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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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23.03.2007
 

Inventores malorum
Nicht nur orthographische Randnotizen zu neuen Büchern

Gestern fiel mir die "Bibel in gerechter Sprache" in die Hände, die ja hier auch schon kommentiert worden ist. Mit den Kommentaren (auch den von Theologen veröffentlichten Gutachten) will ich alter Heide nicht wetteifern. Nur ein paar Bemerkungen:

Kein Einziger der Verfolger ... (139) - Das ist nicht richtig geschrieben.

Die Sprache ist etwas merkwürdig: sie stecken voll krimineller Energie (Römer 1, 36: epheuretas kakôn, inventores malorum)
Die Konsequenzen für (!) ihre Verwirrung hatten sie am eigenen Leib zu tragen (Röm 1, 27) (Sprachlich holprig und sowieso weit von Luther entfernt ...)

Die Übersetzer sind völlig besessen von der Frage, wie man den Namen Gottes wiedergeben soll. Von Buch zu Buch wechseln die experimentellen Bezeichnungen, und auf jeder Doppelseite findet man eine Kopfzeile mit Anregungen, den Namen Gottes anders zu lesen: Adonaj, die Lebendige, Ich-bin-da, ha-Makom, die Heilige, der Heilige, ER-SIE, κ – ς (Kappa - Sigma), Du, ha-Schem, der Eine, die Ewige, der Ewige.

So wird die Aufmerksamkeit des Lesers – wie auch theologische Gutachter kritisiert haben – ständig auf die Frage des Geschlechts gelenkt. Statt diesen Punkt ein für allemal abzuhaken, durchzieht er als aktuelles Problem den gesamten Text.

apostênai apo theou wird zu: von der Lebendigen abfallen.

Eigennamen nach der Loccumer Konvention. Es heißt also Eufrat, auch wenn diese Schreibweise sonst ungebräuchlich ist; daneben allerdings Propheten oder vielmehr Prophetinnen und Propheten. (Das klingt wie die zwanghaften Schülerinnen und Schüler unserer Kultusbürokraten.)

Im Glossar wird diabolos so erläutert: „Das Wort diabolos bezeichnet eine Größe, die 'etwas auseinander bringt', 'sich dazwischen drängt'. (Das trennende Diabolische ist somit das Gegenteil des verbindenden Symbolischen.)“ (S. 2343) Das ist aber nicht die wirkliche Wortgeschichte von Diabolos und Symbolon).

Wenn wir schon beim Judentum sind - es gibt neuerdings ein Lehrwerk "Pluspunkt Deutsch. Der Integrationskurs Deutsch als Zweitsprache. Ergänzungsmaterial für jüdische Zuwanderer. Cornelsen 2007":

Geflügel und Tiere mit gespaltener Hufe sind koscher. Im Vokabular steht: gespaltene Hufe, Pl. -
rote Beete (das ist laut Duden landschaftlich; das Wort ist im amtlichen Verzeichnis nicht enthalten, Duden kennt vier Schreibweisen: rote/Rote Bete/Beete)

Aus den beiden Kursbuch-Bänden dazu:

weiter reden müßte zusammengeschrieben werden.
Du hast Recht (durchgängig).

Das Komma nach direkter Rede fehlt meist:

„Denkst du, dass die Leute das Essen mögen?“ fragt Kouma.
„Geht es dir auch wirklich gut?“ fragt sie ihn. „Natürlich!“ antwortet er ihr.


In beiden Bänden heißt es stets Leid tun, obwohl das inzwischen wieder falsch ist. Ebenso:
Er hat seinen Autoschlüssel wieder gefunden (I, S. 124)

Es wird stets Recht haben, kennen lernen und selbstständig geschrieben.

Die Kommas sind geradezu demonstrativ weggelassen:
Oft braucht man aber lange den Abschied zu verarbeiten. Es ist nicht leicht sein Land oder seine Umgebung zu verlassen. Noch schwieriger kann es sein Menschen zu verlassen. (...) eine Möglichkeit Neues zu entdecken.

Spaghetti, Joghurt sind konservativ geschrieben.

