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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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06.04.2009
 

Die Zeuge und der Pfarrerin
Vom Nutzen des generischen Maskulinums

Carmen Arrojo ist eine der letzten Zeitzeugen der Wirren des Bürgerkriegs. (SZ 31.03.09)

Christine Stradtner ist evangelische Pfarrerin, wie ihr Mann Uwe. (SZ 6.4.09)

Man sieht hier sehr schön, was wir verloren haben bzw. verlieren würden, wenn wir das generische Maskulinum aufgäben.



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Kommentare zu »Die Zeuge und der Pfarrerin«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.01.2017 um 16.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#34408

Auch in der Neuauflage (2016) der Dudengrammatik steht unverändert das Kapitel über Genus-Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikatsnomen:
Petra ist Besitzerin eines Hauses (...) Tobias ist Besitzer eines Hauses usw.

In Wirklichkeit geht es um Sexus, daher auch Das Mädchen ist eine gute Rechnerin (ebd.)

Erst im nächsten Paragraphen kommt die Grammatik auf eine Angleichung des Sexus an das Genus von Bezeichnungen nicht-belebter Gegenstände:
die Stiftung als Eigentümerin, die Not als Lehrmeisterin – man könnte es Allegorese nennen, wie im Mittelalter die Frau Grammatica usw.

Heute steht in der FAZ:

Die AfD will Tabubrecherin und Protestpartei sein.

Also ein weiterer Fall von Motion, mit dem man sich hier dem generischen Maskulinum entgegenstemmt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.01.2015 um 04.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#27728

Man spricht von Mutter- und Tochtergesellschaft, aber auch -unternehmen, -konzern, obwohl Neutrum und Maskulinum. Es geht also nicht um das Genus bzw. den Sexus innerhalb der Metaphorik, sondern um die Verteilung von Mutter, Tochter gegenüber Vater, Sohn. Offenbar wird die "Abstammung" über die mütterliche Linie metaphorisiert, die Mutter als Gebärerin, nicht der Vater als Verursacher oder Anreger.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.12.2014 um 11.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#27578

Die Dudengrammatik veranschaulicht die "Constructio ad sensum" durch folgenden Satz:
Dieses Mädchen wird einmal eine gute Tennisspielerin sein.
- wegen des semantisch nichtkongruenten Genus bzw. Sexus.
„Die Personenbezeichnung ist grammatisch ein Neutrum, semantisch aber eine Bezeichnung für eine weibliche Person.“ Das hat aber nichts mit constructio ad sensum zu tun. Ebenso könnte man ganz unproblematisch sagen: Dieses Kind wird einmal eine gute Mutter sein. Der Mond ist eine Kugel. Das Erdbeben war eine Katastrophe.

Derselbe Fehler in Wahrig Fehlerfrei: Nichtfeminine Bezeichnungen für weibliche Personen: dafür sind aber Beispiele wie Charlotte ist ein gern gesehener Gast unpassend. Denn im Prädikat kann ohnehin beliebiges stehen: Charlotte ist ein Schatz usw. Da geht es um die sachliche Richtigkeit, nicht um Sprache. Ebenso fraglich auch Karin Pittner:
„Wo die Kongruenz weniger strikt durch die Grammatik festgelegt ist, wie in der Beziehung zwischen Subjekt und Prädikativ, werden feminine Formen eingesetzt.“ Beispiel: Wer aber morgens immer die erste und abends die letzte ist, gilt als Streberin und wird leicht ausgenutzt. (Journal für die Frau 1/95:73) - Hier ist überhaupt nichts festgelegt. Vgl. noch:
Der schillernde russische Geschäftsmann war eine Art Mädchen für alles. (SZ 17.1.13)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.02.2014 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#25077

Weshalb ich die Formulierung als generisch angesehen habe:
Muß den zwischen der bezeichneten Person (z.B. Königin) und der geringeren zweiten Person, deren mögliche Existenz in Betracht gezogen wird, überhaupt Genuskongruenz bestehen?

Man sagt zwar unwillkürlich:
- kein Geringerer als der König,
- keine Geringere als die Königin,
aber der König ist ja nicht selbst der Geringere, es hätte auch eine geringere weibliche Person sein können. Analoges gilt für die Königin. Warum dann nicht:
- kein Geringerer als die Königin?

Man könnte also eigentlich auch formulieren:
- kein Geringerer und keine Geringere als die Königin

Bei niemand ist das schlecht möglich, niemand Geringere gibt es wohl nicht. So dachte ich zunächst an ein generisches Maskulinum. Aber auch das Neutrum ist hier üblich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2014 um 03.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#25075

Mit dem Negationsartikel kein und substantiviertem Adjektiv geht es ziemlich unproblematisch, die schwierigen Fälle entstehen bei Indefinitpronomina wie jemand, niemand:

Schließlich hat niemand Geringeres als Zwickel selbst die Tarifpolitik ins Bündnis eingebracht. (FAZ 31.1.03)

Daß er niemand Gewöhnlicher war, hatte sie natürlich gemerkt. (Michael Ende: Momo:149)

Niemand Geringeres als die Untersuchungskommission, die zur Aufklärung des Columbia-Unfalls eingerichtet worden ist, weist in ihrem Abschlußbericht von 2003 auf die Graphiker der Nasa als Mitschuldige. (FAS 8.2.04)

Eine solche interdisziplinäre Perspektive, deren theoretische und praktische Berechtigung auf niemand geringeren als Jakobson zurückgeführt werden kann... (Hartwig Kalverkämper: Textlinguistik der Eigennamen. Stuttgart 1978:22)

In der Erklärungssprache von Langenscheidts Wörterbuch DaF zum Beispiel kommt meist jemand anderer vor, zweimal aber auch jemand anderes. Auch: niemand anders, jemand anderes, jemand anders.

