturwissenschaftliches Denken.
 
 

Kommentar von Klaus Achnbach, verfaßt am 29.04.2018 um 14.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38620

Also ist es egal, ob das Bewußtsein "existiert" oder nicht.

Wozu dann die ganze Diskussion?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.04.2018 um 20.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38622

Das ist nicht egal, und darum geht es auch nicht, sondern darum, ob "Bewußtsein" und andere mentalistische Begriffe einen Erklärungswert über die Alltagsverständigung hinaus haben, ob sie also wissenschaftsfähig sind. Und dies ist eine der am meisten diskutierten Fragen mit einer riesigen Literatur.
Etwas anderes habe ich nicht gesagt, aber ich wiederhole es natürlich gern noch einmal.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.04.2018 um 23.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38623

Hat der Planet Jupiter einen Erklärungswert über die Alltagsverständigung hinaus?

Der Erklärungswert des Bewußtseins ergäbe sich direkt aus dessen realer Existenz. Deshalb ist die Frage, ob das Bewußtsein eines jeden gesunden Menschen existiert, zumindest gleichberechtigt mit der Frage nach seinem Erklärungswert. Es geht also sehr wohl auch um die Existenz des Bewußtseins.

Ich bin von der Existenz des Bewußtseins überzeugt, darum suche ich nicht erst nach seinem Erklärungswert, sondern ohne Umweg nach seiner Erklärung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2018 um 03.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38625

Ich suche nach einer Erklärung der Überzeugtheit von der Existenz des Bewußtseins, genauer gesagt: eine Erklärung der Überzeugtheit von der Sinnhaftigkeit der mentalistischen Redeweise. Meine Anwort habe ich gelegentlich so formuliert: Diese Redeweise gehört zur "Geschäftsordnung" unserer Alltags- und Bildungssprache. Im einzelnen handele ich es unter "Letzte Gewißheit" ab und habe es auch durch eine Zitatensammlung von Descartes bis Thomas Nagel belegt (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1587).

Man kann nicht sagen: Es gibt kein Bewußtsein oder Ich denke nicht usw. – das wäre, wie schon oft gesagt, ein Beleg dafür, daß der Sprecher die deutsche Sprache nicht ganz beherrscht.

Etwas anderes ist es zu fragen, wie es dazu gekommen ist, wie also die Geschäftsordnung entstanden ist, so daß die Philosophen daraus ein duales Weltbild herausspinnen konnten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2018 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38628

Ein so komplexer Apparat wie das Gehirn kann einfache Aufgaben nicht auf einfache Weise lösen, das haben schon viele gesagt.
Was wäre einfacher als 1 + 1 = 2? Im Gehirn werden Millionen Nervenzellen mit Milliarden Verbindungen aktiviert, um probabilistisch eine Lösung zu finden, die erst auf der letzten Stufe die Entschiedenheit der Artikulation erreicht, nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip der Muskelbewegung. Man denkt an den Mathelehrer, der die Lösung gewohnheitsmäßig mit dem Rechenschieber ermittelt: "Zwischen 1,95 und 2,05".

Den Mathematiker braucht das nicht zu interessieren. Psychologisch kann es nicht übergangen werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2018 um 06.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38631

"(Wir) verwenden unsere Wörter und Sätze als Werkzeuge, um seine (des Hörers) jeweils gegebenen Bewußtseinsinhalte (...) zu modifizieren."

"Menschen sprechen in der Regel, um Bewußtseinsinhalte ihres Partners zu modifizieren (...)"

"...wenn ich im Kopfe meines Partners die Vorstellung von einer Raumkonstellattion aufbauen will"

"Will man im Partner die interne Repräsentation einer Raumkonstellation aufbauen (...)"

