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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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03.04.2007
 

Übermorgen ist heute ist vorgestern
Oskar Seidlin hat es vorausgesehen

"Längst ist man in der deutschen Orthographie dahin übereingekommen, die adjektivische Ableitungssilbe ohne einen Apostroph an einen Eigennamen anzuschließen, also ein Schillersches Drama und nicht ein Schiller'sches.
Wir Gestrigen wissen es seit Jahrzehnten. Die Übermorgigen beharren auf der Schreibweise von anno dazumal." (Oskar Seidlin in Zs. f. dt. Sprache 25, 1969, S. 186 in einer Kritik an Hilde Domins preziöser Einleitung zum Buch „Doppelinterpretationen“)



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Kommentare zu »Übermorgen ist heute ist vorgestern«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.04.2007 um 19.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8193

Genau! Die Neuschreiber kennen aber zwei: das ohmsche Gesetz und das Ohm'sche. Und außer den gerade genannten noch den Ohm'schen Widerstand.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.04.2007 um 13.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8192

Es gibt z.B. noch andere Widerstände als ohmsche (induktive, kapazitive), aber nur ein Ohmsches Gesetz.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.04.2007 um 02.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8191

Nach der bewährten Rechtschreibung unterscheidet man Groß- und Kleinschreibung bei von Namen abgeleiteten Adjektiven nach der Bedeutung.
Groß, wenn die persönliche Leistung oder Zugehörigkeit ausgedrückt wird (Duden vor 1996) bzw. bei Realbezug zum Träger (Ickler):
Die Schillerschen Dramen sind in aller Welt bekannt.
Klein, wenn etwas nach einer Person benannt ist oder ihrer Art ihrem Geist entspricht (Duden vor 1996) bzw. bei Bezeichnung einer Qualität (Ickler):
die schillersche Sichtweise der Dinge

Die Sprachdeformer mögen dagegen sinnlose Beliebigkeit. Das Regelwerk von 1996 verlangt in §62 generell Kleinschreibung dieser Adjektive, außer Großschreibung, wenn zur Verdeutlichung des Namens ein Apostroph verwendet wird, was nach §97 beliebig freigestellt ist. Also frei nach Laune:
schillersche Dramen oder Schiller'sche Dramen,
schillersche Sichtweise oder Schiller'sche Sichtweise,
grimmsche Märchen oder Grimm'sche Märchen usw.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.04.2007 um 16.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8190

Wenn ich es recht verstehe, dient der Apostroph nach den Vorstellungen der Reformer der Verdeutlichung der Grundform des Namens. Die Grundform von Ohm ist aber Ohm und nicht ohm. Durch den Apostroph wird die Grundform optisch von der Ableitungsendung -sch deutlich abgesetzt, Herr Ohm bleibt im Schriftbild also gewissermaßen unversehrt als solcher erhalten. Dagegen ist bei ohm in ohmsch... Hopfen und Malz verloren, der Apostroph vermag die Grundform des Namens nicht wiederherzustellen, er bringt hier also nichts.

Diese Logik steht allerdings auf tönernen Füßen. Denn man könnte genausogut umgekehrt argumentieren. Warum sollte man den Apostroph ausgerechnet bei Ohmsch... zum Einsatz bringen, wo hier doch der Name in der Originalgroßschreibung in Erscheinung tritt und insofern viel besser zu erkennen ist als in ohmsch...? Weiter ist zu fragen, ob nach dieser Logik nicht auch Schreibungen wie Hamburg’s oder womöglich gar Hamburg’er (versus hamburgisch...) verlangt werden müßten.