Inzwischen kann man ja alle erdenklichen Kombinationen ergoogeln und wird staunen, was es alles gibt.


 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.02.2014 um 22.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#25073

von keiner Geringeren als ist in solchen Fällen üblicher, Belege seit dem späten 19. Jahrhundert.

»Jener Rolle verdanke ich auch meinen ersten Lorbeerkranz, der mir von keiner Geringeren als Marie Niemann-Seebach selbst geworfen wurde.« (Adolf Kohut: Das Dresdner Hoftheater in der Gegenwart, 1888)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.02.2014 um 22.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#25072

Niemand Geringerer, von niemand Geringerem?
Oder ist das der Dativ eines Neutrums: niemand Geringeres, von niemand Geringerem?
Letzteres wäre dann doch eine Alternative, genau gleichlautend.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.02.2014 um 20.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#25071

Auch hier gibt es zum generischen Maskulinum keine Alternative:

Doch nun erhält ausgerechnet die modebewusste 32-Jährige [Prinzessin Kate] Tipps - von niemand Geringerem als Königin Elizabeth II..
(MM, 6.2.14, S. 16)
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 30.09.2012 um 08.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#21617

Auch nicht schlecht als Beleg für die zunehmende Kreativität bzw. Hilflosigkeit in Sachen "Geschlechtergerechtigkeit":

Nach einem gemeinsamen Problemaufriss der drei Herausgeber/in erörtern dann je zwei Autoren/in einen Themenschwerpunkt (...)

Quelle: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.05.2012 um 20.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#20750

Das generische Maskulinum gibt es noch:

Jennifer Lopez, 42, US-Sängerin und Schauspielerin [wohl auch US-], ist laut dem amerikanischen Magazin Forbes der einflussreichste Prominente der Welt (2011: Lady Gaga).

(Süddeutsche, 18.5.12, S. 10, Hervorhebung von mir, Originalhervorhebungen gelöscht)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.04.2012 um 16.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#20457

Die Piraten sind wohl die erste Partei, die sich das generische Maskulinum direkt in den Namen geschrieben hat.
Allerdings finde ich auch auf ihren Internetseiten keinerlei -innen außer dem Wort Innenministerium!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.09.2011 um 14.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#19241

Die Schreibweise "Gaia" irritiert mich, weil sonst grundsätzlich altgriechisches "ai" im Deutschen "ä" und altgriechisches "ä" im Deutschen "e" geschrieben wird. (Wie die Engländer das machen, interessiert hier nicht.)
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 19.09.2011 um 05.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#19239

PS: Ich frage mich, warum mich Gaia ist eine der ersten Götter stärker irritiert als Carmen Arrojo ist eine der letzten Zeitzeugen. Der Grund könnte sein, daß man sich bei griechischen Gottheiten anschaulich vorstellen möchte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, während das Geschlecht eines Zeugen im Prinzip uninteressant ist.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 19.09.2011 um 05.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#19238

Im Wikipedia-Artikel "Gaia (Mythologie)" heißt es, Gaia sei eine der ersten Götter. Diese Konstruktion entspricht dem oberen Beispiel des Tagebucheintrags.

Ich halte die Formulierung für in Ordnung, aber für suboptimal, weil die grammatische Inkongruenz bei vielen Lesern eine Irritation auslösen dürfte – auch bei solchen, deren Sprachzentrum noch nicht vom Feminismus gewaschen wurde. Als Lektor würde ich die Formulierung passieren lassen, wenn es nicht auf die letzte Feinheit ankommt. Bei einem hohen Anspruch an den Text würde ich dazu raten, sie zu vermeiden. Wie seht ihr das?
 
 

Kommentar von Vollgasfahrer, verfaßt am 14.07.2011 um 14.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#19009

Die FAZ meldet:

"Bester männlicher Sportler des Jahres - Dirk Nowitzki auf dem Roten Teppich"

http://www.faz.net/s/Rub0D783DBE76F14A5FA4D02D23792623D9/Doc~E0AC5ECF24DAF49B58E25589CAD340E17~ATpl~Ecommon~SMed.html

Bei der WELT lautet die Meldung wie folgt:

"Auch auf dem roten Teppich räumt Dirk Nowitzki ab. Vom Sportsender ESPN wurde er als "Bester männlicher Athlet" und „Bester Basketballer" ausgezeichnet."

http://www.welt.de/sport/article13486206/Dirk-Nowitzki-raeumt-bei-ESPN-Preisverleihung-ab.html#

Vermutlich beruht beides auf 1:1-Übersetzungen ohne Mut zum sinnvollen Kürzen.

 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.06.2011 um 16.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#18926

Wie wäre es mit:
"Jede sechste Professorenstelle ist von einer Frau besetzt."