Im ersten Band tritt eine etwas leichtfertige Ärztin auf, die allen Ernstes empfiehlt: „Nehmen Sie täglich einen Löffel Vitamin C.“



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Kommentare zu »Inventores malorum«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2011 um 07.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#18820

In einer berühmten Ansprache zur Lage der klassischen Sprachen an Schulen und Hochschulen stellte Wilamowitz 1893 fest, daß die Abiturienten, wenn sie an die Universität kommen, nicht in der Lage sind, unbekannte Texte auf lateinisch oder gar griechisch zu lesen. Sie werden dann erst einmal mit der Elementargrammatik dieser Sprachen traktiert. Wilamowitz erwähnt mit Recht, daß es in exotischeren Sprachen wie den orientalischen und Sanskrit ja auch nicht anders sei und durchaus funktioniere.
Interessant fand ich die Bemerkung: „Die protestantische Theologie würde sich selbst aufgeben, wenn sie auf das Studium des heiligen Originales verzichtete.“

Ich glaube nicht, daß Pfarrer in nennenswerter Zahl noch jemals in das griechische NT (von anderem ganz zu schweigen) hineinschauen, sobald sie die Universität verlassen haben. In einer Zeit, die sich mit der "Bibel in gerechter Sprache" zufrieden gibt, wäre das auch sonderbar. Es gibt aber auch schon viel länger eine Theologie, die eigentlich den Text gar nicht mehr braucht. Man weiß, daß es ihn gibt, und man hängt seine Predigten an ausgewählten Stellen auf, weil es vorgeschrieben ist, aber im übrigen projiziert man das jeweils Wünschbare in das Überlieferte hinein. Das heißt dann "Bibelarbeit" und hat mit Philologie nach Art von Wilamowitz nichts zu tun.
Wilamowitz meinte auch, solange das römische Recht in unserem Staat noch weiterwirkt, sollte der Jurist Gaius usw. im Original lesen können. Aber wozu? Es geht doch auch ohne.
 
 

Kommentar von FAZ.net, 12. Juni 2008, verfaßt am 12.06.2008 um 12.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#12313

Das „Kursbuch“ wird eingestellt

12. Juni 2008 Das „Kursbuch“, 1965 gegründet von Hans Magnus Enzensberger, wird eingestellt. Der Holtzbrinck-Verlag, der die Zeitschrift seit drei Jahren herausbrachte, stellt kein Geld mehr zur Verfügung. Das teilte Herausgeber Tilman Spengler gegenüber „Spiegel online“ mit.

Herausgeber des „Kursbuchs“ waren zuletzt Spengler und Michael Naumann, das Heft erschien viermal im Jahr mit einer Druckauflage von 20.000 Exemplaren; die verkaufte Auflage der Zeitschrift, die eines der wichtigsten Organe der Achtundsechziger war, lag deutlich niedriger. Bei der zum Holtzbrinck-Verlag zählenden „Zeit“ sieht man daher „keine wirtschaftliche Basis für die Fortführung des Titels“, so eine Verlagssprecherin gegenüber „Spiegel online“.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 06.06.2007 um 09.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8867

Und so erschafft auf jeder Entwicklungsstufe der Mensch den Gott nach seinem Bilde neu.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 05.06.2007 um 23.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8865

In einem Beitrag für die F.A.Z. vom 6. 6. 2007 erinnern der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hermann Barth, und der Thüringer Landesbischof und stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD, Christoph Kähler, an die Selbstverständlichkeit, daß eine Übersetzung nicht der Geschlechtergerechtigkeit diene, sondern dem Text gerecht werden müsse. Spät, aber wahr.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 26.03.2007 um 18.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8101

Nur zum Namen Gottes: Der Dreh bei den Gottesnamen ist natürlich, daß wir, so wie unsere deutsche Sprache nun mal angelegt ist, bei Personenbezeichnungen (aber eben nicht unbedingt bei Funktionsbezeichnungen) den Geschlechtsaspekt nicht so einfach außer aller Acht lassen; dazu gehört nämlich schon einige geistige Anstrengung (im Englischen auch beim sachgerechten Gebrauch der Personalpronomen hierzu). Mich erstaunt deshalb, mit welch tierischem Ernst da Leute an diese Sache rangehen, die vom Fachwissen her doch dazu kühl bleiben könnten. — Und mich erstaunt, wie Herrn Weiers, woran jene Katholiken denken müssen, wenn sie da ostentativ "die heilige *christliche* Kirche..." von sich geben und in "For us men and for our salvation he came down from heaven" zwar für sich, aber doch sehr laut das Wort "men" durch "people" und beim Singen jede Form von "He/he" durch das Substantiv "God" ersetzen, als ob derart zur Einheit der Gläubigen und der ewigen Seligkeit besser beigetragen würde. Ich frage mich dabei aber ernsthaft, welche Nöte sowas doch bei den einzelnen (Einzelnen?) befriedigen muß. Ich jedenfalls spüre diese Nöte nicht. — Noch zu den super-christlichen Katholiken in Deutschland, Herr Weiers: In den USA hat übrigens ein wichtiger Zweig der lutherischen Kirche vor schon längerem das Lutherische "christlich" im Glaubensbekenntnis durch "katholisch" ersetzt (und die Katholiken schreiben an dieser Stelle schon seit langem "catholic" klein, dafür aber das Wort "Church" groß). Die Leute der Sekte der christlichen Katholiken liegen also nun wirklich nicht im Trend. Beten wir deshalb für sie, Herr Weiers.
 