Das Ärgerliche an der Neuregelung ist, daß sie das Mehr an Freiheit, das sie uns in einem Punkt einzuräumen vorgibt, an eine Beschneidung unserer Freiheit in einem anderen Punkt knüpft. Während nämlich § 97 des amtlichen Regelwerks die Verwendung des Apostrophs freistellt, gibt § 62 allen, die sich unter Nutzung dieser Freiheit gegen den Apostroph entscheiden, die Kleinschreibung auf. Man darf also, wenn man denn unbedingt will, den Apostroph in Einstein’sche Relativitätstheorie weglassen, setzt sich aber ins orthographische Unrecht, wenn man folgerichtig Einsteinsche Relativitätstheorie schreiben möchte.

Der Duden rät Schülern, um derentwillen der ganze Zauber vorgeblich ja in erster Linie veranstaltet worden ist, ausdrücklich von der Verwendung des Apostrophs ab, wenn sich der Genitiv auch ohne ihn bilden läßt: „Bei Eigennamen, an die du die Endung -s anfügen kannst, setzt du besser keinen Apostroph: [...] Annas neue Pläne [...] Michaels Mappe“ (Schülerduden Rechtschreibung und Wortkunde, 8. Aufl. 2006, S. 521). Somit ist die Schreibung Einstein’s Relativitätstheorie nach den neuen Regeln zwar korrekt, eine der wichtigsten Regelauslegungsinstitutionen warnt aber eine der wichtigsten Zielgruppen der Reform vor dieser Schreibung und empfiehlt ihr statt dessen die klassische ohne Apostroph. Gleichzeitig verbietet das Regelwerk – mit Unterstützung derselben Institution – die Schreibung Einsteinsche Relativitätstheorie. Was soll das? Wenn Einsteins deutlich genug ist, so daß man auf die Behelfsschreibung Einstein’s verzichten kann, was ist dann an Einsteinsche undeutlich – und vor allem: was ist daran falsch?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.04.2007 um 00.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8189

zu R.M.: Eben dieses Regelwerk meinte ich. Ob nun Duden oder Regelwerk, das ist fast das gleiche, zumindest 1996 war es so. Trotzdem, die Antwort ist gut, denn warum man bei Ohm'sch im Gegensatz zu ohmsch einen Apostroph braucht, das läßt sich, wie die ganze Reform, wohl nur so begründen: es ist halt von ein paar selbstherrlichen Typen so festgelegt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.04.2007 um 19.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8188

Das steht so im Regelwerk von 1996.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.04.2007 um 17.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8187

Na ja, ich wollte hier auf keinen Fall als Befürworter des Deppenapostrophs erscheinen. Das war nur so eine Nebenbemerkung, im Grunde finde ich auch, daß man (bis auf äußerst seltene oder konstruierte Fälle) immer aus dem Zusammenhang erkennen kann, ob nun Andrea(s) oder der Hund gemeint ist, so daß man sich den Apostroph selbst bei diesem Namen sparen kann.

Aber um wieder zum eigentlichen Punkt zurückzukommen: Die gleichen Probleme wie mit den Gebrüdern Grimm hat der Duden auch mit Ohm. Beim Ohm'schen Widerstand müsse ein Apostroph stehen, beim ohmschen Widerstand jedoch nicht.
Hat jemand eine Ahnung, wie der Duden erstens auf diese Unterscheidung mit Ap. bei Groß- und ohne Ap. bei Kleinschreibung kommt, und wieso er zweitens ausgerechnet bei so eindeutig und klar erkennbaren Namen wie Ohm und Grimm meint, sie mit einem Apostroph besser verdeutlichen zu müssen?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 07.04.2007 um 16.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8186