(Alles aus Theo Herrmann/Joachim Grabowski: Sprechen. Psychologie der Sprachproduktion. Heidelberg 1994)

Ein solches Ziel kann der naive Sprecher nicht haben, weil er nichts von Kopf und Hirn und Bewußtseinsinhalten weiß. Und der Alltag bestätigt es auch nicht. Ich will nicht das Bewußtsein meiner Frau verändern, wenn ich ihr etwas erzähle oder sie um etwas bitte. Wenn mir nachträglich jemand erklärt, daß ich eigentlich das Bewußtsein meiner Frau habe verändern wollen, würde ich vielleicht sagen: Na ja, irgendwie schon, aber daran habe ich nicht gedacht. – Die pseudowissenschaftliche Verfremdung verfälscht die Tatsachen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.04.2018 um 16.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38632

Ist es denn selbstverständlich, daß es sich bei "1 + 1 = 2" um natürliche Zahlen handelt? Es könnten ja auch reelle oder komplexe Zahlen (1 + j1) gemeint sein.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 30.04.2018 um 18.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38633

Ja, es ist selbstverständlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2018 um 04.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38635

Eine Psychologie, die die „Sprachproduktion“ mit der Redeabsicht beginnen läßt, befindet sich auf dem Niveau der Biologie vor Darwin, sie ist kreationistisch. In subpersonalen Bereichen kann es doch keine Absichten, Intentionen, Pläne, Ziele geben.

"Sprachproduktion" ist so sinnvoll wie "Schwimmproduktion" (Entstehung der Schwimmbewegungen im Kopf).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2018 um 07.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38640

Erfolgreiche Kommunikation setzt voraus, dass Sprecher und Hörer mit den verwendeten Wörtern und Kombinationen von Wörtern dasselbe meinen. (Herbert Schriefers in: Enzyklopädie der Psychologie: Sprache 1 - Sprachproduktion. Hg. von Theo Herrmann und Joachim Grabowski. Göttingen u. a. 2003:22)

Das ist ein axiomatisches Konstrukt oder Postulat der Sprachgemeinschaft selbst. Wenn die Kommunikation funktioniert, fassen die Beteiligten das in den Satz, man meine dasselbe (bzw. verstehe genau das, was der andere gemeint hat). Das führt zur Annahme und Bestätigung dieses „Etwas“ als eines Beständigen unter oder hinter den Zeichen, eben derselben „Bedeutung“. (Übrigens sagt man nicht, daß der Hörer etwas „meint“.)
Meinen und Verstehen sind komplementär, nicht identisch. Dieselbe Äußerung hat, wie Skinner sagt, für Sprecher und Hörer eine verschiedene Bedeutung, spielt für jeden eine andere Rolle. Wir konstruieren jedoch daraus etwas Identisches. Dieses Konstrukt gehört zu den Bedingungen der Verständigung. Man darf das identische Etwas nicht hypostasieren, es ist nur ein Hilfsbegriff. Ich kann dem Hund beibringen, die Zeitung zu apportieren. Meine Aufforderung und sein Verhalten haben beide mit der Zeitung zu tun. Dieses Identische liegt aber in der Umgebung, nicht in irgendeinem Teil der Kommunikation. Es gibt nichts Identisches, was ich meine und der Hund versteht.
John L. Locke vergleicht am Ende seines Buches „Duels und Duets“ das komplementäre Kommunikationsverhalten von Mann und Frau mit Feder und Nut.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2018 um 05.33 Uhr  
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Mit der Züchtung von Pflanzen und Tieren haben die Menschen Jahrtausende praktiziert, was Darwin dann als allgemeine Struktur der Evolution erkannte: blinde Mutation und Selektion unter den Kontingenzen des Überlebens und der Partnerwahl. So konnte er die Anpassung auf naturalistische Weise erklären und den Schein der Absichtlichkeit auflösen.

Strukturell gleichartig, wenn auch in anderen Dimensionen und anderem Stoff, wurde die Konditionierung des Verhaltens in der Erziehung der Kinder und beim Abrichten von Hunden längst praktiziert, bevor Skinner sie als allgemeines Prinzip des Lernens analysierte.