 

Kommentar von Konrad Schultz, verfaßt am 26.03.2007 um 15.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8097

Die "Bibel" der Häretikerinnen hat auch in katholischen Kreisen ihre Befürworter und Helfershelfer und Sponsorinnen, siehe etwa hier eine Stellungnahme für die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands. Natürlich ist politisch korrekt (= sprachlich blödsinnig) nicht nur von Bibellesenden die Rede, sondern auch von den Übersetzenden (gemeint waren wohl die übersetzt Habenden (oder orthographisch richtiger die Übersetzthabenden?)). Es wird für mich schwer nachvollziehbar bei dem künstlichen Problem des Gottesnamens zwischen dem Herrn unterschieden, der heute (?) als Mann angesehen wird, während kyrios als Herr im Sinne von Herrscher angesehen wird. Herr Ickler wird uns hier sicher belehren können. Wenn nun die Juden in gerechter Umarmung fast erdrückt werden sollen (wobei übersehen wird, daß Religionen zu ihrer Existenzberechtigung die Abgrenzung von anderen Religionen brauchen), so stellt sich mir die Frage, warum zu den vielen Gottesnamen (ist der Unaussprechliche nicht auch eine Bezeichnung für den Teufel?) nicht auch noch Allah gesellt wird. Ach so, Frage an die katholischen Freunde dieses Werkes: Was haltet ihr denn nun von der StellvertreterIn der GÖTTIN auf Erden?
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 26.03.2007 um 09.51 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8095

Wird so etwas wie... dieses Buch... in gerechter... Sprache... also diese Veröffentlichung, um die es hier geht, und die in Teilen an die Bibel erinnert... also inhaltlich... und auch das nicht immer; wird das also irgendwie vom Vatikan kommentiert? Oder sagt sich da die (katholische, wohlgemerkt!) Kirche: "Der Stuß geht auch vorüber, wittern wir's aus."?

Ob hinter diesem Machwerk wohl dieselben frömmelnden Naivlinge stehen, die während der (katholischen, wohlgemerkt!) Messe im Crede ostentativ "... die heilige christliche Kirche..." von sich geben (nicht beten; das ist etwas anderes)?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 26.03.2007 um 02.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8094

"Eine gewisse Kreativität ist all den Menschheitsbeglückern nicht abzusprechen." (#8087)
"Ich bin vergnügt, daß beides / Aus deinen Händen quillt" steht neben "Ich hätte bei der Erschaffung der Welt zugegen sein sollen. Ich hätte einigen guten Rat geben können." Und dazwischen müssen wir uns ohne richtige Hinsicht setzen, "und wir sitzen nun damit an."
 
 

Kommentar von Marconi Emz, verfaßt am 26.03.2007 um 00.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8093

Das Christkind als kleines Mädchen? Dies verweist auf die größte, von den "SchöpferInnen" der "Bibel in gerechter Sprache" bisher merkwürdigerweise übersehene Ungerechtigkeit: Jesus als SOHN Gottes. Mit solchem Machismo gehört ein für alle Mal aufgeräumt. Darum bitte ab der nächsten Auflage der BigS: "Ich bin die Tochter der Göttin ... und Jesus sprach ... und Jesa antwortete ... und Jesa sprach ... und Jesus antwortete ..." Wo bleibt zudem "die Heilige Geistin"? Und überhaupt ganz generell: Warum werden auch in der BigS weiterhin Ungläubige und Ungläubiginnen, Sünder und Sünderinnen, Dämonen und Dämoninnen, Teufel und Teufelinnen brutal diskriminiert, ihre legitimen Ansprüche und Bedürfnisse hartnäckig ignoriert? Öffnet die Himmelin endlich auch für die Bösinnen, befreit die Ungerechtinnen endlich aus Vor- und Haupthöller!

