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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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10.01.2006
 

Auf die Knie
Nochmals zu den „Seeen“ usw.

Heute las ich in der Zeitung „als kniee sie“. Nach der amtlichen Neuregelung, § 19, ist das jetzt falsch, während es vor der Reform richtig war. [Nachtrag: Das stimmt nicht ganz, s. u. den Eintrag von Herrn Metz.] Rilke kriegt auch eine schlechte Note: „Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?“

Ich finde das ausgesprochen bedauerlich. Ich möchte nicht lesen müssen: „als ob er knie“. Dem Rat für deutsche Rechtschreibung allerdings gefällt es, er möchte diesen Sack nicht mehr aufmachen.



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Kommentare zu »Auf die Knie«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2016 um 15.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#33566

"Feminina auf -ee, -ie, -ei haben n-Plural:

die Allee – die Alleen; die Galerie – die Galerien; die Sympathie – die Sympathien; die Wäscherei – die Wäschereien; die Datei – die Dateien (Dudengrammatik § 280)

Daraus geht nicht hervor, ob man Alleen zwei- oder dreisilbig spricht usw., also ob es sich um eine bloß orthographische Verkürzung handelt. Bei Wäschereien, Dateien gibt es zweifellos beide Aussprachemöglichkeiten, die Plene-Schreibung ist rein orthographisch vorgeschrieben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2006 um 08.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2215

Herr Metz hat recht. Im Duden vor der Reform war tatsächlich "knieen" längst nicht mehr enthalten, und im entsprechenden Band 9 wurde es ausdrücklich als nicht zulässig dargestellt, bei gleichwohl möglicher zweisilbiger Aussprache. Der Vorwurf an die Reformer, diesen Unsinn beibehalten und noch ausgeweitet zu haben ("geschrien"), bleibt davon natürlich unberührt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2006 um 07.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2214

Die Fälle knien, geschrie(e)n usw. waren ein besonders schlimmer Fall von Dudenhaarspalterei. Lehrer mußten das eigentlich alles anstreichen, wenn es vom jeweils gültigen Duden abwich, aber meistens wußten sie es wohl gar nicht, und diese Sachen kommen ja auch nur selten vor. Ich habe in meinem Wörterbuch versucht, die Schreibwirklichkeit und damit auch den gesunden Menschenverstand zu ihrem Recht kommen zu lassen, vielleicht noch zu vorsichtig. Die Reform geht erwartungsgemäß noch weiter in die falsche Richtung.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 15.01.2006 um 02.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2213

Dann präzisiere ich meine erste Frage (denn mir kommt es nicht auf das Wort „amtlich“ an): Wie konnte ein Lehrer früher herausfinden, was er im Sinne der KMK als Fehler anzustreichen hatte?
 
 

Kommentar von C. S., verfaßt am 15.01.2006 um 02.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2212

"Amtlich" ist eine Erfindung der Reformer und ihrer Komplizen in den Verwaltungen. Man findet die Bezeichnung "amtlich" für die herkömmliche Orthographie auch in den Schriften der Reformer, etwa bei Augst, gleichsam als Rechtfertigung. Man wollte den Anschein erwecken, eine "amtliche" Regelung würde durch eine andere abgelöst, so wie eine Verwaltungsvorschrift ("statt Formblatt A wird ab dem Stichtag Formblatt B verwendet"). Auch dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die angeblich so liberale Gesinnung der Reformer. Man lese nur die Interviews mit Blüml oder Nerius. Staatsgläubiger geht's nimmer.

Bis zur Einführung der absurden Reform galt: "Die Amtssprache ist Deutsch". "Deutsch" war die übliche Rechtschreibung, die durchaus vom Duden abweichen konnte ("umso", "stattdessen"), der dennoch in Zweifelsfällen in den Schulen galt. Darüber hinaus gab es einige Fachbegriffe, deren Schreibung aus juristischen Gründen geregelt war und mit denen man die Allgemeinheit ansonsten nicht belästigt hat.