Wieder anders, aber strukturell gleichartig, findet die Aktualgenese des einzelnen Verhaltens statt; hier hat sich aber die gleichsam „kreationistische“ Auffassung (mit einer Absicht, einem Plan am Anfang) am längsten gehalten. So auch im Grundbuch des Kognitivismus von Miller/Galanter/Pribram (https://archive.org/stream/plansstructureof00mill/plansstructureof00mill_djvu.txt).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.05.2018 um 06.22 Uhr  
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„Sätze müssen von links nach rechts produziert und verstanden werden.“ (Charles E. Osgood)

Die Linearität ist eine Folge der Artikulation, der motorischen Exekutive, und hat nichts mit der Verarbeitung im Gehirn zu tun.
Psycholinguisten dieser Observanz geben keine psychologische, sondern eine logische oder begriffliche Analyse unter bestimmten selbstgesetzten Beschränkungen. Die wichtigste Beschränkung ist die Darstellbarkeit auf dem Papier, und zwar nach Art der Lateinschrift. Daher die Redeweise "von links nach rechts". Alle Ereignisse laufen von Anfang bis Ende ab, was sonst? „The model has slipped out of the linguist’s notebook into the speaker’s head.” (David Palmer)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2018 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38681

Gegen Levelt:

In einem funktionalen Modell der Aktualgenese, das sich als Schaltbild darstellen läßt, kann kein „Konzeptualisierer“ vorkommen. Konzepte sind folkpsychologische Konstrukte, keine natürlichen Objekte wie Gleichrichter oder elektrische Widerstände. Sie gehören zum „intentionalen Idiom“, das in einem naturalistischen Modell – hier einem technischen – nichts zu suchen hat. Man kann ja auch keine „Überzeugungen“ o. ä. darin unterbringen. Das wäre ein tödlicher Kategorienfehler.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2018 um 18.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38700

„Ein Vorschlag ist das, was jemand vorgeschlagen hat. Vorschlag wird benennend (referierend) auf das bezogen, was vorgeschlagen worden ist, also auf das Resultat der Tätigkeit des Vorschlagens.“ (Klaus Welke: Einführung in die Valenz- und Kasustheorie. Leipzig 1988:145)

Naive, sprachverführte Hypostasierung. Ähnlich:

„Deverbale Substantive, die das Ergebnis der Verbalhandlung bezeichnen: Hemmnis, Lieferung, Treffer, Jauchzer“ (Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart 1990:528)

Ein Hemmnis wäre also das Ergebnis des Hemmens usw. Jemand jauchzt und schickt den Jauchzer mit der Post ab. Ein Walzer ist das Ergebnis, wenn jemand ihn tanzt.

Schon Aristoteles unterschied zwischen Praxis und Poiesis.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.05.2018 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38781

„Ich sympathisiere mit Dietrich Dörner (1997), wenn er an Platon und daran erinnert, daß das Denken, zumindest mit heuristischem Nutzen, als das „innere Gespräch der Seele mit sich selbst“ (Platon, 1990, S.356) verstanden werden kann. Das Denken vollzieht sich eben zum guten Teil darin, daß wir uns selbst Fragen stellen und uns diese Fragen beantworten, daß wir etwas konstatieren und daß wir es anschließend bezweifeln, daß wir Formulierungen lauschen, die uns sozusagen ohne unser Zutun in den Kopf kommen, und diese bewerten, daß wir also im Gespräch mit uns sind.“ (Theo Herrmann in Mannheimer Beiträge 1998)

Aber wenn das Stadium der inneren Rede erreicht ist, dann ist der wichtigste Teil des gesamten Vorgangs schon geschehen, und dies zu erklären wird gar nicht als Aufgabe wahrgenommen. Das ist für eine Psychologie doch recht kümmerlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2018 um 06.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#38803

Die Aufgabe besteht in einer Art Reverse engineering: Man sieht oder hört das Ergebnis und untersucht, wie es zustande gekommen sein könnte. Dabei entscheidet man sich für Handlungs- oder Systembegriffe. Simulation oder Realismus. Wenn man schon weiß, daß Nervenzellen das Material sind, verbieten sich handlungsbegriffliche Simulationen. (Nicht jeder erkennt das an.)
Man sieht den Kuchen und versucht das Rezept zu rekonstruieren. Hier wird das Blaupausenproblem virulent: Ist der Kuchen vollständig (algorithmisch) vom Rezept determiniert, oder müssen weitere Umstände hinzukommen, unter denen die Abarbeitung des Rezepts abläuft? Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1616#38746