Mit dem abstrusen Projekt "Bibel in gerechter Sprache", Symptom für einen von tödlicher Krankheit befallenen Glauben, kann man sich im Grunde nicht ernsthaft auseinandersetzen.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 25.03.2007 um 21.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8092

Somit muß ich zu dem Schluß kommen, daß meine und alle weiteren Bibeln in ungerechter Sprache verfaßt waren. Wie konnte so etwas möglich sein?
Ausgerechnet das zentrale Schrifttum des christlichen Glaubens soll bisher den grundsätzlichen Makel der Ungerechtigkeit aufgewiesen haben?
Aber eine gewisse Wirkung haben die Rechtmacher anscheinend schon, mir fällt auf, daß das Christkindlein zu Weihnachten zunehmend als Mädchen dargestellt wird ...
 
 

Kommentar von jms, verfaßt am 25.03.2007 um 18.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8087

Die Gleichbehandlungsprache erinnert an wissenschaftliche Publikationen aus der Zeit des Kommunismus, als Autoren z.B. aus der DDR im Vorwort der Partei und dem Sozialismus huldigen mußten. Es ist übrigens interessant, daß gleich nach dem Scheitern der einen Ideologie an ganz anderer Stelle eine neue auftaucht. Eine gewisse Kreativität ist all den Menschheitsbeglückern nicht abzusprechen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2007 um 17.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8086

Hier noch ein paar Lesefrüchtchen aus der Bibel in gerechter Sprache:

Mt 16, 1: „Menschen, die zur pharisäischen oder sadduzäischen Gruppierung gehörten, kamen herbei.“ (= Pharisäer und Sadduzäer)
16, 11: „Hütet euch vor dem pharisäischen und sadduzäischen Sauerteig!“ (= Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer)
22, 23: „Leute aus der sadduzäischen Gruppe“ (= Sadduzäer)
16,13 „eine andere prophetische Person“ (= ein anderer Prophet)
Nachdem Jesus den „Jüngern und Jüngerinnen“ seine Passion vorausgesagt hat, kalauert Petrus: „Das darf dir nicht passieren!“ (Mt 16, 22)
Der Mann, der Mt 17, 15 zu Jesus kommt, hat einen Sohn, der an „Epilepsie“ leidet: er fällt ständig ins Feuer oder ins Wasser. Ungeachtet dieser modernen medizinischen Diagnose macht sich Jesus daran, den Dämon auszutreiben!
„Die Engel schauen das Antlitz meines Vaters im Himmel“, heißt es Mt 18, 10. Die gerechte Sprache macht daraus: „das Angesicht Gottes, Vater und Mutter für mich im Himmel“. Und gleich darauf: „der Wille Gottes, für euch Vater und Mutter im Himmel“ (statt: „der Wille eures Vaters im Himmel“)
Mt 18, 15: „Wenn dein Bruder oder deine Schwester sich gegen dich verfehlt, geh' hin und kläre den Konflikt zwischen euch unter vier Augen.“
Am Anfang des Lukas-Evangeliums heißt es „so wie es uns die Augenzeuginnen und die Diener des Wortes übergeben haben“. Das Original weiß davon nichts.
Die Hurerei als Scheidungsgrund (Mt 19, 9, porneia, ein ganz klares griechisches Wort) wird zu „unverantwortlichen sexuellen Beziehungen“ - das soll Jesus gesagt haben!
Aus 22, 40 „an diesen beiden Geboten hängen das ganze Gesetz und die Propheten“ wird hier: „An diesen beiden Geboten hängt die ganze Tora und die Prophetie.“ Und die „falschen Propheten“ (pseudoprophetai) werden zu „Leuten mit gelogenen Prophetien“.
In der dunklen Stunde zu Gethsemane (Mk 14, 41) sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Entspannt euch.“ Dieser lockere Ton wird auch Mt 24, 6 gut getroffen: „Seht zu, dass ihr nicht in Panik geratet.“
Im Korintherbrief lobt Paulus mehrmals das „Engagement“ der Gemeinde.
Diese „Übersetzung“ erweckt durchgehend den Eindruck, daß sowohl die Verfasser Bibel als auch Jesus es niemals versäumt haben, die Frauen ausdrücklich zu erwähnen – sie also nicht nur mitgemeint haben, was immerhin eine diskutierbare theologische Deutung wäre, sondern ausdrücklich erwähnt, und das ist etwas ganz anderes und geht über jede bekannte Übersetzungstechnik hinaus.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 24.03.2007 um 21.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8082

