zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Theodor Icklers Sprachtagebuch

Die neuesten Kommentare


Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag

Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben


23.09.2008
 

sein und gehen
Bemerkung zu den Kopulaverben

Merkwürdigerweise sagt man bei einigen Adjektiven wie kaputt, pleite, den Partizipien wie verloren und auch defektiven Adjektiven (oder was auch immer) wie entzwei in prädikativem Gebrauch eher gehen als werden.

Dieser Gebrauch von gehen, der bekanntlich Auswirkungen bei der Rechtschreibreform hatte, wird in Wörterbüchern stiefmütterlich behandelt. In Pauls Deutschem Wörterbuch steht sehr richtig: „Fast zur Kopula verblaßt ist g. in schwanger, müßig g., desgl. in entzwei, in Stücke g., los-, verloreng. usw. mit dem Unterschied, daß es in jenen einen dauernden Zustand, in diesen den Eintritt eines Zustandes bezeichnet.“
Grimms Wörterbuch sagt immerhin: "beachtenswert auch gefangen gehen, als gefangener: und du Pashur solt mit allen deinen hausgenossen gefangen gehen und gen Babel kommen. LUTHER Jer. 20, 6, vulg. ibitis in captivitatem; ADELUNG nahm es für 'gefangen werden', wozu einen anhalt das merkwürdige verloren gehen bieten kann, s. u. 16, f."
An der angeführten Stelle geht es aber nur um entzwei = in zwei gehen.

Die Neuregelung verlangt nun pleitegehen, aber pleite werden. In der heutigen SZ lese ich, wie fast jeden Tag, pleite gehen, einmal aber auch noch Pleite gehen, wie es zehn düstere Jahre lang vorgeschrieben war.



Diesen Beitrag drucken.

Kommentare zu »sein und gehen«
Kommentar schreiben | älteste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.01.2019 um 07.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#40447

Zu Ultima Thule, aus gegebenem Anlaß:

In Goethes "König in Thule" könnte die erste Zeile (wie in Vorfassungen) eine Existenzaussage im Märchenton sein: Es war einmal..., die zweite also eine Apposition, und so steht in manchen Aussagen ein Komma. Ohne Komma ist es ein Kopulasatz: Ein König war treu...
In jedem Fall wird die Pointe, nämlich die Treue, das Festhalten an der einen großen Liebe, schon zu Beginn ausgedrückt, der Rest ist nur die Ausführung dieser Eigenschaft. Wenig bemerkt wird das Unrealistische des Schlußbildes: Der König kann ja wohl kaum vom Fenster aus, an dem er stehen muß, den Becher im Meer versinken sehen. Es sei denn, die Wellen plätscherten direkt gegen die Mauern des "hohen Vätersaals" und er lehnte sich aus dem Fenster, um dem Becher nachzusehen. Aber so genau will es das Volk, in dessen Ton die Ballade gehalten ist, gar nicht wissen.
Spötter haben dem alten Zecher nachgesagt, daß er aus Kummer über den frühen Tod seiner Frau oder Geliebten erst zum Alkoholiker geworden sei. Mit diesen frechen Leuten wollen wir nichts zu tun haben, sondern feiern die wahre Liebe und Treue auch im Neuen Jahr!
(In die Anthologie "Poems that make grown men cry" ist "Wandrers Nachtlied II" aufgenommen, nicht der "König in Thule". Goethe selbst kamen die Tränen, als er das Nachtlied auf dem Gickelhahn wiederlas.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.09.2018 um 04.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#39499

Aber die damaligen Notmaßnahmen hätten verhindert, dass Firmen wettbewerbsfähiger – oder vom Markt verschwinden würden. (SPON 8.9.18)

Unser Unbehagen kommt daher, daß dasselbe werden zuerst als Kopulaverb und dann als Hilfsverb verstanden werden muß.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2017 um 04.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#34890

Mehr Huhn war nie (FAS Ostern 2017)

Aber nicht: *20 Mrd. Hühner sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.03.2017 um 09.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#34656

weniger werden wohl nur mit dem Komparativ. Eigenartig ist die häufige Verwendung im Sinne von "abmagern (zum Tod hin)":

Da er nicht essen konnte, wurde er zusehends weniger. (http://heerwagen-s.de/index.php/vz/gen)

Über die Monate wurde er zusehends weniger. Er nahm zehn Kilo ab und wog bei 1,74 Meter Größe nur noch 64 Kilogramm. (http://www.swp.de/metzingen/lokales/ermstal/das-muss-was-schlimmes-sein-11368158.html)

Nina bekam Bestrahlungen und wurde zusehends weniger.