„Semantische Kodierung, syntaktische Kodierung, phonetische Kodierung“ (Theo Herrmann: Sprache. Frankfurt, Bern 1972:20).
Das liest sich technisch, ist aber versteckt handlungsbegrifflich. Die Ingenieursebene (im Sinne Dennetts) ist nicht erreicht. Der entworfene Apparat arbeitet nicht wie ein Compiler (oder seine biochemische Entsprechung), sondern wie menschliche Übersetzer und Büroangestellte, Homunkuli eben.

Bevor man die „Sprachproduktion“ modelliert, sollte man sich an einfacheren Verhaltensfertigkeiten versuchen. Während ich dies schreibe, sehe ich aus dem Augenwinkel meinen Kaffeebecher, treffe aber den Henkel auch dann, wenn ich ihn überhaupt nicht sehe, und das alles ohne Aufmerksamkeit, die ja auf den Bildschirm gerichtet ist. Außerdem weiß ich, ob noch Kaffee drin ist oder nicht. Das muß sich aber ändern, sobald ich mir noch einen Becher zubereite. Dieses Löschen ist mir immer noch erstaunlicher vorgekommen als das Erinnern (weshalb ich auch das Briefkastenphänomen so oft erwähne).

Manche Menschen haben die Treppenstufen in ihrem Haus nie gezählt, aber die Beine wissen es genau. Wie kommt das?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.07.2018 um 05.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#39026

Ein Mann kann nach einem Schlaganfall nicht mehr lesen, wohl aber schreiben (aber das Selbstgeschriebene nicht lesen). Im übrigen schwere Wortfindungsstörung.

Realistische Modelle der "Sprachproduktion" müssen das erklären können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.07.2018 um 05.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#39027

Die Funktionsweise der Nerven hat keine Ähnlichkeit mit Logikgattern (https://de.wikipedia.org/wiki/Logikgatter). Am Ende kommt durch eine gewisse Disziplinierung des Sprachverhaltens etwas ähnliches heraus, aber es wird mit ganz anderen Mitteln erreicht. So wird auch der Eindruck von gespeicherten Elementen und Regeln (Lexikon und Grammatik) mit ganz anderen Mitteln erzeugt: Bahnung von Verhalten.

Ein realistisches Modell der Sprachproduktion sollte nicht von der "logischen" Analyse des fertigen "Produkts" ausgehen, sondern von Fehleranalyse (Versprecher, Aphasie usw.) sowie fortschreitenden neurologischen Kenntnissen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2018 um 07.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#39119

Wenn ich einen Gedanken zu Papier bringen will, fühle ich mich in der Wahl der Worte ganz frei. Und dann entdecke ich, wie berichtet, daß ich genau dasselbe in fast genau denselben Worten vor 16 oder 31 Jahren auch schon mal aufgeschrieben habe. Das ist mir schon oft passiert und läßt mich ahnen, wie "determiniert" die angeblich freien Gedanken doch sind. Mündlich ist es genauso. Meine Frau, der alle meine Aussprüche heilig sind, erinnert sich und mich daran, daß ich dies oder jenes vor 27 Jahren schon gesagt habe; soll ich mich freuen oder peinlich berührt sein?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.07.2018 um 14.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#39123

Man kann Menschen nicht nur an Gesichtszügen oder Fingerabdrücken erkennen, sondern oft auch an ihren Bewegungen, an ihrem Gehstil, an ihrer Handschrift, an bestimmten Gewohnheiten, an einem bestimmten Sprachstil, an der Sprache überhaupt. Vieles davon ist reflexartig eingeübt.

Ich sehe darin keine Einengung des freien menschlichen Willens. Wir haben auch immer die Möglichkeit, uns selbst zu prüfen und zu korrigieren, wir lernen und ändern uns ständig, unmerklich oder sprunghaft.