Finde ich auch sehr gut, aber es gibt eben so verbohrte Zeitgenossen, die auch dieser Satz nicht zufriedenstellen würde. Sie möchten lieber hören und lesen:

Jede sechste Professoren- und Professorinnenstelle ist von einer Frau besetzt.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 27.06.2011 um 15.48 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#18924

Und wie immer haben die Essener Bundesliga-Fußballerinen gegen den Top-Klub um Nationalstürmerin Inka Grings auf dem Papier eigentlich keine Chance. ...
(derwesten.de 9.11.2010)
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 27.06.2011 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#18923

Die Redaktion des Hohlspiegels meint wohl, es müsse richtig heißen:
"Jede sechste Professorin ist eine Frau"?
Oder: "Jeder oder jede sechste Professor oder Professorin ist eine Frau"?

Es geht alles nicht, höchstens indem man umständlich ein Neutrum einführt: "Jedes sechste Mitglied der Berufsgruppe Professor und Professorin ist eine Frau."


Wie wäre es mit:
"Jede sechste Professorenstelle ist von einer Frau besetzt."
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 27.06.2011 um 10.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#18922

Schön beobachtet. Man vergleiche das ältere Damentennis.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.06.2011 um 23.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#18921

Für die meisten Sportarten ist es selbstverständlich, daß sie von Männern und Frauen ausgeübt werden. Ausdrücke wie Frauenweitsprung oder Fraueneiskunstlauf sind ungebräuchlich, man sagt eher Weitsprung der Frauen oder Eiskunstlauf der Frauen. Nicht so beim Fußball. Der Frauenfußball ist noch recht jung und besitzt deshalb einen eigenen Eintrag im Duden.

Wer sind nun aber die Akteure dieser Sportart?
Wer Fußball spielt, ist ein Fußballer.
Und wer spielt Frauenfußball? Doch nicht etwa die Frauenfußballer?

Dem Kommentator der ARD bei der Direktübertragung des Spiels Deutschland-Kanada der Fußball-WM der Frauen entschlüpfte heute das schöne Wort Frauenfußballerinnen.

(Mal sehen, ob der Duden demnächst seinen Eintrag Fußballerinnen damit ergänzt.)
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.10.2010 um 10.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#16892

Da könnten sie auch gleich den eigenen Slogan im "Hohlspiegel" präsentieren: SPIEGEL-Leser wissen mehr.

Das soll dann wohl besagen, daß Frauen zu doof sind, um aus der Lektüre etwas lernen zu können.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.10.2010 um 09.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#16891

Im aktuellen Spiegel (Nr. 41, 11.10.10) amüsiert man sich unter der Rubrik Hohlspiegel über die Meldung
Aus der "Dithmarscher Landeszeitung":

Jeder sechste Professor ist eine Frau

Die Redaktion des Hohlspiegels meint wohl, es müsse richtig heißen:
"Jede sechste Professorin ist eine Frau"?
Oder: "Jeder oder jede sechste Professor oder Professorin ist eine Frau"?

Es geht alles nicht, höchstens indem man umständlich ein Neutrum einführt: "Jedes sechste Mitglied der Berufsgruppe Professor und Professorin ist eine Frau."
Das generische Maskulinum ist doch immer noch das Vernünftigste, auch wenn man im Hohlspiegel aus Dummheit darüber lacht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 18.06.2010 um 23.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#16393

»In Deutschland sei gewährleistet, dass künftig jeder Nutzer wisse, wer ihnen am anderen Ende der Leitung gegenübersitze, so Ralph Haupter, Vorstandsvorsitzender der Initiative "Deutschland sicher im Netz"«
(Mannheimer Morgen, 18.6.10, S. 4)
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 20.04.2010 um 19.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#16099

Nicht zu vergessen natürlich das politisch korrekte Roma-und-Sinti-Schnitzel (statt Zigeuner- und Zigeunerinnenschnitzel) mit entsprechender Soße.
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 20.04.2010 um 17.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#16098

In vielen Fällen gibt es einen eleganten Ausweg aus dem Dilemma: Kaminkehrende, Jagendenschnitzel, Schreinende, Lehrende, Studierende...
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.04.2010 um 13.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#16096

Es wird höchste Zeit, daß auf Speisekarten auch das Jägerinnenschnitzel und das Zigeunerinnenschnitzel und auf Soßenschachteln auch die Jägerinnensoße aufgeführt werden.
Bei den Handwerksinnungen besteht ein dringender Zusatzbenennungsbedarf für die Kaminkehrerinnen, Schreinerinnen, Mechanikerinnen usw.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 20.04.2010 um 07.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#16093

Bisher dachte ich, Passagier sei wie etwa Gast ein geschlechtneutraler Begriff.
Heute vermeldet das Radio aber vulkanbedingtes Ungemach für die Passagierinnen und Passagiere auf den Flughäfen der Welt.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.08.2009 um 12.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14915

Am sichersten fährt man mit Ludwig Thomas Rat in seinen "Lausbubengeschichten": "Was verneint werden soll, kann gar nicht oft genug verneint werden."
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 18.08.2009 um 05.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14914