Lassen Sie mich's mal so sagen: "Out of sync[chronization]" zu sein, ohne durch Position abgesichert zu sein, kann Sie im wahrsten Sinne des Wortes sehr teuer zu stehen kommen; ich kann davon ein Lied singen. Und das geht sehr natürlich auch bis in die Studentenmit-, -selbst- und was weiß ich welche Verwaltung noch hinein, ins Dekanat sowieso, davon kann sogar meine Tochter, eine junge *liberal-arts*-Studentin par excellence (Phi Beta Kappa, Sakristan[in?] in der schon erwähnten Kollegienkirche [#8070] und fürs College [Div. III] nationale Schwimmerin, *mens sana* etc., Sie wissen ja, "a beautiful mind in a beautiful body" [so die englische Fassung einer fröhlichen Phys.-Ed.-Professorin]) leider auch schon ein Lied singen. Die meisten Ihrer "wohl hundert amerikanische[n] Aufsätze zur Entwicklungspsychologie" wurden sicher von Leuten geschrieben, die ja auch weiterkommen wollen und müssen (mancher "hat schließlich ja auch Familie"), und zur "non-sexist language", wie sie vorgeschrieben ist, haben sich die Zeitschriften begeistert verpflichtet. Da können Sie tausendmal sagen, daß "maskulin" und "feminin" nur Bezeichnungen sind und das Fragewort "who" nur Singular ist (und da nur "maskulin", o mein Gott!), — die brauchen doch gar nicht hinzuhören und mitzudenken, die wissen es doch schon seit der Junior-Highschool-Zeit besser. Und die wirklich ausgewachsenen Wissenschaftler, die so manches auch wirklich besser wissen, nun, sie wollen doch sicher auch noch mal zu Gastvorlesungen eingeladen werden, und diese Einladungen werden von Komitees ausgegeben, nicht wahr, ja — und, Mann, es lohnt jedenfalls doch nicht, hier nicht mitzumachen, was einem doch nicht schaden kann. Nun, Sie verstehen schon, wie solches gesellschaftliche Leben sich ereignet. Aber "Sanktionen"? Wie können Sie nach so etwas auch nur so direkt fragen? Sie wissen doch, daß Sie darauf keine Antwort bekommen. Mein lieber Freund! Auch von mir nicht.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.03.2007 um 17.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8081

Übrigens habe ich in den letzten Wochen wohl hundert amerikanische Aufsätze zur Entwicklungspsychologie gelesen. Darunter war kein einziger, der nicht "child" mit "she/her" wiederaufgenommen hätte. Es scheint überhaupt nur noch Mädchen zu geben, so daß uns für die Zukunft nicht bange sein muß. Frauen sind ja was Wunderbares.
Aber mal im Ernst: Gibt es, lieber Herr Ludwig, in den USA Sanktionen, wenn man sich als Wissenschaftler nicht politisch korrekt ausdrückt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.03.2007 um 16.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8078

Meiner Ansicht nach ist es philologisch unzulässig und auch noch nie dagewesen, beispielsweise griechisches "pater" im NT mit deutschem "Vater und Mutter" wiederzugeben. Wenn der griechische Autor das hätte sagen wollen, hätte er es zweifellos gesagt, denn die griechische Sprache ist hier der deutschen ähnlich genug. Dasselbe gilt für die Worte Jesu. Die "Übersetzung" unterlegt dem Gesagten, was nach politisch korrekter theologischer Ansicht der Übersetzer gemeint war. Übersetzung und Kommentar sind aber zweierlei, auch wenn man zugibt, daß jede Übersetzung eine gewisse Interpretation einschließt bzw. voraussetzt.
Ich habe mich hier ein bißchen angesprochen gefühlt. weil ich vor langer Zeit einige Jahre lang evangelischen Theologiestudenten Altgriechisch beigebracht habe.
Die Übersetzer stiften im Grunde eine neue Religion, sie verfahren genau so, wie sie es Jesus unterschieben, der ihrer Ansicht nach gesagt hat: "Geschrieben steht ... Ich aber lege euch das heute so aus...." Die Auslegung ist eine Sache, der Wortlaut eine andere. Die Bibel in gerechter Sprache läßt den Wortlaut nicht einmal mehr erahnen. Alles Räsonieren über dessen Zeitgebundenheit läuft ins Leere, weil der harmlose Leser gar nicht mehr nachvollziehen kann, auf welchem Text diese Auslegung überhaupt beruht.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.03.2007 um 14.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8077