Oft in dieser Verbindung.

Dazu euphemistisch verschweigend: Der wird nicht mehr. (ist unheilbar)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.03.2017 um 04.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#34634

Einen weiteren Beleg für sein als Existenzverb hatte ich unter "Delirium" (wo sonst?) vorgeführt:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1540#29567
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.03.2017 um 06.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#34608

"Anglizismus" bezog sich zunächst nur auf die Übersetzung von Whitmans Ausdruck, die dann als Vorlage weiterwirkte.
dasein gehört trotz Zusammenschreibung zu den Kopulaverwendungen.
Danke für den Hinweis auf die mundartlich-umgangssprachliche Verwendung, die ich auch kenne!

"Existieren" heißt eben sprachlich nicht "Wert einer gebundenen Variablen sein", wie die Logiker wollen, sondern "Teil dieser Welt sein", und im Bezug auf diese Welt liegt das unaufhebbar Deiktische von Existenzaussagen. Die verbalen Ausdrücke und Fügungen verraten es, im Fremdwort existieren ist es beinahe unerkennbar verkapselt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.02.2017 um 16.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#34606

Ähnlich wie im Englischen (there is) kann man ja auch im Deutschen die Kopula mit einem Verbzusatz in ein Vollverb verwandeln: dasein.

So ließen sich Sätze wie
Früher war mehr Lametta.
vielleicht auch einfach als umgangssprachliche Verkürzung des standarddeutschen
Früher war mehr Lametta da.
verstehen. Da braucht man keinen Anglizismus.

Übrigens, in der Mundart meiner Mutter heißt es auch jetzt noch ganz substantiell anstatt
Es ist (noch) Suppe da:
Suppe is (noch).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.02.2017 um 09.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#34605

Zu

http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#33895
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#27776
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1544#32844

Der Buchtitel Früher war mehr Rechtschreibung ist einem ähnlichen Scherz nachgebildet, Loriots Früher war mehr Lametta.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.11.2016 um 05.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#33895

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#27776

Eine kleine Gruppe von Abweichungen findet man in Zeitungen und Buchtiteln, etwa Mehr Zukunft war nie. Das ist Soviel Anfang war nie nachgebildet, einer Übersetzung von Walt Whitmans Zeile There was never any more inception than there is now, in Deutschland durch den Titel einer Anthologie nach dem Krieg verbreitet. Also gewissermaßen ein Anglizismus, weil unserem es gibt im Englischen there is entspricht mit einer Verwendung des Verbum substantivum, die wir praktisch aufgegeben haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2016 um 06.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#32192

Überraschend selten findet man außer sich werden, gelegentlich mal ein wurde außer sich von Zorn, eher in älteren Texten. Üblich ist außer sich geraten, aber das ist phraseologisch gebunden und kann das Feld der Kopulasynonyme nicht wesentlich bereichern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2016 um 11.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#32185

Nach Ludger Hoffmann (Hb. dt. Wortarten 223) können einige Adverbien mit den Kopulaverben bleiben, sein, werden verbunden werden, aber in seiner Aufstellung kommen allenfalls anders und so für werden in Frage, und beide sind fragwürdig. anders kann als Allomorph des Adjektivs ander- aufgefaßt werden (wie hoch zu hoh-), und so gehört zu den Prowörtern, für die eigene Verwendungsregeln gelten (vgl. so sagt man).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.02.2016 um 05.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#31678

Nach Wiegand/Kučera (Kopenhagener Beitr. 18, 1981:127f.) sind folgende Adjektivverwendungen adverbial:

Bei der künstlichen Beleuchtung wirkte ihr Modeschmuck bernsteinfarben.
Das Wasser schmeckte eisenhaltig.
Sie sah drüsenkrank aus.

wirken, schmecken, aussehen
sind aber Kopulasynonyme. Im Englischen stehen in entsprechenden Fällen die Adjektive. Das Zeugnis anderer Sprachen ist zwar nicht beweiskräftig, aber doch ein Hinweis, wie die Sache zu verstehen ist.

