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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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23.05.2009
 

Deutsche Wortstellung
Subjekt–Verb–Objekt?

Erich Drach, der unsere Auffassung von den Verbzusätzen geprägt hat, sollte auch zur deutschen Satzgliedstellung stärker beachtet werden.

Man liest immer noch fast überall (auch bei Wikipedia), das Deutsche folge der Grundstellung Subjekt–Verb–Objekt, also genau wie das Englische. Dabei müssen anglophone und viele andere Deutschlerner von Anfang an mit der Tatsache kämpfen, daß die Satzglieder im Deutschen nicht relativ zueinander, sondern in bezug auf den Satzrahmen geordnet sind. Also irgendein Glied (und nur eins) ins Vorfeld, dann das finite Verb und dann den Rest.

Ist an dem folgenden Originaltext irgend etwas auffällig? Grammatisch jedenfalls nicht, obwohl kein einziger Satz mit dem Subjekt anfängt:

Um den Unterrichtsausfall so gering wie möglich zu halten, will das bayerische Kultusministerium die Mobile Reserve in allen Schularten weiter ausbauen. Erstmals wird es sie ab kommendem Schuljahr an den Realschulen geben. In einer Versuchsphase werden an jeder Dienststelle der Ministerialbeauftragten zunächst fünf Lehrkräfte bereitstehen, die bei Unterrichtsausfällen von drei bis 12 Wochen zum Einsatz kommen. Am Gymnasium soll die Mobile Reserve von derzeit 77 auf 150 Lehrer erhöht werden. An den Grund- und Hauptschulen lag – dank der gut ausgebauten Mobilen Reserve – der Anteil der Klassen, der nicht mit Lehrern aus dieser Reserve versorgt werden konnte, bei lediglich 0,7 Prozent. Bei den Förderschulen erhöhte das Kultusministerium die Mobile Reserve in den letzten zwei Jahren bereits um 50 Stellen.
(EZ Elternzeitschrift des bayerischen Kultusministeriums 1/2002)



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Kommentare zu »Deutsche Wortstellung«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.09.2023 um 06.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#51744

Ein gutes Beispiel für die Aleph-Beth-Regel ist Dingsbums.

Die Verwendung wird z. T. falsch erklärt, wenn man "der/die/das Dingsbums" ansetzt. Das gilt nur, wenn Dingsbums ein Dummy für ein gerade nicht einfallendes Wort, also sozusagen metasprachlich, ist. In geradem Gebrauch ist ein Dingsbums ein unbestimmter Gegenstand, ein Etwas oder (s. Delirium) eine "Entität", wie die törichte gelehrte Umschreibung will.

Die Herkunft ist ungeklärt: Warum gerade Bums? Lexikographisch ist ganz richtig verzeichnet, daß Bums im Niederhessischen der gewöhnlichste Ausdruck für "Furz" ist. Als Kinder kannten wir gar nichts anderes. Meiner Frau war das völlig unbekannt. Bei der Zusammensetzung dürfte also die Aleph-Beth-Regel mitgewirkt haben.

Im berühmten Gedicht von Walther von der Vogelweide heißt es: allez daz ir habt vernomen, daz ist gar ein wint: nû frâget mich.

Das haben wir immer wörtlich verstanden, aber sollte nicht ein Darmwind gemeint sein?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2023 um 14.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#51214

Der falsche Pfad wird gelegt, weil zwar das gesamte Prädikat im Skopus von "weder" steht, dieses aber nicht vor dem Verb stehen kann. Besser wäre: "Weder steht es...noch wird es..."
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.06.2023 um 12.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#51213

Manchmal benutzt man grammatische Konstruktionen, die eigentlich falsch oder unlogisch sind.
So ähnlich wie "Wir wollen doch nicht hoffen, daß er stirbt" anstelle des eigentlich korrekten "Wir wollen doch hoffen, daß er nicht stirbt" ist es auch in dem folgenden Fall. Das Amtsblatt Stadt Mannheim (8.6.23) berichtet über einen Faktencheck:

Das Heim, das in einem Tiktok-Video gezeigt wird, steht jedoch weder in der Hansestadt, noch wird es geräumt.

Der Satz ist zwar einwandfrei zu verstehen, aber nach "weder in der Hansestadt" erwartet man eigentlich die Angabe eines gleichwertigen Satzglieds, also hier eine andere Stadt, z. B.:
... weder in der Hansestadt noch in Berlin.

Andernfalls müßten es zwei gleichartige satzwertige Glieder sein, z. B.:
Für das Heim gilt weder, daß es in der Hansestadt steht, noch, daß es geräumt wird.

Nichtsdestotrotz kommen solche schiefen Fügungen sehr häufig vor, da man sie sachlich kaum mißverstehen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.04.2023 um 04.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#50865

Zu Abrakadabra s. den Eintrag bei Wikipedia.

Was immer über den Ursprung spekuliert wird – die Abfolge a – b – c – d ist schon auffällig. Abgesehen davon beginnt die letzte, wiederholte Silbe mit dem Labial, der der Aleph-Beth-Regel genügt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2023 um 16.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#50276

Ich hatte gerade für dieses Schema, dem auch die meisten in der Literatur behandelten Fälle angehören, eine andere Deutungsmöglichkeit vorschlagen wollen. Aber es gibt sicher andere Beispiele, eins hatte ich schon irgendwo angeführt:

Lecker. Leben. Leidenschaft. (Bäckereikette Beck)

Dagegen ist

Friede, Freude, Eierkuchen auch ohne und schon wieder trochäisch.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 15.01.2023 um 09.21 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#50272

Gibt es Beispiele für "wachsende Glieder", die vom Vermaß her aus der Reihe fallen? Die Liste unten ist sehr homogen, immer das Schema "samt und sonders".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2023 um 05.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#50269

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#44684

Also das ganze Material unter http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26365
müßte noch einmal daraufhin durchgesehen werden, ob es sich weniger um „wachsende Glieder“ als vielmehr einen Parallelismus membrorum handelt. Lese gerade ein Buch „Gene, Meme und Gehirne“, also

Gene
Meme
und Ge-
hirne

Vier Trochäen, keine wachsenden Glieder.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2022 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#49056

It seems that 95% of the world’s languages are either SVO, like English, or SOV like German.

Warum sollte im Deutschen die Satzgliedstellung am eingeleiteten Nebensatz orientiert sein und dazu noch falsch? Denn auch im Nebensatz muß das Subjekt nicht an erster Stelle stehen, vgl. daß ihn fast niemand sieht. SOV ist eine Satzgliedstellung, die für keinen einzigen deutschen Satztyp vorgesehen ist, und ausgerechnet diese wird als Normalstellung angesetzt!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.12.2021 um 07.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#47854

Die Süddeutsche Zeitung hat sich vor einigen Jahren auch mit rabimmel rabammel rabumm beschäftigt, aber nur wegen der Vokalfolge, die ja auch bemerkenswert ist:
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/wortewandel-sprachkolumne/warum-singen-wir-rabimmel-rabammel-rabumm-83004
Das Laternenlied ist aber auch ein Beleg für die Aleph-Bet-Regel. Man versuche doch mal: barimmel, barammel, barumm Das geht gar nicht. Q.e.d.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.08.2021 um 23.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#46977

Focus online:
Angesichts des massiven Drucks aus der Politik und der Angst vor erneuten Lockdowns und Schulschließungen kam die Empfehlung der Stiko, nun doch alle Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren gegen Covid-19 zu impfen, nicht überraschend. Mit wissenschaftlichen Fakten lässt sich die Kehrtwende jedoch nicht begründen.

Von der Stiko gab es keine Empfehlung, "nun doch alle Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren gegen Covid-19 zu impfen", sondern es gab "nun doch" die Empfehlung, "alle Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren gegen Covid-19 zu impfen".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.03.2021 um 13.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#45474

After breakfast the king he took a seat on the corner of the raft. (Huckleberry Finn)

Diese umgangssprachliche Einfügung eines „pleonastischen Pronomens“ würde nach Hans Altmanns Theorie der „Herausstellung“ als Linksversetzung mit zurückbleibender pronominaler Kopie beschrieben werden, aber das ist doch recht künstlich. In Wirklichkeit ist es die auch in anderen Sprachen beliebte Aufspaltung der beiden Funktionen „Nennung“ und „syntaktische Einbettung“, eine hörerfreundliche Entkompaktisierung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.11.2020 um 04.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#44684

Kuddelmuddel ist auch ein schönes Beispiel.

Man könnte auch foot-and-mouth desease hierher stellen, während Maul-und-Klauen-Seuche dem Gesetz der wachsenden Glieder folgt, das ja weitgehend auch als Herstellung paralleler Trochäen interpretiert werden kann, wenn man das und mitrechnet:

Maul und
Klauen

Kind und
Kegel

Götter
Gräber
und Ge-
lehrte


(Weshalb sich im letzten Beispiel ein Nebenakzent auf und einstellt.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.10.2020 um 14.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#44482

Gutes Beispiel. Bilde ich mir das nur ein, oder wäre die umgekehrte Reihenfolge nicht nur ungewohnt, sondern tatsächlich unbefriedigend?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.10.2020 um 14.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#44481

auch ratz-batz oder ratz-fatz (schnell)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.10.2020 um 07.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#44480

Was rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum?

Auch dies folgt der Aleph-Beth-Regel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2020 um 05.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#44419

niminy-piminy gehorcht der Aleph-Beth-Regel, eigentlich auch das ungefähr entsprechende etepetete. Die Herkunft ist unklar.

Nicht sehr überzeugend wird erklärt:

We do know where the term namby-pamby came from – from the name of poet Ambrose Philips (1674-1749). His contemporary literary rivals, poets Henry Carey, John Gay, Alexander Pope, and Jonathan Swift poked fun at him and Carey coined namby-pamby from his name: amby after first syllable of Ambrose and rhyming compound pamby after Philips.

Soweit zutreffend, dürfte es von der Aleph-Beth-Regel mitgeformt sein.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.10.2019 um 20.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#42264

Statt nichts Ganzes und nichts Halbes wird heute meist nichts Halbes und nichts Ganzes gesagt und geschrieben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.09.2019 um 18.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#42064

auch nach der Aleph-Beth-Regel:

nansy pansy
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2019 um 04.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#41888

Zur Aleph-Beth-Regel gehört auch Ätsch-Bätsch, die Begleitgebärde ist das "Rübchenschaben":

http://www.zeno.org/Wander-1867/A/R%C3%BCbchen
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.07.2019 um 16.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#41810

https://www.deutschlandfunk.de/bundesverwaltungsgericht-sikh-anhaenger-muss-motorradhelm.2932.de.html?drn:news_id=1024267, so heute auch mehrfach der Nachrichtensprecher im DLF:

Motorradfahrer können aus religiösen Gründen nicht von der Helmpflicht befreit werden.

Fällt beim DLF niemandem auf, daß statt dessen folgendes gemeint ist?
Motorradfahrer können nicht aus religiösen Gründen von der Helmpflicht befreit werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2019 um 12.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#41798

Zu einigen früheren Einträgen:

Obwohl wir von links nach rechts schreiben, liest man nie: „wie wir links gesagt haben“ oder „siehe links“, "wie ich weiter rechts zeigen werde" usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.06.2019 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#41625

Die Heiligen Drei Könige sind in der Bibel eine unbestimmte Zahl namenloser Sterndeuter (magoi), werden später Caspar, Melchior und Balthasar genannt. Die Reihenfolge nach dem Gesetz der wachsenden Glieder, zugleich nach der Aleph-Beth-Regel.

(Ich lese zu meiner Überraschung, daß die Deutung der Anfangsbuchstaben als „Christus mansionem benedicat“ erst Mitte des 20. Jahrhunderts aufkam. Ich habe auch nicht gewußt, daß die Kinder sie mit „geweihter Kreide“ schreiben.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2019 um 07.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#41460

Zu selben Regel noch:

simsalabim

Hokey-pokey
(https://en.wikipedia.org/wiki/Hokey_pokey_(ice_cream))
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.04.2019 um 08.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#41301

Michael Witzel, bedeutender Indologe und Veda-Forscher, hat vor einigen Jahren ein sehr ambitioniertes Werk vorgelegt:

The Origins of the World’s Mythologies. Oxford University Press, New York 2012. (Auch als Download)

Es beginnt mit einer Besprechung von Eeny meeny miny moe und seinen weltweiten Entsprechungen.

Witzel scheint Winklers "Aleph-Beth-Regel" nicht zu kennen, die man aber heranziehen könnte, um parallele Entwicklung anstelle gemeinsamer Überlieferung wahrscheinlich zu machen.

Das ist nur ein unscheinbares Beispiel für die Grundfrage der Sprach- und Kulturvergleichung: Gemeinsamer Ursprung oder parallele Entstehung?


 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 17.04.2019 um 14.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#41283

Im Bairischen Deutsch ist es üblich, den Namen einen bestimmten Artikel voranzustellen. Ich halte das für das modernere Deutsch.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.04.2019 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#41282

Auch Parlamentspräsident Antonio Tajani spricht Greta Thunberg zuvor ins Gewissen. Als der Italiener Thunberg begrüßt, erzählt er ihr erst einmal, dass seine beiden Kinder ebenfalls an den Klimaschutzkundgebungen in seiner Heimat teilnehmen.
(MM, 17.4.19, Seite 2)

Das wird Greta Thunberg zwar freuen, aber kaum ihr Gewissen anrühren. Die fehlende Kasusmarkierung macht den Satz zweideutig. Wer wem? Wortstellung und Kontext lassen zunächst vermuten, daß der Präsident ihr ins Gewissen spricht, was aber keinen rechten Sinn ergibt. Der ganze übrige Zeitungstext handelt schließlich davon, wie Thunberg den Politikern ins Gewissen spricht, nicht umgekehrt.

Ein Artikel (der oder dem) hätte das Gemeinte klarer gemacht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2018 um 04.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#40047

Nachdem sich schon die Deutsche Bank mit ihrer "Leidenschaft" an uns herangemacht hat, versucht es nun eine hier sehr bekannte Bäckereikette:

Lecker. Leben. Leidenschaft.

Wachsende Glieder plus Alliteration: nach Roman Jakobson wäre das höchste Poesie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2018 um 05.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#39787

Die Leute haben Dutzende von Kochbüchern im Regal stehen, aber was essen sie? Hoppelpoppel. Das ist ein weiteres Beispiel für die Aleph-Beth-Regel.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.07.2018 um 22.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#39236

Die Wortstellung wird oft nicht so genau genommen.
Manchmal bin ich mir aber auch nicht ganz sicher, z.B. hier:

DLF-Nachrichten, 31.7.18, 17.00 Uhr (zum Bombenanschlag 2000 in Düsseldorf):
"Bei den Opfern handelt es sich um überwiegend jüdische Zuwanderer aus Osteuropa."

Gemeint ist ja nicht, daß die Zuwanderer eine Religion mit "überwiegend jüdischen" Merkmalen hatten, sondern daß die meisten von ihnen Juden waren. Also kann der Satz m. E. nur heißen:
"Bei den Opfern handelt es sich überwiegend um jüdische Zuwanderer aus Osteuropa."
Oder wäre das zu kleinlich?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2018 um 05.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#39212

Man könnte zur Einführung in die deutsche Sprache eine ganze Stunde mit diesen Beispielen bestreiten:

Es ist nicht einfach so.
Es ist einfach nicht so.
Es ist nicht so einfach. (= So einfach ist es nicht.)

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2018 um 07.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#37559

nolens volens folgt der Aleph-Beth-Regel, willy-nilly nicht.

Klimbim ist wieder regelrecht gebildet.

Übrigens: Sozial-Klimbim bezeichnet im Munde puristischer Marktwirtschaftler alles Überflüssige wie Renten, Kindergeld usw. – Seriöser wirkt das ebenfalls höhnische soziale Wohltaten (Standardausdruck der FAZ und ähnlicher Blätter Hayekscher Observanz).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.06.2017 um 13.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#35410

„Falsch ist daher eine Stellung wie daß man sich die geringste Sorge nicht macht (...), da nicht unmittelbar mit die geringste zu verbinden gewesen wäre.“ (Paul III:67)

Die verkorkste Wortstellung kann man natürlich durch die Betonung einigermaßen ausgleichen, aber eine Schreibe ist keine Lese, und Paul hat ganz recht: der Fokus der Negation ist natürlicherweise gleich dahinter. Nur poetisch:

Das Leben ist der Güter höchstes nicht, Der Übel größtes aber ist die Schuld.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.06.2017 um 16.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#35355

Aber z. B. die Linksversetzung, die linke Satzklammer usw. – das würde man doch nach hebräischer oder arabischer Gewohnheit nicht so nennen?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.06.2017 um 16.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#35354

Ich würde sagen, "rechts" und "links" sind von der Schreibrichtung unabhängig.

"Vorn" und "hinten" würde ich mit Anfang und Ende gleichsetzen, die jeweils durch den großen Anfangsbuchstaben und den Punkt eindeutig bestimmt sind. Intuitiv und üblicherweise ist der Anfang immer vorn und das Ende immer hinten.
Aber man könnte sich natürlich auch auf den anderen Standpunkt stellen: vorn das zeitlich Nähere (Satzende), hinten das länger Zurückliegende (Satzanfang).

Für beide Interpretationen gilt: Die Schreibrichtung bestimmt, ob "vorn" links, rechts, oben oder unten ist, "hinten" entsprechend entgegengesetzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.06.2017 um 04.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#35350

Was ist eigentlich in einem Satz "vorn" und "hinten"? "Rechts" und "links" sind von der Schreibrichtung bestimmt.

Das erste Wort ist "vorn", der Satz marschiert gewissermaßen mit dem ersten Wort voran durch die Zeit – oder? Der Satz ist ein Ereignis, das in der Zeit abläuft. Das zuerst geäußerte Wort liegt am weitesten "zurück", in der Vergangenheit, das letzte Wort ist das neueste, frisch im Gedächtnis, rezent. So gesehen ist rechts = vorn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2017 um 07.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34567

Ikonisch kommt das Wichtige, Höhere, Bessere zuerst:
Ober- und Unterfranken ist dreimal so häufig wie die umgekehrte Reihenfolge. Mittelfranken tanzt aus der Reihe, weil es nicht zwischen den beiden liegt, sondern südlich davon.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2017 um 08.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34542

Manche Unterschiede kann man einem Ausländer schwer erklären:

Er hatte eine Hand in der Hosentasche.
Er hatte in der Hosentasche eine Hand.

 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.02.2017 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34539

Danke, ich bin wohl manchmal etwas begriffsstutzig, hatte hier bei ikonisch nur die bildhafte Bedeutung des Ausdrucks im Sinn anstatt auch das Bild des Ausdrucks selbst.

Mir fällt dazu noch diese Redewendung ein:
das Unterste zuoberst kehren (Google: 15900 Funde)
das Oberste zuunterst kehren (Google: 11100 Funde)
Der leichte Vorteil für das Beginnen beim Untersten hat vielleicht auch mit dem Erzeugen von Unordnung zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2017 um 15.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34537

Ich meinte bloß dasselbe wie bei drunter und drüber. Eigentlich kommt oben vor unten, vorn vor hinten, aber das Durcheinander wird gerade durch die Umkehrung abgebildet. Natürlich nur eine zarte Tendenz, keine Regel.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.02.2017 um 13.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34536

Oder ist die Reihenfolge der Adverbien gemeint?
"Vorne und hinten nicht" kommt seltener vor, ist aber das gleiche Bild. Da würde ich eher auf die Aleph-Beth-Regel tippen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.02.2017 um 12.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34533

Hat die Ikonizität etwas mit der Wortstellung zu tun? Ich denke, man kann den Satz durchaus bei gleichbleibender Bedeutung umstellen:
Hinten und vorn stimmt die Sache nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2017 um 07.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34531

Die Sache stimmt hinten und vorn nicht.

In dieser Form ikonisch (Abbildung des Irregulären).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2017 um 09.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34525

Gänzlich der einfachen Gebrauchsanweisung zur Bildung des Konjunktivs II entziehen sich die Verben, die im älteren Deutsch einen anderen Stammvokal im Indikativ Singular als im Indikativ Plural hatten, etwa "ich warf", aber "wir wurfen". (Schmachthagen HA 14.2.17)

Krasser Fall von doppelter Vorfeldfüllung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.02.2017 um 09.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34491

Die maximale Zahl von Adjektivattributen wird man nie belegen können, es ist schon schwer, vier nacheinander zu finden:

Die Haggadah von Sarajevo gehört zu den schönsten mittelalterlichen jüdischen illustrierten Manuskripten. (Harald Haarmann: Universalgeschichte der Schrift, Frankfurt 1991:316)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.01.2017 um 16.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34401

Spontan würde ich sagen: schwarz auf weiß! Weiß ist das Papier, schwarz die Farbe, auf die es ankommt. Buchdruck war die schwarze Kunst, nicht die weiße, naturgemäß.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.01.2017 um 15.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34400

Interessant wäre vielleicht auch schwarz-weiß (-Foto, -Film, -Malerei), warum soherum? Es scheint keiner der bisher genannten Regeln zu folgen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.01.2017 um 14.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34399

Jung und alt ist ikonisch: erst ist man jung, dann ist man alt. Es kann aber Gesellschaften geben, wo die Alten die Besseren sind (altes China, altes Rom).
Es gibt auch noch die Vorzugsfolge: hoher Vokal – tiefer Vokal (hick hack, tick tack).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.01.2017 um 11.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34398

"Jung und alt" kommt viel öfter vor als "alt und jung". Da ist es also umgekehrt wie bei "arm und reich".