Zu #8182: Statt eine neue Apostroph-Funktion zu konstruieren, sollte Andrea, Italienerin oder nicht, dem lästigen Kerl Andreas klipp und klar sagen, daß sie oder er mit ihm nichts im Sinn hat, mit seinem Hund jedoch schon eher, vor allem, weil ihr oder sein eigener Hund, Andreas also (sowohl ihrer oder seiner also als auch Andreas benamt[!]), den Andreas' besonders im Auge hat. Aber einen alten Genitiv sollte sie oder er nicht wiederbeleben wollen: *Andreasens, um damit wohl doch recht künstlich den Apostroph in seiner normalen Funktion zu rechtfertigen; denn das sagt doch keiner. — Folgende wahre Geschichte sollte jedem dabei eine Warnung sein: Ich kannte eine Andrea, die ihrem Freund Andreas zuliebe ihr Hündchen Andreas genannt hat. Alle drei haben die dauernde Verwechslung nicht überlebt und machen mir jedenfalls keine Sorge mehr. — Frohe Ostern mit einem frohen Osterspaziergang an einem frohen Osterwasserlauf! Aber nicht vergessen: Hunde dabei an der Leine des Besitzers.

 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.04.2007 um 13.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8185

Der italienische Andrea kann leicht für eine deutsche Andrea gehalten werden. Das war's dann aber auch mit der Verwechslungsgefahr.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.04.2007 um 11.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8184

Konstruierbare Verwechslungsmöglichkeiten gibt es bei Namen wie: Andreas Bach, Bäcker, Berg, Bock, Bruder, Burg, Busch, Faß, Fleischer, Gans, Grill, Hase, Horn, Hund, Kamm, Korb, Kraft, Krug, Lampe, Maurer, Messer, Metzger, Mutter, Ohr, Sattler, Schlachter, Schneider, Schreiner, Schuh, Schuhmacher, Schuster, Schwager, Schwein, Sohn, Spiegel, Stein, Vetter, Vogel, Winzer, Zorn, Zuber (alle Nachnamen aus dem dtv-Atlas Namenskunde).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.04.2007 um 11.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8182

Nehmen wir an, Andrea und Andreas haben zwar keinen Apostroph, aber je einen Hund. Ich möchte gern mit Andreas spazierengehen. Habe ich damit jetzt Andrea's Hund oder Andreas' Hund oder Andreas gemeint?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 07.04.2007 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8181

"Daß man den Apostroph ausnahmsweise bei Andrea's Genitiv setzt, um ihn von Andreas oder Andreas' zu unterscheiden, ist ja in Ordnung, [...]" — Ist nicht in Ordnung! Wer nämlich weiß, daß ein Kopositum, bei dem ein Hauptwort ein anderes Hauptwort modifiziert, zusammen geschrieben wird (und der geringste Grad der Zusammenschreibung ist die mit Bindestrich) und eben nicht auf einigen Unfug der Dummschreibe hierzu reingefallen ist, der kann sich klar ausdrücken: Andreas Genitiv, Andreas' Genitiv, der Genitiv Andreas (so nicht ein besonderer Genitiv den Namen Andreas hat, und ich kenne jedenfalls keinen, der so bezeichnet wird, — oder kennt sonst hier jemand einen Andreas-Genitiv? [Wir haben allerdings eine Paulskirche und den Petersdom, — aber das sind bekannte Gebäude, und einen Andreas-Genitiv kennt eben keiner!), der Genitiv Andreas': alles ganz klar. Wieso denn soll denn der Deppenapostroph "Andrea's Genitiv" von "Andreas Genitiv" unterscheiden?

 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.04.2007 um 02.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=814#8180

Mit dem Apostroph ist es ähnlich wie mit dem Bindestrich. Unnötiger, inflationärer Gebrauch zerhackt die Wörter, schädigt das harmonische Schriftbild, läßt beim Lesen stocken.
Laut neuestem Duden (24. Auflage, K16) wird der Apostroph bei den Grimm'schen Märchen zur Verdeutlichung der Grundform des Namens gebraucht, bei den grimmschen Märchen jedoch nicht. Verstehe das, wer kann.
Daß man den Apostroph ausnahmsweise bei Andrea's Genitiv setzt, um ihn von Andreas oder Andreas' zu unterscheiden, ist ja in Ordnung, aber selbst Ötzi (falls er deutsch sprach) hätte aus den Schillerschen Dramen sehr leicht den Namen Schiller ableiten können.

 
 

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