In den Beispielen geht es ja nicht darum, auf welche Weise etwas wirkt, schmeckt oder aussieht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2016 um 16.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#31349

allein wird, wie gesagt, als Adjektiv geführt, was den Grammatikautomaten dazu veranlaßt, folgenden Eintrag zu erzeugen:

"alleines ist eine flektierte Form von alleine.

Grammatische Merkmale:
Nominativ Singular Neutrum der starken Deklination des Positivs des Adjektivs alleine
Akkusativ Singular Neutrum der starken Deklination des Positivs des Adjektivs alleine
Nominativ Singular Neutrum der gemischten Deklination des Positivs des Adjektivs alleine
Akkusativ Singular Neutrum der gemischten Deklination des Positivs des Adjektivs alleine"

(https://de.wiktionary.org/wiki/alleines)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2016 um 10.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#31240

Unsere herkömmliche Einteilung der Wortarten geht bekanntlich nicht auf, weil es zu viele "Grenzgänger" gibt; vgl. das ebenso überschriebene Kapitel von Angelika Storrer in Hoffmann, Hb. deutscher Wortarten.

Für die nur prädikativ gebrauchten Ausdrücke hat man "Adkopula" (IDS) oder "Kopulapartikel" (U. Engel) vorgeschlagen, beides nicht mit großem Erfolg. S. a. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1552
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 11.01.2016 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#31238

Ich habe die Beispiele trotz der Unterschiede in eine Reihe gestellt, weil mir aufgefallen war, daß solche Wörter in verschiedenen Wörterbüchern als »indeklinable Adjektive« bezeichnet werden, und ich mich gefragt habe, ob die Redaktionen in Zweifelsfällen vielleicht recht schnell zu diesem Stempel greifen. schnuppe, egal, wurs(ch)t, einerlei sind nicht deklinierbar, nicht komparierbar und auch nicht attributiv verwendbar, werden im Duden aber dennoch als Adjektive klassifiziert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2016 um 08.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#31236

Bei rosa, super haben wir immerhin schon den attributiven Gebrauch.
Bekanntlich könnte man auch bei Berliner usw. in Zweifel kommen. Ich habe außer der attributiven Verwendung noch ein Kriterium gefunden. Das ist ein typisch Wiener Lokal, typisch Wiener Hausmannskost, ein typisch Wiener Ausdruck (Literatur in Bayern Sept. 2004: 10) – das spricht für Adjektiv. (Umgedeutet aus dem Genitiv Plural natürlich.)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 11.01.2016 um 08.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#31235

Welcher Wortart gehören denn rosa, super und schnuppe an?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2016 um 07.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#31233

allein wird in Wörterbüchern (DUW und anderen) als "Adjektiv" bezeichnet, ich weiß nicht, mit welchen Gründen. Ebenso auch in einer längeren Abhandlung über dieses Wort von Hans Altmann und Katrin Lindner (in "Befund und Deutung", Fs. Fromm 1979). Wenn es nicht deklinierbar, nicht komparierbar, nicht attributiv verwendbar ist, kann es doch kein Adjektiv sein. Sonst wären umsonst usw. auch Adjektive.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.07.2015 um 06.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#29359

Noch zu #27776:

Es geht darum, daß Kopulaverben wie sein (die Kopula schlechthin) einerseits die Einordnung in ein Begriffssystem ausdrücken (Er ist fleißig), andererseits die Zuordnung zu einem Bestandssystem (Er ist in Berlin). Im zweiten Fall sehen manche aber kein Kopulaverb, sondern ein Vollverb, weil man auch sagen könne befindet sich.