Mal siegt die Aleph-Beth-Regel, mal kurz vor lang, mal das Positive, Schönere vor dem Negativen, Nachteiligen, mal siegt ein bestimmter Rhythmus. Alle diese "Gesetze", jedes für sich, gelten verblüffend oft. Jedes hat seine Berechtigung, sie haben aber auch sehr viele Ausnahmen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 24.01.2017 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34396

pauvre hat zwei Silben, poor nur eine, aber den längeren Vokal als rich, vgl. krumm und lahm.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.01.2017 um 08.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34395

From rags to riches ist ikonisch, außerdem rhythmisch befriedigend. The Haves and Have Nots ist andersrum kaum denkbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.01.2017 um 08.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34394

Es geht ja nicht um die objektive Wahrheit, sondern darum, wie das Sprachvolk es empfindet.
Das Gesetz der wachsenden Glieder betrifft eigentlich die Silbenzahl (Kraut und Rüben).
 
 

Kommentar von Andreas U., verfaßt am 23.01.2017 um 21.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34392

Das, R. M., sieht die Wirtschaftswissenschaft freilich anders.

“Throughout history, until about the middle of the eighteenth century, mass poverty was nearly everywhere the normal condition of man.”
(Henry Hazlitt, The Conquest of Poverty, Irvington-on-Hudson, NY 1996:178)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.01.2017 um 19.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34375

Nein, der Normalzustand ist etwas zwischen Bettler und König; das war immer schon und ist überall so. Arm und reich bezeichnet also die Extreme. Im Englischen und Französischen ist die Wortstellung umgekehrt, aber überall steht das kürzere Wort an erster Stelle.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2017 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34369

Oder Armut ist der Normalzustand ("unmarkiert").
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.01.2017 um 10.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34368

Es wird hervorgehoben, daß sogar die Armen an etwas teilhaben?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2017 um 08.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34367

In Paarformeln herrscht gewöhnlich Ikonismus; das Positive, Nähere oder Wichtigere kommt zuerst: gut und schlecht, wahr und falsch, oben und unten usw. Die Umkehrung drunter und drüber bildet die Unordnung ab.

Was bedeutet es also, daß arm und reich sehr viel häufiger vorkommt als reich und arm?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2017 um 11.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#34316

"Auf keinen Fall kann die Komparationsbasis vor dem Komparativ stehen – das läßt sich problemlos mit der Funktion des Komparativs erklären: die Komparationsbasis kann nicht vor dem Vergleichsaspekt genannt werden, da sie ja den Fixpunkt auf der dem Adjektiv zugrundeliegenden Skala bestimmt." (Maria Thurmair: Vergleiche und Vergleichen. Tübingen 2003:195)

Aber das müßte dann universell gelten. In Wirklichkeit liegt es an dem als; wäre im Deutschen wie in anderen Sprachen ein reiner Kasus (etwa Instrumental oder Ablativ) ausreichend, könnte er voranstehen:

Phidiae simulacra quibus perfectius nihil videmus. – Amicitia colenda est, qua nihil melius habemus.

(Beispiel geborgt bei Rainer Thiel.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.10.2016 um 07.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33688

Zur Reihenfolge der Adjektivattribute: Die Dudengrammatik (2016:347) schreibt, Stichproben im IDS-Korpus hätten ergeben, daß schwarz zehnmal so oft vor schwer steht wie umgekehrt. Das leuchtet intuitiv nicht ein. Google ergibt ganz andere Befunde. schwerer schwarzer ist über doppelt so häufig wie schwarzer schwerer. Das gilt in verschiedenem Ausmaß auch für alle anderen Deklinationsformen. Der Befund ist so überwältigend, daß ich Gallmanns Angaben nicht traue. – Die Logik der Abfolge ist: Farbe ist eine intrinsische Eigenschaft der Dinge, während Gewicht erst durch einen Vergleich festgestellt werden muß, den der Sprecher durchführt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2016 um 14.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33599

Anatol Stefanowitsch hat beobachtet:

"It’s nice and warm in here does not mean ‘it is both nice and warm in here,’ but it means ‘it is warm in here and the warmth is nice.’

Das ist richtig und spielt auch bei der Reihenfolge deutscher Adjektivattribute eine Rolle (eine modische kurze Jacke u. ä.)

Aber bei der überaus häufigen englischen Wendung könnte zusätzlich die Aleph-Beth-Regel eine Rolle spielen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.10.2016 um 07.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33575

Entscheidungsfrage und Aufforderungssatz haben beide Verbspitzenstellung, und doch gibt es einen Unterschied. Für den Fragesatz ist die Spitzenstellung konstitutiv, bei der Aufforderung genügt die Imperativmorphologie, vgl. (Beispiel aus der Fachliteratur):

Bevor du weggehst, spülst du noch das Geschirr?
Bevor du weggehst, spül noch das Geschirr!


Der erste Satz enthält einen Satzbruch (Anakoluth), weil es gar kein Vorfeld gibt.
Im zweiten Satz könnte das Vorfeld auch anders gefüllt sein:

Vor dem Weggehen spül noch das Geschirr!

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2016 um 09.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33507

Es heißt, Goethe habe Wahrheit und Dichtung im Haupttitel wegen des häßlichen d-d umgestellt, aber vielleicht hat sich auch die "Aleph-Beth-Regel" ausgewirkt. In Dichtung und Wahrheit ist sie befolgt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2016 um 07.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33489

Man müßte ja sonst auf manches Wortspiel verzichten, wie es besonders die Werbung liebt:

Sie fahren mit Abstand am besten.
Natürlich sind Sie schön.

usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2016 um 05.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33485

Übrigens geht Eduard Engel auf die "Hauptfehler der deutschen Sprache" ein und zeigt auch, wie leicht man sie entschärfen kann. Er weiß auch, daß jede Sprache solche Schwachstellen hat, weshalb auch über den Sinn mancher Sätze aus den römischen Klassikern bis heute gestritten wird.
Man könnte wahrscheinlich streng beweisen, daß eine entwicklungsfähige natürliche Sprache zwangsläufig an einigen Stellen unbestimmt sein muß.
Für Engel ist das aber unbeträchtlich im Vergleich mit der Vernebelung durch Fremdwörter und andere imponiersprachliche Mittel.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.10.2016 um 11.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33469

Falls der Schreiber sich in die Rolle des Lsers versetzt. Laut Rechtschreibreform braucht er das nicht zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2016 um 19.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33458

Wenn es weiter nichts ist...

Mißverständnisse dieser Art auszuschließen gehört sicher zu den leichteren Übungen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.10.2016 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33457

Das ist der Hauptfehler der deutschen Sprache.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2016 um 04.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33456

Selbst die wiederholte stille Lektüre des gesamten Textes übertrifft das Hörbuch noch an Eindringlichkeit. (FAZ 4.10.16)

Wüßte man nicht, daß dies zum Lob des Hörbuchs geschrieben ist, könnte man in Zweifel geraten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.09.2016 um 15.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33392

Zu verschiedenen Einträgen in diesem Strang:

Die Umgangssprache vermeidet den Kausalsatz fast so sehr wie den Relativsatz. Meist begnügt man sich mit der Abtönungspartikel ja, die einen Zusammenhang andeutet, ohne ihn jedoch zu spezifizieren; das bleibt dem Hörer überlassen. Ähnlich appellierend ist der verkappte Kausalsatz mit Verb-Erststellung und der Abtönungspartikel doch; also ein Exklamativsatz:

Das christliche Latein war geradezu mit Griechisch aufgeladen. Bedienten sich doch die Christen im heidnischen Rom in den ersten drei Jahrhunderten des Griechischen und war doch die frühchristliche Literatur großenteils Übersetzung aus dem Griechischen. (LGL 180:653)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.09.2016 um 18.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33351

Es fehlt doch nur ein "es". Selbiges ist eine Eigentümlichkeit der deutschen Sprache und für Ausländer schwierig zu lernen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.09.2016 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33350

Zur "Inversion nach und" (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29164 und die anschließenden Kommentare)

Wie wir wissen, ist der Begriff falsch, weil es im Deutschen wegen der andersartigen Satzgliedstellung keine "Inversion" gibt. Unverfänglicher ist Engels "Satzdreh" (dazu http://www.kritische-ausgabe.de/artikel/eduard-engels-deutsche-stilkunst-und-ludwig-reiners-revisited).

Es geht einfach darum, ob und warum und als vorfeldfüllendes Adverb gebraucht werden kann. Heute gilt es als einer der bekanntesten Fehler und wird vor allem dem Kaufmannsdeutsch angekreidet. Ralf Vollmann hat es entsprechend im österreichischen Kaufmannsdeutsch untersucht. Alle größeren Grammatiken besprechen es, die historischen weisen es seit dem Mittelhochdeutschen nach, dann von Luther bis zu Grimms Märchen, wo aber schon der Rückbau bewußt vorgenommen wird.

Eduard Engel behandelt es (Neuausgabe 2016:110) und bemerkt beiläufig, daß etwa Luthers Konstruktion nicht ganz dasselbe ist wie die heutige.

Einige Beispiele sind in Wirklichkeit nicht einschlägig:

Zudem wurde der Zeuge unter Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer Falschaussage einvernommen und ist kein Hinweis zu Tage getreten, dass der Zeuge die Beschuldigte wahrheitswidrig belasten hatte wollen. Außerdem unterliegt der Zeuge aufgrund seines Diensteides und aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Stellung nicht nur der Wahrheitspflicht, sondern treffen ihn im Falle einer Verletzung dieser Pflicht nicht nur straf- sondern auch dienstrechtliche Sanktionen.

Seit 1899 gehere ich zum Barlamend und ist es mein Bemiehen gerechd zun regihren.

Vielmehr wird das Schloss privat genutzt und residieren dort einige Auserwählte unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
(https://static.uni-graz.at/fileadmin/_Persoenliche_Webseite/vollmann_ralf/Publikationen/VR2015A_und-inv.pdf)

Hier geht jedesmal ein Adverbial voraus, daß als vorfeldfüllend auch für den zweiten Teil der Koordination angesehen werden kann. Ein besseres Beispiel, ebenfalls aus einem Filser-Brief, ist:

Die brofesser auf der Unifersatet sind meischtens Breißen und muhs disses Unglik abgeschaft werden.

Aus dem Götz:

Wir wollen fort! und soll die Hasenjagd angehn.

Aus Grimm:

Rotkäppchen aber ging fröhlich nach Haus, und tat ihm niemand mehr etwas zuleide. (später normalisiert, wie auch die Lutherbibel)

Der Satzdreh scheint also der mündlichen Umgangssprache anzugehören, bevor er in den steifen Kaufmannsstil übernommen wird, der uns nicht weiter zu interessieren braucht.

Es scheint drei Erklärungsversuche zu geben:

1. Das Wort und könnte früher eine andere Bedeutung gehabt haben, etwa "und auch/darüber hinaus/demgegenüber" u. ä.
2. Es könnte sich um gedeckte Verb-Erst-Sätze handeln, wie sie althochdeutsch und später noch üblich waren und heute im volkstümlichen Erzählen überleben: Kommt ein Mann in die Kneipe...
3. Der Sprecher könnte das Gefühl haben, mit dem gesamten ersten Konjunkt, ganz gleich in welcher grammatischen Form, irgendwie das Vorfeld besetzt zu haben und dann mit einem weiteren Prädikat fortfahren zu können.

In schriftlichen Texten neigen wir dazu, die grammatische Konstruktion "nachzurechnen", und dann fällt der Satzdreh natürlich heraus.

Die erste Erklärung u. a. bei Behaghel, die dritte mit anderen Worten bei Vilmos Ágel (wenn ich ihn recht verstehe).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.08.2016 um 06.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33119

Die FAZ bringt mich gerade auf Itsy Bitsy Teenie Weenie – perfekte Anwendung der Regel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2016 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#33088

Ilse ist Elisabeth, und Ilsebill, die Frau des Fischers, wird auf die Verbindung mit Sibylle zurückgeführt. Allerdings könnte auch die im vorigen Eintrag besprochene mechanische Entstehung erwogen werden. Die unbeliebte Ilse Bilse, die auch Winkler zitiert, sieht ganz nach kindlicher Erfindung gemäß der Aleph-Beth-Regel aus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2016 um 12.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32950

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26365

Gewissermaßen ergänzend und überlappend zum Gesetz der wachsenden Glieder wäre die "Aleph-Beth-Regel" zu erwähnen. Jacob Wackernagel hat im Anschluß an eine etwas rätselhafte Vorschrift Pâninis zur Reihenfolge der Glieder in Kopulativkomposita (P. II, 2, 33) und an einen Aufsatz von Hans Alexander Winkler gezeigt, daß in Paarformeln sinnloser Wörter, Zauberformeln, Kindersprüchen usw. oft ein labialer Anlaut im zweiten Teil zu beobachten ist: Hokusposkus, eia popeia, hodge-podge, hangen und bangen, Gut und Blut, Rand und Band, Grund und Boden, angst und bang(e), Schorle-Morle, Hand und Fuß, hegen und pflegen, Hülle und Fülle, Handel und Wandel, Saus und Braus; Basler Jugendsprache: änige bänige, elleri belleri usw.

Der Befund in vielen Sprachen der Welt geht weit über den Zufall hinaus, ist aber, soviel ich weiß, unerklärt.

(s. Winkler: Die Aleph-Beth-Regel: Eine Beobachtung an sinnlosen Wörtern in Kinderversen, Zaubersprüchen und Verwandtem. Fs. Littmann 1935; Wackernagel Kl. Schr. I:434ff.)
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 30.04.2016 um 13.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32456

Es ist zwar nur eine terminologische Frage... – aber gute Terminologie ist die halbe Wissenschaft.
Den Autoren scheint einiges nicht klar zu sein. Was ist das Kennzeichen eines "Hauptsatzes" im Deutschen? Ich würde sagen, es ist ein Teilsatz, der, nachdem alles anderen Teilsätze abgestrichen und ggf. durch Platzhalter ersetzt wurden, ohne weitere Umformungen für sich stehen kann.
Daß uns der Anblick von Tieren so ergötzt, beruht hauptsächlich darauf, daß es uns freut, unser eigenes Wesen so vereinfacht vor uns zu sehen.
{es} beruht darauf. ist ein korrekter Satz,
(Daß) uns der Anblick von Tieren so ergötzt nicht. Der Nebensatz oder abhängige Satz zeichnet sich dadurch aus, daß zusätzlich noch eine Umformung zu Uns ergötzt der Anblick von Tieren so nötig ist (Andere Sprachen kennen besondere Verbformen im Abhängigen Satze).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2016 um 11.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32454

Es ist, wie schon oft gesagt, grundverschieden, ob das Verb auf das Subjekt folgt oder an zweiter Stelle steht. Wie verschieden es ist und daß beides grundsätzlich auch von Tieren gelernt werden kann, zeigt in allgemeinverständlicher Weise http://de.in-mind.org/article/bitte-draengeln-dann-geht-alles-schoen-der-reihe-nach-wie-wir-reihenfolgen-abspeichern-und
Dort auch Verweise auf die Forschungsliteratur, die sich bis heute mit einem von Lashley aufgeworfenen Problem herumschlägt. Weiteres findet man unter dem Stichwort "competitive queuing".
Wären unsere Nerven nicht hauptsächlich mit dem Unterdrücken von Impulsen beschäftigt, würden wir die ganze Zeit spastisch herumzucken wie Epileptiker. Die Hemmung ist, soviel ich weiß, zuerst und am gründlichsten an der Netzhaut studiert worden (laterale Inhibition/Hemmung), s. dieses Stichwort mit sehr anschaulichen Illustrationen.
Das Thema ist wichtig, weil sowohl Chomsky als auch Skinner von Lashleys "Problem of serial order in behavior" angeregt worden sind. Lashley hatte hier, wie auch sonst meistens, keine Lösung, aber er hat die richtigen Fragen gestellt, die auf allen Gebieten zu ausgedehnten Forschungen führten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.04.2016 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32401

Wie gesagt (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29222), würde ich den Begriff des "Vorvorfeldes" gern aufgeben. Es gibt für das Vorvorfeld keine definierbare Struktur und Funktion, es ist nicht "in Konstruktion" mit einem Matrixsatz, d. h. es hängt nirgendwo ab, ebenso wie Parenthese (Schaltsatz) und Nachtrag. Vielleicht sollte man von "Zwischensatz" sprechen, auch wenn es sich manchmal um den Textanfang handelt.
Es geht aber nicht nur um Terminologie. Der Begriff "Vorvorfeld" ordnet ja immer noch etwas einem übergeordneten Satz zu, wegen des Vorurteils, daß alles irgendwo abhängen müsse.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2016 um 10.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32395

"Wenn ein Nebensatz vor dem Hauptsatz steht, steht die finite Verbform im Hauptsatz an erster Stelle." (http://www.deutschplus.net/pages/445)

So oder ähnlich liest man es immer noch, gerade im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Es ist zwar nur eine terminologische Frage, aber eine solche Formulierung verdunkelt gerade für den Lernenden die Grundlagen der deutschen Satzgliedstellung. Schon die älteren Grammatiker haben dagegen protestiert, den Satzrest als "Hauptsatz" zu bezeichnen.

Daß uns der Anblick von Tieren so ergötzt, beruht hauptsächlich darauf, daß es uns freut, unser eigenes Wesen so vereinfacht vor uns zu sehen. (Schopenhauer)

Dass Wortbildung die im Deutschen amhäufigsten genutzte Möglichkeit der Wortschatzerweiterung darstellt, liegt daran, dass sie gegenüber den anderen Verfahren gewichtige Vorzüge hat. (Dudengrammatik 2005:647)

Hauptsätze wären hier beruht hauptsächlich darauf und liegt daran – ziemlich absurd. Satzglieder können eben auch satzförmig (verbhaltig) sein, im übrigen gilt die Verbzweitstellung, das ist alles. Nach der einleitend zitierten Fassung müßten die Ausländer eine Ausnahme lernen: Wann steht das Verb in Aussagesätzen in Erststellung? Aber das tut es gar nicht.

 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.04.2016 um 12.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32226

Das waren eigentlich nicht meine Bedenken, lieber Prof. Ickler. Meine letzten Beispiele waren nur als nicht ganz ernst gemeinte Erwiderung auf Herrn Achenbach gemeint: Wenn "Möge Gott dir gnädig sein" kein Imperativsatz wäre, wie Herr Achenbach wohl annimmt (etwa nur deswegen, weil sich darin eher ein Wunsch ausdrückt als ein Befehl an Gott), dann dürfte eigentlich auch "Ruhe in Frieden" aus dem gleichen Grund keiner sein.

Ansonsten habe ich diese Beispiele und solche wie die interessanten Hans-Altmann-Zitate sehr wohl für Imperativsätze gehalten und fühle mich nun darin bestätigt, auch durch Ihre Anmerkung zum Konjunktiv als Lückenfüller des Imperativparadigmas. Das gleiche meint sicher auch Herr Ludwig mit der Erwähnung des Optativs.

Das Beispiel "Gehen wir!" ist wohl auch ein Konjunktiv, auch wenn dieser sich hier von der 1. Person Plural Ind. nicht unterscheidet. Auffällig ist immer die Verberststellung.

Kann man also etwa so definieren:
Imperativsätze sind solche, bei denen das finite Verb in Erststellung im Imperativ oder ersatzweise im Konjunktiv steht, und die eine Aufforderung oder einen Wunsch ausdrücken? Kann man auch Bildungen mit Hilfsverben in Erstellung dazurechnen? Etwa:
- Gehen wir! Mögen wir gehen!
- Soll er doch kommen!
- Gewönne doch der Konjunktiv! (So hieß einmal ein Artikel im MM.)
- Sei n eine natürliche Zahl.

Der Haupteintrag heißt ja hier "Deutsche Wortstellung". Mir scheint die Verberststellung eben auch ein wesentliches Kriterium für einen Imperativsatz zu sein. Kann man etwa sagen:
"Gott möge dir gnädig sein" ist ein normaler Aussagesatz im Konjunktiv, während "Möge Gott Dir gnädig sein" doch die typische Form eines Imperativsatzes hat?

Seltene Ausnahmen, wo Verberststellung auch in Aussagesätzen auftritt ("Kommt ein Pferd in die Bar ...", #32213), kann man vielleicht wegen der fehlenden Bedeutung als Aufforderung, Wunsch ausschließen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.04.2016 um 06.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32220

Das Imperativparadigma wird durch Konjunkivformen aufgefüllt, Aufforderungen können, wie gesagt, auch anders ausgedrückt werden. Deshalb unterscheidet man zweckmäßig zwischen lateinischer Bezeichnung der Formen und deutscher der Funktionen.

Ihre Bedenken, lieber Herr Riemer, teilt Hans Altmann, der vor längerer Zeit schrieb, die folgenden Imperativsätze könnten "nicht mehr unter einem wenn auch noch so abstrakt gefaßten Handlungstyp vereinigt werden":

(1) Sei kein Frosch! Geh zu Fröschl! (Ratschlag)
(2) Fahr zur Hölle! (Verwünschung)
(3) Gehab dich wohl und bleib gesund! (guter Wunsch)
(4) Halt's Maul! (beleidigende Zurechtweisung)
(5) Ach leck mich doch am Arsch! (Beleidigung)
(6) Bring doch bitte ein paar Zigaretten mit! (Bitte)
(7) Laß mich in Ruh! (Zurückweisung)"

Keiner der Handlungstypen in Klammern ist definiert, die Zuweisung zu den Beispielsätzen folglich rein intuitiv und im einzelnen zweifelhaft. Noch auffälliger ist die Inhomogenität und gegenseitige Nicht-Exklusivität der Funktionsbegriffe. Warum soll man nicht jemanden "zurückweisen" und eben dadurch "beleidigen" können? Was ist der Unterschied zwischen Zurückweisung und Zurechtweisung? Sind Verwünschungen und gute Wünsche außer durch ihren lexikalisch bestimmten Inhalt kategorial verschieden?
Alle angeführten Sätze drücken in ihrer gewöhnlichen Verwendung Aufforderungen aus. Aufforderungen können grob oder freundlich ausgedrückt werden. Sie können auch etwas Unmögliches verlangen. (Skinner hat hierfür den Begriff des "magischen Mand".)
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 08.04.2016 um 23.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32219

Zu #32213, #32215, #32218 und gemeinten Aufforderungen und förmlichen Imperativen:
Ich erinnere mich, gelehrt beikommen zu haben (Schröbler, FU Berlin), daß unsere Imperative auf frühere Optativformen zurückgehen. Und "gehen wir" ist eben eine Imperativstruktur, bei der der Sprecher bei den Aufgeforderten mit eingeschlossen ist. Bei "Ruhe in Frieden!" und "Gehet hin in Frieden!" sollten wir sowieso keine weiteren Probleme haben. Bei "Lasset uns beten" haben wir eine interessante Mischform, für die lateinische Aufforderung "oremus". Richtig interessant wird es aber bei Imperativformen von den modalen Hilfsverben, wo mir zum Beispiel keiner eigentlich befehlen kann, etwas zu können, müssen usw. Bei denen ist das Optativische manchmal noch möglich, das Imperativische, meine ich, nicht, auf jeden Fall nicht so ohne weiteres. Als Aufforderungen aufgefaßte Ausdrücke wie "jetzt wird getanzt" gibt es noch so einige: "Die Augen ... rechts!", "Still ... gestanden!", "Augen auf!", "Achtung!", ja, sogar einfach Namen wie in: Die Frau auf dem Beifahrersitz zu dem Anhalter auf dem Rücksitz über ihren Mann am Steuer: "Sie brauchen keine Angst zu haben; mein Egon kennt diese Strecke wie im Schlaf. Nicht wahr, Egon? ... Egon. ... Egon!!!"
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.04.2016 um 21.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32218

Hmm, wie ist es denn mit "Ruhe in Frieden!", wollen Sie das etwa ernsthaft als Imperativsatz bezeichnen? Oder wenn der Pfarrer sagt: Gehet hin in Frieden!"?

Ich denke, manches könnte schon formal ein Imperativsatz sein, auch wenn es von der Bedeutung her eher ein Wunsch als ein Befehl ist.

Bei den Beispielen, die ich genannt habe, bin ich halt auch im Zweifel, deshalb frage ich ja.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.04.2016 um 18.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32217

Lieber Herr Riemer,

wollen Sie ernsthaft "möge Gott dir gnädig sein" als "Imperativsatz" bezeichnen?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 08.04.2016 um 14.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32216

Griechen sind besonders Aufforderungen wie "jetzt wird getanzt" zum Kopfschütteln fremd.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.04.2016 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32215

Man darf eben Seiten wie http://www.grammatiken.de/grammatik-glossar/imperativsatz.html einfach nicht zu ernst nehmen. Das habe ich zwar nicht, aber manches wie z. B.

- Soll er doch kommen!
- Mögen wir gewinnen!
- Gehen wir!

habe ich bisher dennoch auch für Imperativsätze gehalten. Kann man als echte Imperativsätze nur solche mit einem Verb im Imperativ bezeichnen?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.04.2016 um 13.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32214

Ausländischen Deutsch-Lernern, besonders solchen aus slawischen Ländern, bereitet das vorangestellte "Es" Schwierigkeiten, denn es scheint eine deutsche Spezialität zu sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.04.2016 um 12.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32213

Dem Sinn nach kann ein Satz eine Aufforderung enthalten, ohne deshalb ein Imperativsatz zu sein. Es gibt allerding seit alters Verb-Erst-Sätze als Aussagesätze; sie werden neuerdings stark beachtet ("Kommt ein Pferd in die Bar...". In Normalprosa schieben wir meist ein es als Vorfeldfüller ein.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.04.2016 um 13.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32212

Anfangen, so etwa dachte ich ja, und was auch immer für eine Hasenjagd, ist auch egal, "soll die Hasenjagd anfangen" ist doch ein Imperativsatz, oder nicht? Dann steht also, genau wie in einem Fragesatz, das finite Verb an erster Stelle. Warum muß man sich dann überhaupt Gedanken über ein Vorfeld machen?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.04.2016 um 12.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32211

Die Stelle heißt richtig: »Wir wollen fort! und soll die Hasenjagd angehn.«
angehn heißt hier soviel wie anfangen, wobei auch der erwünschte Erfolg mitschwingt, vgl. Adelung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.04.2016 um 11.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32210

Ehrlich gesagt, ich verstehe den Satz "und soll die Hasenjagd angehen" überhaupt nicht. Ich habe mir den Kontext im Original durchgelesen, auch da verstehe ich es nicht. Es ist nirgendwo sonst von einer Jagd die Rede. Ist im übertragenen Sinne eine Verfolgung gemeint? Was bedeutet "angehen"? Anfangen, beginnen oder vielleicht weitergehen, fortdauern?

Wie kann man einen Satz grammatisch deuten, der so unverständlich ist? Was das "und" betrifft, denke ich, man kann es auch weglassen, es hat keine besondere Bedeutung. Könnte der Rest nicht eine Art Imperativ sein, wo sowieso das finite Verb ganz normal in Erststellung steht?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.04.2016 um 06.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32206

Noch einmal zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29523

Wir wollten fort, und soll die Hasenjagd angehen.

Man könnte an folgende Erklärung denken: Der Sprecher hat das Gefühl, mit und und dem Vordersatz das Vorfeld gefüllt zu haben, so daß das finitive Verb tatsächlich die normale Zweitstellung einnimmt.

Ähnlich könnte man vermuten, daß regional der Ersatzinfinitiv statt des Partizips gesetzt wird, weil der Sprecher glaubt, seine "Perfekt-Verpflichtung" bereits erfüllt zu haben.

Das Muster dieser Erklärungsweise ist: aus aller Herren Länder. Hier sind viele Sprecher erstaunt, wenn man sie darauf hinweist, daß sie ihre Dativ-Verpflichtung keineswegs erfüllt haben. Ähnlich die vielbesprochene Konstruktion mit dem unmarkierten Genitiv bei Einwohneradjektiven: die Meinung Schweizer Bürger.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.04.2016 um 22.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32204

Doch Jupiters Polarlichter liegen kompliziertere Mechanismen zugrunde als bei den irdischen Pendants.
(FAZ, 6.4.2016, Seite N2)

Die irreführende Wortstellung vernebelt hier die Kasusforderung. Was liegt wohl wem (Dativ!) zugrunde, die Polarlichter den Mechanismen oder umgekehrt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.03.2016 um 19.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#32125

Mit absoluter Sicherheit ist die Todesursache nicht mehr herauszufinden. (spiegel.de 31.3.16)

Der Satz ist zweideutig:

1. Es ist absolut sicher, daß die Todesursache nicht mehr herauszufinden ist. (Satzadverbial)
2. Die Todesursache ist noch herauszufinden, aber nicht mit absoluter Sicherheit.

Eindeutig wäre:

Die Todesursache ist nicht mehr mit absoluter Sicherheit herauszufinden.

Alltäglicher Kleinkram...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2016 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#31191

Ja, ohne Komma in meiner Quelle, und zwar mit Recht, denn nach meiner Erfahrung wird es auch intonatorisch integriert gesprochen. Schade, daß ich gerade keine Tonaufnahmen von Spontansprache habe.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.01.2016 um 08.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#31190

Ohne Komma?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2016 um 07.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#31189

Umgangssprachlich hört man oft so etwas:

Fängt nicht besonders gut an dieser Tag. Funktioniert gut mein Einmannbetrieb.
Ist echt ausbaufähig dieses Unternehmen.


Alle drei Beispiele aus Doris Meißner-Johannknecht: Rattenflug. Weinheim 1999.

Ich würde daraus aber keine eigenständige Regel machen, sondern das nachgetragene Subjekt zu den Reparaturroutinen stellen. Also Verbzweitstellung mit kontextbedingt ausgelassenem Subjekt und Nachtrag.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2016 um 07.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#31188

Ich beurteile den Satz ebenso. Wahrscheinlich führt die frühe Stellung des Reflexivums dazu, daß man es auf beide Verben zu beziehen versucht ist.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.01.2016 um 23.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#31121

Lange hielten es Physiker für möglich, dass sich das Auseinanderdriften der Galaxien mit der Zeit verlangsamen oder gar zu einem Stillstand kommen könnte.
(SZ, 31.12.15, S. 18)

Das klingt für mich so, als ob sich das Auseinanderdriften zum Stillstand kommen könnte. So eine Koordination halte ich deshalb für falsch. Akzeptabel fände ich dagegen z. B.:
..., daß das Auseinanderdriften der Galaxien sich mit der Zeit verlangsamen oder gar zu einem Stillstand kommen könnte.

Andererseits - eine Koordinierung, die mir ähnlich unpassend schien, wurde hier durchaus schon akzeptiert. Oder sind diese Fälle doch etwas unterschiedlich gelagert?

Nur weil's aus dem gleichen Zeitungsartikel stammt:

Früher oder später geht den Sternen zunehmend der Brennstoff aus.

Der Brennstoffvorrat ist sozusagen zunehmend abnehmend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2015 um 08.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#30881

Ich sehe das Problem wie Herr Riemer und erkläre es wieder einmal aus einer Konstruktionsmischung. Der Verfasser tut so, als hätte er ein Verb wie ansehen als, betrachten als verwendet und nicht das anders konstruierte ausgehen von.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 13.12.2015 um 23.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#30876

Als Ursache des Brandes geht die Polizei nicht von einem technischen Defekt aus.

Ich sehe hier kein Problem, ebensowenig in:

Von einem technischem Defekt geht die Polizei nicht als Ursache des Brandes aus.
Von einem technischem Defekt geht die Polizei als Ursache des Brandes nicht aus.

Ich kenne ihn nicht als Künstler.
Als Künstler kenne ich ihn nicht.
Nicht als Künstler kenne ich ihn.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.12.2015 um 19.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#30875

Als Ursache des Brandes geht die Polizei nach bisherigen Erkenntnissen nicht von einem technischen Defekt aus.
(MM, Sonntag Aktuell, 13.12.2015, S. 7)

Meiner Ansicht nach ist das fehlerhaftes Deutsch. Das Satzglied von einem technischen Defekt als Ursache des Brandes kann man nicht teilen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.10.2015 um 15.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#30311

MM von heute, S. 32:

Bei zwei Unfällen in der Vorderpfalz sind gestern Morgen ein Mann tödlich verunglückt und eine Frau schwer verletzt worden.

Der Satz kommt mir aus zwei Gründen schief vor:
Einmal der m. E. zweifelhafte Plural sind statt ist, zum andern die zweiteilige schließende Satzklammer, ohne und mit worden. Ich fühle mich verleitet zu fragen: Wie ist der Mann verunglückt worden?

Meiner Meinung nach sollte in so einem Fall der finite Teil wiederholt werden:
- Bei zwei Unfällen in der Vorderpfalz ist gestern morgen ein Mann tödlich verunglückt und ist eine Frau schwer verletzt worden.
Aber besonders schön klingt dieses 'und ist' auch nicht, also würde ich zwei Teilsätze daraus machen.

Vor allem interessiert mich, wie man es in solchen Fällen am besten mit Singular oder Plural hält. Dazu verändere ich das Beispiel etwas:

- Gestern ist/sind ein Mann verunglückt und eine Frau gestürzt.
- Gestern ist/sind ein Mann überfahren und eine Frau verletzt worden.
- Gestern wurde/~n ein Mann leicht und eine Frau schwer verletzt.

Gehe ich recht in der Annahme, daß hier immer der Singular stehen sollte?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2015 um 04.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29762

Gute Beobachtung! Die Belege sind zwar nicht sehr zahlreich, aber auch für mich unanstößig.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 21.08.2015 um 20.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29760

Sätze wie
Einem kann übel werden, wenn man das sieht.
Einen überkommt ein merkwürdiges Gefühl, wenn man so auf den Stufen des Domes steht.
kommen mir nicht gar so falsch vor. Vielleicht hat es mit den angesprochenen Gefühlsregungen zu tun?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.08.2015 um 04.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29750

Bei man/einer sind alle obliquen Formen ausgeschlossen. GRAMMIS sagt dazu:

"Einige wenige Einheiten sind eindeutig nicht vorfeldfähig: die Akkusativformen des anaphorischen (14) und fixen es (15), das lexikalische sich (16) und die suppletiven Dativ-/Akkusativformen des generalisierenden Personalpronomens man (17):
(14) *Es hat sie eigentlich nie bedauert.
(15) *Es meinst du gut mit ihm.
(16) *Sich konnte der Schatzmeister daran nicht erinnern.
(17) *Einem kann das öfter passieren."



Mit Stützwort geht es wieder:

Einem selbst kann das alles also komplett egal sein. (Internet, viele Belege)

Die Vorfeldfähigkeit geht mit Betonbarkeit einher.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.08.2015 um 16.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29749

zu es selbst haben wir aber nicht gesehen:

Danke. Ich hatte nicht in Betracht gezogen, daß auch getrennte, vollständige Wörter Klitisierungen sein können, sondern hatte im Zusammenhang mit es nur an Beispiele wie du's, dir's, hat's usw. (meist eher mundartlich) gedacht.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 20.08.2015 um 14.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29748

Interessant, daß die entsprechenden Genitiv- und Dativformen keine Schwierigkeiten machen:
Das Glück sei uns hold. Seiner bedürfen wir.
Entscheidend war das Training. Ihm verdanken wir den Sieg.
Nur der – mit dem Nominativ gleichlautende – Akkusativ des neutralen Pronomens ist "verboten" bzw. nur eingeschränkt verwendbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.08.2015 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29745

Das hatten wir schon hier (Beispiel mit Loch Ness).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.08.2015 um 12.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29744

Darf ich fragen, wie das mit dem Stützwort gemeint ist? Ich versuche, ein Beispiel zu konstruieren, wo ein Akkusativ-es an ein Stützwort angelehnt im Vorfeld steht, aber es will mir nicht gelingen. Geht das denn?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.08.2015 um 06.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29743

es kann allein (ohne Stützwort) nur dann im Vorfeld stehen, wenn es Nominativ ist (*Es habe ich noch nie gesehen).
Dasselbe gilt aber auch für man bzw. die suppletiven Formen einen usw., auch für einer selbst:

Einer kann sehr viel Kenntnisse haben, ohne darum die mindeste Macht zu besitzen, während ein Anderer die höchste Gewalt hat, bei blutwenigen Kenntnissen. (Schopenhauer)

Die Gründe sind unklar. Mit "Klitisierung" beschreibt man die Tatsachen nur noch einmal.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.07.2015 um 12.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29523

„Nach und ist es früher sehr üblich gewesen, gleich das Zeitwort zu setzen, und zwar nicht nur im Mhd., sondern auch noch zur Zeit Luthers und Goethes (Wir wollten fort, und soll die Hasenjagd angehen, Goethe). Trotzdem kann man diesen Gebrauch, der heute wieder schrankenlos um sich greift, schon deshalb nicht so ohne weiteres empfehlen, weil er in sehr vielen Fällen das innere Verhältnis der beigeordneten Sätze zu sehr verschleiert.“ (Ludwig Sütterlin: Die deutsche Sprache der Gegenwart. Leipzig 1910:290)

Es handelt sich also möglicherweise nicht um geschichtliche Kontinuität. Zugleich ist der normative Gesichtspunkt in Sütterlins Empfehlung durchaus vernünftig.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.07.2015 um 18.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29382

Ich bin zufällig auf ein Beispiel gestoßen, das ich in www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=867#28208 schon gebracht habe, das aber auch hier ganz gut paßt:

... ein sehr massereiches Schwarzes Loch, umgeben von einer stark leuchtenden Scheibe aus aufgeheizter Materie, die sich der Koloss nach und nach einverleibt und dadurch noch weiter wächst.
(SZ, 26.2.15, S. 14)

Ist das nicht mindestens ebenso "unschön" wie
Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich ...?

Im schon besprochenen Satz vermißt man ein ich, im andern ein der.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 01.07.2015 um 19.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29323

War auch nur der Vollständigkeit halber (und darum nur als Randbemerkung).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2015 um 06.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29312

Ich bin völlig einverstanden. Nur das PS, in dem Sie meine Bemerkung kritisieren, trifft nicht, denn aus dem Zusammenhang geht bei mir ja gerade hervor, daß das subjektlose Beispiel gemeint war.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 30.06.2015 um 19.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29309

Das hat man nun davon! Da benutzt man mal der Einfachheit halber (und in der offenbar vergeblichen Hoffnung auf wohlwollendes Verständnis) einen ungeliebten Begriff, und schon soll man sich in irgendwelchen Vorfelddiskusionen verzetteln und verschleißen. Ich interessiere mich nicht für das Vorfeld und dessen Abgrenzungsprobleme; damit können sich andere herumschlagen! Mir reicht es, wenn das Verb an zweiter Stelle steht, wie es in allen Sätzen (1) bis (8) und darüber hinaus der Fall ist. Daß man über die Kuppelglieder nochmal gesondert reden muß, habe ich auch schon vermerkt, Sie müssen keine Eulen nach Athen tragen. (Obwohl, bei der derzeitigen Währungskrise...) Bei, einfaches Beispiel,
Ich eile und ich weile
gehört das und natürlich zu keinem der beiden Teilsätze, sondern verbindet sie eben.

Die "Ersetzungsprobe" machen Sie dann, indem Sie diesen beliebigen Inhalt, egal ob als Vorfeld zutreffend oder nicht, durch ein einfaches, korrektes Vorfeld (z. B. "ich") ersetzen. Auf diese Weise können Sie natürlich jeden noch so abwegigen Unsinn "beweisen", Sie ersetzen ihn einfach durch etwas Korrektes und fertig. Nun ging es umgekehrt um das, was dahinter kommt, speziell darum, aufzuzeigen daß und warum der Achenbachsche Vergleichssatz unheilbar falsch ist. Im übrigen vermisse ich immer noch ein Argument, warum an den anderen Beispielsätzen etwas falsch sein soll. (Da sie allesamt grammatisch richtig sind, kann ich auch nichts "Falsches" durch etwas "Korrektes" ersetzen.)
Ich habe auch keine Lust mehr auf diese ganze Kritikasterei. Ich muß doch nichts erklären (und schon gar keine Ellipsen, Vorfelder, Vorvorfelder oder Meyer-Vorfelder!); die Vertreter der Ellipsentheorie sind es, die endlich erklären müssen, warum sie bestimmte Sätze für falsch, andere, strukturell völlig gleiche aber für richtig halten. Es hieß dazu mal: Der erste zu koordinierende Teil ist also seinerseits in zwei Stücke gespalten. Dazwischen liegt das Subjekt als gemeinsames Satzglied, das sich auf beide zu koordinierende Teile beziehen soll. Bzgl. Teil1 steht es also innerhalb der Satzklammer, bzgl. Teil2 davor. Das Vorfeld des Satzes verträgt sich nur mit dem ersten Teil der Koordinierung, nicht mit dem zweiten. Gerade deshalb hatte ich Beispielsätze mit unterschiedlicher Stellung des Subjekts angeführt. Ich weiß aber keine Regel, aus der sich solches ableiten ließe.

PS: Natürlich ist X verstehe ihn aber nicht ein Satz, wenn X das Subjekt enthält und ein einzelnes Satzglied darstellt, also etwa
Ich, der über keine Fremdsprachenkenntnisse verfügt, verstehe ihn aber nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2015 um 05.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29297

Wenn ich nur mal den folgenden Satz aus der Beispielreihe von Herrn Strowitzki herausgreife:

Gelesen habe ich den Text, verstehe ihn aber nicht.

Der erste Teilsatz steht nicht im Vorfeld, denn X verstehe ihn aber nicht ist überhaupt kein Satz (wobei X für Beliebiges steht, zum Beispiel auch den ersten Teilsatz). Es fehlt ja das Subjekt.

Die kanonische Form wäre:

Ich habe den Text gelesen, verstehe ihn aber nicht.

Das Partizip ist dann "topikalisiert" (statt des Subjekts ins Vorfeld gerückt), der Rest bleibt gleich.

Strukturell gleichwertig:

Ich habe den Text gelesen, aber verstehe ihn nicht.
Ich habe den Text gelesen und verstehe ihn nicht,
Ich habe den Text gelesen und nicht verstanden.


Stets geht es um mehrere Prädikate zum selben Subjekt, aber wer die logizistische Ellipsendeutung bevorzugt, mag sich mit deren Problemen herumschlagen (was besonders bei mehr als zwei Prädikaten recht lustig werden dürfte, wie aus der großen Zeit der conjunction reduction in Erinnerung).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.06.2015 um 21.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29296

Lieber Herr Strowitzki, Ihre Auffassung vom Vorfeld kann ich schon deshalb nicht teilen, weil Sie anscheinend jeden beliebigen Inhalt, der irgendwo vor einer finiten Verbform steht, zum Vorfeld erklären. Die "Ersetzungsprobe" machen Sie dann, indem Sie diesen beliebigen Inhalt, egal ob als Vorfeld zutreffend oder nicht, durch ein einfaches, korrektes Vorfeld (z. B. "ich") ersetzen. Auf diese Weise können Sie natürlich jeden noch so abwegigen Unsinn "beweisen", Sie ersetzen ihn einfach durch etwas Korrektes und fertig.

In Ihrem Beitrag #29202 sind von (1) bis (8) nur die Beispiele (1) und (4) richtig, die anderen Markierungen sind keine Vorfelder eines Satzes.
Was gar nicht geht, ist vor allem die Anknüpfung des Vorfeldes ans Prädikat mit einer Konjunktion ("und" bzw. "aber"). Was sollte denn ein "A und" überhaupt bedeuten? Was "und"? Im Vorfeld muß ja zumindest ein vollständiges Satzglied stehen, also wenigstens "A und B".

#29216 zeigt ein schönes Beispiel, wo das Vorfeld auf die Konjunktion "aber" endet ("Bleiben aber werden die Veränderungen ..."), allerdings ist dieses "aber" nachgestellt, es verbindet "bleiben" mit dem noch früher (in einem andern Satz) Gesagten. So etwas ist mit "und" nicht möglich, denn nach "und" muß immer noch irgend etwas kommen, was dann natürlich auch zum Vorfeld gehört.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 26.06.2015 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29279

Lieber Herr Achenbach und auch Herr Riemer,
wir kommen einfach nicht zusammen, und ich rätsele, warum.
"(V)on Ellipse kann man immer reden." Da haben Sie recht. Das hat dann was von Transformationsgrammatik. Es wird eine Tiefenstruktur postuliert, aus der dann mittels bestimmter Transformationsregeln (hier: Ellipsen) die Oberflächenstruktur erzeugt werden muß. Aber der Gedanke war andersherum: Warum manchmal auf die Ellipsentheorie rekurrieren und manchmal nicht? Bei einigen der Sätze gestehen Sie ja auch zu, daß man sie mit einfacher Koordination deuten kann, bei anderen aber nicht. Und das bei strukturell gleichen Sätzen. Sie scheinen in der bloßen Wortstellung (oder auch dem Tempus bei meinem letzten Beispielsatz) doch einen Strukturunterschied zu sehen. Aber welchen und warum??
Bei
*Ich freue mich und Deinen Brief habe erhalten
allerdings liegt der Strukturunterschied darin, daß der Satz einfach falsch ist. (Was auch, wie von Herrn Ickler schon vermerkt, die Ersatz- oder Weglaßprobe bestätigt.)
Im zweiten Teilsatz muß die finite Verbform, wie stets, an zweiter Stelle stehen. Da der erste Teilsatz nun die Erstgliedposition ausfüllt (auch wenn Herrn Riemer das absurd vorkommt, was ich wiederum nicht verstehe), muß das Verb unmittelbar danach kommen, wie es auch bei den anderen Beispielsätzen der Fall ist. Hier aber wird noch ein Akkusativobjekt eingeschoben. Damit steht das Verb erst an dritter Stelle, was eben nicht den Regeln des deutschen Satzbaus entspricht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.06.2015 um 05.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29268

Übrigens unterscheiden sich hier auch Blatz und Paul. Für Blatz ist ein Satz mit dem finiten Verb gegeben (wie bei den altindischen Grammatikern), Hans singt und spielt ist also ein „Satzverein“ aus zwei Sätzen, während Hans und Grete singen ein einziger Satz ist.

Paul dagegen sieht kopulative Erweiterung des Subjekts oder des Prädikats:
Karl und Fritz kommen – Karl ißt und trinkt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 25.06.2015 um 19.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29267

Lieber Herr Strowitzki,

von Ellipse kann man immer reden. Es gibt aber Fälle, wo die Ellipse nicht möglich ist, z.B. in dem Satz:

*Ich freue mich und Deinen Brief habe erhalten.

Warum ist nun hier keine Ellipse möglich?

Der Gedanke liegt nahe, daß der Grund in der unterschiedlichen Struktur beider Teilsätze liegt. Aber was ist denn der entscheidende Unterschied?
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 25.06.2015 um 12.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29265

(1) Ich habe deinen Brief schon gestern erhalten, bin aber erst heute zum Lesen gekommen.
(2) Deinen Brief habe Ich schon gestern erhalten, bin aber erst heute zum Lesen gekommen.
(3) Deinen Brief erhalten habe Ich schon gestern, bin aber erst heute zum Lesen gekommen.
(4) Erhalten habe Ich deinen Brief schon gestern, bin aber erst heute zum Lesen gekommen.
(5) Gestern habe Ich deinen Brief erhalten, bin aber erst heute zum Lesen gekommen.
(6) Gestern erhielt Ich deinen Brief, bin aber erst heute zum Lesen gekommen.
Lauter gleiche Sätze, nur andere Wortstellung (außer dem letzten), mal mit eingerahmtem Subjekt, mal ohne. Rechtfertigen diese Unterschiede, mal von Ellipse zu reden und mal nicht?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.06.2015 um 04.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29258

Ich finde alle drei in Ordnung. Der erste ist nur ein bißchen ungeschickt. Wenn man ein "ich" einfügt, ist es eben ein anderer Satz, eine Satzreihe.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 24.06.2015 um 23.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29256

Im ersten Satz würde ich ein ich einfügen und erst recht im dritten.

Der zweite Satz ist völlig unproblematisch. Er kann im Sinne der Konjugation oder der Ellipse verstanden werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.06.2015 um 16.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29254

Nein, erhalten kann die Koordination nicht unterbrechen, weil es kein Satzglied ist, sondern nur ein Teil des Verbkomplexes aus Hilfsverb und Partizip. Es ist ja auch nicht gesagt, daß die koordinierten Prädikate genau parallel gebaut sein müssen. Die Rede vom Teilsatz mit implizitem Subjekt suggeriert schon eine Auffassung, die ich gerade nicht teile, die Ellipsendeutung.

Wie wäre es mal mit

Deinen Brief habe ich erhalten und habe ihn gelesen.
Deinen Brief habe ich erhalten und gelesen.
Deinen Brief habe ich erhalten und gelesen und antworte so bald wie möglich.

 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 24.06.2015 um 16.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29253

Lieber Prof. Ickler,

mir scheint, wir sind uns einig, daß in dem Satz

Ich [habe Deinen Brief erhalten] und [freue mich]

Koordination zweier Prädikate vorliegt, dagegen nicht in dem Satz

*Ich freue mich und Deinen Brief habe erhalten

Was ist aber mit dem Satz

?Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich?

Wie soll man den als Koordination zweier Satzteile auffassen?

Der zweite Teilsatz ist unproblematisch. Das (implizite) Subjekt ist ich, das Prädikat ist freue mich. Wie soll man aber den ersten Teilsatz vergleichbar in Subjekt und Prädikat aufteilen? Hier steht das Subjekt gewissermaßen inmitten des Prädikats. Könnte man nicht auch sagen, daß hier erhalten „die Koordination unterbricht“?

Deshalb bin ich weiterhin der Auffassung, daß in diesem Satz das Weglassen von ich nicht mit einer Koordination sondern nur als Ellipse begründet werden kann. Wie wäre aber dann zu begründen, daß in dem nur umgestellten Satz

*Ich freue mich und Deinen Brief habe erhalten

die Ellipse nicht möglich ist?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2015 um 19.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29239

Mit "strukturell" meine ich das Inventar des Satzes und die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen dessen Teilen. "Linear" ist dann deren Anordnung.

Ich habe Deinen Brief erhalten und freue mich

= Ich [habe erhalten und freue mich] (die Koordination faßt die beiden Verben zu einem einzigen Prädikat zusammen, das die Zweitstelle einnimmt)

*Ich freue mich und Deinen Brief habe erhalten

= Ich [freue mich und {Deinen Brief} habe] (das Objekt unterbricht die Koordination; auch ohne diese wäre ja Ich Deinen Brief habe erhalten nicht möglich.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.06.2015 um 18.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29237

Das verstehe ich nicht so recht. In dem Satz

Ich freue mich und Deinen Brief habe erhalten

hat sich doch "nichts an der erforderlichen Verbzweitstellung" geändert.

Worin sich beide Teilsätze syntaktisch unterscheiden ist doch die (tatsächliche oder gedachte) Stellung des Subjekts.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2015 um 17.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29236

Das ist eine schwierige Diskussion, weil schon die Ausgangsdaten – hier also das intuitive Urteil über ein Satzmuster – strittig ist. Einige von uns finden es nicht nur unschön wie der Dudenband, sondern geradezu falsch, andere, darunter ich, empfinden nichts Anstößiges. Ob wir, wenn wir ohne Hintergedanken lesen, was Goethe in einem Feldpostbriefchen an sein Frau schrieb, die Stellung grammatisch tadeln würden?

Dein Briefchen mit dem großen Tintenklecks habe ich erhalten und freue mich, daß es Dir und dem Kleinen wohlgeht, und daß Du im Stillen der Bequemlichkeit und des Guten genießest, wie ich Dir es hinterlassen habe.

Die Sätze

Ich habe Deinen Brief erhalten und freue mich.
Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich.


sind strukturell identisch, nur die Satzgliedstellung ist verschieden. Im zweiten ist nicht das Subjekt, sondern ein Objekt im Vorfeld, was an sich völlig normal ist. Die Frage ist nur, ob ein koordiniertes zweites Prädikat ebenso angeschlossen werden kann, als wenn das Subjekt im Vorfeld stünde. Meiner Ansicht nach spricht nichts dagegen. Die beiden Prädikate ändern nichts an der erforderlichen Verbzweitstellung. Bei Herrn Achenbachs experimentellem Satz

*Ich freue mich und Deinen Brief habe erhalten.

wäre das nicht der Fall.

Damit wäre erklärt, warum ich an dem fraglichen Satz keinen Anstoß nehme, aber nicht, warum einige Anstoß nehmen... (Allerdings halte ich das auch nicht für erklärungsbedürftig, weil ich naturgemäß finde, daß sie zu Unrecht Anstoß nehmen...)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.06.2015 um 16.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29235

Lieber Herr Riemer,

Ich stimme Ihnen zu, daß der Satz

1. ?Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich ....

schwerlich im Sinne einer Koordination von Satzteilen verstanden werden kann.

Aber ist nicht gerade das vielleicht der Grund dafür, daß dieser Satz vielen (auch Ihnen) zumindest problematisch erscheint? Mir kommt die Ellipse sogar geradezu falsch vor.

Dagegen ist doch der Satz

2. Ich habe Deinen Brief erhalten und freue mich .....

völlig unproblematisch, läßt er sich doch ohne weiteres als Ellipse und im Sinne von koordinierten Satzteilen verstehen.

Wenn in Satz 1 eine Ellipse möglich ist, warum ist die Ellipse bei anderer Reihenfolge der beiden Sätze unmöglich (ich hatte schon kurz darauf hingewiesen)?

3. *Ich freue mich .... und Deinen Brief habe erhalten

Übrigens fühle ich mich geradezu versucht, in Satz 1 die berüchtigte Inversion nach und zu verwenden:

4. (*)Deinen Brief habe ich erhalten und freue ich mich ....

Das kommt mir fast noch besser vor als die Ellipse.

Ist womöglich der Ursprung der Inversion nach und in ähnlichen Satzverbindungen zu suchen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.06.2015 um 12.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29222

Und ach Herr Meier tatsächlich den Briefträger ja zum Donnerwetter den habe ich ... (Hans-Werner Eroms: Syntax der deutschen Sprache. Berlin, New York: de Gruyter 2000:352)

Es gibt – gegen Eroms – keinen Grund, dies alles zum Vorvorfeld zu rechnen, es sind interjektionale Zwischenstücke und abgebrochene Äußerungen zwischen den Sätzen. Man muß sich von dem Zwang lösen, alles und jedes einem der „Felder“ zuzuweisen. Nicht alles, worauf ein Satz folgt, steht in dessen Vorvor- oder Vorfeld. Ich neige dazu, den Begriff des "Vorvorfeldes" aufzugeben. Das Vorfeld ist im Normalfall einfach, in Sonderfällen mehrfach besetzt, und es gibt Elemente ZWISCHEN den Sätzen (warum eigentlich nicht?).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.06.2015 um 12.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29221

Lieber Herr Riemer, ich wollte eigentlich nichts zum Ausgangssatz sagen, sondern nur eine alllgemeinere Beobachtung zum Ellipsenproblem einschalten.

Manchmal kann man natürlich nicht entscheiden, ob eine Ellipse vorliegt oder nicht. Das ist wie mit den "Null-Elementen" mit denen die Generativisten die Texte überzogen haben. Teils wurden Elemente postuliert, damit der "logisch" inspirierte "Erzeugungsweg" beschritten werden kann, teils wurden sie postuliert, weil man sie für die inhaltliche Deutung benötigt.

Das Problem ist: Braucht man sie wirklich? Und zweitens: Ist tatsächlich mit Tilgungsvorgängen zu rechnen? (Nicht nur in der theoriebedingten Simulation, sondern tatsächlich im Kopf des Sprechers) Wenn es ohne solche Zusatzannahmen geht, sollte man es vielleicht so versuchen.

Aber das ist erst einmal ganz allgemein gesprochen, auf die Ausgangsbeispiele komme ich noch mal zurück.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.06.2015 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29219

Lieber Prof. Ickler,
Ihre Beispiele sind ja sehr einleuchtend, und auch ich, obwohl kein Sprachwissenschaftler, möchte natürlich nicht irgendwelchen unvernünftigen Theorien anhängen.

Aber alle Ihre Beipiele, mit denen Sie gegen die Ellipsentheorie argumentieren, unterscheiden sich meiner Meinung nach beträchtlich vom Ausgangsbeispiel.

#29216:
Subjekt + Prädikat + (Präp.Objekt1 und Präp.Objekt2)
(Infinitiv1 und Infinitiv2) + Prädikat + Subjekt + Adverbial

#29175:
(Subjekt1 und Subjekt2) + Prädikat.

So schön symmetrisch ist es natürlich gar keine Frage, daß hier eine Koordination einzelner Satzteile vorliegt. Aber können wir nicht bitte beim etwas andersartigen Ausgangssatz bleiben? Da haben wir meiner Ansicht nach folgendes (die öffnende/schließende Satzklammer nenne ich Vf/Vi nach der [in]finiten Verbform):

Objekt + Vf + Subjekt + Vi und + Vf + ... [+ Vi]

Wenn wir das als Koordination von Teil1 und Teil2 auffassen, dann ist
Teil1: {Objekt + Vf} , {Vi}
Teil2: {Vf + ... [+ Vi]}

Der erste zu koordinierende Teil ist also seinerseits in zwei Stücke gespalten. Dazwischen liegt das Subjekt als gemeinsames Satzglied, das sich auf beide zu koordinierende Teile beziehen soll. Bzgl. Teil1 steht es also innerhalb der Satzklammer, bzgl. Teil2 davor. Das Vorfeld des Satzes verträgt sich nur mit dem ersten Teil der Koordinierung, nicht mit dem zweiten.

Ist es denn in diesem Fall nicht doch viel einfacher, von zwei koordinierten ganzen Sätzen (einem davon elliptisch) zu sprechen?
Deinen Brief habe ich erhalten und [ich] freue mich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.06.2015 um 04.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29216

Die Ellipsentheorie der Koordination geht wahrscheinlich auf die formale Logik zurück.

Wir unterhielten uns bei Kaffee und Kuchen

= Wir unterhielten uns bei Kaffee und wir unterhielten uns bei Kuchen.

Oder, aus dem wirklichen Leben:

Bleiben aber und uns noch lange zu schaffen machen werden die Veränderungen im politischen Binnenklima der Republik. (SZ 9.11.90:4)

= Bleiben aber werden die Veränderungen im politischen Binnenklima der Republik.und uns noch lange zu schaffen machen werden die Veränderungen im politischen Binnenklima der Republik.

Aber ist das vernünftige Sprachwissenschaft?
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 19.06.2015 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29202

Merkwürdig: Was dem einen absurd erscheint, ist dem anderen eher banal. Ich kann Herrn Riemer immerhin ein Stück weit zustimmen, daß genau hier der Anakoluth um die Ecke schaut, also die Holperstelle im Satzbau ist; das Verb kommt etwas überraschend.
Dabei liegt mir diese ganze Satzfeld-Terminologie eigentlich gar nicht, ich habe sie nur der Schnelle und Einfachheit halber mal verwendet. Also daß wir zumindest soweit hoffentlich einig sind: "Vorfeld" ist alles, was vor der finiten Verbform kommt, in anderer, mir mehr zusagender Ausdrucksweise also das erste Satzglied, das wiederum in sich komplex strukturiert sein kann. Wie kriege ich jetzt die Kurve? Einige weitere Beispiele mögen helfen:
(1) Das neue Gerät, das ich gesehen habe, brauche ich nicht.
(2) Das neue Gerät habe ich gesehen, brauche es aber nicht.
(3) Das neue Gerät habe ich gesehen, aber brauche es nicht.
(4) Nachdem ich den Text gelesen habe, werde ich (ihn) unterschreiben.
(5) Ich habe den Text gelesen und bin einverstanden.
(6) Den Text habe ich gelesen und bin einverstanden.
(7) Gelesen habe ich den Text, verstehe ihn aber nicht.
(8) Gelesen habe ich den Text, aber verstehe ihn nicht.
Wenn das reguläre Sätze sind, stehen die markierten Verbformen jeweils an zweiter Stelle in ihrem Satzgefüge. Alles kursiv markierte ist "Vorfeld". (Wobei über die Kuppelglieder – und, aber,.. – evtl. noch gesondert zu reden wäre.)
Ersetzungsprobe: Überall läßt sich stattdessen auch ein bloßes ich bzw. bei (1) das einsetzen.
Ich wollte mich aber gar nicht darin verzetteln. Mein Anliegen war, im Rahmen der "Koordinationstheorie" (nennen wir sie mal so) darzulegen, wieso der Duden-Satz heraussticht. Entsprechendes sollte auch die "Ellipsentheorie" leisten können. Dort haben wir ja:
(A) Ich habe deinen Brief erhalten, und ich freue mich. –E!–> (A') Ich habe deinen Brief erhalten und freue mich.
(B) Deinen Brief habe ich erhalten, und ich freue mich. –E!–> (B') Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich.
Links stehen völlig gleichwertige Sätze mit fast dem gleichen Aufbau. Zu klären wäre, wieso bei (A) die Ellipse unproblematisch ist, bei (B) aber nicht (Wenn man denn bei (B') überhaupt ein Problem sieht).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.06.2015 um 09.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29197

Mit einer Koordinierung verbinde ich eine weitestgehende Symmetrie und Austauschbarkeit (auch ohne Änderung der Wortreihenfolge) der koordinierten Satzglieder. Aber man kann den Begriff natürlich auch allgemeiner definieren, Eisenberg ("Der Satz") nennt es asymmetrische Koordinierung. Namen sind Schall und Rauch. Dann ist es eben das Maß an Asymmetrie bei der Koordinierung, das bei manchen, auch bei mir, ein "unschönes" Gefühl erzeugt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 18.06.2015 um 18.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29191

?Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich ...

*Ich freue mich ... und Deinen Brief habe erhalten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 18.06.2015 um 15.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29183

Lieber Herr Strowitzki,
ich wollte Ihnen nur widersprechen, dazu diskutieren wir ja. Wenn Sie sich durch eines meiner Worte vielleicht persönlich angegriffen fühlten, tut es mir leid, das war nicht meine Absicht. Nur wegen einer versehentlichen Formulierung hätte ich auch gar nichts entgegnet, aber Ihren Satz
"Im Vorfeld des ersten Verbs steht ein Akkusativobjekt, das Subjekt ist von der Verbform eingerahmt, und dieses ganze Gebilde wird mittels und zum Vorfeld des zweiten Verbs erklärt."
konnte ich einfach nicht so stehenlassen. Sie nennen also
Deinen Brief habe ich erhalten und das Vorfeld zu freue mich? Tut mir wirklich leid, aber das ist doch absurd.

Nachdem es hier also offenbar Unklarheiten, vielleicht auch Mißverständnisse gibt, und nachdem auch mein Vorschlag mit 2 Hauptsätzen (einem elliptischen) keine Zustimmung erfährt, halte ich die genaue Klärung der Satzstruktur dieses ersten Beispielsatzes aus dem Duden für die Grundvoraussetzung, sonst hat m.E. diese Diskussion keinen Sinn und wir reden aneinander vorbei.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 18.06.2015 um 14.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29182

"Das Vorfeld gehört zum Satzbau, nicht zum Verb."
Lieber Herr Riemer,
Ihre Nachricht habe ich erhalten und frage mich, was das soll.
Nein, sagen wir es anders:
Gelesen habe ich Ihren Brief, frage mich aber, was das soll.
Ich habe die ganze Zeit von nichts anderem als dem Satzbau gesprochen. Man nennt das auch Syntax. Sie sollten sich schon die Mühe geben, verknappte und halbspontan hingeworfene Formulierungen verstehen zu wollen. (vgl. auch die Beiträge 1046#29064ff.) Wenn Sie etwas nicht verstanden haben, ist das kein Grund herumzupöbeln. Ich kann meine Zeit auch anderswo verschwenden.
Zu der von Ihnen so geliebten Ellipsentheorie (s. auch 1044#29051) hat Herr Ickler schon einiges gesagt, ich muß wohl nicht weiter darauf eingehen. Nur: Wie soll sie den Unterschied zwischen dem anstößigen Satz A und dem unstrittigen, aber nicht minder "elliptischen" Satz B erklären (also unsere Ausgangsfrage)? Ihre Darlegung "Einmal steht ich im Satzrahmen, das andere mal würde es dort, wo der gedachte Bezug hingehört, im Vorfeld stehen." erscheint mir etwas kryptisch und bezieht sich ja wohl auch auf den Vergleich der beiden Theorien.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 18.06.2015 um 10.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29177

Sind es nicht nur zwei Seiten der gleichen Medaille, ob man nun von Auslassung oder Koordination spricht? Welches von beiden ist:
Er stellte und sie beantwortete die Fragen.

In dem Satz
Ich {habe Deinen Brief erhalten} und {freue mich ...}
finde ich es auch zweckmäßiger, von einem einzelnen Satz mit mehreren koordinierten Prädikaten zu sprechen.

Aber bei
Deinen Brief habe {ich} erhalten und freue mich
habe ich damit Probleme. Einmal steht ich im Satzrahmen, das andere Mal würde es dort, wo der gedachte Bezug hingehört, im Vorfeld stehen. Wie soll das in einem einzigen Satz koordinierbar sein?

Ich denke, die Schwierigkeit dieser Koordination ist genau der Punkt, weshalb der Satz "unschön" wirkt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.06.2015 um 10.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29176

"Unschön" ist sicher keine sprachwissenschaftliche Kategorie, aber hier handelt es sich um Ratgeberliteratur (Duden Band 9), so daß man es wohl zulassen darf. Es ist dann eine Geschmacksfrage.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.06.2015 um 06.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29175

Mit der Ellipsentheorie der Koordination haben es viele Grammatiker versucht.
Kann man wirklich Sie und ich wollen heiraten zurückführen auf Sie will heiraten und ich will heiraten usw.? Warum sollte man nicht annehmen, daß zu einem Subjekt mehrere koordinierte Prädikate gestellt werden? So wie auch umgekehrt zu einem Prädikat mehrere Subjekte und mehrere Objekte.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.06.2015 um 18.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29174

Lieber Herr Strowitzki,
was Sie zum "Vorfeld des zweiten Verbs" schreiben, finde ich recht abenteuerlich. Das Vorfeld gehört zum Satzbau, nicht zum Verb.
Der Satz Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich besteht aus zwei mit und verknüpften Hauptsätzen. Der zweite Satz ist elliptisch verkürzt, sein Vorfeld "ich" wurde ausgelassen.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 17.06.2015 um 17.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29173

Welch eigenartiges Thema bei seriöser Sprachbetrachtung: "unschön". Natürlich finden wir in der gesprochenen Sprache vieles, was "eigentlich nicht ganz richtig" ist, aber trotzdem ohne größere Nachfrage gleich richtig verstanden wird. Da erklären uns Intonation und Eile und Atemlosigkeit und Mitgefühl so manches, was "eigentlich" nicht so ganz klar oder leicht verständlich ist. Sobald aber derartiges schriftlich aufgezeichnet werden muß, müßte man vielleicht auf Anführungsstriche zurückgreifen, und wenn es nicht wörtlich wiedergegeben werden muß - o.k., dann bietet sich doch mit zwei, drei Wörtern mehr die Möglichkeit an, der ganzen Diskussion aus dem Weg zu gehen und sich jedem Vorwurf, irgendwelchem Unschönen zu frönen, gar nicht erst auszusetzen. Ich habe jedenfalls mein langes Leben lang den Ausgangssatz von #29158 oder ähnliches weder gehört noch gelesen, - aber dann ich bin ja schließlich auch nicht der einzige, der Deutsch mitmacht. Und interessant finde ich die Diskussion seitdem natürlich schon. Auf so einen schönen Beispielsatz wie "(2') Deinen Brief habe ich erhalten, und ich freue mich, daß ich gestern im Lotto gewonnen habe" muß man erstmal kommen. Da stört mich gar nicht, daß ihn noch keiner in einem Antwortbrief je geschrieben hat.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 17.06.2015 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29172

Ob die Objekte dasselbe Ding bezeichnen, ist jetzt nicht so spannend – täten sie es nicht, könnten wir ohnehin keins weglassen. Aber gehen wir die Sache ganz langsam an.
Wir reden über folgende Satztypen:
Ich betrat den Laden und fragte nach dem Buch.
Ich sah das Buch und kaufte es.
Er öffnete den Brief und studierte das Schreiben.
Er las den Brief und warf ihn in den Papierkorb.
Er wandte den Kopf und erblickte seinen Verfolger.
Einem gemeinsamen Subjekt – und ein Satz kann immer nur 1 Subjekt haben! – schließen sich mehrere eigenständige "Satzaussagen" an. Man könnte sie leicht, aber stilistisch unschön, in getrennte Sätze zerlegen. Jeder dieser Teilsätze enthält ein Akkusativobjekt. Im Gegensatz zum Subjekt sind Objekte aber keine unmittelbaren Satzkonstituenten, sondern immer einer Verbform zugeordnet. Das muß nicht einmal eine finite Verbform sein:
Den Brief lesend, saß er am Schreibtisch.
Wir empfehlen,diese Informationenaufmerksam und gründlichzu lesen.
Ein Satz kann also viele voneinander unabhängige Objekte enthalten. Beziehen sich mehrere davon auf das gleiche Ding der Außenwelt, können wir das durch Wiederholung ("Brief"), Synonyme ("Schreiben") oder Zeiger ("Er") darstellen. Es liegt nahe, sie weiter zu verbinden. Unter Umständen können wir den Satz so umbauen, daß er ein mehrteiliges Prädikat (um mal dieses unschöne Wort der Schulgrammatik zu verwenden) enthält. Das ist dann feilich ein anderer Satz, der nur noch 1 Objekt enthält:
{Ich} {kenne und schätze} {sie}.
{Ich} {schreibe und schicke dir} {diesen Brief}. (Vom Dativobjekt sehen wir der Einfachheit halber mal ab.)
Bei Herrn Riemers Beispielsatz Ich nehme ihn und stecke ihn in den Umschlag. wird dies dadurch verhindert, daß stecken zusätzlich einen Präpositionalausdruck verlangt (wohin? In den Umschlag! Könnte man auch noch Valenztheoretisch ausdrücken, aber lassen wir das). *stecke in den Umschlag geht eben nicht, in jedweder Stellung. Es geht eben nicht um die Wortstellung, sondern um die Satzkonstruktion.
Anders,wie ich auch schon feststellte, beim Duden-Beispiel:
(A) Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich.
(B) {Ich} {habe Deinen Brief erhalten} {und} {freue mich}.
Duden bezeichnet Satz A ja auch nicht als falsch, sondern als "unschön". In der Tat wirkt er etwas anakoluth. Der Grund dürfte folgender sein: Satz B ist sehr übersichtlich gebaut. Die beiden Dreiviertelsätze sind unabhängig voneinander am Subjekt "eingeklinkt". Man kann einen von ihnen auch einfach weglassen. Satz A hingegen ist eine "verknotete" Konstruktion. Man kann kein Glied herausbrechen, ohne daß die ganze Satzkonstruktion zusammenbricht. Im Vorfeld des ersten Verbs steht ein Akkusativobjekt, das Subjekt ist von der Verbform eingerahmt, und dieses ganze Gebilde wird mittels und zum Vorfeld des zweiten Verbs erklärt.
Eine etwas spekulative These zum Schluß: Könnte das Maß, in dem man Satz A als korrekt empfindet, damit zusammenhängen, inwieweit man die teils viel freieren Satzkonstruktionen etwa des Mittelhochdeutschen "im Ohr" hat, aus einer Zeit, bevor sich der heutige Schematismus durchsetzte? Das geht übrigens bis zum "Satzdreh nach und". Ich finde z.B. in der "kleinen mittelhochdeutschen Grammatik" von Weinhold/Ehrismann/Moser (15. Aufl., Wien/Stuttgart 1968) auf Seite 130:
"Oft zeigt dabei der zweite, mit und angeschlossene Satz die Inversion: sie wîsent uns ze himele und varent si zer helle.
Diese zuweilen noch in der heutigen Kaufmannssprache gebrauchte Umkehrung nach "und" gilt in der nhd. Hochsprache als unkorrekt."
(Wobei das "heutige" wohl unverändert aus älteren Auflagen – Erstauflage 1881 – übernommen wurde. Überflüssig zu sagen, daß das natürlich weit über den Horizont all dieser selbsternannten "Sprachkritiker" hinausgeht.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.06.2015 um 17.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29171

Nun hat allerdings das Mißfallen an Satz (2) weniger mit der Nichtwiederholung des Pronomens zu tun, denn auch nach einer entspr. Korrektur passen die beiden Dinge einfach nicht zusammen:

(2') Deinen Brief habe ich erhalten, und ich freue mich, daß ich gestern im Lotto gewonnen habe.

Anders läge der Fall natürlich, wenn in dem Brief erst die Lottozahlen mitgeteilt wurden, damit entstünde plötzlich eine Verbindung, (1) und (2) wären damit etwa gleich gut.

Daß bei engerer thematischer Zusammengehörigkeit das ausgelassene Pronomen weniger unschön wirkt, ist ein sehr einleuchtender Gedanke. Es kommt offenbar auf beides, Wortstellung und Inhalt, an.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 16.06.2015 um 21.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29166

Auf mich wirkt die Konstruktion »Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich …« unbeholfen, ja fast schon falsch, ich kann aber nicht auf die Schnelle sagen, warum.

Weniger anstößig finde ich zum Beispiel: »Den Koffer habe ich gepackt und gehe nun ins Bett«, auch wenn ich »Den Koffer habe ich gepackt, nun gehe ich ins Bett« vorziehen würde. Aber hier gehören nach meinem Empfinden die beiden Aussagen – 1. Ich habe den Koffer gepackt, 2. Ich gehe ins Bett – enger zusammen als in dem Satz mit dem Brief. Oder besser: die beiden Aussagen stehen auf derselben Ebene: erst habe ich das gemacht, jetzt mache ich das. Dagegen ist die Tatsache, daß der Brief bei mir eingegangen ist, zunächst eine rein technische Information, während die Freude über dies oder das einer völlig anderen Kategorie angehört. Ich kann mir nicht helfen, für mich hat es etwas Zeugmatisches.

Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, daß mir Satz 1 weniger mißfällt als Satz 2:

(1) Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich, daß bei Dir alles im Lot ist.
(2) Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich, daß ich gestern im Lotto gewonnen habe.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.06.2015 um 17.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29165

ihn bezeichnet genausowenig zwei verschiedene Objekte wie ich nicht zwei verschiedene Personen bezeichnet.

Genauso wie man ich als gemeinsames Subjekt des Gesamtsatzes ansehen kann, kann man ihn als gemeinsames Akkusativobjekt des Gesamtsatzes betrachten.

Auch das folgende Beispiel ist ja möglich:
Ihn nehme ich und stecke ich in den Umschlag.
Jedoch ebenfalls nicht
Ihn nehme ich und stecke in den Umschlag.

Das ganze ist also meiner Ansicht nach keine Frage der Satzglieder (Subjekt oder Objekt), sondern tatsächlich eine Frage der Wortstellung, wie auch das Thema sagt.
Was im Topik steht (egal, ob Subjekt oder Objekt), kann bei der Wiederholung weggelassen werden. Das andere (egal, ob Subjekt oder Objekt) kann man meiner Ansicht nach nicht bzw. nur mit "unschöner" Wirkung (wie der Duden sagt) weglassen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.06.2015 um 15.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29164

Es handelt sich, wohlgemerkt, nicht um den Klassiker der Sprachkritik:

Wir haben Ihre Bestellung erhalten und freuen wir uns, Ihnen das Gewünschte liefern zu können.

Die Kritik dürfte aber von diesem "Kaufmannsdeutsch" übertragen worden sein.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 16.06.2015 um 14.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29163

Bei Ich nehme ihn und stecke [ihn] in den Umschlag. handelt es sich bei den ihn um zwei verschiedene Akkusativobjekte. Bei Deine Karte / Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich ist ich gemeinsames Subjekt des Gesamtsatzes. Das sind zwei verschiedene Situationen. Duden empfiehlt im zweiten Falle ja auch nur Umstellung – die ich durchaus nicht für nötig halte. Ich würde keinen Anstoß am "fehlenden" ich nehmen. Wie auch bei: Ihn nehme ich und stecke ihn in den Umschlag.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.06.2015 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29160

Ich stimme Herrn Ludwig völlig zu, das entspricht auch meinem "Schönheitsideal".

Zur Begründung möchte ich ein ähnliches Beispiel in der 3. Person anführen:
Ich schreibe einen Brief.
Ich nehme ihn und stecke [ihn] in den Umschlag.
Hier kann man das zweite Pronomen der 3. Person auch nicht weglassen.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 16.06.2015 um 09.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29159

Zu "Deine Karte / Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich ...": Nach meinem eigenen Sprachgebrauch nur => und ich freue mich. Auch würde ich immer ein Komma setzen (besonders, wenn hier die drei Punkte wohl anzeigen sollen, daß der Beispielsatz an dieser Stelle noch nicht zu Ende ist: und ich freue mich darüber / und ich freue mich, daß ...).
Ebenfalls nur: "Bitte schnallen Sie sich an und stellen Sie das Rauchen ein!" Zur Kommafrage hier: Hier würde mit Komma stark eine Pause angedeutet, die nicht unbedingt bei der Ansage so da war.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.06.2015 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#29158

Duden Band 9 lehrt herkömmlicherweise:

"Deine Karte / Deinen Brief habe ich erhalten und freue mich ...
Das Weglassen des Pronomens ich wirkt hier unschön. Besser: Deinen Brief habe ich erhalten(,) und ich freue mich. Oder: Ich habe Deinen Brief erhalten und freue mich" (227)

Das macht mich etwas ratlos, weil ich das Unschöne des ersten Satzes nicht empfinde. Wie geht es Ihnen damit?

Ähnlich:
"In aneinandergereihten Aufforderungssätzen darf das Anredepronomen Sie nicht erspart werden: Bitte schnallen Sie sich an und stellen Sie das Rauchen ein! (Nicht: ... und stellen das Rauchen ein!)" (117)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.05.2015 um 10.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#28849

Das Kitz soll nicht nach Mensch riechen, sonst könnte es das Muttertier ablehnen.
(MM, 9.5.2015, Wochenendbeilage S. 10)

So steht es unter einem Bild. Im Haupttext aber in besserer Reihenfolge:
Das Kitz soll später nicht nach Mensch riechen. Das könnte dazu führen, dass die Rehgeiß es nicht mehr annimmt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.09.2014 um 03.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26706

Mit hoher Professionalität wird der Verlust an internationaler Geltung des Deutschen als Wissenschaftssprache beschrieben. (Peter Eisenberg in Gegenworte 2012:53)

= der Verlust des Deutschen an internationaler Geltung

Aber besser wäre es, den Substantivstil aufzugeben und auch den Inhalt noch einmal zu überdenken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.08.2014 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26629

Das Grundstück ist nicht groß. Zur Straße hin schließt es eine Jasminhecke ab. (Judith Hermann: Aller Liebe Anfang. Frankfurt 2014:11)

= Eine Jasminhecke schließt es zur Straße hin ab.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.07.2014 um 06.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26365

Das Gesetz der wachsenden Glieder (Behaghel) ist besonders deutlich in Redensarten:

in Amt und Würden
angst und bange
Art und Weise
in Bausch und Bogen
Brief und Siegel
fix und fertig
gang und gäbe
Gift und Galle
Grund und Boden
hell und dunkel
Hund und Katze
hoch und heilig
Kind und Kegel
Kopf und Kragen
Kraut und Rüben
kurz und bündig
Land und Leute
Leib und Seele
Licht und Schatten
Lust und Liebe
Lust und Laune
mit Mann und Roß und Wagen
Nacht und Nebel
null und nichtig
Ort und Stelle
Pfeil und Bogen
Samt und Seide
Schimpf und Schande
schlicht und einfach
Schloß und Riegel
Sitz und Stimme
Treu und Glauben
Tür und Angel
Wind und Wetter
-
Interessant ist der Vergleich von Pfeil und Bogen mit bow and arrow.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.06.2014 um 14.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26186

Zu meinem Beispiel "nur SO":
Es gibt natürlich meist auch im Nebensatz mit Verbendstellung beide Varianten, SO und OS, aber es gibt Beispiele, wo nur SO möglich ist, dagegen m. W. keine, wo nur OS möglich ist.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.06.2014 um 14.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26185

Für Typologen ist ja die Wortstellung ein wichtiges Merkmal, und so versuchen halt manche, auch das Deutsche auf Biegen und Brechen einem der Muster SVO, SOV, OVS usw. zuzuordnen. Dabei geben sie zwar zu, und es ist ja auch nicht schwer einzusehen, daß es im Deutschen viele Stellungsvarianten gibt, aber sie meinen, eine davon sei eben doch die Grundvariante.

Zum Beispiel gebe es im Nebensatz nur die SO-Reihenfolge:
..., daß er ihn gesehen hat
*..., daß ihn er gesehen hat

In subjektlosen Phrasen, z.B. Infinitivkonstruktionen, gelte nur OV:
..., um Ihnen mitzuteilen, daß ...
*..., um mitzuteilen Ihnen, daß ...

Wenn man alle Satzarten betrachtet, findet man wohl noch mehr solche Beispiele. So meinen also auch viele Typologen, Deutsch sei eigentlich eine SOV-Sprache in dem Sinne, daß diese Reihenfolge zwar nicht die alleinige, aber doch die für das Deutsche typische sei.

Warum ist diese Sicht nicht richtig?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.06.2014 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26182

„Das Deutsche verhält sich aber nur mit seiner Verbendstellung im Nebensatz wie SOV-Sprachen, mit seiner Verbzweitstellung im Hauptsatz dagegen wie SVO-Sprachen.“ (Rosemarie Lühr in Mechthild Habermann, Hg.: Grammatik wozu? Vom Nutzen des Grammatikwissens in Alltag und Schule. Thema Deutsch 11. Mannheim, Zürich 2010:26)

Verkehrter geht es nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.06.2014 um 05.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#26177

„Ich habe“, sagte mein Großvater, „keine Einwände.“
Man wird, dachte Titus, ja sehen.


Ich kann solche Texte nicht lange lesen, die absurde Wortstellung geht mir auf die Nerven.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 19.10.2013 um 08.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#24240

Aussagekräftig ist in diesem Zusammenhang die Versionsgeschichte des Artikels über Johanna Wanka. Er wurde in den drei Tagen vom 9. bis 11. Februar 2013 öfter geändert als in der ganzen Zeit zuvor seit der Erstellung im Jahr 2005. So ähnlich könnte die Abrufstatistik ausgesehen haben. Das Ringen um eine angemessene Darstellung ihres Zitats (es gab dazu auch eine Auseinandersetzung auf der Diskussionsseite) ist mit ihrer damals aktuellen Berufung zur Ministerin zu sehen, die ein enormes Interesse an Information auslöste. (Eine größere Explosion bei Wikipedia gab es unmittelbar nach der Wahl von Papst Franziskus, den vorher praktisch niemand gekannt hatte.)

Derzeit wird der Artikel über Johanna Wanka immerhin noch knapp 6000 mal pro Monat aufgerufen (und der über Papst Franziskus knapp 34000 mal.)
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 18.10.2013 um 17.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#24237

In diesem Fall ist es bei Wikipedia vorbildlich gelaufen. Unmittelbar nachdem bekannt geworden war, daß Wanka Ministerin für Bildung und Forschung wird, bekam der Wikipedia-Artikel große Aufmerksamkeit. Er wurde auch intern von den Schreibern genauer geprüft und innerhalb von zwei Tagen in sehr vielen Schritten verbessert. Jemand hat dabei zu Recht moniert, daß die zitierte Kritik an der Reform bzw. das von Wanka formulierte Eingeständnis der Kultusminister bisher ohne Zusammenhang im Artikel stehe und deshalb von ihm provisorisch gelöscht werde. So im Bearbeitungskommentar angegeben. Noch genauer die Begründung auf der Diskussionsseite zum Artikel:

"Das Zitat von Dr. Wanka bezüglich der Rechtschreibreform steht isoliert und zusammenhangslos im Text. In der Form würde ich es ersatzlos streichen. Viel besser wäre natürlich, wenn der Satz mit ein wenig Zusatzinformationen, z. B. inwiefern Dr. Wanka an der Rechtschreibreform beteiligt war, ergänzt wird."

So geschah es. Zwei Tage später war das Zitat wieder im Artikel, diesmal mit weit besserem Kontext.
 
 

Kommentar von 192.168.1.1, verfaßt am 18.10.2013 um 15.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#24236

Wenn man als "ip", also anonym, einen Artikel ändert, ist es mehr oder weniger Zufall, ob die Änderung übernommen wird oder nicht. Es gibt offenbar Automatismen, die gewisse Leute benachrichtigen, wenn Seiten anonym geändert wurden. Diese Änderungen sind erstmal nicht öffentlich, bis sie entweder "gesichtet" oder rückgängig gemacht werden. Je nachdem, welche/r Berufene als erster kommt, und je nachdem, wie dessen Stimmung gerade ist, werden Änderungen übernommen, kommentiert abgewiesen oder gar völlig kommentarlos rückgängig gemacht. Inxbesondere im letzteren Fall kann man es dann einfach nochmal versuchen, vielleicht mit einer besseren undoder (Modewort!) längeren Begründung beim Speichern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2013 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#24191

Wie ich zufällig sehe, ist im Wikipedia-Eintrag über Johanna Wanka der Ausspruch über Rechtschreibreform und Staatsräson wieder eingefügt worden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.09.2013 um 17.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#24017

zu #22855 – "Wer wem?"

Wir wissen auch vom äußerst seltenen und wertvollen Hund des Alkibiades, der ihm um 430 v. Chr. den Schwanz abschnitt
(ZEIT ONLINE)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.07.2013 um 20.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#23610

zu #22634:
Mit "Hanabi", was auf japanisch "Feuerwerk" bedeutet, erlangte zum ersten Mal seit 1978 ein kleines Kartenspiel für acht Euro den Sieg. (SZ 9.7.13)

Gibt die Freiheit der Wortstellung das nun her oder sollte es doch eher auf deutsch heißen? Immerhin schreibt es die SZ klein!
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 25.03.2013 um 18.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22857

So wie im Neugriechischen heute noch.
Giannis Zogopoulos heißt der eine, das Geschäft der beiden Brüder nennt sich Adelphi (ngr. Adelphoi) Zogopouli (Zogopouloi) O.E.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 25.03.2013 um 16.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22856

Es ist eben aus der Mode gekommen, Namen zu deklinieren. Goethe tat's noch: Werther liebte Lotten, und der Leser wußte, um wessen Leid es ging.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2013 um 10.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22855

Bundeskanzlerin Angela Merkel wirft Steinbrück vor, aus wahltaktischen Gründen den demokratischen Prozess lähmen zu wollen. (Focus 25.3.12)

Wer wem? Erst der nächste Satz verrät es:

Der CDU-Chefin gehe es nicht darum, „den Stimmanteil der Union zu maximieren, sondern den der SPD zu minimieren“, klagte Steinbrück.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.03.2013 um 16.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22815

Meine Mitarbeiter und ich haben Untersuchungen mit über tausend Schülern in ganz Deutschland durchgeführt und festgestellt, dass die Schüler große Schwierigkeiten haben, ihre Schulbücher zu verstehen. Auch ihre Lehrer verstehen sie häufig nicht.

So beginnt ein Ratgeber für verständliches Schreiben. (Günther Zimmermann: Texte schreiben – einfach, klar, verständlich. www.onleihe.de/static/content/.../978-3.../v978-3-938358-06-1.pdf)

Verstehen die Schüler auch ihre Lehrer nicht, oder verstehen auch die Lehrer ihre Schulbücher nicht?

Es geht so weiter: Jeder 6. Schüler (im Grammatikunterricht) sagt, dass er die Erklärungen seines Lehrers nur ausreichend, mangelhaft oder ungenügend versteht, und über 20 % der Lehrer räumen ein, Schwierigkeiten mit der verständlichen Vermittlung zu haben.

Aha!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2013 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22704

Amazon ist ein Flaggschiff. Das ist ein nach US-Maßstäben sehr straff geführtes Unternehmen. (Focus 23.2.13)
(Gemeint: Das ist ein sehr straff nach US-Maßstäben geführtes Unternehmen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2013 um 06.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22638

"Die meisten indogermanischen Sprachen, zu denen auch das Deutsche zählt, sind sogenannte SVO-Sprachen. Subjekt, Verb und Objekt reihen sich im Normalfall immer gleich aneinander: Das Kind (Subjekt) hört (Verb) seine Eltern (Objekt)." (Spiegel online 15.2.13)

Das Deutsche hat also dieselbe Wortstellung wie das Englische und Französische. Das wird unsere Kinder freuen, da haben sie weniger zu lernen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.02.2013 um 01.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22634

Der SPIEGEL Nr. 6 / 4.2.13 mokiert sich im "Hohlspiegel", S. 146 über:

Aus dem "Göttinger Tageblatt": "Angelo heißt auf Italienisch 'Engel'."

Gemeint ist wohl, es müsse richtig lauten: Angelo (ist italienisch und) heißt auf deutsch Engel. Aber es könnte ja auch die Antwort auf die Frage sein: Wie heißt auf italienisch Engel? -> Angelo heißt auf italienisch Engel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.02.2013 um 06.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22615

Wanka hat sich mehrmals über die Rechtschreibreform ebenso geäußert wie die anderen Kultusminister. Man kann es je nach Geschmack unwissend, verlogen, zynisch usw. nennen, das ist ja eigentlich ganz egal. Von ihr ist nichts zu erwarten, aber der Satz über die Staatsräson, der ihr damals herausgeschlüpft ist, bleibt ein unvergängliches Juwel, auch wenn Wikipedia wieder mal den Kriechern nachgegeben hat.
 
 

Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 12.02.2013 um 00.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22614

Wie das krasse Urteil des zitierten Kommentarschreibers zustande gekommen sein muß, kann man sich immerhin zusammenreimen.

Gewiß war Frau Wanka zu jener Zeit Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg – und in dieser Funktion im Jahr 2005 eben Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Auf das Ende ihrer Amtszeit fällt das Interview mit dem "Spiegel" (erschienen am 2. Januar 2006), in dem sie jene verblüffend offene Feststellung macht. Das ist also aus unmittelbarer Anschauung (und doch wohl auch Mitwirkung) heraus gesprochen.

Nun hängt alles davon ab, wie man diese Mitteilung versteht. Als – kritisches, gar selbstkritisches – Bekenntnis, als eine mit Bedauern vorgetragene Einsicht oder aber als nüchterne und zynisch wirkende Schilderung der tatsächlichen Vorgänge. Und so wird sie der Verfasser der fraglichen Zeilen verstanden haben.

Ich selbst kann mir dazu (noch) keine Meinung bilden, tendiere aber zu Herrn Icklers Immerhin.

Nebenbei: Im Wiki-Eintrag über Frau Wanka ist der Staatsräson-Ausspruch aus dem "Spiegel", der dort seit 2006 samt Link zum Artikel seinen Platz hatte, gerade (10. Februar 2013) als "sinnlos" und "irreführend" gelöscht worden.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 11.02.2013 um 23.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22613

Schulminister war erst Steffen Reiche, dann Holger Rupprecht (beide SPD). Die Zuständigkeit für die Rechtschreibreform in Brandenburg fiel in deren Ressort.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 11.02.2013 um 22.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22612

Das ist kein ungerechter Vorwurf, denn Frau Wanka war seinerzeit nicht nur für die Hochschulpolitik in Brandenburg zuständig. Sie war auch Vorsitzende der Kultusministerkonferenz und als Kultusministerin von Brandenburg für die neue Rechtschreibung in den Schulen verantwortlich. (Vgl. Interview mit Johanna Wanka, Vorsitzende der Kultusministerkonferenz und Kultusministerin von Brandenburg, über die neue Rechtschreibung. "Das Interview wurde am 19.7.2005 um ca 20.45 live bei NBC GIGA geführt. Ich persönlich habe die Sendung moderiert und mit Frau Wanka gesprochen. [...] Christoph [von NBC GIGA Real an mich]". Und das Interview zeigt, daß sie keine Ahnung von dem hatte, wovon sie da redete.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 11.02.2013 um 18.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22610

Das ist ein ungerechter Vorwurf, denn Frau Wanka war seinerzeit nur für die Hochschulpolitik in Brandenburg zuständig.
 
 

Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 11.02.2013 um 18.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22609

Bei faz.net liest man übrigens: "2008 wollte Ole von Beust sie als Wissenschaftssenatorin...", die normale Wortstellung also.

Bedauerlich finde ich aber, daß der ganze Artikel kein Wort über Wankas Rolle bei der Durchsetzung der Rechtschreibreform verliert. Darüber hätte ich gern etwas mehr erfahren als das "Spiegel"-Zitat mit der Staatsräson, das ein Kommentar dann noch nachträgt.

Ein Leser eines anderen Blattes, der "Lausitzer Rundschau", wird da deutlicher. Er schreibt: "Frau Wanka hat seinerzeit die unsägliche Rechtschreibreform durchgeknüppelt, obwohl sie wußte, daß sie falsch war."
Worauf das bewußte Zitat folgt und so interpretiert wird: "Was immer wir Politiker tun, wir machen niemals etwas falsch, und das Volk hat gefälligst auch den größten Blödsinn zu schlucken, wenn er nur von uns kommt.
Insofern eine würdige Nachfolgerin für die unwissende und unbelehrbare Dame Schavan."

Klar, da spricht die Wut mit. Nur – frage ich mich – trifft sie mit Frau Wanka auch die Richtige?
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 11.02.2013 um 08.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22608

Daß Frau Schmoll diese geringfügig mißverständliche Formulierung unterlaufen ist, sei ihr verziehen, denn schließlich hat sie in den letzten Tagen sehr viele Artikel schreiben müssen.

Angesichts ihrer kritischen Berichterstattung über das deutsche Bildungswesen gehört Heike Schmoll für mich aber, zusammen mit Jürgen Kaube, zu den Juwelen der F.A.Z., die den Kauf der Zeitung trotz des erbärmlichen Einknickens in Sachen Orthographie ab und zu rechtfertigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.02.2013 um 07.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22607

2008 wollte sie Ole von Beust als Wissenschaftssenatorin ins schwarz-grüne Hamburg holen. (FAZ 11.2.13)

Das hat selbst Ole von Beust nicht verdient ...

Aber im Ernst: Heike Schmoll, der diese Wortstellung unterläuft, gibt in der FAZ vom 11.2.2013 eine so gründliche und unbestechliche Darstellung der Politikerinnen Schavan und Wanka, wie man sie anderswo nicht leicht finden wird. Langjährige genaue Beobachtung ist eben durch nichts zu ersetzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.12.2012 um 04.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#22093

Die deutsche Satzgliedstellung reicht meist nicht aus, zweideutige Kasusverhältnisse zu klären:

Die allgemeinen Überlegungen und Erkenntnisse bestätigen auch praktische Erfahrungen. (Hans Jürgen Heringer: Lesen lehren lernen. Tübingen 1991:7)

Die Säkularisation bedrohte die Kunst nicht in gleicher Weise wie die Religion. (Friedrich Sengle in Akzente 2/1955:91)

Kohls Vorgänger, Helmut Schmidt, nannte Franz-Josef Strauß gern einen Staats-Schauspieler. (RhM 30.1.87)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.10.2012 um 13.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21749

Die Beibehaltung des Namen »Deutsche Reichsbahn« war kein Wunder, sondern die Folge einer alliierten Festlegung. Natürlich hätten Ulbricht und Honecker liebend gerne den Namen geändert.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.10.2012 um 10.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21747

Jetzt bin ich doch auch drauf reingefallen. Ich meinte natürlich:
Jedes Kind kannte das Fernsehballett, das stimmt, aber ...
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.10.2012 um 10.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21746

Es ist schon so lange her, daß ich den genauen Namen des Balletts nicht mehr weiß. Aber sehr gut weiß ich noch, wie allergisch die DDR in der zweiten Hälfte ihres Bestehens immer auf das undifferenziert benutzte Wort "deutsch" reagierte. Es war geradezu ein Wunder, daß die Deutsche Reichsbahn bis zum Schluß in der DDR diesen Namen trug.

Einen schlimmen Fehler beging derjenige, der unbedacht ausrief: Wir freuen uns über den ersten Deutschen im Weltraum. Aber selbstverständlich durfte man sagen, und das wurde auch offiziell propagiert: Der erste Deutsche im Weltraum ist ein Bürger der DDR.

Das Fernsehballett kannte jedes Kind, das stimmt, aber wohl kaum unter dem Namen, unter dem es vielleicht mal gegründet wurde, Deutsches Fernsehballett, sondern eher unter irgendeiner Variante von [DDR-]Fernsehballett [[des [DDR-]Fernsehens] der DDR]. Leider finde ich nirgendwo im Netz die Namensgeschichte genau dargestellt.
Erst nach der Wiedervereinigung hieß es wieder Deutsches Fernsehballett [des MDR].
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.10.2012 um 08.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21743

In der DDR kannte das Deutsche Fernsehballett jedes Kind. (SZ Magazin 19.10.12)
= In der DDR kannte jedes Kind das Deutsche Fernsehballett.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.09.2012 um 05.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21483

Zu den Manierismen Adornos, die viele Nachahmer gefunden haben, gehört folgende Konstruktion:

... die Philosophie sei die permanente und wie immer auch verzweifelte Anstrengung, das zu sagen, was sich eigentlich nicht sagen läßt.

Seit Musik existiert, war sie der wie immer auch ohnmächtige Einspruch gegen Mythos und immergleiches Schicksal, gegen den Tod selber.

Das ist offenbar aus dem konzessiven Einschub wie verzweifelt/ohnmächtig auch immer abgeleitet, aber die attributive Konstuktion bedeutet doch etwas ganz anderes.

Als Adorno noch lebte, hatte ich eine Studie zu seiner Sprache angefangen und mir sogar die gesammelten Werke zugelegt und exzerpiert, weil ich dachte, daß von ihm eine veritable Veränderung der deutschen Bildungssprache ausginge – so oft wurde er besonders im Feuilleton nachgeahmt. Aber nach seinem Tode verflog das doch recht schnell, und damit schwand auch mein Interesse. Meine Zettelkästen habe ich erst kürzlich weggeworfen. Abgesehen von gewissen Kränzchen schreibt heute niemand mehr so, und man kann es auch gar nicht mehr ertragen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.08.2012 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21324

Die deutsche Grammatik entspricht nicht den Maßstäben, die man üblicherweise an "made in Germany" anlegt. Das Mindeste wären fall-, geschlechts- und zahl-eindeutige Artikel, denn mit denen wäre das Substantiv-Endungs- und -Plural-Durcheinander erträglicher.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 26.08.2012 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21322

Bildunterschrift: "Ein Container wird von dem havarierten Frachtschiff ´Excelsior´ im Rhein bei Köln von einem Kranschiff gehoben"
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.08.2012 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21321

Die Ratten beißen die Hunde
(FAS, 26.8.12, S. 4)

So wie 'die Letzten' oder umgekehrt? Im Artikel steht nichts Genaueres.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.08.2012 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#21320

Wer wen? Diese Leninsche Frage ist im Deutschen oft nicht leicht zu beantworten:

Die Schweiz ist das einzige Nachbarland, das Deutschland nie überfallen hat. (SZ 25.8.12)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 23.04.2012 um 08.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20522

»Sportartikel führen wir nicht ist realistischer […] als Tennisbälle führen wir nicht. Denn die Geschäftsleitung wird sich nicht eigens gegen Tennisbälle im Sortiment, sondern gegen die Sparte Sportartikel entschieden haben.« Das denke ich auch. Daher mein Hinweis auf die Alternative haben wir nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.04.2012 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20520

Vielleicht stimmt meine Voraussetzung nicht, es war ja nur meine Intuition. Ein empirischer Nachweis ist schwierig. Die übliche Methode, Versuchspersonen (meist Studenten) auf einer Skala eintragen zu lassen, welchen Freundlichkeitswert sie zuschreiben würden, ist untauglich. Man müßte zahlreiche Verkaufsgespräche aufnehmen und analysieren, auch im Zusammenhang (wie geht es weiter?).

Dieser Einwand ist auch gegen die unzähligen Abhandlungen zur Körpersprache triftig. Neulich wurden in einer Zeitung wieder mal Handgesten auf ihre Bedeutung hin untersucht, aber dem Verfasser fehlte jeder Sinn dafür, daß die Deutungen empirisch abgesichert werden müßten, er begnügte sich mit einer Allerweltsplausibilität, die bekanntlich der größte Feind der Wahrheit ist. Ich erinnere mich, wie wir als Studienreferendare im Rahmen einer auch sonst abstoßend einfältigen Ausbiildung mit sogenannter Körpersprache traktiert wurden. Kein blasser Dunst von empirischer Forschung, sondern weitgehend metaphorische Deutung: Wer seine Arme vor den Körper hält, schirmt sich gegen die Schüler ab usw. - genau wie man es in den vielen populären Büchern findet. Die Spekulationen über Sprachwirkung sind vom selben Kaliber.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.04.2012 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20518

Herr Markner hatte zu bedenken gegeben, daß die verallgemeinernde Auskunft des Verkäufers über Sportartikel nicht unmittelbar an die Frage des Kunden nach Tennisbällen anschließt.

Um den Faden des Interessenten aufzugreifen, muß man nicht sein Stichwort genau nachsprechen. Die Antwort Sportartikel führen wir nicht ist besser als die Antwort Tennisbälle führen wir nicht, weil sie dem Kunden zugleich eine Orientierung gibt, warum es keine Tennisbälle gibt. Sie ist die Kurzfassung von Tennisbälle haben wir leider nicht für Sie, weil wir keine Sportartikel führen.

Sportartikel führen wir nicht ist realistischer und deshalb besser nachvollziehbar als Tennisbälle führen wir nicht. Denn die Geschäftsleitung wird sich nicht eigens gegen Tennisbälle im Sortiment, sondern gegen die Sparte Sportartikel entschieden haben.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 23.04.2012 um 03.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20517

Herr Markner hatte zu bedenken gegeben, daß die verallgemeinernde Auskunft des Verkäufers über Sportartikel nicht unmittelbar an die Frage des Kunden nach Tennisbällen anschließt. Daher habe ich ein Beispiel gebracht, in dem eindeutig eine direkte Anknüpfung gegeben ist.

Natürlich kann man die Antwort des Verkäufers gedanklich so fortführen, wie Herr Wrase es vorgeschlagen hat. Das könnte man aber genausogut mit dem Satz »Tennisbälle haben/führen wir nicht«: »Tennisbälle haben/führen wir zwar nicht, aber vielleicht haben Sie ja noch an etwas anderem Interesse?«

Der Ton macht die Musik, richtig. Gerade das macht die Sache aber so schwierig. Man kann alle bisher diskutierten Sätze eher freundlich oder eher unfreundlich vortragen. In dem Beispiel mit den Tennisbällen kommt auch mir die zweite Antwort milder vor. Aber liegt das wirklich an der Inversion? Und wenn ja: was genau bewirkt sie denn? Herr Ickler spricht von größerer Verbindlichkeit, Herr Markner stellt fest, daß der Satz mit Inversion gewählter klingt, und Herr Wrase verweist auf die tröstende Funktion der Voranstellung in Kombination mit einer gedachten Ergänzung (»Das haben wir nicht, aber wir haben etwas anderes«).