Die deutschsprachigen Länder sind vermutlich die einzigen, welche sich seit 1996 eine staatlich ("amtlich") geregelte Falschschreibung leisten.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 15.01.2006 um 01.42 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2211

knie[e]n

Vieles hier liest sich so, als ob die Schreibung knieen nach der früheren amtlichen Norm korrekt gewesen wäre. Im Rechtschreibduden (West) ist die Schreibung knieen seit der 14. Auflage (1958) nicht mehr aufgeführt. Davor war sie, meist ergänzt um erläuternde Hinweise auf das Preußische, das Bayerische und das Österreichische Regelbuch, neben die Schreibung knien gestellt.

Dazu zwei Fragen:

1. Wie findet man heraus, was bis 1998 amtlich korrekt war und was nicht? Nach dem Willen der KMK sollten ja die in der Reform von 1901/02 und den späteren Verfügungen festgelegten Schreibweisen und Regeln fortgelten, in Zweifelsfällen sollte der Duden maßgeblich sein. Aber was genau war damit gemeint? Reichte es, „in Zweifelsfällen“ im Duden nachzuschlagen, um zur amtlich korrekten Schreibung zu gelangen, oder galten Zweifel im amtlichen Sinne erst dann als solche – und war somit der Duden erst dann verbindlich –, wenn man auch nach dem Studium der Dokumente von 1901/02 (welche sind das eigentlich?) und sämtlicher Folgeverfügungen noch ratlos war?

2. In meinen drei DDR-Duden von 1954, 1965 und 1970 findet man unter dem Stichwort „knien“ das Beispiel daß du knieest, während das erste Partizip auch hier nur in der Schreibung kniend aufgeführt ist (der Mannheimer Duden enthält gar keine Schreibungen mit zwei e). Gibt es Gründe, diese Formen unterschiedlich zu behandeln, wo doch in beiden Fällen das e deutlich zu hören ist?

 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.01.2006 um 17.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2160

Das <ie> ist ein (nicht das) Graphem für das lange "i" /i:/ und untrennbar. Das Weglassen des Beugungs-e ist entsprechend den übrigen Fällen wie "sag' ich doch" mit Apostroph zu kennzeichnen: ich knie'. Besser und verständlicher ist aber: ich kniee.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 11.01.2006 um 13.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2155

Stellt sich nur noch die Frage, ob es Pünktchen oder Strichchen (*) oder hochgesetzte kleine "e" (**) sein müssen. DIN wird darauf sicherlich eine Antwort finden.

Komisch ist es aber schon, wenn sich einerseits in der NRS die Konsonanten und Vokale typographisch häßlich vervielfältigen, wie in Schwimmmeister oder Seeelefant (bewährt wohl nur See-Elefant), und andererseits wiederum häßlich verringern, wie in knien. Das muß mit der inneren Logik der neuen Rechtschreibung zusammenhängen... ich bin wirklich gespannt, ob nach endgültiger staatlicher Anerkennung der NRS auch endlich ein Buch auf den Markt kommt, das und diese Logik verständlich entschlüsselt.

*: Ob dieses Wort so richtig ist, entzieht sich wie auch bei den meisten ee/eee-Fragen meinem intuitiven Sprachverständnis.
**: Ein kleines "e" über einem "e" wäre doch eine typographische Bereicherung.
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 11.01.2006 um 10.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2151

Man könnte ja mal anregen, diese netten zwei Pünktchen über dem -e- auch ins reformierte Schriftdeutsch einzuarbeiten. Da gäb's sicherlich ne Menge zum Rumhantieren. Die richtige Anwendnung müßte dann natürlich notenrelevant sein, ist ja klar.
 
 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 10.01.2006 um 17.12 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=352#2145

Immerhin gibt es ja noch die schwachen Beugungen, die ganz besonders im Bundesland Hessen beheimatet sind.
Dort konjugiert man: ich schreie, ich schreite, ich habe geschreit
Bei knien ist das ohnehin klar: ich kniete.
Meines Wissens steht die Vergangenheitsform ohnehin Pate für den Konjunktiv.
 
 

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