Eigentlich gehören weder die Bemerkung unseres Germanisten über die Frage seiner Enkelin hierher, die sich also auch über "Sonnenschein" und letztlich sogar "Straßenbahn" wundert, noch der interessante Hinweis Herrn Riemers auf etwas eigentlich Verblüffendes bei durchaus richtig strukturierten Sätzen. Ich habe gerade kein Beispiel dafür, aber ich erinnere mich daran, daß mir mal ein Satzgefüge auffiel, wo es keine Rolle spielte, ob ich im Nebensatz die Negation "nicht" hatte oder nicht; der Sinn war der gleiche. Wahrscheinlich war da eine Art Negation im Hauptsatz (also nicht eine mit "nicht" oder "kein", sondern eben eine anders implizierte). Aber an das Beispiel erinnere ich mich nicht. — Tut mir leid, auch dieser (eine Exkursion abschließende?) nicht zufriedenstellende Hinweis hat nichts mit generischem Maskulinum zu tun.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 18.08.2009 um 01.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14913

Ich wollte hier natürlich nicht für die Kommasetzung "nachdem" eintreten, sondern meinte das ganz im Sinne der bewährten Regeln R97 oder R98 (nachgestellter Beisatz bzw. genauere Bestimmung), die in Kommas eingeschlossen wird. Und nach R104 war das Komma bei mit "wie" angeschlossenen Fügungen auch schon gelegentlich freigestellt.

Aber das Verblüffende an sich, das wollte ich eigentlich sagen, ist, daß sogar ein richtig geschriebener Satz manchmal solche Irritationen bis hin zum Gegenteil des Gemeinten auslösen kann.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 17.08.2009 um 23.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14912

Nachdem die Kommasetzung ziemlich freigestellt wurde, könnten wir die Kommas tatsächlich auch bei Gedankenpausen setzen wie im Englischen.

Aber um noch eins draufzusetzen: Wenn man die deutsche Sprache von Mißverständnissen befreien will, muß man diejenigen aus dem Mittelhochdeutschen übernommenen Fugenzeichen ändern, die im Neuhochdeutschen eine Mehrzahl vortäuschen, wo die Einzahl gemeint ist. Z.B. sind alle Wörter die mit "Marien..." beginnen und keine Namen sind, genau genommen im Neuhochdeutschen Grammatikfehler, denn fast immer ist nur die Mutter Jesu gemeint und nicht alle drei Marien aus den Evangelien (die Mutter Jesu, die Jüngerin Maria aus Magdala und die "andere Maria").
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.08.2009 um 21.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14911

Meine Auslegung des Satzes (sie kann) wird noch deutlicher, wenn man kein durch nicht ersetzt, letzteres könnte man noch durch so gut erweitern. Die Satzstruktur würde sich nicht sehr verändern, aber der Sinn wäre dann gar nicht mehr zweideutig:

"Wer kein / nicht (so gut) Mittelhochdeutsch kann wie z.B. meine achtjährige Enkeltochter, ..."
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.08.2009 um 17.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14910

Lieber Germanist, Ihren Beitrag finde ich deshalb interessant, weil er mich darüber zum Grübeln anregt, ob Ihre Enkeltochter Mittelhochdeutsch kann oder nicht. Daß sie erst acht ist, spricht wohl dafür, daß sich "wie z.B. meine achtjährige Enkeltochter" auf "kein Mittelhochdeutsch" beziehen sollte. Aber den Satz "Wer kein Mittelhochdeutsch kann wie z.B. meine achtjährige Enkeltochter, ..." könnte man m.E. theoretisch auch so verstehen: Wer nicht wie meine achtjährige Enkeltochter Mittelhochdeutsch kann, ..., oder?

Ich überlege, ob es etwas ausmacht, wenn man ein Komma setzt:
"Wer kein Mittelhochdeutsch kann(,) wie z.B. meine achtjährige Enkeltochter, ..."?

Ich glaube, mit diesem Komma würde deutlicher, daß sie es nicht kann, während ohne das Komma eher der Eindruck entsteht, sie kann es. Liege ich da richtig?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.08.2009 um 19.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14909

Wer kein Mittelhochdeutsch kann wie z.B. meine achtjährige Enkeltochter, fragt mit Recht, warum es zu den vielen Frauenkirchen keine Männerkirchen gibt.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 15.08.2009 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14908

Na, es geht doch: "Speerwerferin Obergföll ist deutscher Mannschaftskapitän [/] Berlin (dpa) - Die Olympia-Dritte Christina Obergföll ist deutscher Mannschaftskapitän bei der Leichtathletik- Weltmeisterschaften in Berlin. DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow überraschte die 27-jährige Speerwerferin aus Offenburg damit auf der Pressekonferenz des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Die Weltjahresbeste war bereits bei der Team-Europameisterschaft im Juni in Portugal Kapitän der Mannschaft." (newsticker.welt.de [15.8.09])
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 17.05.2009 um 11.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14458

Das "anderen" ist überflüssig und irreführend. Wenn schon ein Attribut, dann meinetwegen "slowakischen".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.05.2009 um 05.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14457

Der Fall, den Herr Wagner anführt, ist tatsächlich schwierig. Wie soll man es denn machen, ohne umständlich zu werden? Jedes Sprachsystem hat irgendwo seine gordischen Knoten ...
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 16.05.2009 um 18.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14456

F.A.Z., 20. April 2009: Dieter Althaus ist zurück

"Seit dem 1. Januar, als er auf der Skipiste mit einer anderen Skifahrerin, Frau Christandl, kollidiert war, ..."
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.05.2009 um 15.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14453

Auch deswegen sind im Tschechischen Verkleinerungsformen so häufig und beliebt: Weil sie nicht mit dem Verlust des natürlichen Geschlechts bezahlt werden müssen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.05.2009 um 14.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14452

Wie schon die gerne kolportierte Legende, daß Rechtschreibreformen in anderen Ländern undenkbar seien, ist auch die Vorstellung, daß nur Fräulein unmöglich geworden sei, Wunschdenken. Natürlich ist der caractère discriminatoire (Wikipédia, s. v. Mademoiselle) von mademoiselle, signorina und miss längst gebührend entlarvt; nicht umsonst ist ja die Zwitterform Ms eigens erfunden und trotz Unaussprechlichkeit auch in beachtlichem Maße durchgesetzt worden. "While Miss is still used, it is most frequently used to refer to girls under eighteen." (Wikipedia, s. v. Miss) Ein ungebrochener, von gesellschaftspolitischen Einflüssen verschonter Usus sieht anders aus.

Das Schwedische hatte übrigens schon in den 1860er Jahren seine Frökenreform, mit dem Ergebnis der Abschaffung von mamsell.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 15.05.2009 um 12.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14451

Wie Kratzbaum (hier) schon darauf hinwies, geht man in anderen Kulturräumen entspannter mit diesen Bezeichnungen des Sozialstatus’ um.

In Frankreich etwa wird bis heute in Literaturgeschichten das auch von E. T. A. Hoffmann so genannte (grammatisch notwendige Getrenntschreibung!) „Fräulein von Scuderi“ als Mlle de Scudéry bezeichnet. Daß ihre mehrbändigen Romane heute neben der kurzen „Princesse de Clèves“ der Mme de Lafayette nicht mehr gelesen werden, hat ja nichts mit ihrem gesellschaftlichen Stand zu tun. Geachtet waren beide Damen in jedem Fall, die eine war eben unverheiratet und die andere mit dem deutlich älteren Comte de Lafayette vermählt. Dabei war gerade damals die Ehe noch eine reine Versorgungseinrichtung, die eine Frau mit einem Namen – nämlich dem ihres hoffentlich aristokratischen Mannes – sowie mit materieller Sicherheit versorgte.
Übrigens erschienen erst die späteren, nicht mehr so erfolgreichen Romane der Scudéry unter ihrem eigenen Namen (die ersten, durchaus erfolgreicheren wie „Clélie, histoire romaine“ kamen noch unter dem Namen ihres Bruders heraus), während Mme de Lafayette als Comtesse das Schreiben von Romanen wohl für nicht standesgemäß hielt: alle ihre Romane erschienen anonym. (Inzwischen ist sich die Romanistik übrigens einig, daß die hohe Dame wohl keines „ihrer“ Werke selbst verfaßt hat. Vgl. hierzu ausführlich die belgische Dissertation von Geneviève Mouligneau: „Mme de la Fayette, romancière?“, Brüssel: Édition de l’Université de Bruxelles 1980. Dieser Hinweis fehlt nicht zuletzt im Wiki-Artikel über Mme de Lafayette.)

Auch in den Briefen der Mme de Sévigné finden sich natürlich stets die Angaben, ob eine Dame „Mme“ oder „Mlle“ ist (sowie natürlich auch noch der aristokratische Titel). Für den Heiratsmarkt war es stets wichtig zu wissen, wer noch zu haben und wer bereits vergeben war. Von Abwertung also keine Spur!

Ebenfalls nicht abwertend komme auch ich ohne das Fräulein nicht aus. Wie soll ich schließlich sonst Ausländern erklären, warum das deutsche Mädchen ein grammatisches Neutrum ist, obwohl es doch ein natürliches Geschlecht besitzt! Bekanntlich hat das schon Mark Twain irritiert. Und die Erklärung mit der Diminutivform funktioniert eben nur, wenn man aus „die Frau“ „das Fräulein“ machen kann und aus „die Magd“ „das Mä(g)dchen“. Dann sind immer alle zufrieden, weil sich dieser vermeintliche Widerspruch (Genus vs. Sexus) geklärt hat. Und von der Auf- oder Abwertung des einen oder anderen sozialen Standes war wie gesagt keine Rede.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.05.2009 um 10.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14450

An Italienisch und Spanisch finde ich besonders schön, daß sie "signorino" bzw. "senorito" (spanisch mit Tilde auf dem n) für "junger Herr" anbieten.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 15.05.2009 um 10.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14449

Die Ablehnung des Begriffs "Fräulein" ist für mein Empfinden ein schönes Beispiel dafür, wie man vor lauter Furcht davor, geringgeschätzt zu werden, nicht merkt, daß man gelobt und gepriesen wird.
Da hat die Sprache ein eigenes Wort für junge Frauen, das ihre Eigenständigkeit und Jugend feiert, und Feministinnen fühlen sich beleidigt.