Ich habe schon gezeigt, daß dieses Argument nicht stichhaltig ist. Auch scheint mir Er ist jetzt in Berlin und mit seinem Leben zufrieden nicht zeugmatisch verkehrt zu sein. Daraus folgt nebenbei, daß sich befinden anders als existieren nur ein Kopulasynonym ist, und zwar gerade für den Zweck, etwas einem Bestandssystem zuzuordnen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2015 um 17.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#28898

Noch einmal zur Synonymik von allein und einsam (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#25136)

In den Wörterbüchern (Duden Richtige Wortwahl) wird zutreffend vermerkt, daß einsam eher gefühlsbetont ist. Aber das ist keine unwesentliche Nuance, sondern die beiden Wörter gehören völlig verschiedenen Kategorien an, und der Beweis ist eben gerade die grammatische Tatsache, daß man zwar einsam, aber nicht allein werden kann.

einsam bezeichnet eine Eigenschaft, allein die Stellung in einem Bestandssystem (um es einmal auf meine Grundbegriffe zu bringen, auch wenn es etwas befremdlich klingen mag). Man kann nicht für sich, untereinander, zu Hause "werden", also überhaupt nicht irgendwo oder irgendwohin "werden".

Wenn ein Haus einsam im Wald steht, handelt es sich um einen Anthropomorphismus.

Nicht unmöglich, aber schon recht selten ist es, daß jemand nackt wird oder gar tot. Auf dem eingeschlagenen Weg fortschreitend, könnte man vermuten, daß es sich hier entgegen dem Augenschein auch nicht um Eigenschaften im strengen Sinn handelt. Bei nackt geht es bekanntlich um eine soziale Norm. Hierzulande können daher Gesicht und Hände nicht im strengen Sinn nackt sein, denn sie sind normalerweise nicht bekleidet.

Das Kraftwerk Krümmel bleibt vorerst vom Netz. (SZ 6.7.09)

Das Kraftwerk kann vom Netz gehen, sein und bleiben, aber nicht werden. Es bildet zusammen mit dem Netz ein Bestandssystem, und der Eintritt in ein solches oder der Austritt können nicht durch werden ausgedrückt werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2015 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#27776

Manche Grammatiker wollen keine eigenen Kopulaverben anerkennen. Aber wenn sein in jeder Verwendung ein Vollverb wäre, bliebe rätselhaft, warum der folgende Satz nicht möglich ist:

*Nachahmung ist bei Vögeln selten und bei Reptilien gar nicht.

Vgl. dagegen mit Vollverb:

Nachahmung kommt bei Vögeln selten vor und bei Reptilien gar nicht.

Nach Kopulaverben stehen Adjektive, nach Vollverben Adverbien (Adverbialien), daher:

*Nachahmung ist bei Kindern oft.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.02.2014 um 19.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#25222

zu #25136, sein/bleiben - werden:

Während man mit sein einen Zustand zu einem Zeitpunkt und mit bleiben einen festen Zustand innerhalb eines Zeitintervalls benennt, steht nach werden der Endzustand einer Veränderung innerhalb eines Zeitintervalls. Ein Prädikativ, das diesen Endzustand bezeichnet, kann demzufolge nur ein solches sein, das überhaupt einer kontinuierlichen Veränderung fähig ist. Diese Voraussetzung erfüllen zum Beispiel steigerbare Adjektive oder solche, die Eigenschaften mit veränderbarer Intensität bezeichnen (z. B. Farbadjektive).

Man kann daher groß, krank, rot werden, aber nicht *tot werden, denn tot ist weder steigerbar noch gibt es verschiedene Abstufungen. Das Adjektiv einsam ist steigerbar, man kann daher einsam sein/bleiben/werden. Aber allein ist nicht steigerbar, es ist ein völlig statischer Begriff, so man kann zwar allein sein/bleiben, aber nicht *allein werden.

Adverbiale wie im Garten sind ebenfalls unveränderlich, man kann nicht allmählich in den Zustand im Garten gelangen. Entweder ist man drinnen oder draußen, es handelt sich um einen sprunghaften Wechsel. Deshalb kann man im Garten sein, aber nicht im Garten werden.

Ein Infinitiv stellt auch einen unveränderlichen Zustand dar. Ein Buch ist zu schreiben, aber nicht zuerst nur ein bißchen, dann immer stärker, deshalb kann es nicht *zu schreiben werden.

Nun ist sprichwörtlich klar, daß man nicht nur *ein bißchen schwanger sein kann. Das Wort ist nicht steigerbar, trotzdem kann man schwanger werden. Ich glaube jedoch, dies ist kein Widerspruch zu der genannten Theorie. Vielmehr drückt sich darin eine Art sprachliches Tabu aus, man spricht nicht so genau aus, wie eine Frau "geschwängert wird", man versucht es zu verschleiern, indem man sprachlich so tut, als ob schwanger werden eben doch etwas ähnliches ist wie krank werden oder gesund werden.