Wenn wir uns wiederholen, dann, weil wir es zulassen, nicht, weil wir nicht anders können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2018 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#39125

Ich kann mit dem Begriff des freien Willens (außer im ganz alltäglichen Sinn) sowieso nichts anfangen, wollte aber auch gar nicht so hoch hinaus. Natürlich haben wir unzählige Gewohnheiten. Sie entlasten uns und machen uns für andere berechenbar.

Überraschend finde ich nur manchmal, daß es im Gedankenstübchen auch so zugeht, und das über viele Jahre. Was ich für einen frischen Einfall halte, ist mir also damals auch schon eingefallen, und dann ist es auch noch in fast identische Formulierungen geschlüpft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.09.2019 um 06.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#42058

Französische Forscher haben festgestellt, daß zwar die Silbenzahl pro Zeiteinheit von einer Sprache zur anderen schwankt, daß aber die Gesamtrate von ca. 39 bit/sek ziemlich konstant ist. Man hat das ja schon lange vermutet. Allerdings war die Zahl der Versuchspersonen sehr klein, und sie haben vorgelesen, was ich für einen methodischen Fehler halte. Wie der Informationsgehalt der Texte gemessen und konstant gehalten wurde, will ich auch nicht näher untersuchen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.04.2021 um 04.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#45669

Auch in „Hilgards Einführung“, einem der weltweit verbreitetsten Lehrbücher der Psychologie, heißt es:

Bei der Produktion von Sprache beginnen wir mit einem Gedanken, übersetzen diesen irgendwie in einen Satz und enden schließlich mit Lauten, die diesen Gedanken zum Ausdruck bringen. (Heidelberg 2001:300)

Mit dieser naiven Lehre, an der sich seit Jahrtausenden nichts geändert hat, werden Psychologiestudenten abgespeist, „irgendwie“! Kein Wunder, daß aus einem solchen Studium nicht viel herauskommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2022 um 05.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#49072

Jedes Verhalten, auch das Sprachverhalten, bereitet sich im Organismus über eine meßbare Zeitspanne vor. Dabei werden die unzähligen Impulse, die ständig entstehen, einer Selektion unterworfen, und zwar durch das innere Milieu (andere Teile des Nervensystems) und kontinuierlich eingehende Reize der Umwelt. Der Impuls, der sich durchsetzt (es kann am Ende nur eine einzige Muskelinnervation geben: die Faust wird geballt oder nicht, das Wort Faust wird ausgesprochen oder nicht), ist maximal „angepaßt“ – an die Umwelt, an die Ausführbarkeit, an die Normen der Gesellschaft...). Wenn es sich um Sprache handelt, nennen wir die Angepaßtheit die „Bedeutung“ oder den „Inhalt“ des jeweiligen Ausdrucks. Nach diesem Modell der sukzessiven Anpassung steht also die Bedeutung einer Äußerung am Ende der Aktualgenese, während sie nach den üblichen kognitivistischen Modellen am Anfang steht: als „Idee“ usw.: „Der Prozeß des Sprechens beinhaltet die Umsetzung oder Enkodierung einer Mitteilung (Idee) von einer nicht-linguistischen Form in eine linguistisch strukturierte Äußerung.“ (Angela D. Friederici: Neuropsychologie der Sprache. Stuttgart 1984:44 – es gibt unendlich viele Belege dieser Art) – Die Plausibilität dieses traditionellen Bildes stammt meiner Ansicht nach aus der alltäglichen Erfahrung: „Ich weiß, was ich sagen will.“ Das ist aber psychologisch-physiologisch irrelevant.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.03.2023 um 06.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#50666

Skinners "Verbal Behavior" ist trotz seines Umfangs nur eine Skizze, die zeigen soll, daß Sprache und ihre Weitergabe durchaus mit den Mitteln der Verhaltensanalyse erklärt werden können. Es regt Seite für Seite zu empirischen Untersuchungen an. So war es auch gedacht.
Wenn man diesen Weg gar nicht erst versucht, sondern sich mit dem Nativismus auf die metaphysische Position einer "Sprache des Geistes" festlegt, ist der Fall erledigt, und es gibt weiter nichts zu sagen. Ich hatte im Haupteintrag schon zitiert:
„Indeed if babies did not have a mentalese, to translate to and from English, it is not clear how learning English could take place, or even what learning English would mean.“ (Stephen Pinker: The Language Instinct. New York 1994:82)
Man braucht nur kurz nachzudenken, welche Schwierigkeiten mit einer solchen Spekulation verbunden sind, um sich damit nicht weiter herumzuschlagen. Es ist eben Mittelalter, Scholastik, wie Skinner treffend über die "Kognitivisten" sagt. Damit es als vorderste Front der Forschung verkauft werden konnte, mußte einiges passiert sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2023 um 16.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#51011

In welche Hilflosigkeit die Psycholinguistik sich mit dem Leveltschen Modell begibt, sieht man an einem verbreiteten Lehrbuch:

„As noted in the introduction, the production of an utterance may be analyzed in four steps: conceptualizing a message to be conveyed, formulating it into a linguistic plan, articulating (implementing the plan), and self-monitoring. In this section, we look at the process up through the completion of the second step.
Very little can be said about the first step. Basically, the questions here are, Where do ideas come from? And in what form do ideas exist before they are put into words? As to the latter question, psycholinguists and cognitive psychologists generally agree that some form of “mentalese” exists—that is, a representational system distinct from language. The notion is that thoughts take form in mentalese and are then translated into linguistic form, but there is little agreement as to the properties of this prelinguistic mental representation (see, for example, Fodor, 1975). The question of the origin of ideas may be even more intractable at this time, although some noteworthy efforts have been made to study the issue (see Griffin & Bock, 2000; Osgood, 1971; Osgood & Bock, 1977; Sridhar, 1989).Thus, we know that the first step occurs but are unable to say much about it.“
(David W. Carroll: Psychology of Language. 3. Aufl. Pacific Grove 1999:197)

Die Aussage „we know that the first step occurs“ wiederholt nur das Postulat, daß die Sprachproduktion mit dem Inhalt beginnt. Von einem „Wissen“ kann nicht die Rede sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2023 um 04.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#51015

Ich finde solche Texte zum Fremdschämen. Die eingestandene Ratlosigkeit, was den Anfang des von Levelt postulierten Prozesses betrifft, scheint die Vertreter dieses Modells nicht zu Zweifeln an der Ausgangsthese zu veranlassen.
Die Analogie zum Kreationismus ist offensichtlich. Auch der Schöpfungsglaube wirft ja gleich die Frage auf: Was war vorher, woher kommt der Schöpfer usw.?
"Das wissen wir nicht" ist keine Antwort.
Entwicklungsmodelle erklären die Entstehung von Angepaßtheit, phylogenetisch dort, aktualgenetisch hier.
Auch wenn die Erklärung auf physiologischer Ebene noch unvollkommen ist, so ist sie doch begrifflich wenigstens möglich, und man weiß, wonach man suchen muß. Dagegen ist nicht klar, wonach man suchen muß, um den "Conceptualizer" zu finden. Und das ist keine vorläufige Schwäche, sondern das Ende jeder Forschung, eben der Unsinn.
Ich verweise noch einmal auf Bennett/Hacker, die bei der Abfertigung Levelts Klartext reden. (Maxwell R. Bennett/Peter M. S. Hacker: History of cognitive neuroscience. Chichester 2013:141ff.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2023 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1642#51023

Vorher hatte Carroll ausdrücklich gesagt:

„Following Levelt (1989), we may distinguish four stages of production: conceptualizing, formulating, articulating, and self-monitoring. First, we must conceptualize what we wish to communicate. Second, we formulate this thought into a linguistic plan. Third, we execute the plan through the muscles in the speech system. Finally, we monitor our speech, to assess whether it is what we intended to say and how we intended to say it.“ (David W. Carroll: Psychology of Language. 3. Aufl. Pacific Grove 1999:192)

Auch die dritte Stufe ist rätselhaft. Wie „wir“ das Ergebnis der vorigen Stufen mit dem Beabsichtigten vergleichen, bleibt völlig unklar (s. TOTE bei Miller/Galanter/Pribram). Ich sehe bloß leeres Gerede.
 
 

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