Wenn man mal das klassische Rollenbild nimmt, wird es vollends absurd, daß jemand eher "Frau" als "Fräulein" sein will:
Die verheiratete Frau war nicht berufstätig (hatte mithin kein eigenes Geld), kümmerte sich um Kinder und Küche, war von allem außerhalb der Familie ausgeschlossen und wirtschaftlich und sozial von ihrem Ehemann abhängig.
Das Fräulein hingegen war selbst berufstätig, stand auf eigenen Beinen und war damit seiner Schritte Herr, brauchte niemanden zu fragen, wenn es etwas tun wollte, lebte also frei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2009 um 05.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14448

In dem recht informativen Wiki-Artikel zu "Fräulein" heißt es:

»Die Frauenbewegung seit den 1970er-Jahren kritisiert den Diminutiv „Fräulein“ wegen der gesellschaftlichen Werte und Vorstellungen, die darin zum Tragen kämen: Einerseits löse das genus neutrum (ähnlich wie bei dem Wort „das Weib“) unerwünschte Assoziationen aus (als ob weibliche Menschen „Sachen“ wären), andererseits werde durch den Gebrauch der Unterscheidung zwischen „Fräulein“ und „Frau“ die Ansicht gefördert, wonach eine weibliche Person erst dann als erwachsene Frau gelten könne, wenn sie heirate, während einem jungen unverheirateten Mann dadurch, dass man ihn „Herr“ nenne, signalisiert werde, dass man ihn für einen vollwertigen Mann halte. Denn der „Junker“ hatte keine vergleichbare Wortgeschichte bis ins bürgerliche Zeitalter hinein und der „Jungmann“ hat sich nur als Schimpfwort für den Hagestolz erhalten, nicht als formelle Kategorie.
Systematisiert wurde die Kritik am traditionellen Sprachgebrauch in den „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“, die vier Linguistinnen 1981 veröffentlichten. Sie empfehlen den vollständigen Verzicht auf den Gebrauch des Wortes „Fräulein“; wer dieser Empfehlung nicht folge, müsse als „Sexist“ gelten. Die „Deutsche UNESCO-Kommission“ schloss sich 1993 dieser Sichtweise an: „Das Prinzip der sprachlichen Symmetrie besagt, dass dort, wo von Frauen und Männern die Rede ist, beide gleich zu behandeln sind.“[4] Immer dann, wenn bei einer männlichen Person der Begriff „Herr“ als Anrede oder Bezeichnung angemessen sei, gebe es keinen Grund, einer gleichaltrigen weiblichen Person in derselben Situation die Anrede oder Bezeichnung „Frau“ zu verwehren.«

– Man sieht hier, daß es nur darauf ankommt, staatliche Stellen für eine Idee zu gewinnen, dann wird sie durchgesetzt, auch wenn die wissenschaftlichen Grundlagen noch so dürftig sind. Die Diskussion ist dann durch Machtspruch beendet. Wir kennen das ja von der Rechtschreibreform. Die betroffene Bevölkerung wird nicht gefragt, man greift ohne Diskussion in vorstaatliche Sitten ein und fühlt sich dabei noch moralisch überlegen.

Zur Sache: Wie es zur "Pejorisierung" von "Weib" kam, ist ja längst aufgeklärt. Mit "Fräulein" ist nie Geringschätzung verbunden gewesen. Die Forderung nach "Symmetrie" ist rein ideologisch, die Berufung auf Gleichbehandlung eigentlich nur ein Wortspiel, das an Demokratie anklingen soll.

Nachtrag: Wie wichtig der Personenstand manchmal ist, weiß schon die junge Juliet: Go ask his name. - If he be married. My grave is like to be my wedding bed. Daß man dies bei "Herr" nicht erkennt, ist doch kein Grund, es auch bei Frauen unkenntlich zu machen. Die amtliche Festlegung, weibliche Personen sollten "auf Wunsch" so oder so angeredet werden, ist kaum praktikabel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2009 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14447

Unzeitgemäßerweise möchte ich auch einmal zur Diskussion stellen, ob das Wort Fräulein nicht auch ein willkommenes sprachliches Mittel war und ist. Die Schülerduden-Grammatik von Gallmann, Sitta und Looser schreibt:
"Immer noch wird hier und da zwischen der Frau und dem Fräulein unterschieden, eine Unterscheidung, die mit längst überwundenen Denkweisen zusammenhängt." Diese Redeweise wird mit der ptolemäischen vom Auf- und Untergang der Sonne verglichen ("obwohl wir seit Jahrhunderten wissen, dass ... " usw.).
Nun, welche Denkweise ist es denn? Daß es einen Unterschied macht, ob eine weibliche Person verheiratet ist oder nicht, wird auch der wüsteste Libertin nicht bestreiten. Unsere jüngste, sechzehnjährige Tochter wird oft gesiezt und Frau Ickler genannt, woran ich mich schwer gewöhnen kann. Der Vorteil dieser zum Teil ja amtlich verordneten Neuerung leuchtet mir auch nicht ein. Als ich meine eigene Frau kennenlernte, habe ich sie mit Fräulein angeredet – es ist also schon eine ganze Weile her –, und wir waren uns beide keiner "längst überwundenen Denkweise" bewußt, sind es auch im Rückblick nicht. Die Wörterbücher reden von "veraltet" oder "veraltend", protokollieren also auch diesen Eingriff wie ein Naturereignis, ähnlich dem Rechtschreib-"Wandel".
 
