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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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06.11.2006
 

Dolles Ding
Duden traut sich was

Aus dem letzten Duden-Newsletter (so heißt der Rundbrief wirklich!):

»Und noch etwas: Außer auf "noch nie da gewesene Einsichten" darf man auch auf "noch nie dagewesene Einsichten" hoffen. Denn bei attributiven Fügungen aus Adverb und Partizip kann sowohl getrennt als auch zusammengeschrieben werden. Das gilt auch für entsprechende Substantivierungen, z. B. "noch nie da Gewesenes/Dagewesenes".«



Ja, wenn das so allgemein gilt, dann eröffnen sich völlig neue Perspektiven! Bisher haben wir ja geglaubt, der singuläre Eintrag "dagewesen" im amtlichen Wörterverzeichnis und dann auch im Duden (wo aber ganz versteckt noch zwei ähnliche Wörter vorkommen) sei ein Versehen gewesen. Nun ist es aber ein richtiger neuer Programmpunkt mit Dutzenden von Anwendungen!



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Kommentare zu »Dolles Ding«
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Kommentar von R. M., verfaßt am 17.11.2006 um 01.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=703#6730

Was auch immer gemeint ist, auf jeden Fall soll es weiter heißen ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen. (Vermutlich hätte es Göthe auch so geschrieben. Aber zu der Zeit hat er schon nur noch diktiert.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.11.2006 um 18.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=703#6729

Wie Frau Güthert brieflich bestätigt, liegt der Duden ganz richtig: Zusammensetzungen mit "gewesen" können genau wie andere Verben unbegrenzt zusammengeschrieben werden, wenn sie "adjektivisch gebraucht" sind. Das ist offenbar eine neue Erkenntnis, die weder den Wörterbuchredaktionen in ihrer Tragweite bekannt war noch im Rechtschreibrat besprochen wurde, als es darum ging, ob § 35 gestrichen werden solle. Wahrig hat gerade mal den Eintrag "dagewesen", weil er ausdrücklich in amtlichen Wörterverzeichnis steht, aber sonst nichts zum Thema. Da ist nun noch einiges nachzuholen.
Ich habe inzwischen noch einmal bei Frau Güthert nachgefragt, was nun "adjektivisch gebraucht" eigentlich bedeutet. Natürlich kann die Geschäftsführerin stets nur ihre persönliche Meinung sagen, denn der Rat als ganzer ist ja nicht funktionsfähig.

In der Sache kann man einverstanden sein, daß nun weitere herkömmliche Schreibweisen wiedereingeführt werden, aber regeltechnisch ist das Ganze äußerst mangelhaft. Unter § 35 müßte deutlich auf dieses Paket von Ausnahmen hingewiesen werden.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.11.2006 um 13.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=703#6714

Manche Leute bringen aus dem Griechenlandurlaub neugriechische Bedeutungen alter Wörter mit wie diálogos = neugr. Zwiegespräch (altgr. Gespräch). Neugriechisch ist demotike [dhimotiki] = Volkssprache, und neugriechische Wörter und Bedeutungen taugen daher nicht als Lehnwörter und für die deutsche Wortbildung. Auch die wissenschaftlichen Fachwörter sind und werden nach den altgriechischen Wörtern und Bedeutungen gebildet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2006 um 17.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=703#6711

Kleine Beobachtungen am Rande: Heute bin ich in der FAS wieder mal (in einem auch sonst dürftigen Artikel) auf den schönen "Polylog" gestoßen. Die neuen Wörterbücher führen dieses Wort und den noch häufiger belegten "Trialog" immer noch nicht an, was aber sicher nicht auf sprachpflegerischen Grundsätzen beruht. Beide Wörter beruhen auf Fehldeutung von "Dialog", ein "Polylog" ist im Griechischen eigentlich ein Vielredner, also ein Schwätzer, und einen Trialog kann es nicht geben, nur einen Trilog (vgl. Trilogie). "Dialog" heißt Gespräch und nicht Zwiegespräch, wie manche Leute meinen.

Was noch fehlt: Die Verben "bannen" und "kicken" haben, wie ich erfahre, unter Chattern eine neue Bedeutung erhalten und kommen dort sehr häufig vor, so daß sie aufgenommen werden sollten. Die Wörterbuchredaktionen haben eben das Ohr doch nicht so nahe am modernen Zeitgeist, wie sie mit ihren jeweils 5.000 neuen Einträgen suggerieren.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 09.11.2006 um 02.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=703#6678

Es soll also offenbar heißen: Diese noch nie da_gewesene Einsicht ist noch nie da gewesen. Schöner war nie.

Übrigens sind die Ausführungen zu nervenzerrend vs. nervenzehrend im gleichen Text hypertolerant. Daß letztere Form vorkommt, wird man nicht bestreiten können, aber sie beruht natürlich auf einer Verwechslung der beiden (übrigens verwandten) Wörter: Nerven sind nicht nahrhaft, aber man kann sie spannen und an ihnen reißen. Beim Projekt Gutenberg findet man eine ähnliche Vertauschung nicht ganz zufällig bei einer drittrangigen Erzählerin, Ida Boy-Ed: „Der Hochmut zerrte an ihrer Seele." Hoffentlich ging sie dabei nicht entzwei!
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 06.11.2006 um 19.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=703#6661

Das noch nie Dagewesene
Eine Erkenntnis ist eo ipso noch nicht dagewesen, d.h (auch nur pleonastisch) neu. Warum bedient sich der sog. Duden solch ontologisch abstruser Beispiele? So etwas wie diese Reform indessen ist wahrlich noch nie dagewesen.
 
 

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