Hier noch eine weitere Überlegung: Dadurch, daß der Verkäufer in seiner Antwort unmittelbar an das vom Käufer vorgetragene Anliegen anknüpft, signalisiert er diesem, daß er ihn ernst nimmt, daß er ihm aufmerksam zugehört hat und bemüht ist, seine Frage so direkt wie möglich zu beantworten. Das funktioniert aber nur bei vorhandenem Wohlwollen. In anderen Fällen kann die Inversion ebensogut im Dienste einer brüsken Zurechtweisung stehen, etwa wenn die Wortwahl des Fragestellers in abschätzig-belehrender Weise kommentiert wird: »Haben Sie Schraubenzieher?« – »Schraubenzieher haben wir nicht [, Schraubendreher schon].« Gewiß, in diesem Beispiel drückt sich die Häme nicht in erster Linie in der Inversion aus, sondern im wörtlichen Zitat und in der Betonung des vermeintlich falschen Wortbestandteils, aber die Inversion scheint auch hier die Aussageabsicht zu unterstützen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 22.04.2012 um 20.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20516

Ich stimme Professor Ickler zu. Das zweite Beispielpaar mit dem Interview ist anders gelagert. Es geht da genau um ein Interview und sonst nichts. In dem Geschäft gibt es hingegen zwar nicht den unmittelbar nachgefragten Gegenstand, aber viele andere Angebote. Die Antwort ließe sich so fortsetzen: "Sportartikel führen wir zwar nicht, aber vielleicht haben Sie ja noch an etwas anderem Interesse?" Indem die Sportartikel nach vorne gezogen werden, wird nicht nur die Anknüpfung an das Thema des Fragenden hergestellt. Die dadurch erzeugte Betonung verdeutlicht, daß der abschlägige Bescheid nur für die Sportartikel gilt, also nur teilweise.
 
 

Kommentar von R. H., verfaßt am 22.04.2012 um 20.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20515

Vorausgesetzt natürlich, Herrn Icklers Annahme ist zutreffend, daß "Sportartikel führen wir nicht" (allgemein) als verbindlicher, freundlicher gilt als "Wir führen keine Sportartikel".
 
 

Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 22.04.2012 um 19.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20514

Auf mich wirkt die erste Antwort weit schroffer, die zweite dagegen sachlicher. An der Wortstellung dürfte es also kaum liegen, ob etwas höflicher oder harscher klingt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.04.2012 um 19.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20513

Was folgt aus diesem Beispielpaar?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 22.04.2012 um 18.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20512

Würden Sie uns ein Interview geben? – Interviews gebe ich nicht.
Würden Sie uns ein Interview geben? – Ich gebe keine Interviews.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.04.2012 um 14.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20510

Vielleicht klingt es weniger schroff, weil es gewählter klingt, und gewählter klingt es eben wegen der Inversion. Hat der Kunde konkret nach Tennisbällen gefragt, ist die verallgemeinernde Auskunft zu Sportartikeln ja kein unmittelbarer Anschluß an seine Frage.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.04.2012 um 09.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20508

Wenn man in einem Geschäft, sagen wir, Tennisbälle kaufen will, wird vielleicht gesagt:
Wir führen keine Sportartikel.
oder
Sportartikel führen wir nicht.
Mir kommt die zweite Möglichkeit weniger schroff vor. Natürlich macht stets der Ton die Musik. Aber ich glaube, daß im zweiten Fall die Anknüpfung an den Wunsch des Kunden - an der "Anschlußstelle" des Satzes nach Drach - deutlicher ist, und Anknüpfung ist immer "verbindlicher" als Nichtanknüpfung. Daher auch die vielen Abtönungspartikeln in der Alltagssprache und ihr Fehlen in bürokratischen oder amtlichen Texten. (Wie heißen Sie denn ? - Wie heißen Sie?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.03.2012 um 13.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#20243

Rotkehlchen orientieren sich mit Hilfe des Magnetfelds der Erde – wie genau, das hat Henrik Mouritsen herausgefunden. (SZ 15.3.12)

Man weiß nicht, ob das genau im Fokus von wie steht oder umgekehrt, daher die Zweideutigkeit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2011 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#19287

Peter von Becker hat zur Guttenberg-Affäre einen Aufsatz im "Tagesspiegel" veröffentlicht, der in ähnlicher Fassung auch in dem Suhrkamp-Taschenbuch "Inszenierung als Beruf" abgedruckt ist. Ich zitiere nach der Erstfassung:

Zu seinen möglichen „Fehlern“ sagt Guttenberg etwas nebulös: „Es wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder die Urheberschaft anderer nicht kenntlich gemacht.“ Einer, der sonst nur allzu gerne „ich“ sagt, verschiebt den Vorgang auf einmal auf die Ebene eines „Es“. Sonderbar, dass die bereits beunruhigte Bundeskanzlerin solche Auskünfte zufriedenstellend und sogar „offensiv“ genannt hat.
Denn wer ist dieses „Es“?


Er meint schon das Richtige, aber sprachwissenschaftlich irrt er. Das es ist nämlich nur das stellungsbedingte Vorfeld-es und referiert auf nichts. In Wirklichkeit handelt es sich um die Verschiebung ins Passiv, wodurch die Nichterwähnung der Urheberschaft möglich wird.

(Das Taschenbuch hätte übrigens nicht unbedingt erscheinen müssen, die besseren Beiträge sind alle noch in der Originalfassung im Internet greifbar. Die Nachbetrachtungen gießen noch ein bißchen soziologische Pampe drüber, das muß ja nicht sein. Die reformierte Rechtschreibung macht es nicht besser.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2010 um 09.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#15696

Wirbel um einen Jungen namens „Cihad“: Eine Ärztin im südbadischen Donaueschingen hat sich geweigert, den 16-Jährigen wegen seines Namens zu behandeln. (Focus online 7.2.10)

Vornamen lassen sich in der Tat nicht ärztlich behandeln, dafür ist das Standesamt zuständig.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 02.06.2009 um 22.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14549

Noch einmal zu den ob-Sätzen: Ich glaube, ich muß hier ein Mißverständnis aus der Welt räumen. Daß Selbstbefragungen keine brauchbare Grundlage für die wissenschaftliche Erforschung sprachlicher Phänomene sind, versteht sich von selbst. Müssen sie aber auch nicht. Mein Thema war nicht irgendeine Theorie, schon gar nicht eine von mir aufgestellte, sondern mein persönliches Sprachempfinden und das der geschätzten Mitdiskutanten.

Ein aufwendig errichtetes Theoriegebäude, in dem nur handverlesene Teile der Wirklichkeit Platz haben, braucht uns nicht weiter zu interessieren, und sei es noch so imposant. Aber die Frage, was wirklich ist und was nicht, ist eben nicht immer so leicht zu beantworten. Deshalb habe ich, das war mein zweites Thema, ausdrücklich auch nach den Methoden gefragt. In unserer Wahrnehmung filtern wir unwillkürlich die Realität. Man sieht irgendwo einen Satz stehen und liest ihn im Kopf so, wie man ihn selber wohl sprechen würde – mit allen Konsequenzen für die syntaktische Einordnung der vorgefundenen Konstruktion. Hinzu kommen so profane Beobachtungen wie die, daß verschiedene Schreiber auch verschiedene Präferenzen bei der Zeichensetzung haben. Die Bandbreite ist hier erstaunlich groß. Dort, wo die meisten von uns vielleicht einen Doppelpunkt setzen würden, entscheiden andere sich eben anders. Man sehe sich nur einmal an, wie die klassische Frage »Was meinen Sie ...?« aus Meinungsumfragen verschriftet wird: »Was meinen Sie: Sind heute mehr Menschen in Deutschland gegen das Rauchen eingestellt als noch vor vier, fünf Jahren?« (aus einer Allensbach-Umfrage) – »Was meinen Sie, wie stark beachten Politik und Verwaltung in Heidelberg die Wünsche und Probleme von Familien?« (Umfrage zum demographischen Wandel in Heidelberg) – »Was meinen Sie? Gibt es wirklich zu wenig gute Kinderfilme?« (Berliner Morgenpost online). Daraus folgt für mich, daß man sich nicht blindlings auf die vom Autor gewählte Interpunktion verlassen kann. Und nein, dabei geht es nicht darum, von einem souveränen Schreiber souverän getroffene Entscheidungen im Sinne irgendeiner Theorie oder eigener Vorlieben umzudeuten, sondern, im Gegenteil, darum, das Vorgefundene richtig zu interpretieren. Da steht ein Komma, also haben wir es mit einer hypotaktischen Konstruktion zu tun – diese Gleichung ginge bei zwei der vier von Herrn Ickler genannten Beispielen schon deshalb nicht auf, weil dort der Schreiber nicht mit dem Urheber der Äußerung identisch ist. Frau Merkel zum Beispiel wird das Komma in dem zitierten Satz ja nicht mitgesprochen haben. Wir wissen nicht, wie sie ihn intoniert hat. Vielleicht hat sie ihn hypotaktisch gesprochen, und der Journalist oder Agenturmitarbeiter hat ihn auch so aufgefaßt und deshalb ein Komma gesetzt. Es ist aber auch denkbar, daß sie ihn parataktisch gesprochen hat und daß der Schreiber ihn so verstanden und sich (dennoch) für ein Komma entschieden hat, weil er es für angemessen hielt oder ihm keine überzeugende Alternative eingefallen ist. Oder sie hat ihn parataktisch artikuliert, er ist beim Schreiber aber hypotaktisch angekommen, weil dem privat solche Sätze eben in dieser Form vertraut sind.

Mir bleibt die hypotaktische Lesart fremd, aber ich weiß auch, daß sich die Wahrnehmung ändern kann, wenn man für ein bestimmtes Problem erst einmal sensibilisiert ist. So war es auch, als vorzeiten halt und eh von Süden her die Lippegrenze überschritten. Sollten tatsächlich regionale Unterschiede eine Rolle spielen, würden mich Einzelheiten interessieren. Das soll es dann aber auch von mir zu diesem Thema gewesen sein. Ich bitte um Nachsicht für die Länge des Beitrags.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2009 um 16.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14543

Eben! Setzt man die Fokuspartikel nur davor, läßt sich das immer nur im Sinne von "jederzeit" lesen (wie es wohl ohnehin gemeint ist).
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.06.2009 um 15.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14542

"Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen." Goethe, Faust 2, 5.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2009 um 11.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14540

Noch ein Relativsatzproblem für Mußestunden:

In der Fachliteratur wird breit erörtert, warum ein vorangestellter freier Relativsatz nicht mit dem Demonstrativum wiederaufgenommen werden kann, wenn er selbst im Fokus einer Gradpartikel steht, also:
*Nur wer mitspielt, der kann gewinnen.
Auch hier ist bereits die Voraussetzung falsch: Solche Sätze gibt es durchaus:
Nur wer noch träumen kann, der kann die Welt verändern.
Nur wer bereit ist, auf seine Kunden zuzugehen und ihre Sichtweisen und Bedürfnisse kennenzulernen, der kann sie erfolgreich ansprechen.

Immerhin sind sie seltener. (Die fokussierende Partikel steht natürlich jedesmal im Obersatz!)
Das hat folgenden Grund: Das relative wer hat zwei Bedeutungen, die man ungefähr so umschreiben könnte:
1. "derjenige, der"
2 . "wer auch immer"
Das verallgemeinernde "wer auch immer" hebt alle Beschränkungen auf, weshalb es widersinnig wäre, sie durch nur wiedereinzuführen. (Für andere Partikeln wie selbst, auch läßt sich eine ähnliche Argumentation finden.) Also auch nicht: "Nur jeder kann gewinnen" usw.
Bei "derjenige, der" spricht nichts dagegen.
Die Verwechslung geschieht um so leichter, als die beiden grammatischen "Programme" zu ungefähr demselben Ergebnis führen, wie so oft. (Man kann zum Beispiel sagen: Der Adler stirbt aus. Die Adler sterben aus. Adler sterben aus. Grammatisch dreimal verschieden, aber im Ergebnis ziemlich dasselbe. Nur Ein Adler stirbt aus geht nicht, außer wenn vom "Sortenplural" ausgehend vereinzelt wird. )
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 02.06.2009 um 10.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14539

Bei Herrn Höhers Kausalsatzbeispielen möchte ich unterscheiden zwischen dem Stilmittel, nach dem Prädikat noch etwas anzufügen, das als wichtig herausgestellt werden bzw. dem noch weiteres, etwa ein Nebensatz, folgen soll, und der Satzbildung bei "weil" und "obwohl".
Im ersten Fall wird meinem Empfinden nach die Endstellung des Prädikats prinzipiell beibehalten. Der Aspekt, auf den es dem Schreiber besonders ankommt, wird in besonderer Weise positioniert, damit dem Leser dessen Wichtigkeit auffällt.
Im zweiten Fall ist es wohl einfach Sprachwandel. Ausweislich einer "Auf Los geht's los"-Wiederholung einer Sendung von 1978, die ich irgendwann mal gesehen habe, kam das schon damals vor (und wohl auch noch früher, denn es ist nicht anzunehmen, daß Blacky Fuchsberger das just in dem Moment erfunden hat). Bei "weil" drängt das eindeutig das "denn" zurück (das viele mittlerweile "den" schreiben).
Ich finde das gräßlich, aber es ist heute dermaßen alltäglich, daß man das einfach hinnehmen muß.
(Apropos "viele": Ich beobachte in letzter Zeit im Internet häufig, daß "viel" und "fiel" verwechselt werden.)

Daß die Herren Ludwig und Metz die Beispielsätze "Was glaubst du, ob mein Garten beim Wettbewerb eine Chance hat?" usw. nicht anders lesen können als mit Pause in der Mitte und erhöhter Stimme am Ende, will ich ihnen lassen. Sie werden sie aber gelegentlich anders gesprochen hören. Und da halte ich es mit Herrn Ickler und Herrn Höher: Was nützt die schönste Theorie, wenn sie nicht auf die Wirklichkeit anwendbar ist? Die Leute reden so. Sie scheren sich nicht darum, ob die Sprachwissenschaft solche Konstruktionen kennt.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 30.05.2009 um 12.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14536

Auch folgende Sätze, die ich stilistisch nicht bewerte, kann es nach Meinung der Generativisten nicht geben. Ich habe sie im Internet gefunden und sie zeigen sehr schön den zu beobachtenden Usus, in der gesprochenen Sprache die Verbendstellung in Nebensätzen aufzugeben. Hier drei Beispiele für Kausalsätze, wobei Beispiel 1) noch weitgehend dem schulgrammatischen Muster folgt:

1) Weil ich jedes Jahr Ferien mache in XY, freue ich mich [auf] so viele schöne Fotos.

2) Ich mag es, weil mein älterer Bruder hilft mir dabei.

3) Weil: Ich muss ja noch lesen.

Mir gefällt die Unterscheidung von Herrn Ludwig zwischen "realen" und "idealen" Sätzen sehr gut. Aber man muß von einer Grammatik dennoch erwarten können, daß sie sich nicht nur im Dunstkreis ihrer eigenen Theorie aufhält, sondern auch tatsächlich vorkommende Sätze analysieren kann. Egal, ob diese nun der eigenen Theorie entsprechen, oder nicht. Im Zweifel stimmt dann nämlich etwas mit der Theorie nicht!

Die Neigung (ich möchte so ganz ohne empirische Belege nicht gern von einer Tendenz sprechen), vor allem in Kausalsätzen das Verb auf die zweite Position zu rücken, habe ich in den letzten Jahren bei Muttersprachlern zunehmend beobachtet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.05.2009 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14535

Hier noch so ein Ding: In der generativistischen Literatur wird lang und breit erklärt, warum es Sätze wie Haus hat er keins nicht vorkommen können. Da sie jedoch durchaus vorkommen, und nicht zu knapp, ist die Erklärung nicht besonders interessant. Aufmerksame Zeitgenossen haben sogar registriert Ein Haus hat er keins. An solchen Erscheinungen sind, wie ältere Leser sich erinnern werden, die frühen generativistischen Theorien vom "Quantoren-Floating" (vgl. hier) kläglich gescheitert. Inzwischen ist man vom "Um so schlimmer für die Tatsachen!" weitgehend abgekommen.

Die "Transformationen" der Generativen Grammatik (von denen Chomsky inzwischen größtenteils nichts mehr wissen will) sind in die deutschen Standardgrammatiken nur gefiltert oder verwässert eingegangen, eine Transformationsgrammatik des Deutschen existiert ja eigentlich nicht.
In den "Grundzügen" (Akademiegrammatik) von 1981 kommen sie als "Abwandlungen" zum Zuge, mit unklarem systematischem Status. (Danach dann in Flämigs Kurzfassung von 1991.)
Bei Ulrich Engel (1994) geht es seltsam zu: Kein Grammatiker, "sofern er die linguistischen Erkenntnisse des vergangenen halben Jahrhunderts nicht völlig in den Wind schlagen will", "kann sich auf eine Grammatik ohne jegliche Transformationen hinausreden". (32) Engel begründet die Transformationen einerseits beschreibungsökonomisch, andererseits schreibt er sie als reale Vorgänge dem "Spracherzeugungsprozeß" (33) zu, und das geht einfach ineinander über: "Wo werden die Transformationen in der Grammatik lokalisiert, an welcher Stelle oder welchen Stellen greifen sie also in den Erzeugungsprozeß ein?" (33)
Auch Helbig/Buscha und die IDS-Grammatik greifen bei Bedarf zu Transformationen. Das letzte Wort darüber ist noch nicht gesprochen, wie überhaupt über das "Generieren" (= prozeßhafte Simulieren) als Erklärungsmethode.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.05.2009 um 09.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14534

Das massenhafte Vorkommen solcher Konstruktionen, vor allem in der gesprochenen Sprache (mit regionalen Unterschieden) ist zunächst einmal eine Tatsache, hinter der sämtliche Tests und Befragungen (auch Selbstbefragungen) zurückstehen müssen.
Die Generativisten "erklären" die verschiedenen Formen der Verschränkung selbstredend als Bewegungstransformationen. Wir anderen nehmen Konstruktionsmischungen an. (Meine eigene Grammatik kennt keine Transformationen, sondern allenfalls regelmäßige Entsprechungen zwischen Mustern.)
Meistens geht es darum, etwas stark betont ins Vorfeld zu stellen und dann den Rest irgendwie einzurenken; eigentlich Reparaturmechanismen, die aber selbst wieder regelhaft werden können. Vgl.:

1. Was glaubst du: Wen habe ich gesehen?
2. Was glaubst du, wen ich gesehen habe?
3. Wen glaubst du, wen ich gesehen habe?
4. Wen glaubst du, den ich gesehen habe?
5. Wen glaubst du, daß ich gesehen habe?
6. Wen, glaubst du, habe ich gesehen?

In 6) ist die Parenthese noch hübsch isoliert, in anderen Fällen steht sie mit der Umgebung in verschiedenen grammatischen Beziehungen ("integrierte Parenthese" nach Marga Reis), was eigentlich mit dem Parenthese-Begriff nicht vereinbar sein sollte. Fall 3) wird auch "Copy construction" genannt. Fall 5) ähnelt einem Beispiel von Herrn Nakayama: wie in 3) und 4) ist ein Element, das vom Nebensatzverb regiert wird, in den Hauptsatz (bzw. allgemeiner den Obersatz, Matrixsatz) eingewandert, eben wegen der starken Topikalisierung. All dies ist belegbar und funktioniert offensichtlich, auch wenn es z. T. einer "loischen" Überprüfung nicht standhält.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 30.05.2009 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14533

Ich unterscheide bei der Bestimmung von Satzteilen (Subjekt, finite Verbform, Satzobjekte usw.) zwischen "realen" und "idealen" Sätzen. Alle Sätze, die es real gesprochen oder geschrieben gibt und die, weil sie akzeptierten Sprechweisen entsprechen und also etwas klar mitteilen, sind "real". Aber manche von denen teilen nur in Zusammenhang der Umgebung etwas klar mit: "Das.", "Alles Gute zum Geburtstag!", "Hierher." Die englische "witzige" Antwort auf "Good morning", "No, it is not", ist im Deutschen nicht möglich, weil "Guten Morgen" klar ein Akkusativ ist, und nicht auch Nominativ sein kann und daher nicht mißverstanden werden kann. Die "Idee" hinter diesem "realen" Satz "Guten Morgen!" ist eben deutlich "Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen." Ich benutze also nicht "verkürzter Satz" für reale Sätze, deren Idee klar ist (und wo wir deshalb bei der Zeichensetzung keine Schwierigkeiten haben).