Biblisch belegt ist "die Jüngerin", z. B. im Petrusevangelium, abgedruckt am Ende der "Neuen Zürcher Evangelien-Synopse" als "Übersetzung des Fragments von Akhmim": "12,50 In der Frühe des Herrntages nahm Maria Magdalena, die Jüngerin des Herrn - ... 51 mit sich ihre Freundinnen und kam zum Grabe, wo er hingelegt war."
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 24.03.2007 um 13.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8076

Vielleicht muß man nicht einmal Atheist, Heide / "Ungläubiger" (ganz "neutral" heutzutage) oder auch nur Agnostiker sein, um z.B. Luthers Bibeltext in minimaler Demut wahrzunehmen und nicht blasphemisch mit ihm oder mit den ihm zugrundeliegenden Quellen umzugehen. Auf alle Fälle aber scheint es besser, gehörigen Abstand zu wahren zu den ihre Verantwortung nicht wahrnehmenden "Bewahrern", d.h. zu den christlichen Kirchen, ihren Institutionen und Repräsentanten, die den schlimmen Umgang mit "der Bibel" erhaben hinnehmen und so legitimieren. Schlimmer noch: Einige Kirchenobere haben sich hinreißen lassen, z.B. zur Übersetzung des Neuen Testaments durch Gerhard Berger und Christiane Nord, Lobesworte zu äußern, um so diesen - sich ebenfalls mindestens geschmacklos am Johannesevangelium vergreifenden Text - gewissermaßen zu kanonisieren.

Wenn die Kompetenten (nur Menschen, noch nicht Fakten) oder die Relevanten (früher "Relevantes" als Faktoren, Fakten etc., nun auch Menschen) sich desinteressiert oder zu erhaben dünken, den Anfängen zu wehren, zwingen sie die weniger Kompetenten bzw. das normalerweise nicht in Verantwortung stehende Fußvolk, eigentlich Unantastbares vor bösem Zugriff zu retten. Und genau darin liegen die Parallelitäten zwischen der Indifferenz der Verantwortlichen / Berufenen gegenüber der RSR in statu nascendi und gegenüber heuer vielen Bibelnachdichtungen. Abgesehen vom (ingressiv) verderbenden Fisch kommt einem hier noch der nicht unbedingt resignative Gedanke eines Chinesen des Weges: "Wo der Kopf fehlt, regiert wenigstens der Bauch."
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.03.2007 um 23.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8073

Der deutsche Außenminister heute abend beim Versuch der Rede in gerechter Sprache: „die Bürger und die Bürgerinnen und die Bürger“.
 
 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 23.03.2007 um 22.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8072

Vielleicht muß man Atheist sein, um zu ermessen, welche Gotteslästerung, welche peinliche Orgie der Selbstgerechtigkeit diese „Bibel in gerechter Sprache“ in Wirklichkeit ist. Verkündet die Eigenwerbung für diese von der Kirche, die mit ihren knappen Geldmitteln verantwortungsvoller haushalten sollte, mit 400.000 Euro und einer für ein Jahr zur Verfügung gestellten vollen Pfarrstelle subventionierte Peinlichkeit doch allen Ernstes:

„Die Bibel in gerechter Sprache ist das Buch der Bücher für das neue Jahrtausend auf der Höhe der derzeitigen Forschung, so verständlich wie möglich.“


Es ist tatsächlich zum Katholischwerden, aber gottseidank gibt es auch in der protestantischen Kirche kluge und im eigentlichen Wortsinne fromme Köpfe, die dieses „Jahrtausendwerk“ richtig als ein „Dokument des sich selbst aushöhlenden Protestantismus“ bezeichnen.

Die kritische Auseinandersetzung der Autoren der evangelisch-lutherischen "Kommunität St. Michael", die sich selbst als „Kirchlein in der Kirche“ bezeichnet, ist auch in anderen Beiträgen zu diesem Thema von erfrischender Klarheit und stimmt wehmütig: so könnte Beschäftigung mit religiösen Fragen auch aussehen.

 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 23.03.2007 um 21.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8070

"So wird die Aufmerksamkeit des Lesers – wie auch theologische Gutachter kritisiert haben – ständig auf die Frage des Geschlechts gelenkt." Bei uns hier macht man das anders: Statt
"In the name of the Father, / and of the (+) Son, / and of the Holy Spirit"
haben wir jetzt am College zur Eröffnung unserer morgendlichen Andacht, wie's das neue Gesangbuch *Evangelical Lutheran Worship* (Mpls, 2006), Seite 97 mit einem "or" nahelegt, "the new invocation":
"Blessed be the holy Trinity, (+) one God, / the fountain of living water, / the rock who gave us birth, / our light and our salvation."
In der Einleitung wird — offenbar nun wohl doch zur Erklärung einiges Ungewohnten im Ausdruck — nur darauf hingewiesen: "The use of language continues in response to context and societal change, ...", — was man übrigens auch in besserem Englisch sagen könnte, wenn man sich wirklich deutlich ausdrücken wollte. (Wie sagten's wir Halbstarke doch vor einem halben Jahrhundert so schön schnodderig: "Es ist zum Katholisch-Werden!", — weil auch wir uns nicht kraftvoll überdeutlich ausdrücken wollten.)

Zu "oder vielmehr *Prophetinnen und Propheten*": Ich bin nicht bibelfest, aber unsere älteste Tochter hat sich mal sagen lassen müssen (der Apfel fällt Gott sei Dank nicht weit vom Stamm), daß es da irgendwo tatsächlich "prophetesses" gab und das Wort da an einer Stelle genau das bezeichnet, was gemeint ist. Dagegen hat sich ein Kollege mal ganz schön aufgeregt, daß er bei einer Veröffentlichung zu irgendwelchem Alttestamentlichen aufgefordert wurde, "queens and kings" zu schreiben: "And there were no queens!!!"

 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 23.03.2007 um 17.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8069

Die orthodoxen (wörtlich "rechtgläubigen") christlichen Kirchen stützen sich auf die Septuaginta und halten diese für die originalere, weil auf viel älteren hebräischen Texten beruhende Übersetzung und den von den westlichen christlichen Kirchen benutzten und um viele Jahrhunderte jüngeren masoretischen hebräischen Text für eine spätere judaisierende Verfälschung. (Zitiert nach Prof. Nikolaos Trunte, Lehrbuch des Kirchenslavischen) Viele archäologische Funde alter Schriften bestätigen die Septuaginta und die ihr zugrundeliegenden älteren hebräischen Texte. Leider liegt immer noch keine für alle bezahlbare deutsche Übersetzung vor. Sie war wohl früher unerwünscht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.03.2007 um 13.17 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8064

Da ich einen Schwager habe, der Pfarrer ist, hatte ich schon öfters Gelegenheit, ihn mit Fragen wie "Ist Gott eigentlich männlich oder weiblich?" ein bißchen zu löchern und zu necken, was natürlich immer auch respektvoll gemeint war. Hinter solchen und ähnlichen scheinbar nur lustigen Fragen stecken ja doch auch sehr ernsthafte Probleme.
Diese "Bibel in gerechter Sprache" habe ich in einer Buchhandlung auch schon durchgeblättert. Dabei hatte ich den Eindruck, daß die Verfasser weniger von Gott oder Teufel, als viel mehr von der Frage besessen waren, welche Ungerechtigkeiten oder Ungenauigkeiten die Sprache so aufweist. Dabei schienen mir sogar theologische Aspekte nur vorgeschoben zu sein. Sie sind einfach mit unbändiger Sammlerwut über die Lutherbibel hergefallen.
Dieses neue Buch, das sich Bibel nennt, ist einfach ein Lacher. Mit ihrer wahrscheinlich gut gemeinten Absicht haben es die Autoren bei weitem übertrieben und so dem Christentum einen sehr schlechten Dienst erwiesen.
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 23.03.2007 um 12.07 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=808#8063

Geflügel und Tiere mit gespaltener Hufe sind koscher.

Jetzt mal abgesehen von der seltsamen Grammatik: welcher Vogel hat denn Hufe?
 
 

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