Nur dadurch, daß die Kopula werden nicht für statische Zustände taugt, ist eine Verwechslung mit dem fürs Vorgangspassiv benutzten Hilfsverb werden ausgeschlossen, und nur deswegen steht sie fürs fürs Vorgangspassiv zur Verfügung.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2014 um 08.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#25136

Die Kopulaverben werfen einige Probleme auf. Zunächst würde man vermuten, daß sein und werden einander sehr ähnlich sind, die Distribution ist aber verschieden. Man kann zwar allein, unter sich, im Garten, zu Hause, nackt, tot sein, aber nicht werden (nackt werden nur unter ganz besonderen Bedingungen). Dagegen ist bleiben stets möglich. Obwohl einsam fast dasselbe zu bedeuten scheint wie allein (allerdings im Gegensatz zu diesem attributiv verwendbar ist), kann man nur einsam werden, aber nicht allein. Das "Gerundiv" kann auch nicht mit werden angeschlossen werden: Das Buch ist/bleibt/*wird zu schreiben. Die Gründe sind bisher nicht klar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.08.2010 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#16719

Walter Wittmann: Staatsbankrott. Warum Länder Pleite gehen. Zürich 2010 (Orell Füssli)

In Gallmann-Land muß man die ungeliebte Revision von 2006 nicht zur Kenntnis nehmen ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2009 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#13903

Von derselben Leserbriefseite der Süddeutschen Zeitung (13.2.09):
Lasst sie doch pleite gehen! (Überschrift)
Es muss richtig weh tun (Überschrift)
Im zweiten Fall ist auch Zusammenschreibung zulässig, im ersten aber neuerdings vorgeschrieben. Diese unterschiedliche Regelung kann niemand begreifen oder behalten, man muß also ständig nachschlagen.
In derselben Ausgabe steht auch auf deutsch neben auf Englisch (wiederum auf derselben Seite).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.10.2008 um 22.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#13348

Mannheimer Morgen, heute auf Seite 1:

"Sie hat Termingelder bei der Pleite gegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers angelegt."
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 04.10.2008 um 22.52 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#13218

Die Wörter kaputt und pleite gehören nicht beide zu den Adjektiven, sondern nur das erste, weil es adnominal attribuierbar ist – Pleitegeier ist ein Kompositum!. Wörter wie pleite, leid, gram usw. sind Partikeln, die meist als Prädikativ erscheinen, aber auch wie Adverbien (pleite gehen erscheinen. Sie sind dennoch keine Adverbien, weil sie deren Kriterien nicht erfüllen. Die Deformer wollten leid zum Nomen stilisieren, haben uns aber in ihrer Gnade gram und pleite gelassen. Die Deformer sind halt echte Volksfreunde.
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 25.09.2008 um 09.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#13114

In der Frage, ob 'schlechtsetzen' (ein Begriff aus der Steuerungstechnik) reformiert getrennt geschrieben werden müsse, wandte ich mich an die Wahrig-Online-Beratung. Hier ein Teil der Antwort (die Auslassungspunkte sind original):
"Getrenntschreibung würden wir hier weniger empfehlen, da "gut"/"schlecht" so einen eigenständigen, adverbialen Charakter erhält, der hier wohl nicht intendiert ist. (-> eine Frisur kann gut/schlecht sitzen; ein älterer Mensch kann sich nur noch schlecht (hin-)setzen; ...). Vielmehr scheint uns die Zusammenschreibung sinnvoll. In Analogie zu "gleichsetzen" wird "gut"/"schlecht" so als Verbpartikel gesehen: Etwas wird "gleichgesetzt", "gutgesetzt", "schlechtgesetzt"."
Wie man sieht, argumentiert die Redaktion durchaus 'klassisch', d.h. anhand der Semantik - lediglich das Betonungskriterium wurde nicht bemüht. Berühmte Reform-Rohrkrepierer wie die Steigerbarkeit oder die Endung des ersten Wortes scheinen aber keine Rolle mehr zu spielen.
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 24.09.2008 um 11.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#13108

Soweit ich mich erinnere, sind heute sowohl "verlorengehen" als auch "verloren gehen" formal zulässig. In diesem Fall müßte man also der Redaktion schreiben, daß die Zusammenschreibung nicht nur "alt" und damit spießig und verurteilenswert, sondern im Gegenteil "ganz neu" und damit frisch, fruchtig, vollcool und total angesagt ist.

