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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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13.02.2011
 

Lichtes von Fischer
Ein Verlag bekennt sich

Der Prachtband von Anita Albus über Proust ("Im Licht der Finsternis") ist bei Fischer zum 125jährigen Verlagsjubiläum "in der Cicero Poliphilus & Blado Italic von Wilfried Schmidberger in Nördlingen nach den Regeln der Schwarzen Kunst und in der bewährten Rechtschreibung" erschienen.

Auch die Ankündigung auf der Website ist in herkömmlicher RS verfaßt.

Man fragt sich sogleich, warum der Verlag nicht sämtliche Bücher in der bewährten Rechtschreibung druckt, denn es hat doch keinen Sinn, etwas in einer nicht bewährten Rechtschreibung herauszubringen.

Bemerkenswert ist vor allem, daß sich ein Verlag erstmals nicht gleichsam zähneknirschend dem Wunsch eines Autors fügt, sondern sich selbstbewußt zur "bewährten" Orthographie bekennt.

Vivant sequentes! Dann wäre der Spuk bald vorbei.



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Kommentare zu »Lichtes von Fischer«
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 10.03.2011 um 18.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1414#18296

Das ist zur Abwechslung mal eine gute Nachricht. So sind nämlich viele Studenten gezwungen, sich dieses Buch vorzunehmen. Vermutlich (und das ist die weniger gute Nachricht) wird bei der Lektüre jedoch kaum einer merken, daß die angeblich alte deutsche Rechtschreibung der deformierten haushoch überlegen ist. Aber vielleicht geschehen ja doch noch Zeichen und Wunder ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.03.2011 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1414#18295

Dazu auch dies:

"Zwei Dinge haben sich allerdings in den letzten fünf Jahren nicht geändert: Zum einen legt der Autor ausdrücklich Wert auf die Beibehaltung der alten deutschen Rechtschreibung. Zum anderen gibt es weiterhin kein Farnys Werk in dieser umfassenden Darstellung vergleichbares, anderes Lehrbuch." (Aus einer Rezension zu Dieter Farny: Versicherungsbetriebslehre, 5. Auflage 2011)
 
 

Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 17.02.2011 um 10.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1414#18065

Lieber Herr Lachemann, "Albert Camus. Sein Leben in Bildern und Dokumenten" scheint mir fürwahr ein Prachtband zu sein, herrliche (Schweizer) Typographie, danke für den Hinweis! Nur - Camus und Pracht?! Sind nicht diese roten Rowohlt-Taschenbücher der Inbegriff für diesen Nachkriegsschriftsteller, der so gar nicht in eine Schublade passen wollte? Ich meine vor allem die alten Ausgaben, nicht die Neu-Übersetzungen, das Outfit ist ja gleich geblieben.

Zu Anita Albus' Buch über Proust
Zum Übersetzer: Alwin Letzkus publizierte in der Reihe "Phänomenologische Untersuchungen" (Wilhelm Fink Verlag, der mit UTB zusammen auftritt) und ist überdies Übersetzer J.-L. Marion (Karl Alber Verlag) - beides renommierte Verlage (Philosophie), die, soweit ich das mitbekommen habe, in der üblichen Chose von Rechtschreibung veröffentlichen; ich glaube auch, in den Reihen der beiden Verlage, also mit heftigem Bruch vor ein paar Jahren.

Wer wird wohl diese Bücher lesen? Camus sicherlich auch die unter 30jährigen, aber bei dem Preis beileibe nicht viele. Proust ist schon eher was für das Klientel der über 30jährigen, zudem auch nicht gerade günstig - und Aquarelle und Proust nicht jedermanns Sache. Sie kennen ja meine Vermutung: Bewährte Rechtschreibung im Segment "Genuss beim Rotwein", Kundendurchschnittsalter über 50. Bitte nicht falsch verstehen, ich finde das Buch auch exzellent.

Für die unter 30jährigen ist das Nostalgie, zudem ein gefundenes Fressen, ein Vorurteil aufrechtzuerhalten: Alte Rechtschreibung - klassenbewußtes Merkmal der (bösen) Oberschicht; Abgrenzung der Generationen. Das ist in den Köpfen eingebrannt, mir fliegt das ständig um die Ohren. Schreibt jemand in Foren oder sonstwo in alter Rechtschreibung, ist er sofort "klassifizierbar" und wird alsbald mit einem zynischen Lächeln kommentiert. Umso jünger und "weltoffener", umso schlimmer. Wenn Zwanzigjährige ein Buch, welches in alter Rechtschreibung daherkommt, lesen, stolpern sie; letztlich sind sie schon daran gewöhnt, daß man Schreiben kann wie man will (jedenfalls halten viele das für angemessen und völlig normal). Das sind meine Erfahrungen der letzten Jahre, im Netz wie in der realen Welt. Ob Uni-Umfeld oder "bildungsferne" Jugendliche (die ich zeitweise unterrichtete), das macht wenig Unterschied.

Die immerzu sich "auffrischende" Didaktik wird das in Zukunft noch verstärken, es wird immer abstruser werden, ich sehe keinerlei Anzeichen einer Kehrtwende (was der Eintrag von vorgestern, der "Pferdeflüsterer" ja herrlich vor Augen führt). Diesen politisch korrekten und geschlechts-, religions- und sonstwas neutralisierten Brei, aufgepäppelt mit Begriffsbombastik im Rechtschreibmatsch - wer kann das noch entziffern?! Wohin führt das?! Es entstehen Parallelwelten, man spaltet sich immer mehr, um da sich durchzumogeln, man wird immer kleiner.

Wobei die genannten Bücher dann wirklich Garanten darstellen - einer (kulturellen) Kontinuität.
 
 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 14.02.2011 um 10.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1414#18033

"Ein Verlag bekennt sich?" Der Fischer-Verlag bekennt sich zu gar nichts. In seinen eigenen Verlautbarungen praktiziert er ein vermutlich hauseigenes Derivat der neuen Rechtschreibung. Dasselbe gilt für die Bücher, offenbar sofern der Autor nichts dagegen hat.
So halten es andere Verlage auch. Im Olms Verlag ist ein nun wirklich als "Prachtband" zu bezeichnendes Buch "Albert Camus. Sein Leben in Bildern und Dokumenten" erschienen, in unreformierter Orthographie. Die Autorin ist die Tochter Camus', es ist nicht anzunehmen, daß das auf ihren Wunsch zurückzuführen ist. Vermutlich war es der Wunsch des Übersetzers.
Diese "liberale" Haltung erscheint mir vernünftig. Es wäre ja auch nicht in Ordnung, wenn ein in reformierter Orthographie geschriebenes Manuskript gegen den Willen des Autors in die vorreformatorische Orthographie konvertiert würde.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 14.02.2011 um 02.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1414#18032

Wie die Faust aufs Auge paßt dazu die "Perlentaucher-Notiz zur SZ-Rezension" vom 12.02.2011: "Der S. Fischer Verlag lässt sich sein Jubiläumsprogramm zum 125-jährigen Bestehen einiges kosten, meint Rezensentin Ina Hartwig, die bewundernd auf diesen Proust-Essay blickt: der Einband aus feinstem, dunkelblauen Leinen, nicht minder beeindruckendes Papier, aufwändige Bebilderung mit Pflanzen und gotischer Kirchenkunst ..."

In einem solchen Fall auch den fakultativen Blödsinn noch mitzumachen, das hat etwas Ostentatives. Wie "Germanist" vor einiger Zeit anmerkte, beschreibt das Wort aufwändig das Verfahren, mit dem Gipser und Stukkateure ihr Material aufbringen: von unten nach oben. Damals hatte ich das als guten Kalauer aufgefaßt, aber es ist tatsächlich der gängige Ausdruck, wie mir vor kurzem ein Handwerker bestätigte.
 
 

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