Herr Metz stellt seine Fragen auch in meinem Sinne: Auch ich kann "Was glaubst du, ob mein Garten beim Wettbewerb eine Chance hat?" nicht anders lesen als mit einer Pause an der Stelle des Kommas, als zwei (parataktisch hintereinandergeschaltete) Fragen. Vom Sinn her ist alles klar; nur beim Versuch, die Struktur hier zu erklären, haben wir Schwierigkeiten (und daher eben unsere Diskussion hier). Aber klar ist, daß "ob mein Garten beim Wettbewerb eine Chance hat" nicht direktes Objekt zu "glauben" ist; das wäre nämlich mit der Konjunktion "ob" bei "glauben" nicht möglich. Es ist ein eigener realer Fragesatz. Auch die Intonation zeigt das an. Obwohl ein Komma (auch graphisch) eigentlich nichts als der Rest eines Pausenzeichens ohne Satzendeintonation ist, sträubt sich auch bei mir einiges, hier ein Komma so mir nichts, dir nichts zu akzeptieren. Die Intonation von "ob mein Garten beim Wettbewerb eine Chance hat?" ist die einer Ja-oder-nein-Frage, nicht die einer "W-Frage". Der "Was glaubst du?"-Teil hat dagegen die W-Frage-Intonation. Was hier geschrieben wie Hypotaxe aussieht, ist also keine, wenn man genau hinhört.

Zu Y.N.'s Beispielen: Bei denen scheinen wir aber echte Hypotaxe zu haben. Meinem Gefühl nach sind die Nebensätze hier irgendwie attributiv.
 
 

Kommentar von Y.N., verfaßt am 29.05.2009 um 18.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14529

Wo denkst du, daß wir uns nun befinden?
Was glaubt ihr wohl, daß der Linguist gefunden hat?

Ob es mit der Konjunktion "daß" besser geht?
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 29.05.2009 um 14.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14528

Für mich schwingt in dieser Konstruktion ein eingespartes "in der Frage" oder ähnliches mit: Was glaubst Du in der Frage, ob sie kommt?
Dabei ist auch die Sprechmelodie entscheidend: tiefer Ton am Ende, kein hoher wie am Ende einer geschlossenen Frage üblich.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 29.05.2009 um 13.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14527

Ich frage mich, wie der Satz Was glaubst du, ob mein Garten beim Wettbewerb eine Chance hat? gesprochen klingen soll. Ich kann ihn nicht anders lesen als mit einer Pause an der Stelle des Kommas, als zwei (parataktisch hintereinandergeschaltete) Fragen, etwa in dem Sinne: Wie schätzt du die Sache ein? Hat mein Garten beim Wettbewerb eine Chance? (oder vielleicht besser: Wie schätzt du die Sache ein: Hat/hat mein Garten beim Wettbewerb eine Chance?). Daher meine Frage nach der Interpunktion. Als echte hypotaktische Konstruktion, sozusagen mit ernst zu nehmendem Komma, vermag ich den Satz nicht zu denken; alles sträubt sich in mir, wenn ich es versuche.

Ich taste mich vorsichtig an das Unbekannte heran. Dazu spreche ich folgende Sätze vor mich hin: (1) Was glaubst du: wer gewinnt die Bundestagswahl? (2) Was glaubst du, wer die Bundestagswahl gewinnt? Nun spreche ich: (3) Was glaubst du: ob mein Garten beim Wettbewerb eine Chance hat? Und schließlich: (4) Was glaubst du, ob mein Garten beim Wettbewerb eine Chance hat?. Mir ist schon klar, daß die Beispielpaare syntaktisch nicht identisch sind, ich versuche nur, meine Intuition ein bißchen zu kitzeln und herauszufinden, wie andere Sprecher dazu gekommen sein könnten, Satz 4 hypotaktisch zu lesen, und wie sie ihn dabei rezipieren. Aber es will mir einfach nicht gelingen, ich empfinde eine solche Konstruktion schlicht als ungrammatisch (im Gegensatz zu Beispiel 2 wohlgemerkt).

Am Ende dieses kleinen Selbstversuchs interessieren mich zwei Fragen:

1. Bin ich hier der einzige, der das so sieht? Vielleicht spielen ja auch regionale Unterschiede eine Rolle.

2. Wie kann man empirisch zuverlässig ermitteln, ob die Sprachgemeinschaft (oder die Mehrzahl ihrer Mitglieder) eine solche Konstruktion als möglich oder nicht möglich empfindet? Das vom Schreiber gewählte Satzzeichen scheint mir jedenfalls ein eher unsicheres Indiz zu sein, wenn ich bedenke, wie uneinheitlich in der Praxis in ähnlichen Fällen die Interpunktion gehandhabt wird.
 
 

Kommentar von Hartmut, verfaßt am 29.05.2009 um 05.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14526

Ich konnte kaum glauben, dass Linguisten die Konstruktionen

Was glaubst du, ob sie kommt?
Was glaubst du, ob Maria mit Hans gesprochen hat?


als nicht moeglich im Deutschen bezeichnen. Wo steht die Behauptung? Wenn so, sind sie wahrlich keine Linguisten!

Linguisten sind schon das Problem mit dem Begriff unmarked word order" oder "basic word order" bekannt aus der Tatsache, dass manche Sprachen feste Wortstellung, manche flexible Wortstellungen haben. Wenn eine Sprache verschiedene Grundmuster in der Satzbildung hat, dann ueberlegt der Linguist anhand der grammatischen Satzbeispiele in der Sprache, welche die Grundmuster sein wuerde, und wie die andere dann problemlos mit wenigst moeglichen Transformationsregeln erklaert werden koenne. So hat Bierwisch fuer die deutsche Sprache ermittelt, dass im Deutschen die Folge S-O-V (wie im Nebensatz) die Grundmuster sei, und die Verbzweitstellung im Hauptsatz als Result einer (oder einiger) Transformation sei (Mir entgeht leider die Einzelheiten dieser Transformation). Wenn die Wortfolge in einer Sprache nicht rigid ist, dann obliegt die Folge in einer Aeusserung den Diskursregeln. Man sieht das in den Gebaerdensprachen der tauben Menschen, wo die Folge der Gebaerden freier als im Deutschen gestaltet ist. Diskursregel sind alles, was Drach vorzubringen versucht hatte, nicht Syntax. Die Hypothese der Modularen Aufteilung in "Syntax" und "Diskurs" und Universal-Grammatik hatte er nicht.

Was wuerde Ihre Ansicht sein, was die "unmarked Wortfolge" im Deutshen sein koenne? Ich bin kein Deutsch-Muttersprachler, um das intuitiv beurteilen zu koennen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2009 um 11.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14508

Es geht um die ganze Konstruktion. Entstanden ist die Hypotaxe sicher aus der Parataxe, sozusagen durch Ersetzung des Doppelpunktes durch ein Komma. (Aber es geht nicht um die Zeichensetzung!) Besonders leicht konnte das geschehen, wenn die zweite Frage eine dubitative war, oft auch mit der Modalpartikel "wohl".
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 25.05.2009 um 21.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14506

Eine Verständnisfrage: Geht es um die Interpunktion oder um die ganze Konstruktion? Ich selbst würde in solchen Fällen statt des Kommas wahrscheinlich einen Doppelpunkt, einen Gedankenstrich oder einfach ein zweites Fragezeichen setzen. Ich mußte den ersten Beispielsatz dreimal lesen, bis mir klar wurde, wie er gedacht ist und gesprochen klingen würde. Daß Fragesätze wie Ob er sich jemals bei ihr entschuldigen wird? oder Was sie jetzt wohl denkt? möglich und üblich sind, wird doch niemand bestreiten. Und warum sollte man nicht eine Einleitungsfrage wie was glaubst du? vorschalten können?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.05.2009 um 18.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14504

Bei mehreren bekannten Linguisten finde ich die Behauptung, Konstruktionen wie diese:

Was glaubst du, ob sie kommt?
Was glaubst du, ob Maria mit Hans gesprochen hat?

seien im Deutschen nicht möglich. Diese Autoren arbeiten nach generativistischer Manier nicht-philologisch, mit lauter selbstgemachten Beispielen, die sie allenfalls ihren Studenten zur Beurteilung vorlegen. Es ist nicht schwer, mit Suchmaschinen Tausende von Gegenbeispielen zu finden, etwa diese:

Was meinen Sie, ob er mir ein Autogramm gibt für meine Sammlung? (Berliner Zeitung 24.1.04)

Was meinen Sie, ob ich mit diesem Fisch wohl zurechtkomme? (Angela Merkel laut BamS 28.121.08)

Was meinst du, ob ich wohl mit dem Unsinnigen rede? (Lessing: Die Gefangnen)

Was glaubst du, ob mein Garten beim Wettbewerb eine Chance hat? (Spiegel-online 23.9.08)

Was ist von sprachwissenschaftlichen Abhandlungen zu halten, die mit ungeheurem Scharfsinn und formalem Aufwand beeindrucken, aber die Tatsachen so achtlos übergehen?
 
 

Kommentar von rob, verfaßt am 25.05.2009 um 17.47 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14503

Bedanke mich über die Informationen zu DRACH. Habe leider bisher sehr wenige Infos zu Drach gefunden. Also, besten Dank dafür.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 25.05.2009 um 13.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14502

Auch wenn ich nun in diesem Strang schon sehr präsent bin, so möchte ich trotzdem noch etwas Material zum Thema nachtragen.
Der folgende Aufsatz etwa liefert einen Forschungsüberblick bis zum Jahr 2002 über die verschiedenen Modelle zur Wortstellung.

http://www.daad.ru/wort/wort2002/Banionyte.Druck.pdf
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 24.05.2009 um 20.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14500

Die Redaktion möge mir die Länge des Beitrags nachsehen. Da ich mir nicht sicher bin, ob alle das Buch von Drach zur Hand haben, wollte ich auch seine Hauptaussagen zum Satzbau als Diskussionsgrundlage hier zur Verfügung stellen. Im Internet habe ich das Buch leider nicht als Volltext gefunden.

(Kein Problem! Red.)
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 24.05.2009 um 20.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14499

Drach hatte damals ähnliche Probleme mit zementierten Meinungen (SPO) in gängigen Schulgrammatiken. Seine eigenen Ansichten hat er dann in seinen „Grundgedanken der deutschen Satzlehre“ spätestens 1935 (1937 posthum erschienen) klargestellt, wobei der Sperrdruck der Vorlage im folgenden jeweils kursiv erscheint:

„51. Da viele Lehrbuchverfasser das Wesen des deutschen Satzplanes nicht durchschauen, gelangen sie zu falschen Beschreibungen und irreführenden Begriffsbildungen.
Irreführend ist der Begriff „normale Wortstellung“ und „Inversion“ [„gemeine“ und „versetzte“ Wortfolge].
So behauptet z.B. ein Lehrbuch: „Bei normaler Wortstellung beginnt das Subjekt den Satz, und das Verb folgt ihm unmittelbar. Bei verkehrter Wortfolge (Inversion) geht das Verb dem Subjekt unmittelbar voran. Sie wird angewandt, falls irgendein anderes Wort den Satz einleitet; dies einleitende Wort ist dann mit Emphase beladen (emphasized).“
Jeder Satz in dieser Beschreibung trifft daneben. Daß im Vorfeld nicht das Subjekt, sondern irgendein anderer Satzteil steht, kommt im Durchschnitt ebenso häufig vor, wie der Vorantritt des Subjektes. Es ist falsch, aus grammatisch-logischer Voreingenommenheit eine Stellung als „normal“ zu bezeichnen, wenn im wirklichen Sprachgebrauch eine andere genau so üblich ist. Ebenso falsch ist es, im Schüler die Meinung wachzurufen, als finde irgendeine „Umdrehung“ (Inversion) der Verbstellung statt; gerade das kennzeichnet ja den Plan, daß das Verb in allen Fällen standfest in seiner Mittelstellung verharrt und die übrigen Vorstellungsinhalte, je nach ihrer Denkfunktion, in das Vor- und Nachfeld gesetzt werden.“

Der Begriff der „Denkfunktion“ ist bei Drach wichtig, weshalb er kurz erläutert werden muß. In Nummer 31 (das Buch hat insgesamt 195 Nummern) schreibt er: „Nicht die grammatische Funktion des Wortkörpers entscheidet über die Stellungsbeziehungen, sondern die Denkfunktion des Wortinhaltes.“ Was er damit genau meint erläutert er in der folgenden Nummer 32: „Es ist eine alte Erkenntnis der Sprechkunde, daß bei der Satzentstehung das gefühls – und willensmäßig Hochgetriebene nach vorn drängt. Es springt am stärksten und vordringlichsten im Bewußtsein auf, überrennt alle logischen und zweckhaften Erwägungen, setzt sich an die Spitze. Man kann – mutmaßlich in allen Sprachen – das Vorfeld geradezu als die Ausdrucksstelle bezeichnen. Im Nachfeld mag dann folgen, was beiläufig, und von weniger starken Gewalten emporgetrieben, den Gedanken vollendet. Ebenso bekannt ist eine Gegentatsache: das geordnete zielgerichtete Denken schreitet vom Gewußten zum Gesuchten, vom Bekannten zum Unbekannten, vom Ausgang zum Ergebnis: solcher Denkablauf kommt notwendig dazu, das Ziel in das Nachfeld zu verlegen.“ In Nummer 50 bringt er diese Überlegungen auf den Punkt: „Die deutsche Wortfolge ist nicht „frei“, sondern denkbedingt.

Diese Ausführungen Drachs betreffen den Hauptsatz (Aussagesatz). Bei der Beschreibung des Nebensatzes (Drach mag diesen Begriff nicht und nennt ihn „Gliedsatz“, vgl. Nr. 56) und seines Satzplanes tritt nun der Begriff der „Klammer“ auf, der hier schon mehrmals für lebhafte Diskussion gesorgt hat (ich verweise nur auf die Ausführungen von Herrn Ickler zur Satzklammer):

„57. Als die Pläne deutscher Zwecksprache sich bildeten, lag zweierlei vor: auf der einen Seite wandlungsreiche Freiheit des Gebrauches im Deutschen, andererseits die weit durchgeführte Endstellung des lateinischen Kanzleistils, die von alters her das Verb im Gliedsatz mit größerer Regelmäßigkeit an das Ende stellte, als dasjenige im Hauptsatz. Mit durchdringender Entschiedenheit entwickelte sich nun die heute gültige Gestalt.
Sie ist durch vier Merkmale bestimmt:
Vorne steht, in Anschlußstelle, die Satzeinleitung (Konjunktion), welche die logische Beziehung des Gliedsatzes zum Hauptsatz darstellt. Am Ende steht, in Eindrucksstelle, das Geschehen, welches diese logische Beziehung als wirklich bestehend feststellt […]. Satzeinleitung und Verb, als Ausgangs- und Zielpol, bilden eine Klammer um den Satzinhalt […].“

Dieser Begriff der „Klammer“ oder „Umklammerung“ ist für Drach wichtig. Liegt doch hier zugleich der größte Unterschied zum englischen und teilweise zum französischen Satzbau. Während der Däne Otto Jespersen hierin einen Nachteil der deutschen Sprache sieht, erkennt Drach einen – wiederum denkbedingten – Vorteil:

„86. […] Wer als Deutscher sich selbst beobachtet, wie er muttersprachlich denkt, empfindet in all den Umklammerungen genau das Gegenteil von Trennung oder Aufspaltung, nämlich mit großer Entschiedenheit das Zusammenfassen. Es erscheint ihm im wörtlichen Sinn als ein Um-Klammern wie mit geöffneten Armen. […]“

Und ebenso wie es einen Satzplan nach der Denkfunktion für den Hauptsatz gibt, entwickelt Drach einen ebensolchen für den von ihm so genannten „Schachtelsatz“:

„96. Ausländer und Deutsche tun darum gut, sich die Notwendigkeit des sinnklaren Klammersatzes deutlich zu machen. Wenn man im Bild von dem galvanischen Element weiter denkt – natürlich immer nur verhältnismäßig, nicht streng naturwissenschaftlich –, so kommt man zu der Einsicht, daß vier Bedingungen erfüllt sein müssen, damit das Element ohne Störung arbeitet.
I. Die Pole A und Z müssen ein Mindestmaß von Tragfähigkeit haben. Ein allzu schwacher Ausgangspol läßt keine durchhaltende Spannung aufkommen. Ein allzu matter Zielpol läßt sie unwirksam verebben.
II. Pol A muß so beschaffen sein, daß er das Denken unmißverständlich in Richtung auf den Inhalt von Z einstellt, nicht in anderer Richtung fehlleitet.
III. Die Pole dürfen nicht durch zu viele Innenstücke voneinander getrennt sein; sonst reicht auch die stärkste Spannung nicht aus, um bis Z durchzuhalten.
IV. Von den Innenstücken darf keines leitungsunfähig sein, so daß es das Fortschreiten des Gedankens abbricht.“

Das sind wohl erst einmal die wesentlichen Aussagen Drachs zum Satzbau von Haupt- und Nebensatz. Er gießt – im Gegensatz zu damaligen (und heutigen) Schulgrammatiken – wenig in festzementierte Regeln, sondern läßt Mannigfaltigkeit (er nennt das „Freiheit“) zu, die nach der Semantik der Aussage auf verschiedene Weise angeordnet werden kann. (Gerade bei der denkbedinten Anordnung der Innenstücke erkenne ich auch Gedanken Kleists zur Klärung der eigenen Gedanken beim lauten Aussprechen derselben wieder.) Lediglich einige wenige Regeln sind bei Drach zu beachten, und womöglich ist es gerade diese scheinbare Regellosigkeit, die seine Überlegungen heute nicht mehr wichtig erscheinen lassen. Hinzu kommt natürlich, daß Weisgerber und danach Engel vieles von Drach übernommen und amalgamiert haben. Deren Namen haben sich gehalten und der des frühverstorbenen Drach ist schlicht verlorengegangen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.05.2009 um 18.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14498

Zum Beispiel unter "Wortstellung" liest man bei Wikipedia:

"Die deutsche Sprache ist demnach eine SPO-Sprache mit Verbzweitstellung, auch wenn einige weitere Stellungen möglich sind. Diese verändern dann aber den Sinn des Satzes."

Dabei scheint an Fragesätze usw. gedacht zu sein. Wie aber im Tagebucheintrag gezeigt, ändert eine andere Vorfeldfüllung den Sinn nicht (jedenfalls nicht in diesem Sinne). Das Deutsche wird bei Wiki wortstellungstypologisch ausdrücklich mit dem Englischen, Französischen und Swahili zusammengestellt, und dies ist nun weitgehend kanonische Lehrmeinung! Einer der schlagendsten Unterschiede (zugleich eine der Hauptfehlerquellen) wird einfach verleugnet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.05.2009 um 13.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14497

Von Erich Drach kenne ich nur die "Grundgedanken", die mir schon gleich zu Beginn meines Studiums, als die Wissenschaftliche Buchgesellschaft sie nachdruckte (1963), bekannt wurden und mich beeinflußt haben (keine "trennbaren Verben", Drei-Felder-Wirtschaft). Wahrscheinlich hatte ich den Hinweis darauf von Werner Schröder bekommen, der in Marburg mein Interesse an deutscher Grammatik weckte, und nicht von Drachs Schüler Christian Winkler, bei dem ich erst später Sprecherziehung hatte und mit dem ich auch persönlich etwas Kontakt pflegte. Drach ist ja früh gestorben, so daß seine Verstrickung in den Nationalsozialismus sich nicht mehr allzu schädlich auswirken konnte. Ich weiß aber nichts Näheres über ihn und habe mich eigentlich auch für Sprechkunde nie besonders interessiert, schon gar nicht für die ausgreifenden rhetorischen Ansprüche etwas Hellmut Geißners.
(Übrigens komme ich anonym in einem kleinen Aufsatz Christian Winklers über den "Einschub" vor! Winkler ließ uns damals kleine Geschichten usw. frei vortragen und untersuchte dann unser Parenthesenverhalten. Ich erwähne es auch deshalb, weil ich mich seit vierzehn Tagen fast ausschließlich mit Parenthesen beschäftige. Bald mehr davon, es geht auch um die Rechtschreibung und Kommasetzung - und um unser altes Thema: Was du nicht willst, daß/das man dir tu.)
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 24.05.2009 um 11.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14496

Ich erlaube mir noch eine Ergänzung zu Drach (der übrigens auch mit Karl Kraus bekannt war und bei Reinhardt gearbeitet hat), da er doch immer noch zu wenig bekannt ist. Einen – allerdings nur knappen – Überblick über die Arbeiten Drachs zur Sprechwissenschaft erhält man in dem Aufsatz von Franziska Fuchs.

http://www.resonanz-online.de/docs/medienecho/sprechwissenschaftler.pdf

Da dort jedoch Drachs Rolle (und die seines Faches) in der Zeit des Nationalsozialismus eigenartigerweise ausgespart bleibt, empfehle ich die Chronologie von Simon grundsätzlich zur Ergänzung. Auch wenn deren Lektüre durch die "amerikanische" Darstellung der Daten (und die wirre Orthographie) keine Freude bereitet.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.05.2009 um 20.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1162#14495

Daß Drach in den Überlegungen zur deutschen Wortstellung bei Wikipedia so gar keine Rolle spielt, mag daran liegen, daß er nicht einmal einen eigenen Artikel erhält. Unter der Rubrik "ferner liefen" wird er lediglich als Sprechwissenschaftler erwähnt.

Über Drach informiert beispielsweise folgende Chronologie:

http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/ChrDrach.pdf
 
 

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