 

Kommentar von Thomas Paulwitz, verfaßt am 14.05.2009 um 09.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14445

http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=1016261&kat=317

Nürnberger Zeitung vom 11.5.2009

Die Crux mit weiblichen Wortformen

Von Stefan Brunn

...

In einem Forum der Forschungsgruppe Deutsche Sprache jedenfalls war man sich bei diesem Thema jüngst schnell einig: Es ist im Deutschen nun mal so, dass männliche Formen auch weibliche Personen einschließen - und zwar auch juristische Personen. Germanisten sprechen hier von einem «generischen Maskulinum». Also sollte man im Zweifel die Finger vom grammatischen Sexus lassen, wenn Wörter ohne natürliches Geschlecht gewählt werden.

Sprachfeministen sehen das zwar kritisch. Und viele Journalisten unterstützen sie unfreiwillig durch wilde Verwendung der «in»-Endung. Aber die Sprachbewahrer haben sehr gute Argumente für ihr generisches Maskulinum. «Die Zeuge und der Pfarrerin» haben sie das Thema überschrieben - die beiden Beispiele zeigen schon, wohin das Problem führt. Auch können sonst leicht Missverständnisse entstehen: In Afrika gibt es 10 000 Löwen, auf dem selben Kontinent leben 5000 Löwinnen. Wie viele Tiere sind das nun insgesamt? Auf jeden Fall, werden manche sagen, wären es mehr, wenn Deutschland nicht so viele Waffen exportierte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.04.2009 um 11.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14296

Zwei Bemerkungen: Es ist seit langem und auch außerhalb des Deutschen üblich, bei Metaphern, Abstrakta usw. das grammatische Geschlecht zu beachten: philosophia ancilla theologiae usw. Daher auch Tochterfirmen, Tochtergeschwülste, ...
Und bei Ausdrücken der Geringschätzung wird oft ein Substantiv mit entgegengesetztem Geschlecht gewählt, nach dem Muster "die Memme", "der Besen".
 
 

Kommentar von MG, verfaßt am 11.04.2009 um 11.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14295

Sie hatten behauptet, Herr Roth, niemand frage "Welche Firma ist Marktführerin ...". Diese Behauptung stimmt schlichtweg nicht. Man findet derlei Formen im heutigen Sprachgebrauch, in Zeitungen und im Netz. Die Anzahl der Fundstellen beweist sehr wohl, daß solche Formen im Gebrauch sind. Schlichtes Fußaufstampfen dagegen bringt nichts.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 11.04.2009 um 06.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14294

Und natürlich kann ein Mann auch eine Diva, eine Heulsuse, ja sogar eine Hure sein!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.04.2009 um 16.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14293

Auch ein Mann kann eine Ikone sein. Altgr. eikoon und neugr. eikona sind nun mal weiblich.
 
 

Kommentar von Robert Roth, verfaßt am 09.04.2009 um 22.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14292

Eine Googlesuche nach dem Wort "Marktführerin" beweist das Gegenteil.
Das beweist gar nichts.
Die w.Form von Marktführer ist nicht umstritten. In einem reinen Damensport gibt es nur Gewinnerinnen und Verliererinnen, keine Sieger und Verlierer.
Wenn aber der Sexus des Gattungsbegriffs (nennt man das so ?)nachfolgend auf das Genus ausgedehnt wird, riecht mir das verdächtig nach überzogenener und damit lächerlicher politisch korrekter Ausdrucksweise, und sei es auch nur unter dem vermeintlichen Zwang, ja nichts falsch auszudrücken.
Überdies können daraus gehörige Mißverständnisse erwachsen.

Wieviel Löwen gibt es in Afrika ? - 10.000.
Wieviel Löwinnen gibt es in Afrika ? - 5.000.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 09.04.2009 um 17.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14291

In einer Titelzeile einer Swissinfo-Seite ist zu lesen:
"Die Schweiz ist Pionier und Marktführerin im kombinierten alpenquerenden Güterverkehr - swissinfo"

Interessant, daß die Schweiz keine Pionierin (sondern Pionier) ist, Marktführerin soll sie aber allemal sein.
 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 09.04.2009 um 14.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14288

Wir sind uns bezüglich der Funktion und der Notwendigkeit des generischen Maskulinums einig. Mir ging es lediglich darum, darauf hinzuweisen, daß es durchaus Leute gibt, die Sprüche wie "Die Partei war Siegerin der Wahlen" oder "Die Allianz ist größte Aktionärin von ..." verwenden – und zwar ernsthaft.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.04.2009 um 10.49 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14286

Eine Googlesuche nach dem Wort "Marktführerin" beweist das Gegenteil.
Ja, leider. Und gestern abend 18.00 Uhr in den DLF-Nachrichten hieß es: "Die Partei ... ist als Siegerin aus den Wahlen hervorgegangen."

Vielen erscheint dieses grammatische '-in' offensichtlich ganz normal. Das Problem dabei ist aber, daß es auch dazu beiträgt, das generische Maskulinum zu verdrängen, das jedoch, wie Prof. Ickler mit seinen Beispielen zeigt, oft unverzichtbar ist.