Ähnliches gilt wohl (?) auch für fertigmachen (i.S.v. verprügeln), fertigstellen, sicherstellen, gefangennehmen usw.. Nur hat leider niemand die Macht oder den Willen, die inzwischen freudig adaptierte Auseinanderschreiberits zu bekämpfen. Es lebe das Deppen Leer Zeichen!
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 23.09.2008 um 19.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#13100

Die Rechtschreibreform hat zum großen Halali auf solch differenzierende Schreibungen geblasen – eine Rückkehr scheint nur schwer und nur noch unter größten kulturellen Anstrengungen vorstellbar. Grundschüler sollen eben nicht mehr damit belästigt werden, zwischen "stehen bleiben" und "stehenbleiben" zu unterscheiden. Was den Grundschulunterricht anbetrifft, so sehe ich hier kein Problem – warum allerdings Erwachsenen diese Möglichkeit einer Unterscheidung vorenthalten bleiben soll, darauf wird man aus Mannheim wohl nie eine Antwort erhalten. Mich ärgert persönlich die künstliche Trennung von "verlorengehen", denn das ist ja höchst unterschiedlich von "verloren gehen". In solch diffusen Rechtschreibzeiten macht es kaum noch Spaß, überhaupt irgendeinen Satz zu verfassen. Ich bewundere alle, die es dennoch tun. Für mich besteht der einzige Ausweg darin, in meiner privaten wie auch in meiner beruflichen Korrespondenz bei der besseren Rechtschreibung zu bleiben. Ich habe noch nie deswegen einen ernsthaften Einspruch vernommen.
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 23.09.2008 um 12.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1053#13086

Vor einiger Zeit mailte ich die Online-Redaktion von Wahrig an, weil in einer Internet-Wortliste zur Rechtschreibreform unterschieden wurde zwischen "alt: flötengehen" und neu "neu: flöte gehen". Ich kritisierte diesen Eingriff, primär nicht wegen der Getrenntschreibung, sondern weil das 'n' gestrichen worden war. Frau Pfeiffer-Stolz teilte in diesem Zusammenhang mit, das Wort stamme aus dem Hebräischen und sei im Deutschen daher mit 'pleite' verwandt. Die Grundbedeutung sei daher 'verloren werden'.
Nach dieser Kritik wurde der Eintrag geändert in "neu: flöten gehen". Das tut mein Kind jede Woche, ging aber zum Glück nicht verloren.
 
 

nach oben


Ihr Kommentar: Sie können diesen Beitrag kommentieren. Füllen Sie dazu die mit * versehenen Felder aus und klicken Sie auf „Kommentar eintragen“.

Sie können in Ihrem Kommentar fett und/oder kursiv schreiben: [b]Kommentar[/b] ergibt Kommentar, [i]Kommentar[/i] ergibt Kommentar. Mit der Eingabetaste („Enter“) erzwingen Sie einen Zeilenumbruch. Ein doppelter Bindestrich (- -) wird in einen Gedankenstrich (–), ein doppeltes Komma (,,) bzw. ein doppelter Akut (´´) werden in typographische Anführungszeichen („ bzw. “) umgewandelt, ferner werden >> bzw. << durch die entsprechenden französischen Anführungszeichen » bzw. « ersetzt.

Bitte beziehen Sie sich nach Möglichkeit auf die Ausgangsmeldung.
Für sonstige Diskussionen steht Ihnen unser Diskussionsforum zur Verfügung.
* Ihr Name:
E-Mail:
(Wenn Sie eine E-Mail-Adresse angeben, wird diese angezeigt, damit andere mit Ihnen Kontakt aufnehmen können.)
* Kommentar:
* Spamschutz:   Hier bitte die Zahl einhundertvierundfünfzig (in Ziffern) eintragen.
 


Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM