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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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06.08.2005
 

Der Untertan
Die Hamburger Morgenpost schreibt:

»Was Medienmacht bedeutet, haben die Deutschen erlebt, als Springer-Chef Mathias Döpfner im Alleingang versuchte, über alle Instanzen hinweg die Rechtschreibreform zu kippen. Wer über BamS und WamS die Muskeln spielen lassen kann, hat zweifellos Macht.
Gerhard Schröder erlebt derzeit ohnmächtig mit, wie das Berliner Printimperium das Ost-Pummelchen Angela zur Kanzlerin hochschreibt.«

Ganz schön frech, nicht wahr? Und wie originell, die mögliche künftige Kanzlerin schon mal als „Ost-Pummelchen“ zu disqualifizieren. Das ist wirklich Mannesmut vor Fürstenthronen. Aber dann stutzen wir: „Instanzen“? Dierk Rohwedder scheint es als unumstößliche Voraussetzung hinzunehmen, daß es bei der Sprache einen Instanzenweg gibt, den man nicht ungerügt überspringen darf. Das ist es wieder, das West-Stiefelleckerchen.



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Kommentare zu »Der Untertan«
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Kommentar von Deutschland kehrt zurück, verfaßt am 26.08.2005 um 08.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#915

Hierzu paßt sehr gut, was in Professor Icklers Buch "Regelungsgewalt - Hintergründe der Rechtschreibreform" nachzulesen ist. Das Buch steht ab sofort bei "Deutschland kehrt zurück" zum kostenlosen Download bereit (1.8 MB). Die Adresse lautet www.deutschland-kehrt-zurueck.de/dokumente.html.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 12.08.2005 um 10.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#901

Die Deutsche Bibliothek ist ein Thema für sich. Sie wendet nach eigenem Bekunden die Reform "streng" an und hat deshalb ihr laufendes Schrifttumsverzeichnis ab 2004 umbenannt in "Deutsche Nationalbibliografie" (früher mit ph).

"Karl der Grosse" geht natürlich zu weit, liegt aber wohl nicht an der Reform. Bis 2000 war man nicht in der Lage, das ß überhaupt zu erfassen, das veraltete EDV-System (Siemens) hatte dafür keinen Code. Man hätte es anders verschlüsseln können, hat man aber nicht, sondern immer ss eingegeben. Die Daten vor 2000 haben also kein einziges ß - nachträglich kriegt man es nicht rein, das ist klar. Aber auch wenn es drin ist, dann mögen die Unterprogramme zum Produzieren z.B. von Mahnungen noch immer nicht fähig sein, ein ß zu drucken. Nun ja, das sind alles nur administrative Dinge, das kann man auf sich beruhen lassen, obwohl es nicht den besten Eindruck macht.
 
 

Kommentar von Westfalenpost, 09.08.2005, verfaßt am 10.08.2005 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#899

Gute Aussichten für schwarze Männerfreundschaft

Düsseldorf. (goe) "Wir werden eine gemeinsame Achse bilden." Der strategischen Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten vom Mai 2004 lassen Edmund Stoiber (CSU) und der NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers zunehmend Taten folgen.

Mit ihrer Weigerung, die umstrittene Rechtschreibreform zum 1. August einzuführen, haben die Ministerpräsidenten der bevölkerungsreichsten Bundesländer die politische Machtachse München-Düsseldorf weiter stabilisiert. Nicht nur Landeschef Rüttgers legt Wert auf die Durchsetzung der Länderinteressen. Gemeinsam mit seinem "Männerfreund" Stoiber setzte Rüttgers durch, dass die Länder bei der geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer nach der Bundestagswahl ihren Anteil zur Haushaltssanierung abbekommen.

In einem Zehn-Punkte-Plan hatten sich die "Achsenmächte" Nordrhein-Westfalen und Bayern bereits bei einem Gipfeltreffen im Jahr 2004 auf eine Rückkehr zu soliden Finanzen verständigt und eine gemeinsame Strategie für einen Wirtschaftsaufschwung in Deutschland skizziert.

Schon vor der NRW-Landtagswahl kündigte Rüttgers an, dass er sich nach einem Wahlsieg an den bayerischen Standards in der Bildungspolitik orientieren wolle. Weil Bayern in den Pisa-Leistungsstudien stets Spitzenplätze erreicht, setzt auch NRW auf mehr Leistungstests, Zentralabitur, Kopfnoten, den Ausbau der Naturwissenschaften und die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls durch zusätzliche Lehrerstellen.

Rüttgers will sich mit hinteren Plätzen in der Länder-Rangliste nicht länger abfinden. Dazu braucht er Amtshilfe aus dem Alpenland.

CDU-Chefin Angela Merkel dürfte die geschmiedete Süd-West-Achse fest im Blick haben. Schließlich stellen die Parteivorsitzenden von CSU und des größten CDU-Landesverbandes NRW auch die größten Kontingente der Union im Bundestag.

Nach dem Wahlsieg in NRW weiß Rüttgers jedenfalls um seinen gesteigerten Marktwert in der Union. Ohne Rüttgers keine vorgezogenen Neuwahlen, ohne Neuwahlen kein Machtwechsel - und bei einer möglichen Regierungsübernahme im Herbst steht für Rüttgers' Duzfreund Edmund Stoiber auch die Tür zu einem hohen Ministeramt offen. Gute Aussichten für den Ausbau der "schwarzen Männerfreundschaft".

Weil die Chemie zwischen den beiden Matadoren stimmt, nimmt Stoiber selbst vollmundige Ankündigungen des Amtsbruders vom Rhein sportlich. In der Euphorie des Wahlsiegs hatte Rüttgers sein Ziel formuliert: In zehn Jahren werde NRW im Duell mit der Konkurrenz Bayern die Nase vorn haben. Schaun mer mal.
 
 

Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 07.08.2005 um 00.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#894

Am schönsten war noch der Kommentar in den Tagesthemen gestern (von einem Sprecher der GEW JournalistINNEN und Journalisten), die Übernahme einiger TV-Sender durch Springer gefährde die "Meinungsvielfalt"!

Dies in Trauerton vorgetragen von einem - in puncto Rechtschreibreform sicherlich linientreuen - Angehörigen der obigen Gewerkschaft. Sollte die ARD nicht eigentlich für eine ausgewogene Berichterstattung sorgen? Vielleicht kann das ja SAT1 jetzt übernehmen .... es wäre dringend nötig.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 06.08.2005 um 20.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#893

Wenn Politiker von Verantwortung reden, die zu übernehmen sie anstreben, so sind immer Macht und Einfluß gemeint. "Wir wollen die Regierungsverantwortung übernehmen," heißt es vor Wahlen. Die Bundesregierung strebt nach einem Sitz im Sicherheitsrat, um "mehr Verantwortung in der Welt" zu übernehmen. Gegen letzteres könnten die anderen eigentlich gar nichts haben, gegen einen stärkeren Einfluß Deutschlands nebst Vetorecht schon.
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 06.08.2005 um 19.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#892

Wie man sieht, müssen wieder einmal die letzten "Argumente" gegen die politisch andere Seite aus der Mottenkiste geholt werden. Dabei ist "Ost-Pummelchen" noch nicht einmal ein "Argument", sondern unter zivilisierten Menschen - unabhängig von der politischen Meinung, die man vertreten kann, darf und soll - schlicht eine Unverschämtheit.

Da müssen dann BamS und WamS herhalten, die ja nicht auf der eigenen Linie sind. Da wird die Rechtschreibreform auch noch schnell als Waffe rausgekramt: Springer macht die Reform nicht mit, dann aber wir jetzt erst recht. Wir sind gegen Springer, also sind wir FÜR die Reform! Egal, was für ein Unfug dahintersteckt, wir sind gegen ALLES, wofür der andere eintritt!