Ich möchte meine Abneigung gegen das „grammatische -in“ noch etwas begründen:

Auf einem Foto sind mehrere Personen abgebildet. Ich zeige auf einen Mann und sage:
Diese Person (die zweite links oben) ist mein Lehrer.
Natürlich sage ich nicht, sie (die Person) sei meine Lehrerin, obwohl sie („die Person“) doch grammatisch weiblich ist. Sie (die Person) ist mein Lehrer, denn diese Person ist ein Mann.
Umgekehrt sage ich über eine Frau:
Dieser Gast ist meine Freundin.
Natürlich sage ich nicht, er (der Gast) sei mein Freund, obwohl er („der Gast“) doch grammatisch männlich ist. Er (der Gast) ist meine Freundin, denn mein Gast ist eine Frau.

Wie man daran sieht, bezieht sich der Gebrauch oder Nichtgebrauch des Suffixes -in auf den Sexus des Bezugsworts, nicht auf das Genus.

Immer wieder anzutreffende Formulierungen wie „Die Schule war die ständige Begleiterin in meiner Kindheit“ empfinde ich daher als unlogisch, denn „Begleiterin“ kann sich nur auf eine weibliche Person, keine Sache, beziehen. Solche Sätze mit Wörtern ohne natürliches Geschlecht verlangen m.E. (genauso wie Fälle, in denen das natürliche Geschlecht unbekannt, gleichgültig oder gemischt ist) das generische Maskulinum, nur dieses steht üblicherweise auch für Neutralität oder bei fehlendem Sexus.

Man könnte meinen, wenn kein natürliches Geschlecht vorhanden ist, dann schadet es auch nichts, sich statt dessen nach dem grammatischen zu richten. Aber nach meinem Gefühl steckt in dem grammatischen -in ein Mißbrauch, eine Art Stilbruch. Und – wie gesagt – es bringt das vieles vereinfachende generische Maskulinum leicht in Vergessenheit.
 
 

Kommentar von MG, verfaßt am 09.04.2009 um 09.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14284

| Es fragt ja auch niemand: Welche Firma ist Marktführerin
| bei den Schokoladenherstellern? (-/innen)! Ohgottogott.

Eine Googlesuche nach dem Wort "Marktführerin" beweist das Gegenteil.
 
 

Kommentar von Robert Roth, verfaßt am 07.04.2009 um 21.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14278

Herr Riemer,
ich denke da wie Sie.
Es fragt ja auch niemand: Welche Firma ist Marktführerin bei den Schokoladenherstellern? (-/innen)! Ohgottogott.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.04.2009 um 14.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14277

Erste Vorsitzende ist tautologisch und für ein so läppisches Kaffeekränzchen erst recht unangemessen; 1. Vorsitzende stand so in der Vorlage.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.04.2009 um 14.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14276

Ist es im Sinne eines guten Stils akzeptabel, wenn die weibliche Nachsilbe -in nicht nur auf weibliche Personen, sondern auch auf Dinge mit weiblichem Genus angewandt werden? Zum Beispiel:
Die Bundesrepublik ist Befürworterin von ...
Die Firma ist Marktführerin bei ...
usw.
Auf mich macht das immer einen etwas befremdlichen Eindruck, ich würde das -in hier weglassen, da es nur um das grammatische Geschlecht geht, während ich bei -in(nen) eigentlich nur an Personen denke. Aber was meinen andere?
 
 

Kommentar von Peter Schmitt, verfaßt am 07.04.2009 um 13.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14275

In seiner Literatursendung beim ORF hatte Dieter Moor kürzlich nur Frauen als Studiogast und diese bei der Begrüßung als "Gästinnen" vorgestellt. Ich habe das zunächst für einen "Gag", eine Anspielung auf den Frauentag, gehalten.
Aber er hat das Wort "Gästin" danach noch zwei- bis dreimal verwendet.
 
 

Kommentar von Robert Roth, verfaßt am 07.04.2009 um 09.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14273

Generisches Maskulinum

Ich habe gerade eine Radiostation wegen eines Murkses angeschrieben. Den weiblichen Studiogast hätte ich wohl als Gästin bezeichnen sollen.
 
 

Kommentar von Galina Leljanowa, verfaßt am 06.04.2009 um 22.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14272

Nicht nur Frau Bundeskanzler akzeptiert das beschämende Verhalten ihres Steinbocks.
 
 

Kommentar von Arno Pielenz, verfaßt am 06.04.2009 um 21.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14267

Zu R. M. "ist die 1. Vorsitzende" - warum stört mich das? Müßte es nicht die "Erste Vorsitzende" heißen, und es wäre dann eine 3. Erste Vorsitzende möglich?
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 06.04.2009 um 18.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14265

Was wir – mangels Kanzlerinnenalternativen – auch sofort glauben. Ich fürchte nur, daß sich die unfreiwillige Komik den Schreibern (Schreiberinnen!) nicht erschließen wird.

Ich muß da unwillkürlich an Herrn Stang denken, der nach Aussage der F.A.Z. (ich habe endlich mal an die Pünktchen gedacht!) alles in seiner Umgebung im Geiste rot anstreicht.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.04.2009 um 17.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1135#14264

»Jetzt ist Angela Merkel die beliebteste Kanzlerin aller Zeiten.« (Anne Meuer-Willuweit, 1. Vorsitzende der Frauen-Union Bielefeld, laut Neue Westfälische, 14. 2. 2006)
 
 

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