Es ist natürlich blanker Unfug, daß BILD & Co "Angela zur Kanzlerin hochschreibt" - wenn BILD die Politik so beeinflußte, wie von der Morgenpost dargestellt: Schröder wäre niemals Kanzler geworden -, wenn einem nichts besseres mehr einfällt, sucht man dort die Entschuldigung. Ob der Autor dieser Sätze in dem Blatt überhaupt ein Hirn hat, das er einschalten kann?
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 06.08.2005 um 13.45 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#891

Die systematische Verantwortungslosigkeit scheint mir ein Kennzeichen gerade demokratischer Gesellschaften zu sein. Diffuse Konkordanzen sind der Deckmantel zur Ausübung von Macht. Der Entscheidungsträger kann stets von sich auf andere verweisen oder auf die "zwingenden Umstände".

Da haben es die echten Volksfürsten, die Diktatoren und Alleinherrscher nicht so leicht. Sie werden oft genug bei Mißlingen ihrer Aktionen zur Verantwortung gezogen, haften also mit Vermögen, Leib und Leben. Wann hätte schon einmal ein Demokrat mit spürbar schmerzhaften Eingriffen in diese Substanzen für seine (falschen) Entscheidungen geradestehen müssen? Solches dürfte die schiere Ausnahme sein.

Deshalb scheint es auch niemanden zu geben, der sich für die Zerstörung unserer Schriftkultur zuständig fühlt. Und genau deshalb wird es noch ein Weilchen dauern, ehe man erkennt, daß der Karren Rechtschreibreform gegen die Wand fährt.
Aber noch einmal: er wird es. Und erst die Karambolage wird einige Retter auf den Plan rufen. Das werden aber andere sein als jene, die uns die Sache eingebrockt haben.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 06.08.2005 um 11.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#890

Hauptsache, ich bin nicht verantwortlich

Schröder gefällt die Darstellung vielleicht nicht in diesem Zusammenhang. Aber ansonsten liebt der Deutsche, vor allem der deutsche Politiker, nichts so sehr wie die Ohnmacht. Sie bedeutet, daß er nicht verantwortlich ist. Bei Schröder klingt das immer so: "Dazu gibt es keine Alternative." So gesehen, mußte Schröder jeweils keine Entscheidung fällen, jedenfalls nicht für sie geradestehen. Auch bei der Rechtschreibreform werden von praktisch allen Politikern die aberwitzigsten Verhältnisse (oder "Instanzen") konstruiert und argumentativ bemüht, um für die Rechtschreibreform auf keinen Fall verantwortlich zu sein. Immer ist es eine bindende Absprache (neuerdings auch "Konkordanz") mit Nachbarländern, die bindende Absprache einer Ministerkonferenz, die Verpflichtung zur Einstimmigkeit in der Kultusministerkonferenz, die Pflicht, bei einem Beschluß auch zu bleiben, die Nichtzuständigkeit in formaler Hinsicht oder was auch immer. Wer gebunden ist, hat keine Freiheit; wer verpflichtet ist, hat keine Verantwortung. Daß mit der systematischen Verantwortungslosigkeit ("Wir müssen leider XY") die pathetische Selbstdarstellung dieser Führungsfiguren ("Entscheidungsträger") als mutig, entschlossen usw. einhergeht, ist kein Widerspruch. Erstens muß diese geradezu infantile Drückebergerei natürlich kaschiert werden, zweitens kann man alles mögliche zum Schutzgegenstand der höchsten Verantwortlichkeit erklären - auch die permanente Unterwerfung unter angebliche Notwendigkeiten, Sachzwänge, Verordnungen, früher getroffene Vereinbarungen, von anderen gefällte Entscheidungen usw. Dasselbe Doppelspiel - zwanghafte Unterwerfung unter Vorgegebenes bzw. scharfe Verurteilung von freiheitlich und verantwortlich Handelnden, zum Ausgleich wohlfeiles Maulheldentum - ist auch sonst anzutreffen, beispielsweise in dem hier zitierten Text eines deutschen Journalisten.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 06.08.2005 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=214#889

Das sollte sich der Schröder aber nicht gefallen lassen: als ohnmächtig dargestellt zu werden, dürfte ihm wohl kaum schmecken.
 
 

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